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Fernsehen Rundfunk

Fernsehen ohne Kaffee

Ges­tern Abend wur­den in Ber­lin die Echos ver­lie­hen. Der Ver­an­stal­ter, der Bun­des­ver­band Musik­in­dus­trie e.V., bezeich­net den Echo kon­se­quent als „einen der wich­tigs­ten Musik­prei­se der Welt“, nach wel­chen Kri­te­ri­en die Prei­se genau ver­lie­hen wer­den, weiß nie­mand so genau, ver­mut­lich nicht ein­mal Prof. Die­ter Gor­ny. Eine gro­ße Rol­le spie­len auf alle Fäl­le die Ver­kaufs­zah­len, wes­we­gen der Abend eini­ger­ma­ßen erwart­bar aus­ging. Ande­rer­seits: Nur ein Preis für Tim Bendz­ko, statt Revol­ver­held haben wenigs­tens Jupi­ter Jones gewon­nen und der Hip-Hop/Ur­ban-Preis ging immer­hin an den sym­pa­thi­schen Cas­per statt an den homo­pho­ben Bushi­do.

Die Preis­ver­lei­hung aber, bis vor vier Jah­ren bei RTL von Oli­ver Geis­sen und/​oder Frau­ke Ludo­wig asep­tisch weg­mo­de­riert, war der ARD dann doch erstaun­lich gut gelun­gen: Vom gro­ßen Ope­ning mit den fünf größ­ten Radio­hits des ver­gan­ge­nen Jah­res (Jupi­ter Jones, Fri­da Gold, Andre­as Bou­ra­ni, Tim Bendz­ko und Revol­ver­held – don’t get me star­ted), das noch ein biss­chen unt­erprobt wirk­te, in Zukunft aber funk­tio­nie­ren soll­te, über die ange­nehm kurz gehal­te­nen Zwi­schen­mo­de­ra­tio­nen von Ina Mül­ler und Bar­ba­ra Schö­ne­ber­ger bis hin zu den vie­len, vie­len Auf­trit­ten (Kraft­klub mit Cas­per, Tim Bendz­ko mit Shag­gy!) war das ein kurz­wei­li­ger, bun­ter Abend, der das bes­te aus dem raus­hol­te, was in Deutsch­land als Inven­tar der Unter­hal­tungs­in­dus­trie zur Ver­fü­gung steht. Und ich weiß, wie schwer das ist, ich habe es letz­tes Jahr als Co-Autor der Echo-Ver­lei­hung selbst ver­sucht.

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Heu­te Abend wird der Adolf-Grim­me-Preis ver­lie­hen, die viel­leicht renom­mier­tes­te Aus­zeich­nung, die es in Deutsch­land für Fern­seh­sen­dun­gen gibt. Die Preis­über­ga­be fin­det mit ver­gleichs­wei­se wenig pyro­tech­ni­schem Ein­satz im Stadt­thea­ter Marl statt und die Chan­cen ste­hen hoch, dass Sie noch nie eine der gewür­dig­ten Sen­dun­gen gese­hen haben, weil die­se von den Sen­dern, die sie bestellt und finan­ziert haben, zu absur­des­ten Zei­ten ver­sen­det wur­den, auf dem alten Sen­de­platz des Test­bilds.

Selbst die Grim­me­preis­ver­lei­hung selbst, eher pro­tes­tan­ti­scher Ern­te­dank­got­tes­dienst als katho­li­sches Hoch­amt, wird von 22.25 Uhr bis 23.55 Uhr auf 3sat ver­klappt. Dabei kann man da wenigs­tens immer ein paar Minu­ten Aus­schnit­te aus den hoch­klas­si­gen, zumeist (aber nicht aus­schließ­lich) depri­mie­ren­den Fern­seh­spie­len und Doku­men­ta­tio­nen sehen, die man im Lau­fe des Jah­res so ver­passt hat.

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Es ist also nicht so, dass es in Deutsch­land gar kein gutes Fern­se­hen gäbe, aber man muss danach suchen – und es wird selbst von den öffent­lich-recht­li­chen Sen­dern bewusst ver­hin­dert. Die brei­te Mas­se ist genau­so mut‑, belang- und lieb­los, wie das, was an deut­scher Pop­mu­sik im Radio oder halt beim Echo läuft.

Mal­te Wel­ding hat für die „Ber­li­ner Zei­tung“ eine gro­ße Abrech­nung mit dem deut­schen Fern­se­hen ver­fasst, die auch eine Abrech­nung mit dem gesam­ten Kul­tur­be­trieb, ja eigent­lich der gan­zen Bun­des­re­pu­blik ist.

Hier mal eine der mode­ra­te­ren Pas­sa­gen:

Was Chi­na im Fuß­ball, das ist Deutsch­land in der Unter­hal­tung. Ein Ent­wick­lungs­land. Ein Ent­wick­lungs­land aller­dings, des­sen Unter­hal­tungs­be­am­te sich gebär­den, als hät­ten sie den begeh­ba­ren Klei­der­schrank erfun­den, und das ein Schwei­negeld hat. Da wer­den Film­bäl­le gege­ben, die gera­de durch den Gla­mour­ver­such am Ende doch immer so aus­se­hen wie die Abi­fei­er der Jean-Sans-Terre-Ober­schu­le.

Das deut­sche Fern­se­hen steht so patsch­zu­frie­den im eige­nen Saft, dass es mit gro­ßer Fröh­lich­keit dar­in ersau­fen wird, in der Kar­ne­vals­brü­he aus Küs­ten­wa­chen­wie­der­ho­lun­gen und Seri­en mit Tie­ren in der Haupt­rol­le und Selbst­ver­si­che­rungs­ka­ba­retts­en­dun­gen und Redak­tio­nen nach Par­tei­pro­porz, die Polit­sen­dun­gen simu­lie­ren, und ist die Ren­te sicher und kippt der Euro und stirbt das Land? Ja, das Land stirbt. Vor Lan­ge­wei­le.

Mal­te Wel­ding: Stirbt das Land vor Lan­ge­wei­le?

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Film Print

Kulturhauptstadt 2008

Ich freue mich sehr, nach­tra­gen zu kön­nen, dass Cle­mens Schön­born, den ich beim „Berg­fest“ des Adolf-Grim­me-Prei­ses in Marl ken­nen­ge­lernt hat­te, und der wie ich in Dins­la­ken auf­ge­wach­sen ist, für sei­nen Film „Der Letz­te macht das Licht aus“ das Mer­ce­des-Benz-För­der­sti­pen­di­um ver­lie­hen bekom­men hat. Im Gegen­satz zum eigent­li­chen Grim­me-Preis, für den er nomi­niert war, macht sich die­ses auch in barer Mün­ze (oder wie auch immer man die 10.000 Euro aus­ge­hän­digt bekommt) bemerk­bar. Ich habe den Film lei­der immer noch nicht gese­hen, aber Ste­fan Nig­ge­mei­er, dem ich in sol­chen Din­gen durch­aus ver­traue, fand ihn gut.

Natür­lich müs­sen der­lei gute Nach­rich­ten auch von der Lokal­pres­se sofort wei­ter­ver­brei­tet wer­den, und so brach­te die „Rhei­ni­sche Post“ ges­tern ein mit­tel­gro­ßes Por­trät.

Er fühl­te sich geschmei­chelt, auch von der Begrün­dung der Jury: „Jens Schön­born setzt einen Mei­len­stein auf das sel­ten – viel zu sel­ten – beacker­te Ter­rain der deut­schen Arbei­ter­ko­mö­die.“

Das stimmt so natür­lich nicht, denn in der Begrün­dung der Jury heißt Cle­mens auch wei­ter­hin Cle­mens und nicht Jens.

Noch ein wei­te­rer Satz ließ mich sto­cken:

Er besuch­te das Theo­dor-Heuss-Gym­na­si­um, mach­te dort sein Abitur.

Ich habe Cle­mens Schön­born jetzt nicht noch mal zum Fact-Che­cking kon­tak­tiert, aber bei unse­rer leicht hys­te­ri­schen „Kenns­te das und das und den?“-Runde, die orts­frem­de Mit­glie­der unse­rer klei­nen Gesprächs­run­de zu besorg­tem Stirn­run­zeln ani­miert hat­te, hat­te er mir eigent­lich erzählt, sein Bru­der habe (wie ich) das „THG“ besucht, er selbst sei auf das damals noch exis­ten­te Ernst-Bar­lach-Gym­na­si­um gegan­gen. Aber ich mag mich irren, das Bier war an jenem Abend kos­ten­los.

Nicht irren tue ich mich aber, wenn ich aber­mals die Kul­tur­me­tro­po­le Dins­la­ken aus­ru­fe. Denn von dort kommt nicht nur Deutsch­lands ange­sag­tes­te Nach­wuchs­band, son­dern natür­lich auch Micha­el Wend­ler, der „König des Pop­schla­gers“, des­sen neu­es Album am Frei­tag erschei­nen wird, und in das Sie bereits jetzt „exklu­siv“ (was auch immer das dies­mal wie­der hei­ßen mag) bei bild.de rein­hö­ren kön­nen.

Das nächs­te Kapi­tel Dins­la­ke­ner Kino­ge­schich­te wird übri­gens auf­ge­schla­gen, wenn im April „Lauf um Dein Leben“ anläuft, ein Film, der vom in Dins­la­ken gebo­re­nen Regis­seur Adnan G. Köse zu wei­ten Tei­len in sei­ner Hei­mat­stadt gedreht wur­de.

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Leben

Sie sind überall!

Ich weil­te heu­te (bzw. am Diens­tag­abend) beim „Berg­fest“ des 44. Adolf-Grim­me-Prei­ses in Marl. Im offi­zi­el­len Teil gab es unter ande­rem eine Podi­ums­dis­kus­si­on zur Fra­ge, ob im öffent­lich-recht­li­chen Fern­se­hen kei­ne Wer­bung mehr lau­fen soll­te. Wie begeis­tert ich immer von Podi­ums­dis­kus­sio­nen bin und was dabei her­um­kommt, kön­nen Sie sich hier oder hier zusam­men­rei­men.

Beim anschlie­ßen­den Bei­sam­men­sein, das soweit ich weiß nicht get tog­e­ther hieß, lern­te ich unter ande­rem Cle­mens Schön­born ken­nen, des­sen Film „Der letz­te macht das Licht aus“ in der Kate­go­rie „Fik­ti­on“ nomi­niert ist. Im Lau­fe des Gesprächs stell­ten wir fest, dass Cle­mens in Dins­la­ken auf­ge­wach­sen ist – sein Bru­der ging aufs glei­che Gym­na­si­um wie ich.

Und dann kam ich nach hau­se und fand einen Link­tipp von mei­ner Mut­ter im Post­ein­gang. Tho­mas Tuma hat­te in einen ziem­lich dada­is­ti­schen „Spiegel“-Text über Bruce Dar­nell fol­gen­den Absatz ein­ge­baut:

Aber sol­le wir ähr­lisch sein, der Wahr­heit sage wie är? Bruce als eine Typ­be­ra­ter in die Äi Ar Di … es ist, als ob Elton John gibt Jodel­kurs in die VHS Dins­la­ken.