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Digital Leben

Getrennt, geschrieben

Heu­te, lie­be Kin­der, erklärt Euch das Cof­fee-And-TV-Lehr­per­so­nal mal, war­um eini­ge Regeln der deut­schen Recht­schrei­bung der Zwei­deu­tig­keit Tür und Tor öff­nen. Als Bei­spiel haben wir uns die Getrennt­schrei­bung von zusam­men­ge­setz­ten Ver­ben aus­ge­sucht. RP Online schreibt in einem Arti­kel über Fla­vio Bria­to­re, der mög­li­cher­wei­se gar nicht der Vater von Hei­di Klums ers­tem Kind ist, fol­gen­des:

Der For­mel-Eins-Mana­ger und das Top­mo­del waren 2003 zusam­men gekom­men und trenn­ten sich kurz vor Lenis Geburt im Mai 2004.

Und obwohl die­ser Satz laut Duden (§34) vor­bild­lich zusam­men­ge­stellt wur­de, kann ich doch nicht ver­heh­len, an einer Stel­le herz­haft und puber­tär auf­ge­lacht zu haben. Kann aber auch am Kon­text lie­gen …

PS: Bria­to­re sagt, nicht er, „son­dern eine pro­mi­nen­te Per­sön­lich­keit, die Mil­lio­nen aus dem Fern­se­hen ken­nen“ sol­le der Vater sein. Sei­en wir also gespannt, wie schnell Prinz Fré­dé­ric von Anhalt dies­mal vor die Mikro­fo­ne der Welt­öf­fent­lich­keit hech­tet, um sich als Erzeu­ger ins Gespräch zu brin­gen.

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Politik

Globale Erwärmung: Sommerloch dieses Jahr schon Mitte März!

Die Nach­richt des Tages ent­neh­men wir der Net­zei­tung. Wie auch schon vor fast vier Wochen, so stammt die Mel­dung auch dies­mal wie­der aus Nie­der­sach­sen. Die dor­ti­ge Land­tags­frak­ti­on der SPD hat näm­lich lan­ge dar­über gegrü­belt, was eigent­lich noch nicht zum The­ma Kin­der­be­treu­ung, Kli­ma­schutz und Ter­ror­dro­hun­gen gesagt wor­den ist. Jetzt ist sie zu einem Ergeb­nis gekom­men, das vie­le über­ra­schen dürf­te: Sie for­dert die Aberken­nung der deut­schen Staats­bür­ger­schaft für Adolf Hit­ler.

Und nur, um sicher zu gehen, dass ich selbst ver­ste­he, was ich da gera­de getippt habe: Da stellt sich an einem für Spä­ße und Strei­che gänz­lich unver­däch­ti­gen Ter­min eine SPD-Land­tags­ab­ge­ord­ne­te hin und for­dert, einem vor über sech­zig Jah­ren ver­stor­be­nem Dik­ta­tor, der kurz vor sei­ner Wahl zum deut­schen Reichs­kanz­ler 1932 vom Land Braun­schweig die deut­sche Staats­bür­ger­schaft erhal­ten hat­te, die­se nun wie­der zu ent­zie­hen, was ers­tens gegen Arti­kel 16 des Grund­ge­set­zes ver­sto­ßen wür­de und zwei­tens bei Toten sowie­so nicht mög­lich ist? Was sagen denn die Öster­rei­cher dazu?

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Musik

Glamorous Indie Rock’n’Roll

Als The Kil­lers, die ers­te Rock­band, die es je aus Las Vegas lebend her­aus­ge­schafft hat, vor drei Jah­ren ihr Debüt „Hot Fuss“ ver­öf­fent­lich­ten, sag­ten alle: „Boar geil, die­ser Eight­ies Sound und die­se Tex­te und die­se gan­ze Iro­nie.“ Als The Kil­lers im ver­gan­ge­nen Jahr ihr Zweit­werk „Sam’s Town“ ver­öf­fent­lich­ten, sag­ten alle: „Oh weh, das klingt ja, als sei Bruce Springsteen unter dem Joshua Tree gebo­ren wor­den. Der Sän­ger trägt einen Schnauz­bart und der Gitar­rist sieht aus wie jemand von Euro­pe – oder wenigs­tens wie Bri­an May. Was machen wir denn, wenn das gar kei­ne Iro­nie ist?“

Wer es ernst meint, hat es noch wie vor schwer im Rock­busi­ness. Schwe­rer hat es nur der­je­ni­ge, bei dem man nicht weiß, ob er es ernst meint. Da rüpelt Sän­ger Bran­don Flowers durch die Musik­pres­se, ver­passt The Bra­very, Panic! At The Dis­co und Green Day ein paar ver­ba­le Abrei­bun­gen und ver­kün­det, das eige­ne Album sei eines der bes­ten der letz­ten zwan­zig Jah­re, nur um dann ein paar Wochen spä­ter wie ein belie­bi­ger Bun­des­po­li­ti­ker wie­der zurück­zu­ru­dern mit dem Hin­weis, das alles nicht so gemeint zu haben. Also wie­der nichts gewor­den mit der Hoff­nung, irgend­je­mand könn­te die Gal­lag­hers doch noch als Groß­kot­ze des inter­na­tio­na­len Rock’n’Roll-Cir­cus beer­ben. Flowers, so war zuletzt im Musik­ex­press zu lesen, hal­te sich selbst für nicht son­der­lich elo­quent und sage dann manch­mal Sachen, die er hin­ter­her bereue. Am liebs­ten sage er aber nichts.

So ist es nicht wei­ter ver­wun­der­lich, dass sich die Anzahl der Zwi­schen­mo­de­ra­tio­nen beim gest­ri­gen Kil­lers-Kon­zert im aus­ver­kauf­ten Köl­ner Pal­la­di­um auf ein Mini­mum beschränk­ten. Die Band war auch mit wich­ti­ge­rem beschäf­tigt: nach der ganz famo­sen bri­ti­schen Vor­grup­pe Mumm-Ra und nach einem Mul­ti­me­dia-Intro, das sich gewa­schen hat, stan­den The Kil­lers plötz­lich im Glit­ter­re­gen (rot-weiß-blau, of cour­se, und sil­ber) auf der Büh­ne, spiel­ten die ers­ten drei Stü­cke von „Sam’s Town“ durch und star­te­ten damit eine Par­ty, bei der in knapp 80 Minu­ten mehr los war als im Borus­sia­park zu Mön­chen­glad­bach in einer gan­zen Sai­son. Ohne Rück­sicht auf Ver­lus­te und ohne den sonst so ver­brei­te­ten Drang, die ganz gro­ßen Hits alle erst in der Zuga­be zu ver­bra­ten, reih­ten The Kil­lers ihre Sin­gles wie die Per­len einer etwas über­trie­ben glit­zern­den Ket­te anein­an­der: „Bones“, „Some­bo­dy Told Me“, „Jen­ny Was A Fri­end Of Mine“ und „Smi­le Like You Mean It“ als Num­mern Vier bis Sie­ben im Set, so hin­ter­ein­an­der weg.

Das Publi­kum hat­te vom ers­ten Takt an die Hän­de in der Luft und mach­te Par­ty, Par­ty, Par­ty. Ich war nach zwan­zig Minu­ten kör­per­lich am Ende und frag­te mich, wie die gan­zen Duracell-Häs­chen um mich her­um ihr Pen­sum auf­recht­erhal­ten konn­ten. Und: Nein, nicht alle waren jün­ger. Ruhig wur­de es eigent­lich nie, ein­zig ein paar Intros und Zwi­schen­spie­le waren nicht so beat­ge­trie­ben wie der Rest der Show. Aber waber­ten gera­de mal sphä­ri­sche Key­board-Tep­pi­che durch das auf­ge­heiz­te Pal­la­di­um, war das Publi­kum sein eige­ner Anhei­zer und klatsch­te, was die Hän­de her­ga­ben (und wie es sich gehört, klatsch­te es natür­lich ohne einen Hauch von Rhyth­mus­ge­fühl, so dass man das Gefühl hat­te, Drum­mer Ron­nie Van­nuc­ci wür­de statt sei­ner Bass­drum lie­ber eini­gen Zuschau­ern den rich­ti­gen Beat ein­prü­geln). Es war ein Hüp­fen und Sprin­gen und Tan­zen und man muss­te sich wie­der fra­gen, war­um man eigent­lich nie mit den attrak­ti­ven Indie­mäd­chen zusam­men­stößt – „Don’t you wan­na feel my skin on your skin?“ -, son­dern einem immer nur die gesetz­te­ren Damen auf die Zehen hop­sen. (Preis­fra­ge am Ran­de: War­um hab ich mich mit 1,85 m nur so ver­dammt klein gefühlt und wie viel haben die wirk­lich klei­nen Indie­mäd­chen eigent­lich noch von dem auch nicht son­der­lich gro­ßen Bran­don Flowers sehen kön­nen?)

Noch vor der Zuga­be erklang „Mr. Brights­ide“, der viel­leicht größ­te Hit der Band bis­her, im Zuga­ben­block ver­beug­ten sich The Kil­lers mit einer Cover­ver­si­on von „Shadow­play“ vor Joy Divi­si­on (The Kil­lers benann­ten sich ja nach der Fan­ta­sieb­and glei­chen Namens im „Crystal“-Video der Joy-Divi­si­on-Nach­fol­ge­band New Order) und zum Abschluss gab es dann den „Sam’s Town“-Schlusstrack „Exit­lude“. Und hin­ten­dran noch mal einen Refra­in­durch­lauf von „When You Were Young“. Mehr Hits, mehr Stim­mung ging wirk­lich kaum, es wäre kör­per­lich kaum zu ver­kraf­ten gewe­sen. Das Glau­bens­be­kennt­nis der Band und der Fans war sowie­so schon mit­ten im Kon­zert erklun­gen: „Glamo­rous Indie rock’n’roll is what I want /​ It’s in my soul, it’s what I need“. Nicht mehr, aber nun wirk­lich auch nicht weni­ger.

Und für die Freun­de von Lis­ten, Sta­tis­ti­ken und Name­drop­ping gibt es hier noch die kom­plet­te Set­list:

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Musik

Voll auf die … Ach, lassen wir das!

Den Deut­schen sagt man ja (neben vie­lem ande­ren) auch ein etwas gestör­tes Ver­hält­nis zur Pop­kul­tur nach. Wenn also die Ver­öf­fent­li­chung eines neu­en Ton­trä­gers in jedem Medi­um von der F.A.Z. bis zur „Vani­ty Fair“, von „Wet­ten dass…?“ bis zu MTV the­ma­ti­siert wird, dann ist das schon etwas ganz beson­de­res. Her­bert Grö­ne­mey­er ist popu­lä­rer als jeder ande­re deut­sche Musi­ker und so über jeden Zwei­fel erha­ben wie andern­orts Bob Dylan. Eine CD-Bespre­chung ver­bie­tet sich fast von selbst, denn kein noch so kri­ti­scher Musik­jour­na­list mag an Grö­ne­mey­er her­um­mä­keln. Er ist ein­fach eine Aus­nah­me­erschei­nung, auch wenn er das sel­ber nicht hören mag. In den letz­ten Wochen hat Grö­ne­mey­er so vie­le Inter­views gege­ben, dass man als auf­merk­sa­mer Medi­en­kon­su­ment mitt­ler­wei­le an sei­ner statt Inter­views geben könn­te (was aktu­ell übri­gens auch für Chris­toph Maria Herbst und den Start der drit­ten „Stromberg“-Staffel gilt).

Jetzt kreist „Zwölf“ end­lich seit ein paar Tagen in mei­nem CD-Lauf­werk und in der Tat habe ich kei­ne Ahnung, was ich dar­über schrei­ben soll­te. Wie schon bei „Mensch“ bin ich mir sicher, dass es sich um ein wich­ti­ges Album mit aus­ge­feil­ter Musik und klu­gen Tex­ten han­delt, und wie­der hab ich kei­ne Ahnung, ob mir das Album per­sön­lich jetzt sehr viel oder gar nichts bedeu­tet. Die­ses Gefühl habe ich wirk­lich nur bei Plat­ten des Ex-Bochu­mers. (Wäre dies ein Zei­tungs­ar­ti­kel, hät­te der Text­chef gera­de „Ex-Bochu­mer“ durch­ge­stri­chen und „Wahl-Lon­do­ner“ hin­ge­schrie­ben. Aber Lokal­pa­trio­tis­mus ist halt stär­ker als der Drang zum Main­stream-Syn­onym.) Schon beim ers­ten Hören kommt einem die Musik selt­sam ver­traut vor und selbst wenn Grö­ne­mey­er immer wie­der betont, wie unwich­tig ihm selbst die Tex­te eigent­lich sei­en: in jedem Lied fin­det sich min­des­tens eine Zei­le, die man unter „Das hat er wie­der sehr schön gesagt“ in sein Notiz­büch­lein krit­zeln möch­te.

Und weil mir immer noch zwei Ton­nen Her­me­neu­tik und die eige­ne dif­fu­se Erwar­tung den Zugang dem Werk ver­sper­ren, statt­des­sen hier ein paar Fak­ten und Beob­ach­tun­gen:

  • Aus Grün­den, die wohl nur der Plat­ten­fir­ma EMI bekannt sind, erscheint die CD in einer „Super Jewel Box“. was eine nor­ma­le CD-Hül­le mit abge­run­de­ten Ecken ist. Sieht im Regal total däm­lich aus und man kommt schlecht ans Book­let ran. Aber weil Uni­ver­sal in Euro­pa mit die­ser Unsit­te ange­fan­gen hat (rich­ti­ge CD-Hül­len gibt es noch in den USA), muss­te EMI wohl nach­zie­hen.
  • Für die epi­sche Sin­gle „Stück vom Him­mel“ scheint Nick Ing­ham schon wie­der den glei­chen Strei­cher­satz ver­wen­det zu haben, den er auch schon bei „Wha­te­ver“ von Oasis und zuletzt bei Grö­ne­mey­ers eige­nem „Demo (Letz­ter Tag)“ ver­bra­ten hat.
  • „Mar­le­ne“ klingt ein biss­chen wie Peter Gabri­el und behan­delt auch ähn­lich schwe­re The­men wie der Ex-Gene­sis-Sän­ger: Aids in Afri­ka.
  • „Ich ver­steh“ erin­nert wegen sei­nes pro­mi­nen­ten Bass-Ein­sat­zes an Kom­po­si­tio­nen von Sting. Also an die wirk­lich guten Sachen von Sting.
  • In „Zieh dei­nen Weg“ singt Grö­ne­mey­er „Sei aus Unsi­cher­heit nicht arro­gant /​ Hab immer Mit­ge­fühl als Unter­pfand“. Es han­delt sich damit erst um das zwei­te mir bekann­te Lied, in dem das Wort „Unter­pfand“ vor­kommt. Das ande­re ist die deut­sche Natio­nal­hym­ne.
  • Lied 12 („Lie­be liegt nicht“) fängt an wie irgend­was von Kai­zers Orches­tra. Danach spielt Fran Hea­ly von Tra­vis die Akus­tik­gi­tar­re (und ich bil­de mir ein, ihn auch im Chor sin­gen zu hören). Deren letz­tes Album hieß „12 Memo­ries“ und hat­te auch zwölf Stü­cke, was eine nicht gera­de unspan­nen­de Par­al­le­le zu Grö­ne­mey­ers „Zwölf“ ist.
  • „Zwölf“ ist nicht der letz­te Ein­trag, wenn ich mei­ne iTu­nes-Biblio­thek alpha­be­tisch nach Album­ti­teln sor­tie­re. Danach kommt noch (war­um auch immer) „ZZYZX“ von Zero­man­cer.

Doch, ich fin­de das Album schon sehr gut. Viel­leicht ist es ein­fach nor­mal, dass mich Grö­ne­mey­er-Alben nicht voll ins Herz tref­fen. Aber gera­de der strei­cher­ge­tränk­te Abschluss sorgt schon für Glücks­ge­füh­le. Die wer­den übri­gens noch grö­ßer, wenn ich gera­de noch eben die ande­ren Acht­zi­ger-Jah­re-Deutschrock­grö­ßen abha­ke: Wes­tern­ha­gen: lan­ge nichts mehr gehört, hof­fent­lich bleibt das so; Maf­fay: schreibt Kin­der­mu­si­cals und stemmt bei Tho­mas Gott­schalk Gewich­te; Nena: ach, schwei­gen wir über Nena; Heinz Rudolf Kun­ze: tritt heu­te Abend beim Grand-Prix-Vor­ent­scheid an. Damit wäre dann wohl alles gesagt.

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Digital Unterwegs

Worstpiel statt Inhalt

Mal davon ab, dass seit der Ver­öf­fent­li­chung des UN-Kli­ma­be­richts eh die Freu­den­feu­er in den Wis­sen­schafts­re­dak­tio­nen sämt­li­cher Medi­en bren­nen (bzw. hof­fent­lich nicht, wegen CO2), hat Umwelt­mi­nis­ter Sig­mar Gabri­el mit sei­nem Vor­schlag, doch auf Flug­rei­sen in den Urlaub zu ver­zich­ten, jetzt auch noch sämt­li­che Wort­spiel­fe­ti­schis­ten in Ver­zü­ckung ver­setzt.

Cof­fee And TV prä­sen­tiert des­halb hier die gro­ße X‑statt‑Y-Lis­te mit gesam­mel­ten Kost­bar­kei­ten und Selbst­ge­dach­tem zur Wei­ter­ver­wen­dung:

  • All­gäu statt Anden (20 Minu­ten)
  • Bay­ern statt Bali (Thü­rin­ger All­ge­mei­ne)
  • Ber­lin statt Bang­kok (20 Minu­ten)
  • Chem­nitz statt Chi­ca­go
  • Dort­mund statt Dubai
  • Eifel statt Eif­fel­turm
  • Frank­furt statt Frank­reich
  • Göt­tin­gen statt Grie­chen­land
  • Hal­lig statt Hawaii (Schles­wig Hol­stein Zei­tung, online nicht ver­füg­bar)
  • Ingol­stadt statt Indi­en
  • Jülich statt Jer­sey
  • Kanal statt Kurz­ur­laub (WAZ)
  • Lübeck statt Liba­non
  • Müns­ter statt Mada­gas­kar
  • Neuss statt New York
  • Ober­ur­sel statt Ost­ti­mur
  • Pir­ma­sens statt Por­tu­gal
  • Quick­born statt Queens
  • Rügen statt Rimi­ni (Stern)
  • Sylt statt Sey­chel­len (u.a. sueddeutsche.de)
  • Tau­nus statt Tro­pen (taz, online nicht ver­füg­bar)
  • Unna statt USA
  • Vier­sen statt Ver­ei­nig­te Ara­bi­sche Emi­ra­te
  • Wes­ter­land statt Washing­ton
  • Xan­ten statt Xi’an
  • Y statt eines Orts­na­mens, der damit anfängt (gib­bet näm­lich nicht)
  • Zwö­nitz statt Zai­re

Abzü­ge wegen nicht ver­stan­de­ner Alli­te­ra­ti­ons-Vor­aus­set­zun­gen:

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Digital

Die Ziehung der Jahreszahlen

Eine der ers­ten Regeln, die man auf jeder Jour­na­lis­ten­schu­le, ach­was: als jugend­li­cher frei­er Mit­ar­bei­ter bei jeder Lokal­zei­tung lernt, ist die, dass jeder Arti­kel eine gute Eröff­nung brau­che. Einen kna­cki­gen Satz, einen Eye Cat­cher, eine Zei­le, die den Leser am Kra­gen packt und bis zum letz­ten Punkt im letz­ten Absatz nicht mehr los­lässt.
Eine wei­te­re wich­ti­ge Regel ist die, dass man gut recher­chie­ren soll­te, was man in sei­nen Arti­keln so behaup­tet.

Und jetzt über­le­gen wir mal alle, wel­che die­ser bei­den Regeln Flo­ri­an Leclerc von FAZ.NET in sei­nem Arti­kel „Bür­ger­re­por­ter im Netz“ nicht beher­zigt hat:

Zwölf Jahre ist das Internet nun alt.

PS: Selbst das WWW ist älter als zwölf Jah­re, wie ein kur­zer Blick in Geschich­te des Inter­nets erge­ben hät­te.

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Musik Digital

12, 483, 1, 2:0 (Zusatzzahl: 2007)

Mor­gen erscheint das neue Album von Her­bert Grö­ne­mey­er „Zwölf“. Mor­gen erschei­nen aber auch die aktu­el­len Album­charts, in denen, wenn alles mit rech­ten Din­gen zugeht, Tokio Hotels „Zim­mer 483“ auf Platz 1 ein­stei­gen dürf­te. Des­we­gen bin ich gera­de ein biss­chen am Recher­chie­ren, um dann nächs­te Woche (wenn, jede Wet­te, Grö­ne­mey­er auf 1 gehen wird) einen schö­nen Ein­trag über den musi­ka­li­schen Gene­ra­tio­nen­kon­flikt, der viel­leicht gar kei­ner ist, schrei­ben zu kön­nen.

Ich stol­per­te also gera­de über ein Inter­view, dass Spie­gel Online mit dem Mag­de­bur­ger Quar­tett geführt hat. Krea­ti­ve Idee dabei: Pro­mi­nen­te wie Boris Becker, Bushi­do oder Jona­than Mee­se durf­ten auch Fra­gen stel­len. Aber auch Niels Ruf und Dol­ly Bus­ter. Und das ging wie folgt:

NIELS RUF, Schau­spie­ler und Come­di­an: Mir haben damals die Pres­se­kon­fe­ren­zen zur Auf­lö­sung von Tic Tac Toe wahn­sin­nig gut gefal­len. Wie die sich da gestrit­ten haben! Plant Ihr zu Eurer Auf­lö­sung etwas Ähn­li­ches?
Bill: Ich fand das mit Tic Tac Toe auch lus­tig, aber lei­der müs­sen wir Dich ent­täu­schen: Wir haben noch nichts geplant. Ich glau­be, wenn man sich trennt, soll­te man das ver­nünf­tig machen.
Tom: Und ich glau­be, das wird Niels Ruf auch nicht mehr mit­er­le­ben.

Zuge­ge­ben: die Fra­ge war lahm. Die Ant­wort von Tom Kau­litz dafür gar nicht mal so schlecht.

Noch bes­ser aber:

DOLLY BUSTER: Und hat­test Du schon mal Sex?
Bill: Ich?! Das wer­de ich auch Dir nicht ver­ra­ten. Ich weiß auf jeden Fall, dass Du schon wel­chen hat­test!

Ich bin mir noch nicht sicher, ob das eine rich­tig gute Replik oder so ein „Tataa!“-Karnevalsspruch ist, dafür hät­te man wohl den Ton­fall mit­er­le­ben müs­sen. Trotz­dem: Sol­che Ant­wor­ten hät­te ich den Jungs gar nicht zuge­traut. Um so mehr freue ich mich auf das Chart-Ren­nen der nächs­ten Tage.

Nach­trag 2. März, 15:00 Uhr: Ich hab natür­lich wie­der über­haupt kei­ne Ahnung von Charts. Offen­bar bezie­hen sich die aktu­el­len (es gibt lei­der kei­nen Per­ma­link) auf die Ver­käu­fe von letz­ter Woche. Tokio Hotel (letz­ten Frei­tag erschie­nen) sind also nächs­te, Her­bert Grö­ne­mey­er erst über­nächs­te Woche dran. Was die­se Woche auf 1 ist, gucke ein jeder lie­ber sel­ber nach …

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Digital

Kalifornische Stadt mit vier Silben

Ich bin mir sicher, eines Tages wer­den wir erle­ben, dass man bei Spie­gel Online, kurz bevor man eine nur mini­mal modi­fi­zier­te Agen­tur-Mel­dung online setzt, noch mal eben über­prüft, ob man bei den wich­tigs­ten Anga­ben auch kei­nen Feh­ler gemacht hat. Heu­te jedoch nicht:

Irgendwo in Kalifornien
Screen­shot: Spie­gel Online, Her­vor­he­bun­gen: Cof­fee And TV

Nach­trag 1. März, 10:22 Uhr: Irgend­wann in den letz­ten neun Stun­den haben sie es doch noch bemerkt. Die rich­ti­ge Ant­wort war natür­lich „San Fran­cis­co“, bit­te nicht mehr anru­fen.

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Literatur

Der Tag, den es nicht gibt: So werden Karrieren zerstört

„Mor­gen ist es wie­der soweit: es wird über­mor­gen sein.“

Die­ser nur auf den ers­ten Blick etwas abwe­gi­ge Gedan­ke kam mir heu­te Mor­gen, wäh­rend ich im Bett dar­auf war­te­te, dass ich mich dazu auf­rap­peln könn­te, sel­bi­ges zu ver­las­sen. Heu­te Nacht erle­ben wir den sel­tens­ten Tag des Jah­res. Nicht! Rund 55.000 Tau­send Men­schen in Deutsch­land und vier Mil­lio­nen welt­weit wer­den mal wie­der ihren Geburts­tag nicht fei­ern kön­nen, denn sie wur­den am 29. Febru­ar gebo­ren, dem Tag, den es nur alle vier Jah­re gibt (außer in Jah­ren, die ohne Rest durch 100 teil­bar sind – es sei denn, sie sind ohne Rest durch 400 teil­bar, dann han­delt es sich wie­der um ein Schalt­jahr mit 29. Febru­ar).

Und wie ich mich in die­sen Gedan­ken ver­lor, fiel mir auf, dass es in weni­ger als vier Wochen zum nächs­ten Zeit­raub kom­men wird. Gut, in der Nacht zum 25. März wird uns nur eine Stun­de geklaut (und die bekom­men wir im Okto­ber auch noch wie­der), aber ein­mal in Fahrt, sah ich mich schon mit dem nächs­ten Ein­fall kon­fron­tiert: „Gut, dass es im 16. Jahr­hun­dert noch kei­ne Zeit­um­stel­lung gab. Man stel­le sich mal vor, Shake­speare hät­te Romeo und Julia nicht über Nach­ti­gal­len und Ler­chen dis­ku­tie­ren las­sen, son­dern dar­über, ob die Uhr (die es in der uns heu­te bekann­ten Form damals natür­lich auch noch nicht gab) nun eine Stun­de vor- oder zurück­zu­stel­len sei. Die gan­ze roman­ti­sche Stim­mung die­ser Sze­ne, ja: des Dra­mas wäre dahin gewe­sen und wer weiß, ob Shake­speare heu­te noch den bedeu­tends­ten Dich­tern aller Län­der, Epo­chen und Lite­ra­tur­gat­tun­gen zuzu­rech­nen wäre. So kön­nen einen der ver­meint­li­che Fort­schritt und gesetz­lich ver­ord­ne­te Tages­zei­ten schnell den erhoff­ten Platz in der Welt­ge­schich­te kos­ten …“

In die­sem Augen­blick wuss­te ich: egal, wie spät es gera­de ist, ich soll­te bes­ser auf­ste­hen.

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Film

Hauptsache wir sind

Es gibt vie­le Grün­de, der Bild-„Zeitung“ gegen­über kri­tisch ein­ge­stellt zu sein, und jeden Tag lie­fert das Bild­Blog ein paar wei­te­re dazu. Fern­ab aller mora­li­scher und ideo­lo­gi­scher Grenz­gän­ge hat sich „Bild“ in den letz­ten Jah­ren aber vor allem mit einer Sache her­vor­ge­tan; mit einer Schlag­zei­le, die gram­ma­tisch grenz­wer­tig und inhalt­lich schlicht­weg Blöd­sinn ist, und die sich des­halb in den all­ge­mei­nen Sprach­ge­brauch ein­bren­nen muss­te: „Wir sind Papst!“

Es spricht sicher nicht für die Redak­teu­re diver­ser öffent­lich-recht­li­cher Sen­der in Deutsch­land, dass mir ges­tern gleich an meh­re­ren Stel­len flap­si­ge Mode­ra­tio­nen unter­ka­men, die nahe­zu völ­lig iden­tisch waren: „Jetzt sind wir nicht nur Papst, Fuß­ball-Welt­meis­ter der Her­zen und Hand­ball­welt­meis­ter, jetzt sind wir auch noch Oscar …“

Uff! So viel Dumm­heit muss man erst mal in so einen ver­gleichs­wei­se kur­zen Satz gewürgt krie­gen. Mal ganz davon ab, dass die­ses „wir“ ja immer noch eine höchst dif­fu­se Anga­be ist (die bei­spiels­wei­se genau dann über­haupt nicht mehr zutrifft, wenn Dani­el Gold­ha­gen ein Buch ver­öf­fent­licht), und „wir“ mit­nich­ten Oscar sind, son­dern ihn höchs­tens haben (aber dar­an soll sich Bas­ti­an Sick noch abar­bei­ten, das geschieht ihm recht): das plötz­li­che Bohei um den Oscar für „Das Leben der Ande­ren“ erscheint auch noch reich­lich will­kür­lich. Als „Nir­gend­wo in Afri­ka“ von Caro­li­ne Link 2003 als ers­ter deutsch­spra­chi­ger Film seit 1980 den Oscar erhielt, schlug die Mel­dung längst nicht so ein – dabei sind Fil­me, bei denen eine Frau Regie führ­te, bei den Oscars eine ech­te Beson­der­heit. Immer noch.

Aber „Nir­gend­wo in Afri­ka“ war vor Papst­wahl und Fuß­ball-WM. Deut­sche Fil­me teil­ten sich in puber­tä­re Komö­di­en mit Til Schwei­ger, Kat­ja Rie­mann oder Tom Ger­hardt (also natio­nal erfolg­reich) und „gut, aber zu ernst“ (also inter­na­tio­nal erfolg­reich). Dass „Das Leben der Ande­ren“ trotz sei­ner völ­lig un-ost­al­gi­schen Geschich­te (und damit als Gegen­ent­wurf zu „Good Bye, Lenin“) ein Publi­kums­er­folg wur­de, darf da schon als Sen­sa­ti­on gel­ten. Und natür­lich ist auch der drit­te Oscar für einen deut­schen Film (und der zwei­te inner­halb von fünf Jah­ren) immer noch weit vom Regel­fall ent­fernt und ver­dient Respekt. Aber mit welch irrer Reflex­haf­tig­keit die Medi­en sofort wie­der die Fra­ge stell­ten, ob „der deut­sche Film jetzt wie­der da“ sei, das war schon irri­tie­rend. Wo soll er sein? Und war er da schon mal und war dann plötz­lich weg und ist jetzt wie­der da? Oder ging es nur dar­um, die Wor­te „deutsch“ und „wie­der da“ in einem Satz unter­zu­brin­gen, weil das so schön klingt?

Sicher­lich: es ist ein Ver­dienst der deut­schen und bay­ri­schen Film­för­de­rung, dass so ein Film mög­lich war. Das hat der Regis­seur Flo­ri­an Hen­ckel von Don­ners­marck in sei­ner Dan­kes­re­de auch deut­lich klar gemacht (der glei­chen Dan­kes­re­de übri­gens, in der er sei­ne Haupt­dar­stel­le­rin Mar­ti­na Gedeck ver­gaß, nach­dem die­se zuvor schon nicht zur Oscar-Ver­lei­hung mit­kom­men konn­te, weil der Regis­seur lie­ber sei­ne Gat­tin mit­ge­nom­men hat). Ansons­ten han­delt es sich bei „Das Leben der Ande­ren“ (anders als z.B. bei einer Sport­ver­an­stal­tung, bei der Tau­sen­de Fans ihr Team anfeu­ern) um das Werk einer nicht gera­de klei­nen, aber doch über­schau­ba­ren Grup­pe. Und wenn man der Pres­se Glau­ben schen­ken darf, vor allem um das Ver­dienst der über acht­zig­jäh­ri­gen Schau­spiel­agen­tin Erna Baum­bau­er, die das Star­ensem­ble für ’nen Appel und ’n Ei zusam­men­trom­mel­te. Aber statt die­se Ein­zel­leis­tun­gen zu wür­di­gen (der Vor­schlag, sei­ne Macher als Hel­den der Arbeit aus­zu­zeich­nen, dürf­te ange­sichts der The­ma­tik des Films als „unpas­send“ bis „zynisch“ ange­se­hen wer­den), statt Hen­ckel von Don­ners­marck trotz sei­nes etwas irri­tie­rend gro­ßen Selbst­be­wusst­seins und sei­ner nur bedingt sym­pa­thi­schen Aus­strah­lung als Bei­spiel für einen, der nach oben woll­te und es geschafft hat, dar­zu­stel­len, statt wenigs­tens die in wei­ten Tei­len vor­bild­li­che deut­sche Film­för­de­rung zu wür­di­gen, ist wie­der ganz platt und pla­ka­tiv vom „Oscar für Deutsch­land“ die Rede.

Forest Whita­ker, der als bes­ter Haupt­dar­stel­ler aus­ge­zeich­net wur­de, sag­te in sei­ner Dan­kes­re­de, wie unwahr­schein­lich es für einen schwar­zen Jun­gen aus Texas gewe­sen sei, Schau­spie­ler zu wer­den und den Oscar zu gewin­nen. Er beschrieb, ohne es expli­zit zu erwäh­nen, den klas­si­schen Ame­ri­can Dream, wonach es jeder nach oben schaf­fen kön­ne, der sich genug Mühe gebe und gut genug sei. Nach Sid­ney Poi­tier 1963, Den­zel Washing­ton 2002 und Jamie Foxx 2004 gilt es nicht ein­mal mehr eine grö­ße­re Sen­sa­ti­on, dass ein Schwar­zer als bes­ter Haupt­dar­stel­ler aus­ge­zeich­net wird. Aber wenn ein Deut­scher einen Oscar gewinnt, sol­len natür­lich gleich wie­der 82 Mil­lio­nen eine 30 Cen­ti­me­ter gro­ße ver­gol­de­te Sta­tue sein. Wir sind selt­sam!

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Live Is Beautiful

Es ist fast fünf Jah­re her, da ver­öf­fent­lich­te eine Band, die aus dem hal­ben Com­mon­wealth kam, ihr Debüt­al­bum. Die Musik­pres­se schrieb mal wie­der was vom Next Big Thing und das wären Vega4 sicher­lich gewor­den – wenn ihr Album „Satel­li­tes“ nur ein paar Jah­re spä­ter erschie­nen wäre. Ihre Mischung aus U2, Embrace und sehr frü­hen Radio­head rausch­te damals am Publi­kum vor­bei, das sich kurz dar­auf lie­ber auf Cold­play, Snow Pat­rol und Razor­light stürz­te. Lan­ge Zeit hör­te man gar nichts mehr von Vega4, dann gab es im letz­ten Früh­jahr mit „You And Me“ plötz­lich ein Lebens­zei­chen auf ihrer MySpace-Sei­te und im Herbst erschien dann „You And Others“ – aller­dings zunächst nur in Groß­bri­tan­ni­en, in Deutsch­land ist es erst im April soweit.

Die Band hat viel Ener­gie in die­ses Album gesteckt und ihre neu­en, elek­tro­ni­sche­ren Vor­bil­der wie The Pos­tal Ser­vice mal mehr („A Bil­li­on Tons Of Light“), mal weni­ger („Tearing Me Apart“) auf­fäl­lig zitiert. Mit dem Qua­si-Snow-Pat­rol-Cover „Life Is Beau­tiful“ (Pro­du­zent bei­der Bands ist Jack­ni­fe Lee, der auch schon für U2, Kas­a­bi­an und zuletzt Bloc Par­ty an den Reg­lern saß) und des­sen Ein­satz bei „Grey’s Ana­to­my“ kann eigent­lich nichts mehr schief gehen, jetzt fehlt nur noch das Publi­kum.

Ob es eine so bril­lan­te Idee war, die Band noch vor der offi­zi­el­len Album­ver­öf­fent­li­chung (und damit gänz­lich ohne aktu­el­len Air­play) durch Deutsch­land tou­ren zu las­sen, ist eine Fra­ge, die in den Büros der Sony BMG sicher aus­gie­big dis­ku­tiert wur­de. Auch die Fra­ge, ob es denn aus­ge­rech­net das zwar sehr schmu­cke, aber auch recht abge­le­ge­ne Gebäu­de 9 sein muss­te, in dem die Band in Köln spie­len soll­te, kann man durch­aus stel­len. Im Nach­hin­ein kann man aber bei­de Fra­gen mit einer läs­si­gen Hand­be­we­gung abtun: es hat sich gelohnt.

86 Kar­ten sei­en im Vor­ver­kauf weg­ge­gan­gen, erzähl­te die Band hin­ter­her, da stan­den etwa 120 Leu­te vor der Büh­ne. Von Anfang an war mir das Publi­kum irgend­wie merk­wür­dig vor­ge­kom­men, kurz bevor die Vor­band (Fric­ta­ne aus Köln, soll­te man mal im Auge behal­ten) anfing, däm­mer­te mir dann auch, was genau da nicht stimm­te: ich war einer der jüngs­ten im gan­zen Club (wahr­schein­lich sogar der jüngs­te männ­li­che Kon­zert­be­su­cher), was einem mit 23 nicht mehr all­zu häu­fig pas­siert. Was ich als „älte­re Kon­zert­be­su­cher“ bezeich­nen möch­te, waren noch nicht ein­mal die Ü40-Sekre­tä­rin­nen, die die Band wohl vor fünf Jah­ren im Vor­pro­gramm von Bryan Adams für sich ent­deckt hat­ten, son­dern wirk­lich älte­re Men­schen bei­der­lei Geschlechts mit grau­en Haa­ren und Wind­brea­k­ern. Da denkt man bei einem Rock­kon­zert natür­lich erst mal „Uff, was wol­len die mir denn hier mei­ne Jugend­kul­tur weg­glot­zen?“ bis einem auf­fällt, dass „gene­ra­ti­ons­über­grei­fend“ ein Attri­but ist, das man außer Udo Jür­gens und den Rol­ling Stones nicht ganz so vie­len Musi­kern nach­sagt.

Neun Songs stan­den auf der Set­list, zehn spiel­te die Band am Ende (weil sich eine Kon­zert­be­su­che­rin „The Cater­pil­lar Song“ vom Debüt gewünscht und sicher­heits­hal­ber gleich den aus­ge­druck­ten Lied­text mit­ge­bracht hat­te), davon sie­ben vom neu­en Album. Für die­se zehn Songs brauch­te sie fast andert­halb Stun­den, so lang gerie­ten man­che Live­ver­sio­nen und so viel rede­ten, nein: alber­ten Sän­ger John McDaid und der neue Bas­sist zwi­schen den Lie­dern her­um. Besag­tes „Life Is Beau­tiful“, die aktu­el­le Sin­gle in UK, ging als nicht enden wol­len­der Sta­di­on­rock über die Büh­ne, inkl. einem Aus­flug McDaids ins Publi­kum und hals­bre­che­ri­schem Rum­tur­nen auf den Moni­tor­bo­xen. Sowas darf man aber auch nur machen, wenn man vor dem Lied den eige­nen Vater anru­fen lässt und sich über die Laut­spre­cher mit ihm unter­hält.

Es macht immer Spaß, einer Band mit gro­ßer Spiel­freu­de zuzu­schau­en, und es war schön anzu­se­hen, wie sehr sich die Vier über den war­men Emp­fang in Deutsch­land und beson­ders in Köln gefreut haben. Als ich John McDaid nach dem Kon­zert frag­te, war­um es nur so weni­ge alte Songs zu hören gab, erklär­te er mir, die neue Plat­te bedeu­te der Band sehr viel und sie woll­ten vor allem die­se neu­en Sachen spie­len: „We might play some of the old stuff again when we’­re doing two hour shows!“ Auf einer Sta­di­onbüh­ne wür­den Vega4 sicher eine gute Figur machen. Bleibt nur zu hof­fen, dass dann ein paar Leu­te mehr kom­men.

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The höher they come, the blöder they fall

Es mag Zufall sein, dass es fast auf den Tag genau acht Jah­re her ist, dass ich zum ers­ten Mal von Brit­ney Spears hör­te. Sie trat mit ihrer ers­ten Sin­gle „Baby One More Time“ bei „Top Of The Pops“ auf und als mein bes­ter Freund und ich das sahen und hör­ten, gaben wir dem Mädel drei Sin­gles, dann sei alles wie­der vor­bei. Ich gebe zu: wir hat­ten uns ver­schätzt. Es waren dann doch vier Alben, die zu bewer­ten hier gar nicht The­ma sein soll. (Nur ein Hin­weis sei erlaubt: dass „Baby One More Time“ ein tol­ler Song war, wur­de spä­tes­tens ein Jahr spä­ter klar, als Tra­vis ihn cover­ten.)

Die Fra­ge, wann eigent­lich Brit­neys letz­te Sin­gle erschie­nen sei (und wie die klang), könn­te ich nicht ohne vor­he­ri­ge Recher­che beant­wor­ten. Aber das ist inzwi­schen auch völ­lig egal, es inter­es­siert ja auch nur noch die wenigs­ten, dass Pete Doh­erty noch Musik macht (die letz­te Babysham­bles-EP, das weiß ich wenigs­tens, hieß „The Blin­ding“ und erschien Ende 2006). Brit­ney Spears, die ja sowie­so immer schon ein belieb­tes The­ma des sog. Boulevard-„Journalismus“ war, ist end­gül­tig zum Traum eines jeden Gos­sen­be­ob­ach­ters gewor­den, weil sie alles, aber auch wirk­lich alles ver­eint, wofür man sonst Paris Hil­ton, Rob­bie Wil­liams und Pete Doh­erty bräuch­te – oder die jetzt nicht mehr ver­füg­ba­re Anna Nico­le Smith.

Jetzt (das ist der Bild­zei­tungs-Begriff für „vor eini­ger Zeit“, in die­sem Fall: „let­ze Woche“) hat sie sich eine Glat­ze schnei­den las­sen, was die „Panorama“-Redakteure hun­der­ter Online-Maga­zi­ne in Ver­zü­ckung ver­set­ze. Zwar gab es allen­falls zwei grie­se­li­ge Fotos von Spears‘ Plat­te, aber fast nie­mand ließ sich die Gele­gen­heit ent­ge­hen, noch mal eine Foto-Gale­rie mit den schöns­ten glatz­köp­fi­gen Frau­en (Sinead O’Con­nor, Skin, Nata­lie Port­man, Demi Moo­re) zusam­men­zu­stel­len. Ent­setzt wur­de das Phra­sen­schwein gemol­ken und die ewig glei­che Fra­ge, wie es nur so weit habe kom­men kön­nen, in den Raum oder zumin­dest auf die Titel­sei­ten gestellt. Frau Spears, die vor dem Fri­seur­be­such eine Ent­zie­hungs­kur abge­bro­chen hat­te, begab sich in der Zwi­schen­zeit in eine Ent­zugs­kli­nik, check­te nach 24 stun­den wie­der aus und hat nach neu­es­ten Mel­dun­gen grad zum drit­ten Mal inner­halb einer Woche eine Reha-Kli­nik auf­ge­sucht. (Ich muss mich kor­ri­gie­ren: nach neu­es­ten Mel­dun­gen soll Frau Spears mit einem Regen­schirm auf ein Auto los­ge­gan­gen sein, das ent­we­der ihrem Noch-Gat­ten oder einem Papa­raz­zo gehör­te. Das mit der Kli­nik könn­te natür­lich trotz­dem stim­men. Oder schon wie­der über­holt sein.)

Der ziem­lich bril­lan­te ame­ri­ka­ni­sche Pop­jour­na­list Chuck Klos­ter­man sagt in einem (im Novem­ber 2006 geführ­ten) Inter­view in der aktu­el­len Galo­re:

Es ist schwie­rig, jeman­den wie Brit­ney sati­risch zu beglei­ten. Wenn jemand vor zwei Jah­ren eine Par­odie auf Spears ver­fasst hät­te, was hät­te er getan? Wahr­schein­lich hät­te man sie mit einem wei­ßen Mit­tel­stands-Mann ver­hei­ra­tet, der von sich denkt, er sei ein Rap­per. Und der dann in ihrem Kel­ler wohnt und hin­ter­her um das Sor­ge­recht für die Kin­der klagt, um an ihr Geld zu kom­men. Das wäre glatt als Sati­re durch­ge­gan­gen. Aber es ist wirk­lich pas­siert. Man hät­te auch eine Sze­ne schrei­ben kön­nen, wie Brit­ney bar­fuß aus einer öffent­li­chen Toi­let­te kommt. Auch das ist wirk­lich pas­siert.

Bei You­Tube kann man sich ein Video anse­hen, wie Brit­ney Spears von Papa­raz­zi bedrängt wird und schließ­lich aus­ras­tet. Die Berufs­zy­ni­ker der Scum Press wer­den wie­der was faseln von „Wer die Medi­en für sei­nen Auf­stieg nutzt, muss auch damit rech­nen, in der Zei­tung zu ste­hen, wenn es mal nicht so gut läuft.“ (das Zitat ist zusam­men­er­fun­den, soll­te aber als authen­tisch durch­ge­hen) und auch der klei­ne Mann auf der Stra­ße wird wie­der geist­rei­che Leser­brie­fe abson­dern mit Sen­ten­zen wie „Ich kann das Gejam­mer der ‚Rei­chen und Schö­nen‘ nicht mehr hören. Er hat sich für das Leben, das er führt, ent­schie­den, und ent­schei­det sich jeden Tag aufs Neue dafür.“ (aus den Kom­men­ta­ren zu einem sueddeutsche.de-Arti­kels über Rob­bie Wil­liams‘ aktu­el­len Tablet­ten­ent­zug, der sich sowie­so schon wie ein Nach­ruf liest). Und war­um gucken wir uns das alle an? Weil „die da oben“ viel schö­ner und län­ger fal­len kön­nen. Das Schluss­wort die­ses quir­li­gen Gedan­ken­hop­pings gebührt des­halb Bil­ly Wil­der:

Der Unter­schied zwi­schen einer Komö­die und einer Tra­gö­die ist: Ein Mann läuft eine Stra­ße hin­un­ter und fällt hin. Wenn er wie­der auf­steht, ist das eine Komö­die, die Leu­te lachen; bleibt er lie­gen, ist es eine Tra­gö­die.