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Musik

Song des Tages: Ini Kamoze – Here Comes The Hotstepper

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Zum ersten Mal gehört: Ich hätte jetzt “auf Einslive” gesagt, aber das kommt chronologisch nicht hin. Dann war es vermutlich “Hit Clip”. Jedenfalls erinnere ich mich noch daran, dass mein Onkel, als ich ihn im April 1995 zum ersten Mal in San Francisco besuchte, den Soundtrack zu Robert Altmans “Prêt-à-Porter” auflegte und dieser Song durch sein Apartment schallte (woran ich selbstverständlich jedes Mal denken muss, wenn ich den Song höre).

Wer musiziert da? Ini Kamoze, ein jamaikanischer Reggae-Musiker. In Wahrheit noch viele andere, denn das Lied steckt voller Samples. Ich weiß noch, wie ich vor ein paar Jahren zum ersten Mal bewusst “Land Of 1000 Dances” von Wilson Picket hörte und erstaunt feststellte, dass da diese “Naaa-naa-na-na”-Chöre herkamen (also: streng genommen aus der Version von Cannibal & The Headhunters, aber Sie verstehen, was ich meine).

Warum gefällt mir das? Mir gefällt erschreckend vieles von dem, mit dem ich aufgewachsen bin. Ich finde aber, dass der Song auch nach 20 Jahren noch eine ganz eigene Coolness hat, und – zumindest bei mir – sofort gute Laune bringt.

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Radio Rundfunk

I’m A Yesterday Man

Am Donnerstag startete in den deutschen Kinos “Robert Altman’s Last Radio Show” (was – angedenk der Tatsache, dass Regisseur Robert Altman inzwischen verstorben ist – ein überraschend passender “deutscher” Titel für “A Prairie Home Companion” ist). In dem höchst vergnüglichen Revuefilm mit Starbesetzung geht es um eine traditionsreiche amerikanische Radioshow, die nach vielen Jahren eingestellt werden soll.

Radio ist heute ein sog. Nebenbeimedium, d.h. die Radiomacher sind der Ansicht, ihre Hörer hörten ihnen sowieso nicht zu, weswegen sie ihr Programm so gestalten, dass ihnen auch wirklich niemand mehr zuhören will: Überdrehte Gute-Laune-Maschinen aus dem Privatradio, die eine Hektik verbreiten wie ein Hamster, der ein Kilo Ecstasy gefuttert hat, könnte ich nicht mal “nebenbei” ertragen, und die ehemaligen Qualitätssendungen der öffentlich-rechtlichen Sender sind inzwischen auch im “Formatprogramm” angekommen (zwei beliebige Popsongs; ein Studiogespräch, das auf keinen Fall länger als anderthalb Minuten dauern darf und mit einem nervigen “Musikbett” unterlegt ist; zwei beliebige Popsongs; eine kurze, pointenlose Zwischenmoderation; zwei beliebige Popsongs; Werbung – dazu alle drei Minuten der Hinweis, welchen Sender man gerade noch mal eingeschaltet hatte).

Da grenzt es fast an ein Wunder, dass es auch im deutschen Radio noch eine richtige Radioshow im besten, im klassischen Sinne gibt: sie heißt “Yesterday”, läuft seit 1995 auf WDR 2 und wird von ihrem Erfinder Roger Handt moderiert. Früher hieß sie “Yesterday – Die Oldie-Show” und genau das ist sie eigentlich auch: In der ersten Stunde der dreistündigen Sendung werden Hörerwünsche erfüllt (als “Oldie” gilt ein Song, der vor mehr als zehn Jahren erschienen ist, d.h. spätestens Ende dieses Jahres können wir mit “Angels” von Robbie Williams rechnen), in den zwei darauffolgenden Stunden findet das “Yesterday-Quiz” statt, bei dem je zwei Hörer in zwei Runden und einem Finale gegeneinander antreten.

Die Kandidaten, meist 55jährige Lehrer aus Essen, müssen (manchmal recht simple, manchmal wirklich knifflige) Fragen zu einem bestimmten Jahrzehnt beantworten, dazwischen gibt es viele Musiktitel, die – auch das ist im Radio inzwischen eine Seltenheit – fast immer ausgespielt werden. Als es im Januar um die Neunziger Jahre (des zwanzigsten Jahrhunderts) ging, fühlte ich mich plötzlich sehr, sehr alt. Einmal im Monat findet die Sendung vor einem Livepublikum statt, das mitunter mehrere Jahre auf seine Eintrittskarten warten musste, und was “Yesterday” (neben der vielen Musik, die heute kaum noch im Radio gespielt wird, und den durchaus interessanten Quizrunden) so besonders macht, ist die Art, mit der Roger Handt sie moderiert: es gibt keinen strikten Sendeplan, keine Anderthalb-Minuten-Regelungen, keinerlei Hektik.

Die Vorstellung der Kandidaten nimmt so viel Zeit in Anspruch, wie andere Sendungen gerade mal einem Starinterview (inkl. Musiktitel) einräumen würden. Handt kann sich minutenlang mit einem kaufmännischen Angestellten aus dem Siegerland über den Ein- und Verkauf von Schrauben (“für den Trockenbau, für Holz”) unterhalten oder sich von einer Hausfrau aus Köln über ihre Kinder berichten lassen, ohne dass es auch nur ansatzweise langweilig wird. Er interessiert sich für seine Anrufer (und wohl für alle seine Hörer) und die freuen sich, “endlich mal durchgekommen” zu sein – ob sie hinterher etwas gewinnen (es geht um CDs und Konzertkarten), ist den meisten fast egal. Handt ist locker im positiven Sinn, ohne dabei ins Joviale (s. Thomas Gottschalk) oder Überdrehte (s. Frühstücksmoderatoren auf jedem verdammten Sender) abzurutschen, und er sagt Sachen wie “Schon komisch, dass so ein Franz Beckenbauer mal Platten eingesungen hat. Obwohl: Marius Müller-Westernhagen singt ja auch …”

Die Sendung läuft Samstagabends ab 19 Uhr und sorgt damit regelmäßig dafür, dass man sich beim Abendessen festhört und das abendliche Fernsehprogramm einfach ignoriert. Roger Handt kennt jeden Song, den er spielt, und weiß, wer ihn wann (wahrscheinlich auch wo) geschrieben, und wer ihn Jahre später auf der B-Seite welcher Single gecovert hat – und wer dabei die Leadgitarre spielte, obwohl er gar nicht in den Liner Notes auftauchte. Sollte er sich doch mal einen groben Schnitzer erlauben, weist er hinterher ganz zerknirscht darauf hin.

Roger Handt ist kein deutscher John Peel. Der legendäre englische Radio-DJ entdeckte bis zu seinem plötzlichen und viel zu frühen Tod 2004 noch wöchentlich neue Platten und feierte Musiker, die seine Enkelkinder hätten sein können. Handt, der 1945 und damit sechs Jahre nach Peel geboren wurde, sagt heute in Interviews Sätze wie

Ich muss mich nur noch für das interessieren, was mich interessiert.

und dass Freddy Quinn ein paar geistreichere Sachen gesungen habe als Xavier Naidoo. Das ist sein gutes Recht, und gerade bei solchen Vergleichen wagt man – schon wegen mangelnder Werkkenntnis beider Künstler – kaum zu widersprechen.

“Yesterday” ist echte Radiounterhaltung. Man kann sich irre jung (“Das war Karl Schiller, Bundeswirtschaftsminister von 1966 bis 1972.”) und wahnsinnig alt (“Und als nächstes hören wir Hanson mit ‘MMMbop’!”) fühlen. Bei mir erzeugt die Sendung das, was schon lange keine Fernsehshow mehr erreicht: das Gefühl der Geborgenheit, so wie vor vielen Jahrzehnten die Illies’sche Badewanne vor “Wetten dass …?”