Liebes Gehirn,
warum fällt Dir eigentlich erst ein, dass ich noch eine Papierserviette in der Jackentasche hatte, wenn ich die Wäsche aus der Maschine hole?
Ich erwarte eine Erklärung.
Sincerely Yours, Lukas
Liebes Gehirn,
warum fällt Dir eigentlich erst ein, dass ich noch eine Papierserviette in der Jackentasche hatte, wenn ich die Wäsche aus der Maschine hole?
Ich erwarte eine Erklärung.
Sincerely Yours, Lukas
Ich habe mich auf Einladung von Stefan Niggemeier intensiv mit den Beiträgen für den diesjährigen Grand Prix beschäftigt. Besonders fasziniert hat mich an diesem Wettbewerb immer schon die unendlich lange, körperlich anstrengende und mit bleischwerer Diplomatie belastete Punktevergabe, was sich wohl mit meiner Faszination für Listen und Statistiken in der Popmusik bestens erklären lässt. Mir fiel aber auch wieder ein, wann ich den Grand Prix das erste Mal bewusst verfolgt habe: 1993, als meine damalige Lieblingsband für Deutschland antrat.
Yes, indeed: Ich war zu Beginn meiner Musikkonsumentenlaufbahn Fan der Münchener Freiheit. Das ist aber, spätestens seit Jochen Distelmeyer sich zu der Band bekannt hat, auch gar keine sonderlich kredibilitätsschädigende Äußerung mehr. Und da ich die mir zum zehnten Geburtstag geschenkte (und damit vermutlich tatsächlich erste) CD „Ihre größten Erfolge“ immer noch bei mir rumfliegen habe (den Mut, sie zwischen Morcheeba und K.D. Lang ins Regal zu stellen, hatte ich dann doch nicht), hab ich gerade noch mal reingehört.
Die gruseligste Nachricht gleich vorab: Ich kann noch immer weiter Teile der Texte mitsingen, bei manchen verstehe ich allerdings erst heute, wovon sie handeln. „So lang‘ man Träume noch Leben kann“ ist einfach immer noch ein gutes Lied, „Verlieben Verlieren“ der vielleicht einzig geglückte Versuch, die Beach Boys in deutscher Sprache nachzuempfinden, die Musik von „Bis wir uns wiederseh’n“ oder „Tausend Augen“ könnte auch in einem schwächeren Moment von den Pet Shop Boys ersonnen worden sein, und bei manchen Liedern nimmt Stefan Zauner sogar den Gesangsstil von Bill Kaulitz vorweg – lange, bevor der überhaupt gezeugt wurde.
Einige Lieder wirken reichlich antiquiert, andere sind aber von einer zeitlosen, nun ja: Zeitlosigkeit: Musikalisch durchdacht (ich hab gerade erst erfahren, dass Stefan Zauner mal bei Amon Düül II mitgewirkt hat) und textlich dem altbekannten Schicksal ausgeliefert, dass deutschsprachige Texte eben tausendmal kritischer beäugt werden als englische. Entsprechend dämlich wirken manche Texte deshalb heutzutage und taten es wohl schon bei ihrem Erscheinen. Verglichen mit manchen heutigen Texten so mancher Indiebands und vor dem Hintergrund, dass zumindest einige der Songs noch als Spätausläufer der Neuen Deutschen Welle entstanden, relativiert sich so ein Urteil aber recht schnell wieder. Ob man sowas, bekäme man es heute neu vorgesetzt, noch ansatzweise gut fände, darf sicherlich ernstlich bezweifelt werden, aber als Erbe des eigenen Geschmacks kann man sich wohl ein- bis zweimal jährlich mit dieser Musik auseinandersetzen. So klangen halt die Achtziger, und es ist ein Wunder, dass wir, die in dieser Zeit aufgewachsen sind, nicht ernstere Schäden davongetragen haben – z.B. irgendeine Art von Bewunderung für Marius Müller-Westernhagen oder Heinz Rudolf Kunze.
An den Grand-Prix-Song der Münchener Freiheit kann ich mich übrigens gar nicht mehr erinnern. Dass er „Viel zu weit“ hieß, musste ich gerade nachschlagen, und den Gedanken, auch die akustische Erinnerung aufzufrischen, habe ich schnell verworfen. Was ich aber noch weiß: Da es damals noch keinen Grand-Prix-Vorentscheid gab, wurde das Lied einfach von einem geheimen Gremium ausgewählt und dem Publikum in einer ARD-Fernsehshow vorgestellt. Diese Sendung lief an einem Donnerstagabend in den Osterferien (sonst hätte ich sie kaum sehen dürfen), wurde von Dagmar Frederic moderiert, und ich weiß auch noch, dass es ein idiotisches Gewinnspiel gab, bei dem man anhand verschiedener Tipps erraten musste, in welcher Stadt eine Bildtelefonzelle aufgestellt worden war, die man dann aufsuchen musste, um mit Frau Frederic live zu bildtelefonieren.
Ich möchte diesen Artikel deshalb mit einem Zitat von Max Goldt schließen, dessen Verwendung ich noch nicht für möglich gehalten hätte, als ich die ersten Zeilen schrieb:
Die Menschheit sollte sich übrigens mal auf ihren gut 13 Milliarden Knien bei der Zivilisation dafür bedanken, dass ihr das Bildtelefon erspart geblieben ist.
PS: Wo wir gerade von Westernhagen sprachen: Es scheint unter Musikkonsumenten wie Musikern eine kanonische Einigkeit darüber vorzuherrschen, dass der widerlichste, anbiederndste Moment bundesrepublikanischer Deutschrockgeschichte auf Westernhagens Livealbum zu finden ist. Wenn er zwischen „alle, die von Freiheit träumen“ und „sollen Freiheit nicht versäumen“ sein „So wie wir heute Abend hier!!!!1“ in die Dortmunder Westfalenhalle blökt, möchte man auch 17 Jahre danach noch in die nächstgelegene Ecke kotzen.
Ich trat gerade ans Handwaschbecken, um meine Hände zu waschen, als ein Satz meine Synapsen durchzuckte:
Als Herr von Schelle trete ich viel energischer und zackiger auf
Weit schlimmer als der Satz ist sein Ursprung und vor allem die Tatsache, dass ich mich daran erinnere. Er entstammt nämlich einer Überschrift auf der Medienseite der NRZ, die ich etwa im Jahr 1992 auf dem Küchenfußboden meiner Eltern las. Gesagt hat ihn die inzwischen verstorbene, damals aber noch quicklebendige Annemarie Wendl, die in der beliebten ARD-Serie „Lindenstraße“ die Hausmeisterin Else Kling spielte. In einer Folge dieser Serie musste sich Else Kling als Mann (eben jener Herr von Schelle) verkleiden, da sie – und hier wird meine Erinnerung bruchstückhafter – einen Aufenthalt auf einer Wellness Farm (die damals noch nicht „Wellness Farm“ hieß) gewonnen hatte, es sich allerdings um eine Wellness Farm für Männer handelte und sie deshalb unter Pseudonym teilgenommen hatte und nun auch so dort anreisen musste.
Da man sich auf einer Wellness Farm eher selten voll bekleidet aufhält, will mir diese Erklärung heute, knapp 15 Jahre später, irgendwie völlig dämlich und weit hergeholt erscheinen, aber ich bin mir recht sicher, dass es sich so oder so ähnlich abgespielt hat. Der derart überschriebene Artikel drehte sich entsprechend um die Erfahrungen, die Frau Wendl bei den Dreharbeiten in disguise gemacht hatte.
Leider finde ich heute keinerlei aussagekräftige Quellen mehr zu dem Thema, aber ich bin bereit, einem Gedächtnis, das einen solchen Satz über Jahrzehnte verwahrt, auch die Begleitumstände zu glauben – seien sie auch noch so diffus und unsinnig.
Das Besorgniserregendste an dieser Geschichte aber ist: ich habe die „Lindenstraße“ nie bewusst geguckt.