Kategorien
Musik

Are we human or are we Freiheit?

Meine Verbundenheit mit der Münchener Freiheit hatte ich ja schon mehrfach thematisiert. Nachdem die Band ca. 15 Jahre völlig von meinem Schirm verschwunden, aber selbstverständlich nie “weg” war, gibt es nun … äh … Nachrichten: Am 1. Oktober erscheint das neue Album, das “Ohne Limit” heißen wird.

Während die Band in den 1980er Jahren ja immer etwas zu Unrecht in die Schlager-Ecke geschoben wurde (eine Erfahrung, die Silbermond oder Philipp Poisel irritierenderweise nicht machen müssen), scheint sie sich jetzt ihrem Schicksal ergeben und die Rolle der alternden Schlagerfuzzies angenommen zu haben. Die TV-Premiere zur neuen Single “Seit der Nacht” war jedenfalls vorletzte Woche im MDR-Fernsehen bei “Musik für Sie”.

Diese Single hat es dann auch gleich in sich, denn sie ist gleichzeitig ein Angriff auf den König des Popschlagers und den guten Geschmack Bands wie The Killers und Scissor Sisters, die meinten, ungestraft im Discofox wildern zu dürfen.

Strecken Sie Ihre Beine durch, drehen Sie ihre PC-Lautsprecher ganz auf und legen Sie eine flotte Sohle aufs Parkett — das Parkett, in dem ich mich kurz verbissen hatte, als ich den Song das erste Mal gehört habe:

Hier klicken, um den Inhalt von www.myvideo.de anzuzeigen


Münchener Freiheit – Seit der nacht – MyVideo

(Bitte beachten Sie auch die “Human”-Keyboardmelodie bei 0:38, falls Sie es so weit geschafft haben.)

Wenn Ihnen danach ist, können Sie auf der Website der Band Ausschnitte aus allen 16 neuen Songs hören. Im Herbst und im kommenden Frühjahr ist die Münchener Freiheit auf großer “30 Jahre”-Jubiläumstour.

Kategorien
Musik

In Erinnerung vergangener Tage

Ich habe mich auf Einladung von Stefan Niggemeier intensiv mit den Beiträgen für den diesjährigen Grand Prix beschäftigt. Besonders fasziniert hat mich an diesem Wettbewerb immer schon die unendlich lange, körperlich anstrengende und mit bleischwerer Diplomatie belastete Punktevergabe, was sich wohl mit meiner Faszination für Listen und Statistiken in der Popmusik bestens erklären lässt. Mir fiel aber auch wieder ein, wann ich den Grand Prix das erste Mal bewusst verfolgt habe: 1993, als meine damalige Lieblingsband für Deutschland antrat.

Yes, indeed: Ich war zu Beginn meiner Musikkonsumentenlaufbahn Fan der Münchener Freiheit. Das ist aber, spätestens seit Jochen Distelmeyer sich zu der Band bekannt hat, auch gar keine sonderlich kredibilitätsschädigende Äußerung mehr. Und da ich die mir zum zehnten Geburtstag geschenkte (und damit vermutlich tatsächlich erste) CD “Ihre größten Erfolge” immer noch bei mir rumfliegen habe (den Mut, sie zwischen Morcheeba und K.D. Lang ins Regal zu stellen, hatte ich dann doch nicht), hab ich gerade noch mal reingehört.

Die gruseligste Nachricht gleich vorab: Ich kann noch immer weiter Teile der Texte mitsingen, bei manchen verstehe ich allerdings erst heute, wovon sie handeln. “So lang’ man Träume noch Leben kann” ist einfach immer noch ein gutes Lied, “Verlieben Verlieren” der vielleicht einzig geglückte Versuch, die Beach Boys in deutscher Sprache nachzuempfinden, die Musik von “Bis wir uns wiederseh’n” oder “Tausend Augen” könnte auch in einem schwächeren Moment von den Pet Shop Boys ersonnen worden sein, und bei manchen Liedern nimmt Stefan Zauner sogar den Gesangsstil von Bill Kaulitz vorweg – lange, bevor der überhaupt gezeugt wurde.

Einige Lieder wirken reichlich antiquiert, andere sind aber von einer zeitlosen, nun ja: Zeitlosigkeit: Musikalisch durchdacht (ich hab gerade erst erfahren, dass Stefan Zauner mal bei Amon Düül II mitgewirkt hat) und textlich dem altbekannten Schicksal ausgeliefert, dass deutschsprachige Texte eben tausendmal kritischer beäugt werden als englische. Entsprechend dämlich wirken manche Texte deshalb heutzutage und taten es wohl schon bei ihrem Erscheinen. Verglichen mit manchen heutigen Texten so mancher Indiebands und vor dem Hintergrund, dass zumindest einige der Songs noch als Spätausläufer der Neuen Deutschen Welle entstanden, relativiert sich so ein Urteil aber recht schnell wieder. Ob man sowas, bekäme man es heute neu vorgesetzt, noch ansatzweise gut fände, darf sicherlich ernstlich bezweifelt werden, aber als Erbe des eigenen Geschmacks kann man sich wohl ein- bis zweimal jährlich mit dieser Musik auseinandersetzen. So klangen halt die Achtziger, und es ist ein Wunder, dass wir, die in dieser Zeit aufgewachsen sind, nicht ernstere Schäden davongetragen haben – z.B. irgendeine Art von Bewunderung für Marius Müller-Westernhagen oder Heinz Rudolf Kunze.

An den Grand-Prix-Song der Münchener Freiheit kann ich mich übrigens gar nicht mehr erinnern. Dass er “Viel zu weit” hieß, musste ich gerade nachschlagen, und den Gedanken, auch die akustische Erinnerung aufzufrischen, habe ich schnell verworfen. Was ich aber noch weiß: Da es damals noch keinen Grand-Prix-Vorentscheid gab, wurde das Lied einfach von einem geheimen Gremium ausgewählt und dem Publikum in einer ARD-Fernsehshow vorgestellt. Diese Sendung lief an einem Donnerstagabend in den Osterferien (sonst hätte ich sie kaum sehen dürfen), wurde von Dagmar Frederic moderiert, und ich weiß auch noch, dass es ein idiotisches Gewinnspiel gab, bei dem man anhand verschiedener Tipps erraten musste, in welcher Stadt eine Bildtelefonzelle aufgestellt worden war, die man dann aufsuchen musste, um mit Frau Frederic live zu bildtelefonieren.

Ich möchte diesen Artikel deshalb mit einem Zitat von Max Goldt schließen, dessen Verwendung ich noch nicht für möglich gehalten hätte, als ich die ersten Zeilen schrieb:

Die Menschheit sollte sich übrigens mal auf ihren gut 13 Milliarden Knien bei der Zivilisation dafür bedanken, dass ihr das Bildtelefon erspart geblieben ist.

PS: Wo wir gerade von Westernhagen sprachen: Es scheint unter Musikkonsumenten wie Musikern eine kanonische Einigkeit darüber vorzuherrschen, dass der widerlichste, anbiederndste Moment bundesrepublikanischer Deutschrockgeschichte auf Westernhagens Livealbum zu finden ist. Wenn er zwischen “alle, die von Freiheit träumen” und “sollen Freiheit nicht versäumen” sein “So wie wir heute Abend hier!!!!1” in die Dortmunder Westfalenhalle blökt, möchte man auch 17 Jahre danach noch in die nächstgelegene Ecke kotzen.