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Are we human or are we Freiheit?

Mei­ne Ver­bun­den­heit mit der Mün­che­ner Frei­heit hat­te ich ja schon mehr­fach the­ma­ti­siert. Nach­dem die Band ca. 15 Jah­re völ­lig von mei­nem Schirm ver­schwun­den, aber selbst­ver­ständ­lich nie „weg“ war, gibt es nun … äh … Nach­rich­ten: Am 1. Okto­ber erscheint das neue Album, das „Ohne Limit“ hei­ßen wird.

Wäh­rend die Band in den 1980er Jah­ren ja immer etwas zu Unrecht in die Schla­ger-Ecke gescho­ben wur­de (eine Erfah­rung, die Sil­ber­mond oder Phil­ipp Poi­sel irri­tie­ren­der­wei­se nicht machen müs­sen), scheint sie sich jetzt ihrem Schick­sal erge­ben und die Rol­le der altern­den Schla­ger­fuz­zi­es ange­nom­men zu haben. Die TV-Pre­mie­re zur neu­en Sin­gle „Seit der Nacht“ war jeden­falls vor­letz­te Woche im MDR-Fern­se­hen bei „Musik für Sie“.

Die­se Sin­gle hat es dann auch gleich in sich, denn sie ist gleich­zei­tig ein Angriff auf den König des Pop­schla­gers und den guten Geschmack Bands wie The Kil­lers und Scis­sor Sis­ters, die mein­ten, unge­straft im Dis­co­fox wil­dern zu dür­fen.

Stre­cken Sie Ihre Bei­ne durch, dre­hen Sie ihre PC-Laut­spre­cher ganz auf und legen Sie eine flot­te Soh­le aufs Par­kett – das Par­kett, in dem ich mich kurz ver­bis­sen hat­te, als ich den Song das ers­te Mal gehört habe:


Mün­che­ner Frei­heit – Seit der nacht – MyVi­deo

(Bit­te beach­ten Sie auch die „Human“-Keyboardmelodie bei 0:38, falls Sie es so weit geschafft haben.)

Wenn Ihnen danach ist, kön­nen Sie auf der Web­site der Band Aus­schnit­te aus allen 16 neu­en Songs hören. Im Herbst und im kom­men­den Früh­jahr ist die Mün­che­ner Frei­heit auf gro­ßer „30 Jahre“-Jubiläumstour.

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Musik Politik

Rock around the Bundestag

Wie ich gera­de sueddeutsche.de ent­neh­me, wird sich der Deut­sche Bun­des­tag am heu­ti­gen Mitt­woch mit dem Antrag „Popu­lä­re Musik als wich­ti­gen Bestand­teil des kul­tu­rel­len Lebens stär­ken“ befas­sen. Dar­in for­dern die Frak­tio­nen von CDU/​CSU und SPD eine zag­haf­te För­de­rung von hei­mi­schem Rock, Pop und Jazz.

Nun muss man bei der soge­nann­ten Kul­tur­po­li­tik immer ganz vor­sich­tig sein, beson­ders, wenn es um Pop­mu­sik geht. Erin­ne­run­gen an die grau­en­haf­te For­de­rung nach einer „Radio­quo­te“ wer­den sofort wie­der wach (und dar­an, wie Wiglaf Dros­te Ant­je Voll­mer und Hart­mut Eng­ler fer­tig mach­te).

Und, inde­ed: Smells Like Deutsch­quo­te light.

Das Inter­net als beson­ders leicht zugäng­li­ches und preis­wer­tes Medi­um hat sich in den letz­ten Jah­ren zu einer der wich­tigs­ten Platt­for­men für Künst­le­rin­nen und Künst­ler aller Berei­che ent­wi­ckelt. Neben der Ver­füg­bar­keit gro­ßer und über­grei­fen­der Platt­for­men ist im Inter­net auch eine eigen­stän­di­ge und selbst­be­stimm­te Prä­sen­ta­ti­on und Ver­mark­tung mög­lich, die durch­aus sinn­voll sein kann. Weit­aus höher sind die Zugangs­bar­rie­ren jedoch bei den wich­ti­gen media­len Platt­for­men Hör­funk und Fern­se­hen. Hier spie­gelt sich der bestehen­de Erfolg der in Deutsch­land pro­du­zier­ten Rock- und Pop­mu­sik nicht wider.

Allein die Vor­stel­lung, beim Ein­schal­ten des Radi­os noch öfter Juli, Sil­ber­mond oder gar Revol­ver­held hören zu müs­sen, treibt mir den Angst­schweiß ins Gesicht.

Zwi­schen­ruf: „Und was ist mit Tom­te, Kan­te, Kili­ans?“
Ant­wort: „Ja, das ist eben Qua­li­tät. Ich habe immer noch die nai­ve Vor­stel­lung, dass die sich lang­fris­tig durch­set­zen wird. Das ist jeden­falls wahr­schein­li­cher, als dass eine grö­ße­re Anzahl Radio­kon­su­men­ten plötz­lich los­rennt und Kan­te-Alben kauft, nur weil die im Radio lie­fen. Kan­te wür­den aber eh nicht im Radio lau­fen, son­dern die oben genann­ten.“

Die Bun­des­re­gie­rung wird auf­ge­for­dert, bestehen­de För­de­run­gen für deut­sche Pop­mu­sik bes­ser abzu­stim­men, „pri­va­te Mit­tel ergän­zend zur staat­li­chen För­de­rung ein­zu­wer­ben“ und sich bei den Rund­funk­an­stal­ten für „ange­mes­se­ne Platt­for­men ein­zu­set­zen“. Es ist ein zah­mer Antrag, zusam­men mit zwei Ein­ga­ben zur Kul­tur­wirt­schaft ist jedoch immer­hin eine Stun­de zur Bera­tung vor­ge­se­hen. Die ver­an­schlag­ten Kos­ten im Haus­halt lie­gen bei je einer Mil­li­on Euro für 2007 und 2008.

Das kann eine Men­ge hei­ßen. Natür­lich habe auch ich Angst vor Rock­be­am­ten und Pop­be­auf­trag­ten. In Län­dern wie Schwe­den, Finn­land, Nor­we­gen, Frank­reich, Groß­bri­tan­ni­en und Kana­da, gibt es teil­wei­se seit Jah­ren „Musik­ex­port­bü­ros“, die sich um eine För­de­rung der hei­mi­schen Musik im Aus­land bemü­hen.

Nun kann man argu­men­tie­ren, dass Bands wie Abba, a‑ha oder die … Beat­les durch­aus auch ohne der­ar­ti­ge Kam­pa­gnen Erfolg hat­ten. Man Ich weiß nicht, inwie­weit die aktu­el­le „Swe­dish Inva­si­on“ von Man­do Diao, Money­brot­her und Sugar­plum Fairy plan­bar gewe­sen sein soll. Und es bleibt natür­lich immer ein fader Bei­geschmack bei staat­lich „ver­ord­ne­ter“ Kul­tur.

Ein deut­sches Rock­bü­ro ist für mich eine denk­bar uncoo­le Vor­stel­lung – und ich fra­ge mich, wie­so. Als ich auf ver­gan­ge­nen Pop­kom­men von der skan­di­na­vi­schen För­de­rung hör­te, fand ich die Idee wun­der­bar und frag­te mich, wie­so es sowas in mei­nem hin­ter­wäld­le­ri­schen Hei­mat­land nicht gibt. Kaum küm­mern sich die Poli­ti­ker mal um pop­kul­tu­rel­le The­men, fin­de ich es auch wie­der schreck­lich. Einer­seits könn­te die hie­si­ge Musik­sze­ne eine „ein­heit­li­che Struk­tur“, wie sie im Antrag gefor­dert wird, gut gebrau­chen, ande­rer­seits zer­stört das natür­lich das Bild des chao­ti­schen, unauf­ge­räum­ten Rock’n’Roll.

Eigent­lich ist es nur gerecht: Thea­ter wer­den geför­dert, Muse­en, Biblio­the­ken und Denk­mä­ler. Klas­si­sche Musik eh. Die deut­sche Film­wirt­schaft könn­te ohne Film­för­de­rung kaum über­le­ben – und Zyni­ker wür­den fra­gen, in wie viel Pro­zent der Fäl­le das ein Ver­lust wäre. Von über­wie­gend pri­va­ter Kul­tur­för­de­rung sind wir hier­zu­lan­de noch weit ent­fernt und glaubt man den Ver­ant­wort­li­chen der Musik­in­dus­trie, wird ihr Wirt­schafts­sek­tor bald eh ein Fall fürs Amt.

Viel­leicht soll­ten wir ein­fach mal abwar­ten. Die Erfah­rung zeigt: Die Deut­schen wer­den es schon falsch machen.

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Musik Radio

Von Blumen und Hunden, Euros und Quoten

„Fünf Jah­re nach mir und drei Jah­re nach Blum­feld /​ Kau­fen sie alles ein, was deutsch singt“ sang Tom Liwa, der in die­ser Bezie­hung erschre­ckend visio­nä­re Sän­ger der Flower­porn­oes, 1993 in „Titel­sto­ry gegen ganz­sei­ti­ge Anzei­ge“. Jetzt, zwei Jah­re nach Madsen und im Wind­schat­ten von Bands wie Sil­ber­mond, Juli und Revol­ver­held, scheint die Musik­in­dus­trie – ihrer seit Jah­ren anhal­ten­den schwe­ren Kri­se zum Trotz – wirk­lich alles signen zu müs­sen, was jung ist, eine Gitar­re hal­ten kann und deutsch spricht bzw. singt. Was ja für sich betrach­tet erst mal weder gut noch schlecht ist – die Nach­wuchs­för­de­rung ist sogar aufs hef­tigs­te zu begrü­ßen.

Die neu­es­te Sau, die der­art durchs Dorf gejagt wird, heißt Kar­pa­ten­hund. Ihre Sin­gle „Gegen den Rest“ (die man bei MySpace hören kann), konn­te in den Indie-ori­en­tier­ten Cam­pusCharts genau­so punk­ten (Platz 1 am 16. April wie in den deut­schen Sin­gle­charts (Neu­ein­stieg auf Platz 43). Der Pop­kul­tur­jun­kie las im aktu­el­len Spie­gel (Arti­kel online nicht ver­füg­bar) unter ande­rem:

Für über 30 000 Euro wird Kar­pa­ten­hund Prä­senz auf MTV gesi­chert, dazu zählt, dass „Gegen den Rest“ im April 16-mal die Woche gespielt wird.

und

Bericht im ‘WOM-Maga­zin’ und Son­der­pla­zie­rung bei WOM und Kar­stadt? Rund 15 000 Euro. Bei der süd­deut­schen Laden­ket­te Mül­ler pro­mi­nent auf­tau­chen? 3000 Euro. Pla­zie­rung bei Ama­zon als Neu­heit? 2500 Euro.

Mal davon ab, ob die­se Zah­len so stim­men (die uns übri­gens wie­der zur Liwa’schen Titel­sto­ry brin­gen) und dass die­se Pra­xis so neu und exo­tisch auch nicht ist, klingt die Musik auch noch. Und zwar so, wie deutsch­spra­chi­ge Indie­bands, die auf ein stu­den­ti­sches Publi­kum zie­len, eben so klin­gen. Die Braut Haut Ins Auge, die Las­sie Sin­gers oder die Mouli­net­tes (mit deren Best Of die Kar­pa­ten­hund-Sin­gle übri­gens ver­blüf­fen­de Cover-Ähn­lich­kei­ten hat) klan­gen so schon vor län­ge­rem.

„Gegen den Rest“ ist ein net­ter Schubi­du-Pop­song, zu dem man in der Indi­edis­co tanzt und ihn auf dem Heim­weg schon wie­der ver­ges­sen hat – Hund Am Strand 2007 halt. Ich fin­de es nur immer ein biss­chen scha­de, dass die klei­ne­ren, eigent­lich span­nen­de­ren Acts wie Jona, Jan­ka oder Zuhau­se, die nicht so eine gro­ße Pro­mo­ma­schi­ne im Rücken haben wie Kar­pa­ten­hund, Fotos oder Madsen, mal wie­der irgend­wie unter­ge­hen. Und dann blo­ckiert auch noch die (übri­gens fan­tas­ti­sche) neue Sin­gle von Wir Sind Hel­den die Radio­sen­der.

Es ist übri­gens noch kei­ne drei Jah­re her, da for­der­ten ein paar über­wie­gend älte­re, haupt­säch­lich unspan­nen­de und auch sonst eher ner­vi­ge Musi­ker (z.B. Heinz Rudolf Kun­ze) unter Mit­hil­fe der dama­li­gen Bun­des­tags­vi­ze­prä­si­den­tin Ant­je Voll­mer eine sog. Deutsch­quo­te. Die damals ver­ein­zelt ange­reg­ten Alter­na­ti­ven wür­de ich heut­zu­ta­ge nur zu ger­ne mal dem Peti­ti­ons­aus­schuss vor­stel­len …