Kategorien
Digital Politik Gesellschaft

Zu früh geärgert

Vor zwei Wochen haben wir den 18. Geburts­tag die­ses Blogs gefei­ert, jetzt kön­nen wir schon das nächs­te Jubi­lä­um bege­hen. Heu­te vor zehn Jah­ren habe ich das abge­setzt, was mein erfolg­reichs­ter Tweet (eine Kate­go­rie, bedeu­tend trau­ri­ger als „Viert­bes­ter Tor­schüt­ze der Rück­run­de in der Kreis­li­ga C“) wer­den soll­te:

Tweet vom 24. Februar 2015: Wir sind im Jahr 2015 und die großen Themen lauten Religion, Meinungsfreiheit und Impfen. Wollen wir eigentlich unsere Vorfahren verarschen?

Ich bin mir rela­tiv sicher, mich erin­nern zu kön­nen (und wir wis­sen alle, was das bedeu­tet), wie ich die­sen Tweet zwi­schen „War­ten am Bochu­mer Haupt­bahn­hof“ und „Ein­stei­gen in den Regio­nal­ex­press nach Köln“ geschrie­ben und abge­schickt habe (des­we­gen auch die etwas merk­wür­di­ge Posi­tio­nie­rung des Adverbs „eigent­lich“ vor dem Akku­sa­tiv-Objekt, die mich seit dem ers­ten Moment stört), aber ich bin etwas rat­los, wel­che damals aktu­el­len Debat­ten ich damit kom­men­tie­ren woll­te. Die „Tages­schau“ vom Vor­abend ist schon mal kei­ne Hil­fe.

Die The­men „Reli­gi­on“ und „Mei­nungs­frei­heit“ mögen mit den Anschlä­gen auf die Redak­ti­on des fran­zö­si­schen Sati­re­ma­ga­zins „Char­lie Heb­do“ sie­ben Wochen zuvor zusam­men­hän­gen, auch wenn es aus heu­ti­ger Sicht eini­ger­ma­ßen unvor­stell­bar erscheint, dass ein Ereig­nis der­art lan­ge medi­al ven­ti­liert wird. „Imp­fen“ hat, wie ich jetzt ergoo­geln konn­te, wahr­schein­lich etwas mit einem Masern­aus­bruch zu tun, zu dem sich der Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter, offen­kun­dig ein Mann mit dem Namen Her­mann Grö­he, am glei­chen Tag äußer­te.

Wie es so oft ist: Man kann nicht vor­her­sa­gen oder kon­trol­lie­ren, was „viral geht“. So erreich­te mei­ne etwas nebu­lö­se Gesell­schafts­kri­tik schon in den ers­ten Stun­den Hun­der­te „Ret­weets“ und „Likes“ und ich bekam mei­ne wei­te­re gerech­te Stra­fe in Form eines eige­nen Arti­kels bei „Focus Online“. Ich ent­neh­me mei­nen Auf­zeich­nun­gen, dass ich offen­bar eini­gen uner­wünsch­ten Zuspruch von Ras­sis­ten auf Face­book bekom­men habe, und der „Focus Online“-Text deu­tet an, wie die­se Leu­te auf die fal­sche Fähr­te kom­men konn­ten:

In der Tat liegt Hein­ser nicht falsch: Der Islam und wie der Wes­ten mit ihm umge­hen soll, ist nicht erst seit der Pegi­da-Bewe­gung ein heiß dis­ku­tier­tes The­ma in Deutsch­land.

Mei­ne flap­sig weg­for­mu­lier­te Äuße­rung lässt natür­lich auch ver­schie­de­ne Deu­tun­gen zu — das ist ja eines der vie­len Elen­de von maxi­mal ver­knapp­ten Online-Debat­ten. Mei­ne Blog-Ein­trä­ge und News­let­ter spren­gen nicht sel­ten die 10.000-Zeichen-Marke, Twit­ter erlaub­te damals offen­bar nicht mehr als 140. Wie hät­te ich da gleich­zei­tig Besorg­nis aus­drü­cken sol­len über Per­so­nen, die ihre Reli­gi­on so ernst neh­men, dass sie dafür Men­schen ermor­den, und gleich­zei­tig einer frem­den­feind­li­chen Pau­schal­kri­tik eine Absa­ge ertei­len? Ich weiß ja nicht mal mehr, wor­um es mir genau ging, außer, dass ich von Evo­lu­ti­ons­brem­sen genervt war.

Den­noch wirkt mein Tweet heu­te wie eine Fla­schen­post aus ein­fa­che­ren, fast sorg­lo­sen Zei­ten: Vor dem Spät­som­mer 2015, in dem sich Bun­des­kanz­le­rin Ange­la Mer­kel gegen eine Schlie­ßung der deut­schen Außen­gren­zen ent­schied und ihren anstän­di­gen Mini­mal-Huma­nis­mus mit dem Erstar­ken von offen frem­den­feind­li­chen Posi­tio­nen auf Social Media und in der deut­schen und euro­päi­schen Poli­tik bezah­len muss­te; vor der US-Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­tur eines abge­half­ter­ten Rea­li­ty-TV-Stars; vor dem „Brexit“; vor dem Beginn des rus­si­schen Angriffs­kriegs gegen die Ukrai­ne (aber nach der Anne­xi­on der Krim und dem Ein­marsch im Don­bass); vor dem Hamas-Ter­ror vom 7. Okto­ber 2023, der bis heu­te anhält, und dem ganz gro­ßen Das-wird-man-doch-noch-sagen-dür­fen-Back­lash. Fried­rich Merz war ein weit­ge­hend in Ver­ges­sen­heit gera­te­ner Rechts­an­walt aus Düs­sel­dorf und die AfD stand in Wahl­um­fra­gen bei ca. 6%.

Es liegt eine beson­ders grob­schläch­ti­ge Iro­nie dar­in, dass der Ort, an dem ich mei­ne Gedan­ken damals wind­schief notiert habe, einer der Haupt­fak­to­ren der Ent­wick­lun­gen der nächs­ten Jah­re war: mit Fehl­in­for­ma­tio­nen zu Brexit und Hil­la­ry Clin­ton, zu COVID-19 und Imp­fun­gen, zu Geflüch­te­ten — und dann kam auch noch Elon Musk, der den gan­zen Bums auf­ge­kauft und zu einem Schmelz­tigel für Ver­schwö­rungs­er­zäh­lun­gen, Hass und alle Arten von Men­schen­ver­ach­tung opti­miert hat (wor­auf­hin Mark Zucker­berg für sei­ne Platt­for­men nach­zog).

Zwei wei­te­re Iro­nien lie­gen dar­in, dass mein Tweet aus­ge­rech­net heu­te Jubi­lä­um fei­ert, am drit­ten Jah­res­tag des offe­nen rus­si­schen Kriegs gegen die Ukrai­ne, und am Mor­gen nach einer Bun­des­tags­wahl, bei der die AfD auf 20,8% kam und eine Uni­on, die die Mer­kel-Ära abge­schüt­telt hat wie eine unge­lieb­te Jacke, in der Bun­des­re­gie­rung den Ton ange­ben wird.

Wahl­er­fol­ge mit rech­ter Rhe­to­rik ver­än­dern das gesell­schaft­li­che Kli­ma: Leu­te, die über Jah­re (zu recht) zu fei­ge waren, ras­sis­ti­sche, que­er­feind­li­che oder sonst­wie xeno­pho­be Kom­men­ta­re abzu­ge­ben, füh­len sich plötz­lich wie­der in der Mehr­heit, weil die Medi­en, rich­ti­ge wie Sozia­le, voll sind mit den gan­zen Unge­heu­er­lich­kei­ten (und ja auch lin­ke, auf­ge­klär­te Men­schen sie ger­ne noch ein­mal tei­len, um noch mal klar zu machen, wie unge­heu­er­lich sie sind). 

An einem Tag wie heu­te fällt es schwer, hoff­nungs­voll oder auch nur opti­mis­tisch zu sein: AfD-Wähler*innen wer­fen Nicht-AfD-Wähler*innen auf Social Media vor, dass ihnen der Tod von Opfern mut­maß­lich isla­mis­tisch moti­vier­ter Ter­ror­an­schlä­ge und Mor­de egal sei — als ob pro­gres­si­ve Men­schen nicht gegen Tota­li­ta­ris­mus, Patri­ar­chat und Gewalt wären, als ob der gefähr­lichs­te Ort für Frau­en nicht ihr eige­nes Zuhau­se oder Umfeld wäre und als ob eine sofor­ti­ge Schlie­ßung der Außen­gren­zen irgend­wel­che Aus­wir­kun­gen hät­te auf Men­schen, die hier unter men­schen­un­wür­di­gen Bedin­gun­gen leben, unbe­han­del­te psy­chi­sche Pro­ble­me haben (womög­lich als Fol­ge von Trau­ma­ti­sie­rung in ihrer Hei­mat oder auf der Flucht hier­her) und emp­fäng­lich sind für men­schen­ver­ach­ten­de Wir-gegen-die-Nar­ra­ti­ve, die denen der AfD gar nicht so unähn­lich sind.

Jede „Migra­ti­ons­de­bat­te“ ist immer auch der sump­fi­ge, brau­ne Nähr­bo­den für blan­ken Ras­sis­mus, für ein Über­le­gen­heits­ge­fühl irgend­wel­cher Arsch­lö­cher, deren arg­los raus­ge­haue­nen Social-Media-Paro­len die Lebens­wirk­lich­keit mei­ner Freund*innen und der Freund*innen mei­nes Soh­nes bestim­men. Gleich­zei­tig glau­be ich, dass jede Social-Media-Empö­rung immer auch eine endo­ther­me Reak­ti­on ist, dass also die gan­ze Zeit von außen Ener­gie zuge­führt wer­den muss, damit sie am Kochen bleibt. Die­ses „außen“ sind natür­lich in ers­ter Linie Kräf­te wie Russ­land, Elon Musk und der Axel-Sprin­ger-Ver­lag, bei denen ich aktu­ell kei­ne Idee habe, wie man sie wie­der los wird oder wenigs­tens ihren Ein­fluss ein­schränkt (also: außer „Social Media abschal­ten“), aber ich wer­de weder die Hoff­nung, noch mein Enga­ge­ment gegen die­sen Wahn­sinn der ein­fa­chen Lösun­gen auf­ge­ben.

Ich bin jetzt 41 Jah­re alt und ich bin seit 41 Jah­ren auf Demos gegen Umwelt­zer­stö­rung und Nazis dabei. Ich bin es den Frau­en in mei­ner Fami­lie schul­dig, die sich seit Gene­ra­tio­nen für die Men­schen enga­giert haben, die von unse­rer Gesell­schaft an den Rand gedrängt und über­se­hen wur­den; die in Par­tei­en und Orga­ni­sa­tio­nen aktiv waren und 1938 anti­se­mi­ti­sche Mit­schü­le­rin­nen ver­dro­schen haben. Das sind die Vor­fah­ren, die ich mit mei­nem Tweet mein­te.

Kor­rek­tur, 4. März 2025: In der ers­ten Ver­si­on die­ses Blog­posts hat­te ich das Wort „eigent­lich“ als „Adjek­tiv“ bezeich­net. Im Fal­le des Tweets ist es aber ein­deu­tig ein Adverb. Mit Dank an K.!

Kategorien
Gesellschaft Politik

Sonst ist der bitt’re Frost mein Tod

Als ich noch kein Kind hat­te, fand ich die Fra­ge „Haben Sie selbst Kin­der?“ in einer Dis­kus­si­on immer etwas unver­schämt – so, als ob einem das Schick­sal der Welt und der Men­schen weni­ger wich­tig wäre, nur weil man sich noch nicht erfolg­reich fort­ge­pflanzt hat. Stellt sich raus: Es ändert sich tat­säch­lich wahn­sin­nig viel und plötz­lich steht man am Mor­gen nach einer US-Prä­si­dent­schafts­wahl wei­nend unter der Dusche, weil man lang­sam echt Angst bekommt, in was für einer kran­ken Welt das Kind und sei­ne Freun­de eigent­lich auf­wach­sen sol­len.

Die neue Sicht auf die Welt ist aber nicht aus­schließ­lich apo­ka­lyp­tisch – im Gegen­teil: Die Geschich­te von St. Mar­tin hat mich als Kind nie ernst­haft beschäf­tigt. Klar: Bett­ler, Man­tel, Hei­li­ger. Jedes Jahr gab es in Dins­la­ken einen Gro­ßen Mar­tins­zug mit Pferd und Feu­er, danach gab es Stu­ten­kerle, aber das alles war nur das Vor­pro­gramm für die Mar­ti­ni­kir­mes, über die wir anschlie­ßend mit Omas Kir­mes­geld in der Tasche zie­hen durf­ten – und deren Name uns auch erst sehr viel spä­ter irgend­wie mehr­deu­tig und lus­tig erschien. Letz­tes Jahr aber, als wir das ers­te Mal mit dem Kind beim Mar­tins­zug waren und die Flücht­lings­kri­se gera­de auf dem Höhe­punkt war, da erschien mir die Geschich­te des römi­schen Sol­da­ten, der sich um einen Obdach­lo­sen vor den Stadt­to­ren küm­mert, plötz­lich wahn­sin­nig wich­tig und aktu­ell. Da hät­te der Pfar­rer bei sei­ner Rezi­ta­ti­on der Mar­tins­ge­schich­te gar nicht mehr den Bogen in die Gegen­wart schla­gen müs­sen.

Je län­ger ich dar­über nach­den­ke, des­to mehr habe ich das Gefühl, dass das Mar­tins­fest der viel­leicht wich­tigs­te – sicher­lich aber: greif­bars­te – christ­li­che Fei­er­tag sein könn­te. Geburt oder Auf­er­ste­hung eines Hei­lands, Hei­li­ger Geist und Was­ge­nauf­ei­ert­man­noch­mal­an­Fron­leich­nam? sind von der Lebens­wirk­lich­keit der Men­schen dann doch eher weit ent­fernt, Hilfs­be­reit­schaft und Nächs­ten­lie­be ver­ste­hen die meis­ten noch. Da braucht es dann auch gar nicht unbe­dingt noch die Schluss­poin­te und die fünf­te Stro­phe des Mar­tins­lieds, wo Jesus Chris­tus auf­taucht und erklärt, dass der gute Mar­tin jetzt für ihn, Chris­tus, den Man­tel gege­ben hät­te.

Nach­dem Ange­la Mer­kel mit ihrem Auf­ruf, Lie­der­zet­tel zu kopie­ren und Block­flö­tis­ten zu Rate zu zie­hen, mal wie­der für gro­ßes Hal­lo auf dem Gebiet gesorgt hat­te, das die meis­ten Deut­schen immer noch für Sati­re hal­ten, ver­öf­fent­lich­te der WDR in sei­ner Sen­dung „WDR aktu­ell“ einen Bei­trag aus dem WDR-Lehr­buch „WDR-Bei­trä­ge, die wie WDR-Bei­trä­ge aus­se­hen“: Erst san­gen nor­ma­le Men­schen auf der Stra­ße Weih­nachts­lie­der in Kame­ra und Mikro­fon, dann gab es Schnitt­bil­der von der Kanz­le­rin, schließ­lich kamen ein paar ein­ord­nen­de O‑Ton-Geber zu Wort. Der stell­ver­tre­ten­de CDU-Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de im Düs­sel­dor­fer Stadt­rat, Andre­as Hart­nigk, erklärt:

Wir sind hier in einer christ­lich-abend­län­di­schen Kul­tur groß gewor­den, wir leben die­se Kul­tur auch, und da sin­gen wir kei­ne Son­ne-Mond-und-Ster­ne-Lie­der, son­dern wir sin­gen St.-Martins-Lieder und das Ding heißt auch St.-Martins-Umzug. Und das muss auch so blei­ben und jeder, der das nicht will, kann sich einen andern Lebens­raum suchen, wenn er das nicht akzep­tiert, oder er hält sich vor­nehm zurück.

Ich habe ein paar Stun­den gebraucht, bis mir die­ser O‑Ton rich­tig übel auf­stieß. Mal davon ab, dass „Later­ne, Later­ne, Son­ne, Mond und Ster­ne“ nun seit Jahr­zehn­ten zum Reper­toire eines Mar­tins­zugs gehö­ren dürf­te, klopft hier ein ganz ande­res Pro­blem an: Wäre es nicht irgend­wie sinn­vol­ler, sich dafür zu inter­es­sie­ren, was die Bot­schaft hin­ter dem Fest und dem Umzug ist, und nicht, wie ande­re Leu­te das Ding nen­nen?

Die Panik, dass unse­re schö­nen christ­li­chen Fes­te umbe­nannt wer­den, treibt Kon­ser­va­ti­ve und Neu­rech­te seit Jah­ren um und sorgt immer wie­der für besorg­te Falsch­mel­dun­gen. (Klar: Nichts trans­por­tiert die Weih­nachts­bot­schaft bes­ser als ein soge­nann­ter Weih­nachts­markt, auf dem sich erwach­se­ne Men­schen nach Fei­er­abend mit min­der­wer­ti­ger Plör­re betrin­ken. Den soll­te man auf kei­nen Fall in „Win­ter­markt“ umbe­nen­nen!) In denen meis­ten Fäl­len geht es ihnen dabei gar nicht um den Anlass eines sol­chen Fei­er­tags, son­dern um die rei­ne Exis­tenz die­ses Fei­er­tags, abge­kop­pelt von sei­ner Geschich­te. Der Ursprung des Zitats, Tra­di­ti­on sei nicht das Bewah­ren der Asche, son­dern die Wei­ter­ga­be des Feu­ers, ist eini­ger­ma­ßen unklar, aber man soll­te die­se Wor­te mal ein biss­chen in Hirn und Herz bewe­gen.

Als Alex­an­der Gau­land von der AfD im Gespräch mit FAZ-Repor­tern sei­nen berüch­tig­ten Jérô­me-Boat­eng-Nach­barn-Satz äußer­te, sag­te er auch, unter den Anhän­gern sei­ner Par­tei gebe es die Sor­ge, „dass eine uns frem­de Reli­gi­on sehr viel prä­gen­der ist als unse­re abend­län­di­sche Tra­di­ti­on“. Die Wort­wahl war auf­fäl­lig, weil er nicht wie ande­re Kon­ser­va­ti­ve von einer „christ­lich-abend­län­di­schen“ Kul­tur oder Tra­di­ti­on sprach – die christ­li­chen Kir­chen hat­ten zu die­sem Zeit­punkt die AfD näm­lich schon mit­un­ter deut­lich kri­ti­siert. Wenn es ernst­haft um christ­li­che Wer­te gin­ge, hät­te ja auch die CSU ein völ­lig ande­res Par­tei­pro­gramm.

Der musi­ka­li­sche Lei­ter des Schau­spiel­hau­ses Dort­mund, Tom­my Fin­ke, ein guter Freund von mir, sagt dann auch den ent­schei­den­den Satz in die­sem WDR-Bei­trag:

Vie­le unse­rer christ­li­chen Wer­te sind ja eigent­lich huma­nis­ti­sche Wer­te, das heißt, sie sind nicht unbe­dingt der christ­li­chen Reli­gi­on allein zuzu­schrei­ben.

Ich bin Kind einer Misch­ehe, evan­ge­lisch getauft, habe aber von mei­ner Oma die vol­le Palet­te der katho­li­schen Schutz­hei­li­gen mit­be­kom­men. Wenn sie in ihrem Haus­halt etwas nicht wie­der­fin­det, zün­det sie eine Ker­ze für den Hei­li­gen Anto­ni­us an, in der Hoff­nung, dass der „Klün­gel­tün­nes“ ihr hilft. (Mei­ne Oma sagt aber auch immer: „Ein Haus ver­liert nichts“, was die Ver­ant­wor­tung ein biss­chen von den Schul­tern des Hei­li­gen nimmt.) Das ist harm­lo­se, lebens­na­he Reli­gi­ons­aus­übung, das Gegen­teil von Kreuz­zü­gen und Hei­li­gem Krieg. Ich selbst habe mir das Got­tes­bild aus dem Kin­der­got­tes­dienst bewahrt und sehe es prag­ma­tisch: Da man die Nicht­exis­tenz eines höhe­ren Wesens nicht bewei­sen kann, kann man auch dran glau­ben, wenn es einem selbst wei­ter­hilft und man ande­ren damit nicht zur Last fällt. Ich find’s aber auch total in Ord­nung, wenn jemand sagt, er glau­be nicht an Gott – das ist ja das Wesen von „Glau­ben“. (Wenn jemand behaup­tet, er wis­se, dass Gott exis­tie­re – oder, dass der nicht exis­tie­re – wird’s schwie­rig: Bei­des. Ist. Wis­sen­schaft­lich. Nicht. Beweis­bar.)

Nächs­ten­lie­be und Hilfs­be­reit­schaft fin­de ich gut, unab­hän­gig davon, ob man jetzt aus reli­giö­sen oder huma­nis­ti­schen Grün­den han­delt. Aber man kann ja schlecht immer den Unter­gang der „christ­li­chen Wer­te“ bewei­nen, wenn man sie sel­ber nicht lebt. Und das mein­te die Kanz­le­rin ja auch mit ihren Aus­füh­run­gen zu Block­flö­te und Weih­nachts­lie­dern: Eine Reli­gi­on geht ja nicht dadurch unter, dass plötz­lich (im Sin­ne von: seit über fünf­zig Jah­ren) Men­schen einer ande­ren Reli­gi­on in einem Land leben, son­dern dadurch, dass sie nicht mehr bzw. nur als see­len­lo­se Tra­di­ti­on prak­ti­ziert wird. Und ein sprich­wört­li­cher fuß­ball­spie­len­der Sene­ga­le­se wird vom Gene­ral­se­kre­tär einer soge­nann­ten christ­li­chen Par­tei auch noch dafür geschol­ten, dass er minis­triert, weil man ihn dann nicht mehr abschie­ben kön­ne. Da hat sich die Logik ja schon auf hal­ber Stre­cke selbst ans Kreuz gena­gelt.

Wie war ich da jetzt hin­ge­kom­men und wie krie­ge ich die­sen Text zu Ende, ohne auch noch Schlen­ker über Donald Trump, die Geschich­te der römisch-katho­li­schen Kir­che und die Songs des ges­tern ver­stor­be­nen Leo­nard Cohen zu neh­men?

Ich wün­sche Ihnen und vor allem Ihren Kin­dern einen schö­nen St.-Martins-Tag und schau­en Sie heu­te viel­leicht mal ein biss­chen genau­er hin, ob jemand in Ihrer Umge­bung Hil­fe gebrau­chen könn­te!

Nach­trag, 16.28 Uhr: Nach Ver­öf­fent­li­chung die­ses Arti­kels habe ich gele­sen, dass der St.-Martins-Umzug eines Kin­der­gar­tens in Fürth abge­sagt bzw. ver­legt wer­den muss­te, weil zur glei­chen Zeit am glei­chen Ort Pegi­da unter dem Mot­to „Sankt Mar­tin und sei­ne heu­ti­ge Bedeu­tung“ demons­triert.

Kategorien
Politik Gesellschaft

Lucky & Fred: Episode 9

Hier kli­cken, um den Inhalt von You­Tube anzu­zei­gen.
Erfah­re mehr in der Daten­schutz­er­klä­rung von You­Tube.

Am Anschlag auf Char­lie Heb­do und die Pres­se­frei­heit führt auch bei uns kein Weg dran vor­bei: Wir dis­ku­tie­ren, was Sati­re darf, und fra­gen uns, wie man Sala­fist wird, wäh­rend Lucky über­ra­schend sein Mit­ge­fühl für Kar­ne­va­lis­ten ent­deckt.
Über einen Umweg nach Wien gelan­gen wir nach Grie­chen­land und zur Geld­ma­schi­ne Olym­pi­sche Spie­le.
Fred hält einen Nach­ruf auf Alt­bun­des­prä­si­dent Richard von Weiz­sä­cker und Lucky freut sich auf die Ober­bür­ger­meis­ter­wahl in Bochum.

Hier kli­cken, um den Inhalt von Sound­Cloud anzu­zei­gen.
Erfah­re mehr in der Daten­schutz­er­klä­rung von Sound­Cloud.

Link­lis­te:

„Lucky & Fred“ als RSS-Feed
„Lucky & Fred“ bei iTu­nes
„Lucky & Fred“ bei Face­book

Kategorien
Gesellschaft

Der Untergang des Abendbrotlandes

Schon immer kam alles Schlech­te aus den USA: Die Mei­nungs­frei­heit, das Frau­en­wahl­recht, der Rock’n’Roll und das Fast Food. Der neu­es­te (na ja: „neu­es­te“) Angriff auf die deut­sche Kul­tur ist ein Fest, das von denen, die es bege­hen wol­len, heu­te began­gen wird: Hal­lo­ween.

Eines vor­ab: Ich has­se es, mich zu ver­klei­den. Ich habe das als Kind mit gro­ßer Begeis­te­rung getan und mei­nen Vor­rat dabei offen­bar auf­ge­braucht. Wer sicher­ge­hen will, dass ich nicht zu sei­ner Geburts­tags­fei­er kom­me, rich­tet ein­fach eine Bad-Tas­te- oder Mot­to­par­ty aus. Es kos­tet mich schon Über­win­dung, einen Anzug zu tra­gen oder Hosen, die kei­ne Jeans sind. Als ich vor sechs Jah­ren den Herbst in Nord­ka­li­for­ni­en ver­brach­te, fand ich mich aller­dings plötz­lich in einem eilig aus grü­nen Filz­bah­nen zusam­men­geta­cker­ten Ampel­männ­chen-Kos­tüm wie­der – und hat­te gro­ßen Spaß. Nie­mand kann­te mich, alle waren sehr auf­wen­dig kos­tü­miert und es herrsch­te die­se fei­er­li­che ame­ri­ka­ni­sche Ernst­haf­tig­keit vor.

Wenn ich mir aller­dings einen ame­ri­ka­ni­schen Fei­er­tag für den Import aus­su­chen dürf­te, wäre es – neben einem Natio­nal­fei­er­tag im Som­mer – Thanks­gi­ving: Die Fest­lich­keit und Gesel­lig­keit von Weih­nach­ten ohne die­sen gan­zen Geschen­kestress – die Ame­ri­ka­ner ver­ste­hen es zu fei­ern. Hal­lo­ween ist ja doch eher was für Men­schen, die sich vom Kalen­der vor­schrei­ben las­sen, wann sie mal aus­ge­las­sen fei­ern gehen kön­nen, und denen Kar­ne­val zu spie­ßig ist.1

Aber gut, muss jeder selbst wis­sen, wie er sei­ne Frei­zeit ver­bringt. Fähn­chen­schwen­kend durch das Pres­se­zen­trum bei Euro­vi­si­on Song Con­test zu ren­nen, fällt bei den meis­ten Leu­ten sicher auch eher unter „Spe­cial Inte­rest“. Wir sind ein frei­es Land. Wenn ich mir aber so anschaue, wie heu­te in mei­ner Face­book-Time­line west­li­che Kul­tur auf west­li­che Kul­tur trifft, fin­de ich, dass die Kon­tak­te mit der isla­mi­schen Welt im Gro­ßen und Gan­zen doch bei­na­he har­mo­nisch zu nen­nen sind.

Auf der einen Sei­te ste­hen die Leu­te, die Hal­lo­ween mit qua­si reli­giö­sem Eifer bege­hen. Auf der ande­ren jene, die sagen, heu­te sei doch Refor­ma­ti­ons­tag und mor­gen Aller­hei­li­gen.2 Ja, stimmt. Heu­te ist auch Welt­spar­tag (außer in Deutsch­land, das für einen Welt-Irgend­was-Tag natür­lich wie­der eine Aus­nah­me brauch­te – übri­gens wegen des Refor­ma­ti­ons­tags) und mor­gen – für die, denen die Katho­li­sche Kir­che nicht ideo­lo­gisch genug ist – Welt­ve­gan­tag. Die ver­rück­tes­ten Geis­ter könn­ten sich nicht aus­den­ken, wel­che Gedenk‑, Fei­er- und Akti­ons­ta­ge es im Lau­fe des Jah­res so gibt, aber sie wer­den offen­bar alle began­gen – man­che nur von denen, die sie aus­ge­ru­fen haben, man­che von wei­ten Tei­len der Mensch­heit, wobei durch­aus Schnitt­men­gen von Per­so­nen mög­lich sind, die am 15. Okto­ber sowohl den „Tag des wei­ßen Sto­ckes“ als auch den „Inter­na­tio­na­len Tag der Frau in länd­li­chen Gebie­ten“ bege­hen. Solan­ge nie­mand einen Refor­ma­ti­ons­tags­got­tes­dienst stürmt, um „Süßes oder Sau­res“ zu rufen, klappt das auch ganz gut.

Der durch­schnitt­li­che Deut­sche, die Volks­see­le, der Michel, Otto Nor­mal­ver­brau­cher oder – wie ich ihn heu­te aus rei­ner Bos­haf­tig­keit nen­nen möch­te – Jür­gen Six­pack hat eine pani­sche Angst davor, dass ihm sei­ne kul­tu­rel­le Iden­ti­tät ver­lo­ren geht. Die Angst vor der „Über­frem­dung“ ist nicht auf den Islam oder Flücht­lin­ge aus Nord­afri­ka beschränkt, sie gilt auch – und ganz beson­ders – im Bezug auf die USA: Jung­ge­sel­len­ab­schie­de (bei denen ich mir tat­säch­lich staat­li­che Inter­ven­ti­on wünsch­te) statt Pol­ter­aben­de, „Han­dy“ statt „Mobil­te­le­fon“, der Weih­nachts­mann statt des Christ­kinds – Ame­ri­ka­ni­sie­rung lau­ert über­all. Oder genau­er: eine loka­le Inter­pre­ta­ti­on davon.

Mit der kul­tu­rel­len Iden­ti­tät ist das so: Man braucht etwas, wor­an man sich hal­ten kann, wes­we­gen der Fuß­ball – eine Sport­art, die ich lie­be, die ame­ri­ka­ni­sche Sport­fans aber als stil­los und banal betrach­ten – hier so schön iden­ti­täts­stif­tend Raum grei­fen kann. Ansons­ten sieht’s näm­lich so aus: Unse­re Städ­te sehen fast alle gleich trü­be und grau aus, so wie Städ­te eben aus­se­hen, wenn sie sehr schnell und bil­lig wie­der auf­ge­baut wer­den müs­sen, weil sie in Schutt und Asche lagen, nach­dem es Deutsch­land mit der kul­tu­rel­len Iden­ti­tät wirk­lich auf die Spit­ze getrie­ben hat­te. Unse­re Ein­kaufs­stra­ßen sehen gleich aus, weil sie mit den immer­glei­chen Filia­len deut­scher Groß­bä­cker, Dro­ge­rie- und Super­markt­ket­ten, bri­ti­scher Kör­per­pfle­ge­mit­tel­her­stel­ler, ame­ri­ka­ni­scher Fast­food­ver­füt­te­rer und schwe­di­scher Beklei­dungs­händ­ler voll­ge­stopft sind.

Woh­nun­gen welt­weit sind von der Schwe­den­ma­fia uni­for­miert wor­den und müss­ten theo­re­tisch alle gleich aus­se­hen, was sie dann aber über­ra­schen­der­wei­se doch nicht tun, weil da eben immer noch Per­sön­li­ches, Indi­vi­du­el­les mit rein­kommt. Die kul­tu­rel­le Iden­ti­tät des Ein­zel­nen, der gleich­zei­tig Stif­ter und Rezi­pi­ent der kul­tu­rel­len Iden­ti­tät einer Grup­pe ist.

Wer die Eröff­nungs- und Abschluss­fei­er der Olym­pi­schen Spie­le in Lon­don gese­hen hat, erleb­te dort einen bun­ten Rei­gen bri­ti­scher Geschich­te und – vor allem – Pop­kul­tur. Schier unend­lich der Fun­dus an aus Eng­land stam­men­den Welt­hits, Ever­greens und Meis­ter­wer­ken. Bei uns, so wur­de dann schnell geunkt, stün­den da Pur, Nena und Xavier Naidoo.3 Das deut­sche Fern­seh­pro­gramm besteht ja auch über­wie­gend aus Kri­mi­se­ri­en und Quiz­shows (bei­des kei­ne genu­in deut­schen Pro­duk­te)

Die kul­tu­rel­le Iden­ti­tät Deutsch­lands nach dem zwei­ten Welt­krieg hat gleich zwei ampu­tier­te Bei­ne: Das mit dem Traum vom gro­ßen deut­schen Volk war gründ­lich schief gegan­gen, fand sei­ne Fort­set­zung aber in einer Art Light-Ver­si­on in Hei­mat­fil­men und Volks­tü­meln­dem Schla­ger, und die Leu­te, die Ber­lin in den 1920er Jah­ren zum kul­tu­rel­len Hot­spot gemacht hat­ten, waren alle ver­trie­ben oder gleich getö­tet wor­den. Bil­ly Wil­der präg­te im Kino flei­ßig das Ame­ri­ka­bild der Nach­kriegs­zeit, in Deutsch­land fei­er­te „Grün ist die Hei­de“ unglaub­li­che Erfol­ge. Die Jugend­be­we­gun­gen schwapp­ten in der Fol­ge­zeit fast alle aus den USA oder Groß­bri­tan­ni­en nach Deutsch­land und mit ihnen der seit­her andau­ern­de Unter­gang des Abend­lan­des – oder prä­zi­ser viel­leicht: des Abend­brot­lan­des.

Zuvor waren die einst heid­ni­schen Gebie­te des heu­ti­gen Deutsch­lands chris­tia­ni­siert wor­den. Die Gotik war aus Frank­reich gekom­men, die Renais­sance und der Barock aus Ita­li­en. Ohne die­se äuße­ren Ein­flüs­se hät­ten die Bom­ben der Alli­ier­ten allen­falls spät­mit­tel­al­ter­li­che Fach­werk­häu­ser, ver­mut­lich eher irgend­wel­che Stein­zeit­höh­len tref­fen kön­nen. Eine Zeit­lang galt es im Bür­ger­tum als aus­ge­spro­chen chic, Mas­ken­bäl­le vene­zia­ni­scher Prä­gung abzu­hal­ten. Geh­we­ge nann­te man „Trot­toir“,4 Abor­te „Toi­let­te“.

Über­spitzt gesagt ist der Inbe­griff von Kul­tur in Deutsch­land immer noch Bay­reuth, dabei sind die Wag­ner-Fest­spie­le auch nur eine Art geho­be­ner Kar­ne­val: Men­schen, die allen­falls den Schluss­satz von Beet­ho­vens Neun­ter von Mozarts „Klei­ner Nacht­mu­sik“ aus­ein­an­der­hal­ten kön­nen, ver­klei­den sich einen Abend als kul­tur­in­ter­es­sier­te Bil­dungs­bür­ger.

85 Pro­zent mei­ner eige­nen kul­tu­rel­len Iden­ti­tät sind von angel­säch­si­scher Pop­kul­tur geprägt, der Rest von von angel­säch­si­scher Pop­kul­tur Gepräg­ten. Ja, ich mag kei­ne fran­zö­si­schen Fil­me und ein gut sor­tier­ter und gut gefüll­ter HMV löst in mir mehr Glücks­ge­füh­le aus als die Six­ti­ni­sche Kapel­le. Ich wür­de einen Urlaub im ver­reg­ne­ten Schott­land (und das dor­ti­ge Pub Food) jeder­zeit einem Aus­flug ans Mit­tel­meer vor­zie­hen.

Aber ich stei­ge nicht empört auf die Bar­ri­ka­den (fran­zö­si­sche Spe­zia­li­tät), wenn Men­schen Ita­lie­nisch­kur­se in der Volks­hoch­schu­le besu­chen, bei Aldi den etwas teu­re­ren Rot­wein kau­fen und ihren Urlaub in der Tos­ca­na ver­brin­gen wol­len.

  1. Mein in Rhein­land­nä­he auf­ge­wach­se­nes Herz hät­te bei­na­he geschrie­ben: die für Kar­ne­val zu fei­ge sind. []
  2. Klei­ner Aus­fall­schritt zu Aller­hei­li­gen: Es kann mei­nes Erach­tens nicht sein, dass in einem Land, in dem die Tren­nung von Staat und Kir­che im Grund­ge­setz garan­tiert wird, soge­nann­te Tanz­ver­bo­te an kirch­li­chen Fei­er­ta­gen aus­ge­spro­chen wer­den. Und auch nicht, dass ein Land an zwei auf­ein­an­der­fol­gen­den Tagen volks­wirt­schaft­lich gelähmt wird, weil am einen Tag in fünf Bun­des­län­dern, am nächs­ten in fünf ande­ren kirch­li­cher Fei­er­tag ist. Die Katho­li­ken haben schon Fron­leich­nam (wenn auch nicht über­all), also wären hier mal die Pro­tes­tan­ten dran! []
  3. Na ja, oder halt Kraft­werk, die Erfin­der der moder­nen Pop­mu­sik, aber nun gut. []
  4. Kein Mensch, der noch alle Tas­sen im Schrank hat, wür­de in einem deut­schen Satz das Wort „side­walk“ benut­zen. []
Kategorien
Gesellschaft

Septemberkinder

Eine Jury in New Jer­sey hat ges­tern den 20-jäh­ri­gen Dha­run Ravi für schul­dig befun­den, ein hate crime an sei­nem Mit­be­woh­ner Tyler Cle­men­ti began­gen zu haben. „Spie­gel Online“ beschreibt die Aus­gangs­la­ge so:

Es war der 19. Sep­tem­ber, an dem Cle­men­ti laut Zeu­gen­aus­sa­gen Ravi bat, den gemein­sa­men Raum zu ver­las­sen, er wol­le einen Gast emp­fan­gen. Ravi twit­ter­te: „Mit­be­woh­ner woll­te den Raum bis Mit­ter­nacht haben. Ich bin in Mol­lys (eine Freun­din, Anm. d. Redak­ti­on) Zim­mer gegan­gen und habe mei­ne Web­cam ange­schal­tet. Ich habe gese­hen, wie er mit einem Kerl rum­mach­te. Juhu.“

So fing es an. Am Ende war Cle­men­ti tot.

Die „New York Times“ führt wei­ter aus:

The case was a rare one in which almost none of the facts were in dis­pu­te. Mr. Ravi’s lawy­ers agreed that he had set up a web­cam on his com­pu­ter, and had then gone into a friend’s room and view­ed Mr. Cle­men­ti kis­sing a man he met a few weeks ear­lier on a Web site for gay men. He sent Twit­ter and text mes­sa­ges urging others to watch when Mr. Cle­men­ti invi­ted the man again two nights later, then dele­ted mes­sa­ges after Mr. Cle­men­ti kil­led hims­elf.

That account had been estab­lished by a long trail of elec­tro­nic evi­dence — from Twit­ter feeds and cell­pho­ne records, dor­mi­t­ory sur­veil­lan­ce came­ras, dining hall swi­pe cards and a “net flow” ana­ly­sis show­ing when and how com­pu­ters in the dor­mi­t­ory con­nec­ted.

Die digi­ta­len Bewei­se waren dann wohl auch aus­schlag­ge­bend für die sehr dif­fe­ren­zier­ten Ent­schei­dun­gen der Jury.

Ravis Anwäl­te hat­ten argu­men­tiert, ihr Man­dant sei „ein Kind“, das wenig Erfah­rung mit Homo­se­xua­li­tät habe und in eine Situa­ti­on gera­ten sei, die ihn geängs­tigt habe. In ent­schul­di­gen­den SMS-Nach­rich­ten an Cle­men­ti habe Ravi geschrie­ben, dass er kei­ne Pro­ble­me mit Homo­se­xua­li­tät habe und sogar einen engen Freund habe, der schwul sei.

Die „New York Times“ notiert:

(At almost the exact moment he sent the apo­lo­gy, Mr. Cle­men­ti, 18, com­mit­ted sui­ci­de after pos­ting on Face­book, „jum­ping off the gw bridge sor­ry“).

* * *

Der Selbst­mord von Tyler Cle­men­ti war einer von meh­re­ren im Spätsommer/​Herbst 2010. Min­des­tens neun Schü­ler und Stu­den­ten zwi­schen 13 und 19 Jah­ren glaub­ten, kei­nen ande­ren Aus­weg mehr zu haben, als ihrem Leben ein Ende zu set­zen, weil sie Opfer von Dis­kri­mi­nie­run­gen und Angrif­fen wur­den, nur weil sie schwul waren oder man sie dafür hielt.

Als Reak­ti­on auf die­se Selbst­mor­de wur­de das sehr bewe­gen­de Pro­jekt „It gets bet­ter“ ins Leben beru­fen, bei der Pro­mi­nen­te und Nicht­pro­mi­nen­te, Künst­ler und Poli­ti­ker, TV-Mode­ra­to­ren und Poli­zis­ten homo­se­xu­el­len Jugend­li­chen – ach, eigent­lich allen Jugend­li­chen – Mut mach­ten, dass ihr Leben bes­ser wer­de.

Ste­fan Nig­ge­mei­er hat damals geschrie­ben:

Dem Pro­jekt ist vor­ge­wor­fen wor­den, gefähr­lich unter­am­bi­tio­niert zu sein, weil es nicht auf die Besei­ti­gung der Ursa­chen von Dis­kri­mi­nie­rung zielt, son­dern bloß ihre Opfer zum Über­le­ben auf­for­dert. Die­se Kri­tik ist nach­voll­zieh­bar, aber sie trifft nicht. Zum einen hat Dan Sava­ge recht, wenn er sagt, dass es zunächst ein­mal dar­um geht, akut bedroh­ten Jugend­li­chen unmit­tel­bar Hoff­nung zu geben und auf Ansprech­part­ner hin­zu­wei­sen. Zum ande­ren belas­sen es die Mit­wir­ken­den kei­nes­wegs immer bei dem Ver­spre­chen, dass es nach der Schu­le, nach der Puber­tät, über­haupt in Zukunft schon bes­ser wer­den wird. Vie­le grei­fen, wie Ellen, den Skan­dal an, dass die Dis­kri­mi­nie­rung immer noch zuge­las­sen wird. Dass es ein Kli­ma der Into­le­ranz gibt, das die Ver­höh­nung von Schwu­len zulässt und för­dert.

* * *

Die Chi­ca­go­er Band Rise Against hat einen Song über die „September’s Child­ren“ geschrie­ben, mit dem die Musi­ker auch „It gets bet­ter“ unter­stüt­zen wol­len, und Sie soll­ten sich das Video unbe­dingt in vol­ler Län­ge anse­hen:

Hier kli­cken, um den Inhalt von Vimeo anzu­zei­gen.
Erfah­re mehr in der Daten­schutz­er­klä­rung von Vimeo.

Rise Against – Make It Stop (September’s Child­ren) from LGBTQI Geor­gia on Vimeo.

Die Namen, die Front­mann Tim McIl­rath nennt, sind neben Tyler Cle­men­ti die von Bil­ly Lucas, Har­ri­son Cha­se Brown, Cody J. Bar­ker und Seth Walsh.

Jedes Mal, wenn ich die­ses Video sehe, den­ke ich vor der Mar­ke von 3:05 Minu­ten: „Das kön­nen die nicht wirk­lich so zei­gen“, und dann kommt die­ser Bruch und ich habe jedes ver­damm­te Mal wie­der Gän­se­haut und bin gerührt, auf­ge­wühlt und völ­lig fer­tig. So ein Video hät­te ver­dammt schief gehen kön­nen, aber ich fin­de, es ist der Band und ihrem Regis­seur Marc Klas­feld erstaun­lich gut gelun­gen.

* * *

Im Text heißt es „What God would damn a heart? /​ And what God dro­ve us apart? /​ What God could /​ Make it stop /​ Let this end“, und Reli­gi­on rückt in den USA auch nach Dha­run Ravis Schuld­spruch in den Fokus.

Brent Child­res schreibt im Reli­gi­ons-Blog der „Washing­ton Post“:

The­re are many more Tyler Cle­men­ti tra­ge­dies wai­ting to unfold if we con­ti­nue to clo­se our minds to the harm cau­sed by reli­gious teaching’s bias and inti­mi­da­ti­on toward gay. les­bi­an bise­xu­al and trans­gen­der indi­vi­du­als, espe­ci­al­ly youth and fami­lies.

The sto­ry of Tyler Clementi’s death has been one of the most publi­ci­zed teen sui­ci­des in recent memo­ry. Unfort­u­na­te­ly, a review of media inter­views and print news artic­les over the last 18 months pro­du­ces only a few hints to the role reli­gious tea­ching may have play­ed in Clementi’s emo­tio­nal and psy­cho­lo­gi­cal distress.

Es ist für Euro­pä­er kaum zu ver­ste­hen, was für christ­li­che Split­ter­grup­pen die­se Evan­ge­li­ka­len, Metho­dis­ten, Pres­by­te­ria­ner und Luthe­ra­ner eigent­lich sind, aber ihre Hal­tung zur Homo­se­xua­li­tät lässt die meis­ten deut­schen Kar­di­nä­le wie libe­ra­le Akti­vis­ten aus­se­hen. Und, was noch viel schlim­mer ist, die­se Grup­pie­run­gen wer­den von ihren Mit­glie­dern ernst genom­men:

Grace Church of Rid­ge­wood, New Jer­sey, is the church that Tyler Cle­men­ti atten­ded with his fami­ly. It was not an affir­ming and wel­co­ming place for a young per­son pro­ces­sing a same-sex sexu­al ori­en­ta­ti­on, accor­ding to some pas­tors in that com­mu­ni­ty. The church is a mem­ber of the Wil­low Creek Asso­cia­ti­on, a group of churches hea­ded by Bill Hybels, who as recent­ly as last year said that God desi­gned sexu­al inti­ma­cy to be bet­ween a man and a woman in mar­ria­ge and any­thing out­side of that is sexu­al impu­ri­ty in God’s eyes. The gay youth hears in tho­se words that they are dir­ty, unclean and some­thing for which they should be asha­med. […]

In an Octo­ber 2010 artic­le pos­ted on a church blog at St. Ste­phen Church, [Rev. Clar­ke] Olson-Smith wro­te „In the con­gre­ga­ti­on Tyler grew up in and his par­ents still belong to, the­re was no ques­ti­on. To be gay was to be cut off from God.“

Nach dem Schuld­spruch gab der Fern­seh­pre­di­ger Bill Kel­ler dem CNN-Mode­ra­tor Ander­son Coo­per, Rachel Mad­dow von CNBC, der Mode­ra­to­rin Ellen DeGe­ne­res, den Medi­en und den „fei­gen Pries­tern“ die Schuld am Tod von Tyler Cle­men­ti:

Sui­ci­de is a despe­ra­te and sel­fi­sh act that is ulti­m­ate­ly the sole respon­si­bi­li­ty of the per­son who made the choice to end their life. Ever­yo­ne who com­mits sui­ci­de has reasons that led them to make such a hor­ri­ble decis­i­on. The fact is, sui­ci­de is expo­nen­ti­al­ly hig­her among­st tho­se who choo­se the homo­se­xu­al life­style, and while tho­se in the media want to bla­me peo­p­le like mys­elf who take a Bibli­cal stand on this issue, the fact is, they are the ones most respon­si­ble!

So ein­fach kann man sich das machen: Nicht die Atmo­sphä­re voll Hass und Ableh­nung ist schuld, in der jun­ge Homo­se­xu­el­le auf­wach­sen müs­sen, natür­lich sowie­so nicht die­je­ni­gen, die sich auf die Bibel beru­fen, son­dern die, die sagen, dass es völ­lig okay sei, Men­schen des sel­ben Geschlecht zu lie­ben!

Ich habe die Hoff­nung, dass Hass­pre­di­ger wie Kel­ler der­einst mit einem „Sor­ry, Du hast da was wahn­sin­nig miss­ver­stan­den“ an der Him­mels­pfor­te abge­wie­sen wer­den.

* * *

Kin­der und Jugend­li­che waren immer schon grau­sam zuein­an­der, aber die heu­ti­gen tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten bie­ten denen, die sich über ande­re erhe­ben wol­len, ganz neue Ver­brei­tungs­we­ge und viel grö­ße­re Ziel­grup­pen – und letzt­lich ahmen die Jun­gen vor allem nach, was ihnen die Alten in der Gesell­schaft vor­le­ben. Es gibt unter­schied­li­che Mei­nun­gen, ob es eine gute Idee war, Ravi eines hate cri­mes für schul­dig zu befin­den, also einer aus Vor­ur­tei­len began­ge­nen Straf­tat, oder ob sich die Jury nicht auf die ande­ren Ankla­ge­punk­te hät­te beschrän­ken sol­len.

Der Jura-Pro­fes­sor Paul But­ler schreibt bei CNN.com:

Ravi did not invent homo­pho­bia, but he is being scape­goa­ted for it. Bias against gay peo­p­le is, sad­ly, embedded in Ame­ri­can cul­tu­re. Until last year peo­p­le were being kicked out of the mili­ta­ry becau­se they were homo­se­xu­als. None of the four lea­ding pre­si­den­ti­al can­di­da­tes – Pre­si­dent Oba­ma, Mitt Rom­ney, Rick San­torum, Newt Ging­rich – thinks that gay peo­p­le should be allo­wed to get mar­ried. A bet­ter way to honor the life of Cle­men­ti would be for ever­yo­ne to get off their high hor­se about a 20-year-old kid and ins­tead think about how we can pro­mo­te civil rights in our own lives.

Though a natio­nal con­ver­sa­ti­on about civi­li­ty and respect would have been bet­ter, as usu­al for social pro­blems, we loo­ked to the cri­mi­nal jus­ti­ce sys­tem. The United Sta­tes inc­ar­ce­ra­tes more of its citi­zens than any coun­try in the world. We are an extra­or­di­na­ri­ly puni­ti­ve peo­p­le.

Cle­men­ti died for America’s sins. And now, Ravi faces years in pri­son for the same reason.

* * *

Nach dem Schuld­spruch wand­te sich Tyler Cle­men­tis Vater Joe mit einer Bot­schaft an die Öffent­lich­keit:

To our col­lege, high school and even midd­le-school youngs­ters, I would say this: You’­re going to meet a lot of peo­p­le in your life­time. Some of the­se peo­p­le you may not like. But just becau­se you don’t like them, does not mean you have to work against them. When you see some­bo­dy doing some­thing wrong, tell them, „That’s not right. Stop it.“

You can make the world a bet­ter place. The chan­ge you want to see in the world beg­ins with you.

Es könn­te bes­ser wer­den. Es muss!

Kategorien
Gesellschaft

No one’s laughing at God, we’re all laughing with God

Ich habe mit dem von „Bild“ her­bei­ge­kreisch­ten „Schwuch­tel-Skan­dal“ bei der Köl­ner Stunk­sit­zung, über den ich ges­tern im BILD­blog geschrie­ben habe, ver­schie­de­ne Pro­ble­me.

Da ist zunächst ein­mal ein ger­ma­nis­ti­sches: Da stellt sich ein Kaba­ret­tist hin und sagt in sei­ner Rol­le als Ex-Bischof Wal­ter Mixa fol­gen­de Wor­te:

Aber der Höhe­punkt war der Welt­ju­gend­tag hier in Köln: Bene­dikt und Joa­chim, der zum-Lachen-in-den-Kel­ler-geht-Meis­ner, lie­ßen sich wie zwei frisch­ver­mähl­te Schwuch­teln über den Rhein schip­pern.

Nun wäre es ver­ständ­lich, wenn sich Homo­se­xu­el­len­ver­bän­de über die Ver­wen­dung der despek­tier­li­chen Voka­bel „Schwuch­tel“ beklag­ten (wobei man nicht weiß, wie der ech­te Wal­ter Mixa im pri­va­ten Rah­men über die­se Bevöl­ke­rungs­grup­pe spricht), aber es wür­de wohl kaum jemand aus­schlie­ßen, dass sich nicht irgend­wo zwei Schwu­le fin­den lie­ßen, die nach ihrer Ver­part­ne­rung in gro­tes­ken Gewän­dern auf einem Schiff fei­ern wol­len.

Man muss schon Poli­ti­ker sein, um aus dem obi­gen Ver­gleich etwas ande­res zu machen, wie die Katho­li­sche Nach­rich­ten Agen­tur (kna) zusam­men­fasst:

Die Dar­stel­lung von Papst und Kar­di­nal als „Schwuch­teln“ sei „niveau­los und abso­lut pri­mi­tiv“, sag­te Mar­tin Loh­mann, Chef des Arbeits­krei­ses enga­gier­ter Katho­li­ken in der CDU, der in Düs­sel­dorf erschei­nen­den „Rhei­ni­schen Post“ (Diens­tag).

Der frü­he­re bay­ri­sche Wis­sen­schafts­mi­nis­ter (!) Tho­mas Gop­pel geht gleich einen Schritt wei­ter und bemüht sei­ner­seits einen Ver­gleich:

Der Spre­cher der „Christ­so­zia­len Katho­li­ken in der CSU“, Tho­mas Gop­pel, hat­te den WDR vor einer Fern­seh­aus­strah­lung gewarnt. Den betrof­fe­nen Kaba­ret­tis­ten Bru­no Schmitz nann­te er einen „degou­tan­ten Ver­sa­ger“, der sich „im geis­ti­gen Sinn wie die U‑Bahn-Ran­da­lie­rer“ ver­hal­te. CSU-Rechts­po­li­ti­ker Nor­bert Geis erklär­te, der Kar­ne­vals-Bei­trag sei ein „Aus­druck von Bos­heit und Dumm­heit“. Das sei „nicht ein­mal unters­tes Niveau: boden­los,“ kri­ti­sier­te Geis.

Immer­hin: Mit Gewalt im öffent­li­chen Per­so­nen­nah­ver­kehr ver­bin­det die Bay­ern fast so eine lan­ge Tra­di­ti­on wie mit der katho­li­schen Kir­che.

* * *

Was mich eben­falls ver­wirrt ist die Empö­rung, die sich unter bis­lang eher unbe­kann­ten Ver­ei­nen und Ver­bän­den Raum bricht:

Der Bun­des­ver­band der Katho­li­ken in Wirt­schaft und Ver­wal­tung (KKV) hat den WDR auf­ge­for­dert, eine Papst Bene­dikt XVI. und Kar­di­nal Joa­chim Meis­ner ver­un­glimp­fen­de Sze­ne aus der „Stunk­sit­zung“ nicht aus­zu­strah­len. Der Sen­der sol­le Flag­ge zei­gen und auf die Gefüh­le von Chris­ten Rück­sicht neh­men, for­der­te der KKV-Vor­sit­zen­de Bernd‑M. Weh­ner am Frei­tag in Köln. Die­se mach­ten „immer­hin etwa zwei Drit­tel der Rund­funk­ge­büh­ren­zah­ler“ aus, sag­te er.

An die­sen Aus­füh­run­gen ist so gut wie alles empö­rens­wert: Zunächst ein­mal ver­bit­te ich mir als Christ die Ver­ein­nah­mung und Ent­mün­di­gung durch Herrn Weh­ner und sei­nen Ver­ein. Als Pro­tes­tant tan­giert es mei­ne reli­giö­sen Gefüh­le null­kom­ma­gar­nicht, wenn irgend­wel­che Kar­di­nä­le und Bischö­fe ver­spot­tet wer­den. Und das hat nichts mit der Kon­fes­si­on zu tun: Auch mög­li­che Wit­ze über die Trun­ken­heits­fahrt von Mar­got Käß­mann las­sen mei­ne reli­giö­sen Emp­fin­dun­gen unbe­rührt. Ich mag sie schlecht und unlus­tig fin­den (wie den unsäg­li­chen Käß­mann-Stan­dup von Harald Schmidt), aber sie rich­ten sich gegen – Ent­schul­di­gung, lie­be Katho­li­ken – Men­schen und nicht gegen mei­ne Reli­gi­on. Und selbst wenn, wür­de ich den Sketch ger­ne selbst sehen und mich not­falls von allein dar­über echauf­fie­ren – eine Bevor­mun­dung durch den WDR im Namen irgend­wel­cher Ver­bän­de ist da wenig sach­dien­lich.

„Bild“ räum­te Gop­pel in der Mün­che­ner Regio­nal­aus­ga­be eben­falls Raum für sei­ne Empö­rung ein und freu­te sich in der Köl­ner Aus­ga­be (zu früh, s. BILD­blog), dass der WDR auf eine Aus­strah­lung des Sket­ches ver­zich­ten wer­de. Dabei han­delt es sich um die glei­che Zei­tung, die Kurt Wes­ter­gaard, den Zeich­ner der umstrit­te­nen Moham­med-Kari­ka­tu­ren, als „mutig“ und Ange­la Mer­kels Lau­da­tio auf ihn als „gro­ßes Bekennt­nis zur Frei­heit der Pres­se und der Mei­nun­gen“ bezeich­net hat­te.

Ich bin mir sicher, dass ein guter Teil der Men­schen, die nun den Mixa-Dar­stel­ler Bru­no Schmitz beschimp­fen und bedro­hen, ande­rer­seits der Mei­nung sind, dass die Reak­tio­nen auf Wes­ter­gaards Zeich­nun­gen in Tei­len der mus­li­mi­schen Welt völ­lig über­trie­ben und bar­ba­risch waren. Da kann man ja noch froh sein, dass es im Islam kei­ne kalen­da­risch ver­ord­ne­ten Pha­sen der Wit­zig­keit gibt, in denen sich irgend­wel­che Men­schen mit einem etwas ande­ren Humor­ver­ständ­nis über Jesus oder Maria lus­tig machen.

* * *

Damit sind wir bei einem Reli­gi­ons­ver­ständ­nis ange­kom­men, das mich als gläu­bi­ger Christ ver­wirrt und das auf einer ratio­na­len Ebe­ne allen­falls „irra­tio­nal“ zu nen­nen ist: Mir ist völ­lig schlei­er­haft, war­um Men­schen, die an einen all­mäch­ti­gen Gott glau­ben, mei­nen, die­sen ver­tei­di­gen zu müs­sen.

Wenn sich die­ser Gott von Men­schen belei­digt fühlt, soll­te er doch selbst genug Mög­lich­kei­ten haben, dies den Betref­fen­den kurz­fris­tig (Sint­flut, beim Kacken vom Blitz getrof­fen) oder lang­fris­tig (an der Him­mels­pfor­te abge­wie­sen) mit­zu­tei­len. Auf gar kei­nen Fall braucht er pope­li­ge Men­schen, die in sei­nem Namen sau­er sind und ihn somit ent­mün­di­gen.

Ich mag mich da irren (und wer­de das sicher noch früh genug erfah­ren), aber ein Gott, der Wesen wie das Nil­pferd, den Nasen­bä­ren oder Sarah Palin erschaf­fen hat, hat doch offen­bar einen ziem­lich guten Humor und bedarf dem­nach nicht der (mut­maß­lich unver­lang­ten) Für­spra­che von humor­frei­en Men­schen wie Eva Her­man oder Tho­mas Gop­pel.

Kategorien
Gesellschaft

Weihnachtsgrüße aus Rom

Über­ra­schen­de Weih­nachts­grü­ße errei­chen uns von der Römisch-Katho­li­schen Kir­che.1

Bene­dikt XVI. hält an sei­nem Plan fest, zu jedem hohen Fei­er­ta­ge eine Bevöl­ke­rungs­grup­pe zu ver­grät­zen. Nach Juden und Mus­li­men hat er sich jetzt die Homo­se­xu­el­len vor­ge­nom­men:

Der Papst sag­te, die Mensch­heit müs­se auf „die Spra­che der Schöp­fung“ hören, um die von Gott vor­ge­se­hen Rol­len von Mann und Frau zu ver­ste­hen. Er bezeich­ne­te Ver­hält­nis­se jen­seits von tra­di­tio­nel­len hete­ro­se­xu­el­len Bezie­hun­gen als „Zer­stö­rung von Got­tes Werk“.

Einen Höchst­wert auf der Eva-Her­man-Ska­la für ver­schro­be­ne Gedan­ken­gän­ge sicher­te sich der Papst dann mit die­sem Satz:

„Die Regen­wäl­der haben ein Recht auf unse­ren Schutz“, zitiert die Nach­rich­ten­agen­tur Reu­ters das Ober­haupt der katho­li­schen Kir­che wei­ter, “ Aber der Mensch als Krea­tur hat nicht weni­ger ver­dient.“

Fas­zi­nie­ren­der­wei­se ver­hält es sich mit dem Papst da so ein biss­chen wie mit Bushi­do: Ihn allei­ne kann man mit der nöti­gen Distanz noch ertra­gen, aber schlimm wird es, wenn sei­ne Anhän­ger hin­zu­kom­men.

Ste­fan Nig­ge­mei­er hat neu­lich in einem ande­ren Zusam­men­hang auf kreuz.net auf­merk­sam gemacht, ein „Nach­rich­ten­por­tal“, das jeden auf­ge­klär­ten Men­schen erst ein­mal stau­nen macht. Christ­li­cher Extre­mis­mus ist auch im 21. Jahr­hun­dert durch­aus vor­han­den – auch und gera­de im Inter­net. Als klei­ne, eini­ger­ma­ßen wahl­lo­se Kost­pro­be sei nur die­ser Arti­kel emp­foh­len, in dem es gleich um Schwu­len­hass, Jour­na­lis­ten­bas­hing und einen Nazi-Ver­gleich geht.

Aber ich möch­te mir mei­ne dann doch halb­wegs fest­li­che Stim­mung nicht von Hard­core-Exege­ten der christ­li­chen Heils­leh­re ver­der­ben las­sen und schwen­ke des­halb lie­ber um zu schö­ner Musik. Die groß­ar­ti­ge Band Niz­lo­pi hat ein Lied namens „Part Of Me“ geschrie­ben.

In dem Text heißt es unter ande­rem:

And Geor­ge Bush, Tony Blair, Emi­nem and Dr Dre
Putin, Sar­co­zy and Arnold Schwar­zen­eg­ger by the way
Amy Wine­house, Mar­ga­ret That­cher and the Pope would have to say
If they were all quite honest
That part of them is gay

Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.

[Direkt­link]

[via queer.de]

  1. Ich möch­te hier nicht das Ver­hält­nis zwi­schen mir und der katho­li­schen Kir­che the­ma­ti­sie­ren. Ich mag das pom­pö­se ihrer Got­tes­diens­te, ich mag den Peters­platz und ich weiß nur zu gut, wel­che rie­si­gen Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten es zwi­schen Rom und den ein­zel­nen Gemein­den vor Ort gibt. Mei­ne Ver­su­che, ande­re Reli­gio­nen und Mei­nun­gen zu respek­tie­ren, schei­tern eben regel­mä­ßig am Papst. []
Kategorien
Print Politik

Was der „Süddeutschen Zeitung“ heilig ist (und was nicht)

Wenn ich das damals im Kin­der­got­tes­dienst rich­tig ver­stan­den habe, sieht der lie­be Gott alles, petzt aber nicht. Für ihn gilt das wohl umfas­sends­te Zeug­nis­ver­wei­ge­rungs­recht und was man ihm erzählt, geht nie­man­den sonst etwas an. Wenn man ihm einen Brief schreibt, ist des­sen Inhalt dar­über hin­aus noch von so etwas Welt­li­chem wie dem Brief­ge­heim­nis geschützt.

Barack Oba­ma, der sich gera­de an so eini­ges gewöh­nen muss, konn­te sich also eigent­lich auf der siche­ren Sei­te wäh­nen, als er ver­gan­ge­ne Woche in Jeru­sa­lem ein schrift­li­ches Gebet in eine Rit­ze der Kla­ge­mau­er schob. Immer­hin hat­ten das schon Mil­lio­nen von Men­schen gemacht, dar­un­ter Papst Johan­nes Paul II.

Barack Oba­ma muss­te nicht unbe­dingt damit rech­nen, dass ein Reli­gi­ons­stu­dent (aus­ge­rech­net!) sei­nen Zet­tel aus der Mau­er por­keln und an die Zei­tung Maa­riv wei­ter­ge­ben wür­de – und dass die die­sen Brief dann abdru­cken wür­de.

Nicht, dass Oba­ma Schlim­mes geschrie­ben hät­te, es geht viel mehr um Ver­trau­en und ein uraltes reli­giö­ses Sym­bol. Ent­spre­chend kann man auch den Auf­schrei ver­ste­hen, der nun durch die Medi­en geht und auch die „Süd­deut­sche Zei­tung“ erfass­te:

Der markt­schreie­ri­schen Zei­tung Maa­riv aller­dings sind offen­bar nicht alle Bot­schaf­ten hei­lig. Am Wochen­en­de ver­öf­fent­lich­te das Blatt auf sei­ner Titel­sei­te die von Oba­ma hand­schrift­lich ver­fass­te Note – und lös­te damit erheb­li­che Empö­rung aus, vor allem bei der Kla­ge­mau­er-Ver­wal­tung. Sie sieht nun ihre Glaub­wür­dig­keit in Gefahr, beson­ders bei den Beten­den, die ihre Bot­schaf­ten faxen oder mai­len.

Wie „hei­lig“ der „Süd­deut­schen Zei­tung“ Oba­mas Bot­schaft war, kön­nen Sie frei­lich dar­an able­sen, dass sie die­se gleich zwei­mal druck­te: ein­mal ins Deut­sche über­setzt und ein­mal als Foto des Ori­gi­nal­b­riefs.

Kategorien
Gesellschaft

Wie schon St. Peter Lustig immer sagte

Ich hof­fe, Sie hat­ten ein schö­nes Oster­fest!

Die Kar­wo­che ist immer die Zeit des Jah­res, zu der ich katho­lisch wer­de. Sonst bin ich nie katho­lisch, schon gar nicht so getauft, und den Papst und das alles fin­de ich natür­lich sowie­so nicht gut. Aber ich mag die Show­ele­men­te, die die katho­li­sche Kir­che dem Pro­tes­tan­tis­mus vor­aus­hat1 – ich gehe ja auch auf Rob­bie-Wil­liams- und Kil­lers-Kon­zer­te – und Show gibt es eben an Palm­sonn­tag und in der Oster­nacht.

Kar­frei­tag ver­zich­te ich aus mir selbst nicht nach­voll­zieh­ba­ren Grün­den2 auf Fleisch und Alko­hol. Gleich­wohl hät­te ich kein Pro­blem damit, wenn jemand vor mei­nen Augen ein hal­bes Schwein ver­spei­sen oder ein Fass Wein lee­ren wür­de. Ich wür­de auch am Kar­frei­tag „weg gehen“, ger­ne auch auf Kon­zer­te. Zuhau­se wäre dies kein Pro­blem: Außer­halb Bay­erns kön­nen die Kom­mu­nen selbst ent­schei­den, ob sie das „Tanz­ver­bot“, das an den soge­nann­ten „Stil­len Tagen“ gilt, auf­he­ben wol­len. In Bochum will man das offen­bar seit län­ge­rem und die reich­lich besuch­ten Gothic- und Metal­par­ties spre­chen für eine gro­ße Nach­fra­ge.3 In Dins­la­ken gin­ge es nicht: Als regie­re im Kreis Wesel der Piet­cong, sind öffent­li­che Tanz­ver­an­stal­tun­gen, der Betrieb von Spiel­hal­len, Märk­te, Sport­ver­an­stal­tun­gen und die Vor­füh­rung nicht „fei­er­tags­frei­er“ Kino­fil­me dort ver­bo­ten – und zwar schon ab Grün­don­ners­tag, 18 Uhr. Da kann man als Mensch, der an die Tren­nung von Staat und Kir­che glaubt, schon mal ner­vö­se Zuckun­gen im Gesicht krie­gen.

Wenn der Staat Tanz­ver­an­stal­tun­gen ver­bie­tet und gleich­zei­tig im Fern­se­hen Mord und Tot­schlag statt­fin­den, kann der Bür­ger die Plau­si­bi­li­tät von staat­li­chen Rege­lun­gen nicht mehr nach­voll­zie­hen

sag­te des­halb Bischof Geb­hard Fürst, mein­te das nur völ­lig anders als ich. Im katho­li­schen Fest­t­tags­ka­len­der fest ver­an­kert ist näm­lich seit eini­ger Zeit die Medi­en­schel­te zum Fei­er­tags­pro­gramm: „Zu bru­tal, zu lus­tig, zu wenig fami­li­en­taug­lich“, rufen dann der Vor­sit­zen­de der Publi­zis­ti­schen Kom­mis­si­on der Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz oder der Vor­sit­zen­de des medi­en­po­li­ti­schen Exper­ten­krei­ses der CDU4 erschüt­tert aus und wer­fen die Hän­de zum Him­mel, so wie Pfar­rer das in Fünf­zi­ger-Jah­re-Schwarz­weiß-Fil­men immer machen, wenn der Satan in Form von Peter Kraus und sei­ner Rock’n’Roll-Kapel­le ins Dorf kommt.

Wäh­rend der Papst – über den Bern­ward Lohei­de von dpa übri­gens letz­te Woche einen sehr lesens­wer­ten Bericht geschrie­ben hat – zum Oster­fest 2008 so eini­ges unter­nahm, um sowohl Juden als auch Mos­lems vor den Kopf zu sto­ßen, soll also das deut­sche Fern­se­hen unver­fäng­li­che Fami­li­en­un­ter­hal­tung sen­den für eine Zuschau­er­schaft, die Ostern sicher nicht vor dem Fern­se­her, son­dern mit der Fami­lie beim Essen oder in der Kir­che ver­brin­gen woll­ten? Aha.5

Reflek­tier­ter klang da der Vor­sit­zen­de der deut­schen Bischofs­kon­fe­renz, Robert Zol­lit­sch, der in sei­ner Oster­pre­digt Medi­en­kom­pe­tenz ein­for­der­te, aber gleich­zei­tig klar­stell­te, dass jeder die Frei­heit habe, sich bestimm­te Din­ge nicht anzu­schau­en und abzu­schal­ten. Und das ist ein so wei­ser Gedan­ke, dass er auch Cars­ten Mat­thä­us als Schluss­satz sei­nes sehr lesens­wer­ten Kom­men­tars bei sueddeutsche.de dien­te. Eben „Abschal­ten“, wie schon St. Peter Lus­tig immer sag­te.

  1. Streng genom­men gibt es den Pro­tes­tan­tis­mus ja unter ande­rem genau des­halb, weil die­se Show­ele­men­te wenig mit dem Glau­ben an sich zu tun haben, aber ich möch­te hier weder Mar­tin Luther erklä­ren, noch in län­ge­re Reli­gi­ons­phi­lo­so­phien abdrif­ten. []
  2. I guess that’s why they call it reli­gi­on. []
  3. „Vier Tage Fami­li­en­fei­er ohne zwi­schen­zeit­li­chen Aus­gang“ ste­hen auf Geor­ge W. Bushs „Lis­te mit den Nicht-Fol­ter-Metho­den, die wir erpro­ben soll­ten, falls wir Water­boar­ding jemals ver­bie­ten soll­ten“ ziem­lich weit oben. []
  4. Was lus­ti­ger­wei­se aus­ge­rech­net Gün­ther Oet­tin­ger ist. []
  5. Nicke­lig­kei­ten wie die Behaup­tung, die zwan­zigs­te Wie­der­ho­lung von „Stirb Lang­sam“ habe mehr Zuschau­er gehabt als die Kir­chen an Ostern Got­tes­dienst­be­su­cher, spa­re ich mir schon aus Faul­heit, die tat­säch­li­chen Zah­len her­aus­zu­su­chen. Außer­dem liegt es mir fern, mich über Leu­te lus­tig zu machen, die in die Kir­che gehen. Ich wäre näm­lich auch in der (natür­lich katho­li­schen) Kir­che gewe­sen, war aber im Urlaub. []
Kategorien
Gesellschaft

Im Stechschritt in den Fettnapf

Ich woll­te nichts mehr über Eva Her­man schrei­ben, wirk­lich nicht. Die Frau war für mich unter DBDDHKPUAKKU1 ein­sor­tiert und ich woll­te zum Tages­ge­schäft über­ge­hen. Doch dann stol­per­te ich bei den Ost­hes­sen News über einen Ton­mit­schnitt ihrer Rede beim Forum Deut­scher Katho­li­ken, die ja auch schon für etwas Wir­bel gesorgt hat­te.

Um nicht als bös­wil­lig, sinn­ent­stel­lend und gleich­ge­schal­tet zu gel­ten, habe ich mir mit den Zäh­nen in der Tisch­plat­te die gan­ze Rede ange­hört. Danach wuss­te ich zumin­dest, war­um sie bei Ker­ner nicht auf die Argu­men­te der ande­ren Gesprächs­part­ner ein­zu­ge­hen ver­moch­te: Sie woll­te gera­de ihre Rede vom Wochen­en­de aus­wen­dig auf­sa­gen und war nicht auf Impro­vi­sa­tio­nen ein­ge­stellt.

Aus der Rede wird eines deut­lich, noch deut­li­cher als aus ihrem Auf­tritt bei Ker­ner: Eva Her­man wird nie als gro­ße Rhe­to­ri­ke­rin in die Geschich­te ein­ge­hen. Da beschwert sie sich erst, ein Halb­satz von ihr sei falsch und sinn­ent­stel­lend zitiert wor­den und sie wür­de ja eh immer schnell in die rech­te Ecke gerückt, und dann sagt sie allen Erns­tes Sät­ze wie die­se:

„Wir mar­schie­ren im Stech­schritt durch einen anstren­gen­den All­tag vol­ler Wider­sprü­che. Wir seh­nen uns ver­zwei­felt nach Gebor­gen­heit, Heim und Fami­lie, und kämp­fen täg­lich unser ein­sa­mes Gefecht in der männ­lich gepräg­ten Arbeits­welt.“

„Mar­schie­ren“! „Im Stech­schritt“! „Ein­sa­mes Gefecht“! Wer auch immer der Frau sei­nen Meta­phern-Duden gelie­hen hat: Er soll­te ihn schnells­tens zurück­for­dern.

Kei­ne zwei Minu­ten spä­ter:

„Sofern jemand das Wort erhebt und sich für die­se Wer­te ein­setzt, wird er bom­bar­diert, es wird Nazi­lob in ihn pro­je­ziert und gleich­zei­tig wird er als Sym­pa­thi­sant die­ser Ideo­lo­gie öffent­lich ver­ur­teilt.“

Er wird „bom­ba­diert“? Ja hal­lo, geht’s denn noch? Muss sich eine Frau, der die brau­ne Kacke nur so am Schuh klebt, denn auch noch hin­stel­len und aus dem rie­si­gen Strauß sprach­li­cher Bil­der aus­ge­rech­net die­je­ni­gen her­aus­pi­cken, auf denen „Explo­si­ve devices, do not touch“ steht?

Ali­ce Schwar­zer bezeich­net sie als „Chef-Femi­nis­tin“, die mit­ver­ant­wort­lich sei für eine der „bei­spiel­lo­ses­ten Abtrei­bungs­kam­pa­gnen auf die­ser Erde“ und man freut sich, dass man sich an dem Super­la­tiv der Bei­spiel­lo­sig­keit fest­bei­ßen kann und gar nicht erst auf die inhalt­li­che Ebe­ne hin­un­ter­klet­tern muss.

Frau Her­man fürch­tet allen Erns­tes, dass „wir“ aus­ster­ben und ange­sichts der immer schnel­ler wach­sen­den Welt­be­völ­ke­rung müss­te sie sich eigent­lich fra­gen las­sen, wer zum Hen­ker denn da aus­ster­ben soll. Sie kann von Glück reden, dass gera­de kein böser, gleich­ge­schal­te­ter Jour­na­list vor­bei­kam, der ihr zyni­scher­wei­se „das deut­sche Volk“ unter­stel­len woll­te.

Bald sieht sie sich und die Ihri­gen gar ver­folgt und spä­tes­tens in die­sem Moment wäre ich wohl auf­ge­sprun­gen und hät­te sie los­ge­schickt, mal fünf Minu­ten mit jeman­dem zu reden, der wirk­lich ver­folgt wur­de oder wird. Egal ob im Drit­ten Reich, in der DDR oder in Chi­na.

Noch was rich­tig unglück­lich For­mu­lier­tes? Bit­te­schön:

„Die Sta­tis­ti­ken, die ernüch­ternd sind, die Dis­kus­si­on, die Ursa­chen und die Fol­gen der heu­ti­gen Kin­der­lo­sig­keit wer­den mich auch wei­ter­hin dazu bewe­gen, die­se Dis­kus­si­on zu füh­ren – da hilft auch kein Berufs­ver­bot.“

„Berufs­ver­bot“?! Nee, sicher: Gab’s auch alles schon vor den Nazis und hin­ter­her natür­lich auch. Zum Bei­spiel für die viel­ge­schol­te­nen Acht­und­sech­zi­ger.

In den USA wür­de man spä­tes­tens hier den Umstand beto­nen, wie toll es doch sei, in einem frei­en Land leben zu kön­nen, wo jeder frei spre­chen kön­ne – auch Eva Her­man. Und viel­leicht soll­te man wirk­lich mal die Gold­waa­ge weg­pa­cken, die sprach­li­che Ebe­ne auf der eh nichts mehr zu holen ist, ver­las­sen und sich dem Inhalt­li­chen zuwen­den.

So erzählt Eva Her­man die Geschich­te, wie sehr die Geburt ihres Kin­des ihr Leben ver­än­dert habe, und wie unver­ein­bar Fami­lie für sie plötz­lich mit einem Beruf schien. Man glaubt ihr das ja, man ahnt, dass man hier ganz nah dran ist an dem Knacks, den die­se Frau irgend­wann mal erlit­ten haben muss. Nur schließt sie dabei wie so oft von ihrer per­sön­li­chen Erfah­rung auf ande­re und selbst, wenn ihr statt 700 Katho­li­ken 700.000 zuge­ju­belt hät­ten, wür­den mir immer noch genug Frau­en ein­fal­len, die Beruf und Fami­lie unter einen Hut bekom­men haben – offen­bar ohne dar­an zu zer­bre­chen.

Man soll­te ihre Mei­nung und vor allem ihren Glau­ben respek­tie­ren, soll­te sie bemit­lei­den für die Kar­rie­re, die sie tra­gi­scher­wei­se gemacht hat, und sie beglück­wün­schen dafür, dass sie für sich die „Wahr­heit“ ent­deckt hat – so, wie man jedem Men­schen wünscht, dass er nach sei­ner Fas­son glück­lich wer­de. Aber sie macht es einem so schwer, indem sie ihre Ansich­ten als unum­stöß­li­che Fak­ten dar­stellt, das Sin­gle­da­sein als unvoll­ende­ten Schöp­fungs­wil­len betrach­tet und in einer Tour von einem „Wir“ spricht, ohne je zu sagen, wer das sein soll: Alle Frau­en, alle kon­ser­va­ti­ven Frau­en, alle para­no­iden Ex-Fern­seh­mo­de­ra­to­rin­nen?

Eva Her­mans Welt­sicht ist eine der­art ver­quas­te­te Melan­ge aus Kapi­ta­lis­mus­kri­tik, Schöp­fungs­leh­re und Fort­schritts­feind­lich­keit, dass ich mir dage­gen wie ein neo­li­be­ra­ler Athe­ist vor­kom­me – und so will ich mich nie wie­der füh­len. Fast wäre man geneigt zu sagen, sie habe einen Urknall, wenn man sich nicht sicher sein könn­te, dass sie genau den nicht hat.

1 Doof bleibt doof, da hel­fen kei­ne Pil­len und auch kei­ne kal­ten Umschlä­ge.

Nach­trag 13:14 Uhr: Irgend­wie scheint der gan­ze The­men­kom­plex ver­un­glück­te Meta­phern regel­recht anzu­zie­hen. Dies­mal ist es Franz Josef Wag­ner, der Ker­ner vor­wirft, mit Her­man über­haupt über das The­ma Natio­nal­so­zia­lis­mus gespro­chen zu haben.

Mit die­sen Wor­ten:

Das Mons­ter Hit­ler sprengt unse­re Tafel­run­de.

Kategorien
Film Politik

Die Trennung von Staat und Irrsinn

Es gibt Situa­tio­nen, in denen gibt es kein „rich­tig“ und kein „falsch“. Man steht als Unbe­tei­lig­ter davor, guckt sie sich an und ist froh, dass man nicht gezwun­gen ist, eine Posi­ti­on ein­zu­neh­men. Aber man kann sich so sei­ne Gedan­ken machen.

Hier ist so ein Situa­ti­on: Tom Crui­se will/​soll/​wird in „Val­ky­rie“, dem neu­en Film von Bryan Sin­ger, Claus Schenk Graf von Stauf­fen­berg spie­len, einen der Draht­zie­her des geschei­ter­ten Atten­tats auf Adolf Hit­ler am 20. Juli 1944. Crui­se ist aber Mit­glied bei Sci­en­to­lo­gy und des­halb sind ver­schie­dens­te Per­so­nen dage­gen, dass Crui­se an Ori­gi­nal­schau­plät­zen dre­hen darf bzw. Stauf­fen­berg über­haupt spie­len soll.

Uff! Da muss man sich schon eine gan­ze Men­ge Gedan­ken machen, um die­se Situa­ti­on eini­ger­ma­ßen zu ent­wir­ren. Gehen wir also der Rei­he nach vor:

Sci­en­to­lo­gy ist eine höchst umstrit­te­ne Orga­ni­sa­ti­on, die je nach Sicht­wei­se als „Kir­che“, „Sek­te“ oder „Wirt­schafts­un­ter­neh­men“ bezeich­net wird. Als Ein­füh­rung in die Leh­ren von L. Ron Hub­bard sei jedem die­ser erhel­len­de Aus­schnitt aus der „South Park“-Folge „Trap­ped In The Clo­set“ emp­foh­len („This is what Sci­en­to­lo­gists actual­ly belie­ve“) – wobei Reli­gi­ons­kri­ti­ker sicher­lich sagen wür­den, die dort vor­ge­stell­te Geschich­te sei auch nicht bedeu­tend alber­ner als die Erschaf­fung der Welt in sechs Tagen und die Ent­ste­hung der Frau aus einer Rip­pe des Man­nes. Sci­en­to­lo­gys Metho­den sind sicher­lich höchst beun­ru­hi­gend und eigent­lich kann man die Insti­tu­ti­on nur als Gehirn­wä­sche­ver­ein bezeich­nen. Ande­rer­seits ist nach Arti­kel 4 des Grund­ge­set­zes die „unge­stör­te Reli­gi­ons­aus­übung“ gewähr­leis­tet – und wie soll­te bei einer Tren­nung von Staat und Kir­che der Staat bestim­men kön­nen, was eine „ech­te“ Reli­gi­on ist und was nicht?

Das führt unwei­ger­lich auch zu der Fra­ge, ob es eine Tren­nung zwi­schen dem Schau­spie­ler und Pro­du­zen­ten Tom Crui­se und dem Sci­en­to­lo­gen Tom Crui­se gibt. Schon 1996 rief die Jun­ge Uni­on zu einem Boy­kott von „Mis­si­on: Impos­si­ble“ auf, was inso­fern schon eine gelun­ge­ne Akti­on war, als dadurch erst­ma­lig die Metho­den und Leh­ren von Sci­en­to­lo­gy in den Focus einer brei­te­ren Öffent­lich­keit in Deutsch­land gelang­ten. Allein: „Mis­si­on: Impos­si­ble“ hat­te natür­lich außer sei­nem Haupt­dar­stel­ler und Pro­du­zen­ten nicht viel mit Sci­en­to­lo­gy zu tun – im Gegen­satz zu „Batt­le­field Earth“, das auf einem Roman von L. Ron Hub­bard basier­te, den eben­falls berühm­ten Sci­en­to­lo­gen John Tra­vol­ta in der Haupt­rol­le hat­te und als einer der schlech­tes­ten Fil­me aller Zei­ten gilt. Für „Val­ky­rie“ steht unter Regis­seur Bryan Sin­ger („X‑Men“, „Die übli­chen Ver­däch­ti­gen“, …) indes wenig bis gar kei­ne Ver­zer­rung des Stoffs zu befürch­ten (und mal ehr­lich: Wie soll­te man Hub­bards Sci­ence-Fic­tion-Wel­ten in eine Deutsch­land-Anno-’44-Geschich­te packen?).

Die Sek­ten­ex­per­tin der CDU/C­SU-Frak­ti­on, Ant­je Blu­men­thal, teil­te mit, dass das Bun­des­ver­teid­gungs­mi­nis­te­ri­um, das heu­te im Ber­li­ner Bend­ler­block resi­diert, in dem Stauf­fen­berg sein Atten­tat plan­te und wo er auch hin­ge­rich­tet wur­de, einen Dreh am Ori­gi­nal­schau­platz mit der Begrün­dung ableh­ne, eine Dreh­ge­neh­mi­gung für „einen rang­ho­hen Sci­en­to­lo­gen in einem Bun­des­ge­bäu­de“ käme einer bun­des­po­li­ti­schen Aner­ken­nung gleich – und das, bevor auch nur der Antrag auf eine Dreh­ge­neh­mi­gung vor­lag. Allein die­ser „Dienst­weg“ soll­te min­des­tens für skep­ti­sche Bli­cke und Stirn­run­zeln sor­gen.

In der „Süd­deut­schen Zei­tung“ gab es ges­tern einen sehr inter­es­san­ten Kom­men­tar von Andri­an Kreye und die „FAZ“ druck­te einen läng­li­chen Text des deut­schen Oscar-Preis­trä­gers Flo­ri­an Hen­ckel von Don­ners­marck, in dem die­ser über Stauf­fen­berg, Crui­se und die „deut­sche Ver­bots­geil­heit“ phi­lo­so­phiert. Mit­un­ter schießt er dabei ein wenig übers Ziel hin­aus, beweist damit aber auch, dass er mit sei­nem Pathos und Libe­ra­lis­mus (sowie natür­lich mit sei­nem beacht­li­chen Ehr­geiz) in den USA wirk­lich bes­ser auf­ge­ho­ben zu sein scheint als in Deutsch­land. Don­ners­marck argu­men­tiert, dass man die größ­ten und wich­tigs­ten Geschich­ten nur dann einem gro­ßen Publi­kum erzäh­len kön­ne (und wer soll­te etwas dage­gen haben, Stauf­fen­bergs Geschich­te in die Welt zu tra­gen?), wenn man sie mit gro­ßen Stars ver­fil­me – ein Stand­punkt, für den er post­wen­dend von Peter Stein­bach, dem Lei­ter der Gedenk­stät­te Deut­scher Wider­stand, eine drü­ber­ge­bra­ten bekam.

Im Kern hat der streit­ba­re Don­ners­marck aber sicher nicht unrecht: Mit dem ihr eige­nen Fin­ger­spit­zen­ge­fühl hat es die deut­sche Poli­tik geschafft, das The­ma Wider­stand an den Rand zu drän­gen und durch das The­ma Sci­en­to­lo­gy zu erset­zen. Es sind sicher bei­des wich­ti­ge The­men, aber die Wich­tig­tu­er aller Par­tei­en hät­ten sich kaum einen unge­eig­ne­te­ren Hin­ter­grund aus­su­chen kön­nen, um das staat­li­che Ver­hält­nis zu Reli­gi­on und Kunst zu dis­ku­tie­ren.

Auch ich hal­te Sci­en­to­lo­gy für gefähr­lich und wün­sche mir (gera­de ange­sichts der aktu­el­len Deutsch­land-Offen­si­ve) Auf­klä­rung über deren Machen­schaf­ten und mei­net­we­gen auch Beob­ach­tung durch den Ver­fas­sungs­schutz. Ich sehe mir aber trotz­dem Fil­me an, in denen Tom Crui­se mit­spielt (es gibt da ja hin und wie­der auch mal gute mit ihm) – wohl­wis­send, dass ein Teil des Gel­des, das er als Pro­du­zent damit ver­dient, an Sci­en­to­lo­gy gehen wird. Ich kann Crui­se als Per­son (spä­tes­tens seit sei­nem Auf­tritt bei Oprah Win­frey) kein biss­chen ernst neh­men, ich hal­te ihn aber für einen ziem­lich guten Schau­spie­ler und er ist zwei­fel­los einer der größ­ten Stars unse­rer Zeit. Pete Doh­erty ist ja auch nur die Par­odie eines Rock’n’Rol­lers und trotz­dem ein guter Musi­ker.

Was kön­nen wir also aus der gan­zen Cho­se ler­nen? Deut­schen Poli­ti­kern ist es egal, vor wel­chem Hin­ter­grund sie sich pro­fi­lie­ren kön­nen, solan­ge sie dadurch in die Pres­se kom­men. Auch die größ­ten Film­stars der Welt kön­nen sich nicht dar­auf ver­las­sen, über­all rein­zu­kom­men. Schau­spie­ler kön­nen noch so gut spie­len, sie blei­ben auch immer sie selbst. Flo­ri­an Hen­ckel von Don­ners­marck woll­te sich als Zehn­jäh­ri­ger im Gar­ten von Mari­on Yorcks Dah­le­mer Vil­la das Hemd aus­zie­hen. Und: Es gibt Situa­tio­nen, in denen es weder „rich­tig“ noch „falsch“ gibt, und bei denen man froh sein kann, dass man nicht gezwun­gen ist, eine kla­re Posi­ti­on ein­zu­neh­men.

Kategorien
Musik

Gott und die Welt: Ein Interview mit James Dean Bradfield

Mor­gen erscheint „Send Away The Tigers“, das ach­te Album der Manic Street Pre­a­chers (aus­führ­li­che Bespre­chung folgt). Zeit, für ein Gespräch mit deren Sän­ger James Dean Brad­field.

Das letz­te Manics-Album “Life­b­lood” wur­de von der Kri­tik und den Hörern nicht so gut auf­ge­nom­men. Waren die Solo­pro­jek­te von Dir und Nicky der Ver­such, neue Ener­gie für die Manics zu sam­meln?

Ehr­lich gesagt glau­be ich, dass wir nach den Reak­tio­nen auf „Life­b­lood“ eine Aus­zeit neh­men muss­ten. Wir hat­ten das Gefühl, irgend­wie unse­re Per­spek­ti­ve ver­lo­ren zu haben, und wuss­ten zum aller­ers­ten Mal nicht, was wir als nächs­tes tun woll­ten. Ich den­ke, dass unse­re Solo­pro­jek­te neu­es Leben in die Manics gebracht haben. Die neu­en Songs klin­gen sehr leben­dig und nach Rock’n’Roll. Sie sind viel opti­mis­ti­scher, seit ich die­ses Solo­ding gemacht habe.

Wenn wir über Per­spek­ti­ven spre­chen: Ihr habt Mil­lio­nen von Plat­ten ver­kauft und zum Jah­res­wech­sel 1999/​2000 eine rie­si­ge Show im Mill­en­ni­um Sta­di­um in Car­diff gespielt – wie moti­viert man sich nach sol­chen Aktio­nen wie­der, neu­es zu machen?

Wenn ich je Schwie­rig­kei­ten hät­te, mich selbst zu moti­vie­ren, wür­de ich auf­ge­ben. Es ist ver­dammt ein­fach, sich für eine Show wie die im Mill­en­ni­um Sta­di­um zu moti­vie­ren – eigent­lich für jede Show. Ich mache das jetzt, seit ich 15 war, und es war mir von Anfang an klar: Ich fin­de nicht viel Kathar­sis im Song­wri­ting, aber sehr viel, wenn wir spie­len. Für mich ist Kathar­sis, wenn das Emo­tio­na­le auf das Kör­per­li­che trifft. Und des­halb lie­be ich es, Kon­zer­te zu spie­len. Selbst, wenn es ein Kon­zert ist, das ich nie spie­len woll­te, ist es für mich das ein­fachs­te auf der Welt, moti­viert zu sein.

Ihr wart immer und seid auch heu­te noch eine sehr poli­ti­sche Band. Wie ist das in Zei­ten, wo immer noch kein Frie­den im Nahen Osten herrscht und die Men­schen fast über­all gegen sozia­le Ein­schnit­te pro­tes­tie­ren: inwie­fern hat das die neu­en Songs beein­flusst?

Ich den­ke, die letz­ten fünf, sechs Jah­re waren für die poli­ti­sche Lin­ke die größ­te Her­aus­for­de­rung, der sie sich je stel­len muss­te. Die zen­tra­le Fra­ge lau­tet, ob sie an die Demo­kra­tie glau­ben oder einen Got­tes­staat gut­hei­ßen. Die Lin­ken haben Reli­gi­on immer gehasst, eines ihrer Grund­prin­zi­pi­en lau­tet, dass Reli­gi­on das Opi­um des Vol­kes ist. Die Mischung von Staat und Kir­che ist eine Tod­sün­de für die Lin­ke.
Im Irak hat­ten wir plötz­lich die Situa­ti­on, dass eine Theo­kra­tie gestürzt wur­de, aber eine impe­ria­lis­ti­sche ame­ri­ka­ni­sche Macht hat sie ersetzt. Ich glau­be, dass hat die Lin­ke sehr ver­wirrt im Hin­blick dar­auf, was sie will. Dabei geht es weni­ger um die Krie­ge an sich, son­dern viel mehr um das Selbst­ver­ständ­nis der Lin­ken.