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Musik

Platzangst

Dins­la­ken macht sich bereit für die größ­te Show, die die­se Stadt je gese­hen hat. Schon seit heu­te mor­gen sind die Alko­hol­vor­rä­te des Innen­stadt-Super­markts bedenk­lich unter Durch­schnitt (was aller­dings an den Abi-Zulas­sun­gen lie­gen dürf­te, die heu­te ver­teilt wur­den) und auch das Epi­zen­trum des heu­ti­gen Abends ist seit 11 Uhr vor­be­rei­tet:

Diesert Platz ist vom 3. 4. 91 Ab 11 Uhr gesperrt

Hans-Böckler-Platz in Dinslaken

Hans-Böckler-Platz in Dinslaken

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Unterwegs

Oslog (7)

Kom­men wir nun zu einem abschlie­ßen­den Nach­klapp zum by:Larm-Festival und dem damit ver­bun­de­nen Oslo-Trip:

How to look at by:Larm (Montage: Lukas Heinser)

Eigent­lich hät­te ich so durch die Gegend lau­fen müs­sen, denn gro­tes­ke Napo­le­on-Dyna­mi­te-Bril­len und Iro­nie-Schnauz­bär­te schei­nen im Moment der Ren­ner unter den Musik-nahen Skan­di­na­vi­ern zu sein. Ansons­ten mach­ten die­se aber einen ganz nor­ma­len und höf­li­chen Ein­druck.

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Musik Unterwegs

Oslog (3)

Über die Kon­fe­renz, die das by:Larm zur Hälf­te aus­macht, muss ich ein ander­mal schrei­ben. Viel­leicht so viel vor­ab: Obwohl ich Vor­trä­ge und soge­nann­te Panels sonst eher has­se, suh­le ich mich hier mit Freu­den in Erkennt­nis­ge­win­nen.

Kom­men wir nun zur ande­ren Hälf­te: den Kon­zer­ten, die hier in so ziem­li­chen allen Clubs der Stadt (sowie in Kon­gress­hal­len und Zel­ten) statt­fin­den. Alles liegt näher zusam­men als Hun­de­hau­fen auf Ber­li­ner Bür­ger­stei­gen, aber trotz­dem muss man natür­lich stän­dig Jacke, Müt­ze, Schal und Hand­schu­he anzie­hen, über die mit­un­ter lebens­ge­fähr­li­chen Bür­ger­stei­ge stap­fen (eine Räum­pflicht scheint in Nor­we­gen eher unbe­kannt), in den nächs­ten Club rein, alles so gut es geht able­gen und ver­su­chen, sich nicht zu viel zu bewe­gen, weil man sich unter der Jacke sonst tot­schwitzt.

Wartende Menschen in Oslo

Ist man aber ein­mal im Rausch, will man jede Band, die gera­de spielt, sehen – oder zumin­dest jeweils eine. Nur einer scheint in jedem Moment über­all gleich­zei­tig zu sein: Erlend Øye von den Kings Of Con­ve­ni­ence und The Whitest Boy Ali­ve. Er ist gleich­zei­tig Star und Mas­kott­chen des Fes­ti­vals, so eine Art Thees Uhl­mann Nor­we­gens. Wo er auf­taucht und zur Musik mit­wippt, stei­gen die Chan­cen der jewei­li­gen Band auf den gro­ßen Durch­bruch. 30 Minu­ten sind eine sym­pa­thi­sche Län­ge, um sich einen Ein­druck über die Künst­ler zu ver­schaf­fen, den man dann spä­ter ver­tie­fen kann (oder eben nicht).

Kom­men wir nun zu den Künst­lern des heu­ti­gen Abends und – in Erman­ge­lung von klar defi­nier­ten Gen­res – wie­der zu einem mun­te­ren Name­drop­ping:

I Was A Teenage Satan Worshiper

I Was A Teenage Satan Wor­ship­per
Ja, geil, das ist mal ein Band­na­me. Nicht Oasis, Blur, The Kil­lers, The Fray oder Occi­dent, son­dern I Was A Teenage Satan Wor­ship­per. Bands, die so hei­ßen, will man doch auf Anhieb gut fin­den. Und die Fin­nen sind gar nicht schlecht: ein biss­chen wie The Sounds mit Sän­ger, ein biss­chen wie The Kil­lers auf Speed. Durch­ge­knall­ter, tanz­ba­rer Indie­rock mit sat­tem Syn­the­si­zer dahin­ter. Dazu Tex­te, die von Ske­le­tor und lee­ren Augen­hölen han­deln. Auf Dau­er wird’s ein biss­chen lang­wei­lig, aber defi­ni­tiv eine Band für die absei­ti­ge­ren Mix­tapes. Wobei der Band­na­me da ein biss­chen lang ist für die­se klei­nen Papier­ein­le­ger.

Pony The Pirate

Pony The Pira­te
Eine Band, die in Nor­we­gen als nächs­tes gro­ßes Ding gehan­delt wird. Sie­ben Musi­ker (bzw. fünf und zwei Musi­ke­rin­nen), die so ziem­lich alles spie­len, was eine ordent­li­che Musi­ka­li­en­hand­lung so ver­kauft: Glo­cken­spiel, Pedal Steel, Saxo­phon, Trom­pe­te und den gan­zen nor­ma­len Quatsch. Haben viel von Arca­de Fire und ein biss­chen was von The Gas­light Anthem. Und einen Sän­ger, der Bass spielt und aus­sieht wie Bil­ly Cor­gan. 10 Euro, dass die die­ses Jahr auf dem Hald­ern spie­len.

Under Dogs Inter­na­tio­nal
Die ers­ten fünf Minu­ten dach­te ich: „Ja, doch, aber hal­lo!“ Jazz, Gyp­sie­sound und Dub, ein biss­chen Eng­lisch, ein biss­chen Nor­we­gisch. Dann dach­te ich: „Na gut, es nervt doch sehr auf Dau­er.“ Wür­de mich aber nicht wun­dern, wenn wir die die­ses Jahr beim Grand Prix wie­der­sä­hen.

The Alexandria Quartet

The Alex­an­dria Quar­tet
Die hat­te ich ja schon vor Tra­vis gese­hen und für ganz ordent­lich befun­den. Die­ser Ein­druck hat sich heu­te ver­fes­tigt: Indie­rock zwi­schen Man­do Diao, den frü­hen Kil­lers und Tra­vis. Die ruhi­gen Sachen gefal­len mir aller­dings ein biss­chen bes­ser als die rocki­ge­ren.

Olaf­ur Arnalds
Auf dem Hald­ern letz­tes Jahr war ich irgend­wie zu müde, um mir mit­ten in der Nacht noch ruhi­ge Musik im Zelt anzu­hö­ren. Heu­te spiel­te er in einem bestuhl­ten Saal im Kon­gress­zen­trum und ich sah mich schon wie­der dahin­schlum­mern. Aber dann blieb ich doch wach, um der wun­der­schön ent­rück­ten Musik zu hören, die der jun­ge Islän­der da mit Hil­fe eines Flü­gels, eines Lap­tops und eines Streich­quar­tetts in den Raum ergoss. Es erin­ner­te ein biss­chen an The Notwist, ein biss­chen mehr an Sigur Rós und für Sekun­den­bruch­tei­le an Richard Clay­der­man, und die Fra­ge, ob das eigent­lich noch Pop sei, hät­te sicher ange­klopft, wenn Anklop­fen bei die­ser ruhi­gen Instru­men­tal­mu­sik nicht denk­bar unhöf­lich gewe­sen wäre. Von Herrn Arnalds kam auch die bes­te Ansa­ge bis­her: „I will sell the CD for … like what? One hundret Kro­ner? That’s a nice pri­ce … not for you, but it’s very, very much in Ice­lan­dic money.“ Viel­leicht hät­te man den Kon­trast zwi­schen sei­ner Musik und die­ser lako­ni­schen Mode­ra­ti­on mit­er­le­ben müs­sen, aber der Saal hat getobt.

Fjor­den Baby!
Deren Sän­ger hat­te ich ges­tern auf dem Weg zurück zum Hotel getrof­fen und ihm ver­spro­chen, mir sei­ne Band anzu­se­hen. Ich ver­su­che bei sowas ja immer Wort zu hal­ten, zumal er mir die bes­te nor­we­gi­sche Band unse­rer Zeit ver­spro­chen hat. Die habe ich dann aber zumin­dest nach mei­nem Emp­fin­den nicht gese­hen. Als ich rein­kam, spiel­ten sie gera­de irgend­was in Rich­tung Reggae/​Dub mit nor­we­gi­schen Tex­ten. Die ande­ren Songs waren rhyth­misch ver­track­ter, klopf­ten dafür aber auch mal beim Nu Metal an. Das ist Musik, von der ich gar nicht weiß, was ich davon hal­ten soll. Wer Kai­zers Orches­tra mag, könn­te Fjor­den Baby! unter Umstän­den etwas abge­win­nen. Aber ich mag ja eigent­lich Kai­zers Orches­tra …

Was es mit dem Oslo-Trip auf sich hat, steht hier.

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Musik Unterwegs

Oslog (1)

Wenn man Mitte/​Ende Febru­ar mit dem Flug­zeug in Oslo lan­det, hat man zunächst ein­mal Angst, die Maschi­ne wer­de gleich die ver­schnei­ten Tan­nen­wip­fel rasie­ren. Dann denkt man, man gin­ge auf einem Acker nie­der. Und dann erkennt man, dass genau an der Stel­le, an der die Maschi­ne auf­setzt, doch so ein biss­chen Lan­de­bahn ist. Not­dürf­tig geräumt und schon wie­der leicht mit Schnee zuge­weht. Wären deut­sche Stra­ßen in die­sem Zustand, das Ver­kehrs­chaos wäre vor­pro­gram­miert.

by:Larm

Die Win­ter in Nor­we­gen schei­nen kalt zu sein, sehr kalt. Alle öffent­li­chen Gebäu­de haben Dreh­tü­ren, die ver­hin­dern sol­len, dass kal­te Luft von außen her­ein­kommt. Am Flug­ha­fen gibt es sogar zwei Dreh­tü­ren hin­ter­ein­an­der, eine regel­rech­te Schleu­se gegen die Käl­te.

Sooo kalt ist es in Oslo gar nicht: +1°C zei­gen die Ther­mo­me­ter an. Aber es weht ein kal­ter Wind und es fällt unauf­hör­lich Schnee. Neben den Stra­ßen, auf den Plät­zen und Dächern türmt sich die wei­ße Pracht (Quel­le: Syn­onym-Wör­ter­buch für Lokal­re­dak­teu­re) meter­hoch. Zwei­mal wäre ich mit mei­nen schwe­ren Win­ter­stie­feln schon fast auf die Fres­se geflo­gen. Der Kol­le­ge vom „Intro“ hat nur Turn­schu­he mit.

Oslo im Schnee (Foto: Lukas Heinser)

Bei mei­ner kur­zen Run­de durch die nähe­re Umge­bung fiel mir (neben den offen­sicht­li­chen Wet­ter­ver­hält­nis­sen) eines auf: die Nor­we­ger sind unfass­bar hübsch. Alle. Ich war vor­ge­warnt wor­den, aber man kann sich das nicht vor­stel­len, wenn man es nicht selbst gese­hen hat. „The O.C.“ war nichts dage­gen. Und tadel­los geklei­det sind sie auch alle, vom Kin­der­gar­ten­kind bis zur alten Dame, vom Ska­ter (ich habe bis­her nur einen gese­hen, die Oslo­er tra­gen auf­fal­lend mehr Lang­lauf­s­kier mit sich her­um als Skate­boards) bis zum Arbei­ter.

Hier im Hotel, wo der/​die/​das by:Larm statt­fin­det, ist es noch schlim­mer: Hun­der­te adret­ter Indie­kin­der in viel zu engen Röh­ren­jeans (die Boys) und Röcken über der Hose (die Girls). Es wirkt ein biss­chen wie die Fusi­on von Viva 2 und „Harper’s Bazaar“.

Aber genug der Äußer­lich­kei­ten. Ich wer­de mich nun ins bun­te Trei­ben (Quel­le: Syn­onym-Wör­ter­buch für Lokal­re­dak­teu­re) stür­zen und dann beim nächs­ten Mal inhalt­li­ches berich­ten. Mög­li­cher­wei­se.

Oslo im Schnee (Foto: Lukas Heinser)

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Das Stillleben von dpa

Man muss sich das bei der Deut­schen Pres­se-Agen­tur (dpa) ver­mut­lich so vor­stel­len: Da kommt eine Poli­zei­mel­dung rein, die von einer neu­en rie­si­gen Ope­ra­ti­on (man kennt das) gegen Kin­der­por­no­gra­phie berich­tet.

Dar­in:

Die auf­ge­fun­de­nen Beweis­mit­tel – Spei­cher des Han­dy und schrift­li­che Auf­zeich-nun­gen – wie­sen aus, dass der Mann kin­der­por­no­gra­phi­sche Schrif­ten in Form von Bil­dern und Video­se­quen­zen nicht nur emp­fan­gen hat und besitzt, son­dern sol­che auch umfang­reich ver­brei­tet hat. In sei­ner Beschul­dig­ten­ver­neh­mung war der 33jährige gestän­dig. Als Tat­mit­tel benutz­te der Mann aus­schließ­lich ein Han­dy. Die Datei­en wur­den per „MMS“ (mul­ti­me­dia mes­sa­ging ser­vice) ver-sandt.

In die­sem Moment ruft der CvD: „Wir brau­chen drin­gend ein Sym­bol­fo­to, wenn die Mel­dung raus­geht! Mach, mach, mach!“

Und so nimmt irgend­je­mand (der Bild­chef, ein Prak­ti­kant, die Putz­frau) eine Digi­tal­ka­me­ra zur Hand und sucht sich auf den Schreib­ti­schen der Kol­le­gen zusam­men, was er braucht: ein Han­dy, einen Lap­top, einen CD-Roh­ling und einen Foli­en­stift.

Zwei Minu­ten spä­ter geht ein Bild über die Ticker, das nur wenig spä­ter in den Online-Auf­trit­ten der Zei­tun­gen auf­taucht:

Stillleben mit Laptop, Handy und CD-Rohling (Künstler unbekannt)

(gefun­den bei taz.de, aber auch beim „Naum­bur­ger Tage­blatt“)

Für alle Mit­ar­bei­ter in der dpa-Zen­tra­le bleibt zu hof­fen, dass der Roh­ling mit der Auf­schrift „Kin­der­por­no­gra­phie“ ordent­lich geschred­dert wur­de, bevor er ent­sorgt wur­de.

Das gewähl­te Tele­fon, das Sie­mens S56, kann übri­gens offen­bar MMS anzei­gen, auch wenn es nicht so aus­sieht.

„Spie­gel Online“ und „RP Online“ war das Bild trotz­dem zu doof und so ent­schied man sich dort für fol­gen­de Alter­na­ti­ven:

Stillleben mit Blackberry (Künstler unbekannt)

Mann mit Samsung-Handy (Künstler unbekannt)

Inter­es­sant ist der aktu­el­le Fall mit dem MMS-Ver­sand vor allem vor dem Hin­ter­grund, dass Bun­des­fa­mi­li­en­mi­nis­te­rin Ursu­la von der Ley­en gera­de eine Sper­re kin­der­por­no­gra­phi­scher Web­sei­ten durch­ge­boxt hat. Denn hier zeigt sich, dass ihr völ­lig ahnungs­lo­ses Vor­ge­hen in etwa so viel bringt wie ein Kor­ken, wenn das Klo über­läuft.

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Print Digital

Wo ist Walter?

Screenshot: nytimes.com

Es ist ver­mut­lich kein Geheim­nis, dass ich den Online-Auf­tritt der „New York Times“ – neben dem des eng­li­schen „Guar­di­an“ – für das abso­lu­te Non­plus­ul­tra hal­te. Die Sei­te ver­bin­det die qua­li­ta­tiv oft sehr hoch­wer­ti­gen Tex­te der Zei­tung mit einem anspre­chen­den Lay­out und so ziem­lich allem, was die moder­ne Tech­nik her­gibt.

Die neu­es­te Idee: ein rie­si­ges Foto von der Ehren­tri­bü­ne bei der gest­ri­gen Ver­ei­di­gung (oder „Inau­gu­ra­ti­on“, um das neue Lieb­lings­wort voka­bel­schwa­cher deut­scher Jour­na­lis­ten­dar­stel­ler zu ver­wen­den) von Barack Oba­ma.

Aber es ist nicht nur ein rie­si­ges (zusam­men­ge­setz­tes) Foto, man kann auch hin­ein­zoo­men, über die Köp­fe der dort sit­zen­den Per­so­nen fah­ren und sich bei vie­len Per­so­nen anzei­gen las­sen, wie sie hei­ßen. Dar­über hin­aus kann man direkt auf eine bestimm­te Stel­le des Fotos ver­lin­ken (falls man z.B. wie John Cusack selbst im Bild ist und damit vor all sei­nen Freun­den rum­prot­zen will) und nach allen iden­ti­fi­zier­ten Per­so­nen suchen. Und das alles bei Inter­es­se auch noch im Voll­bild­mo­dus.

Ist es das, was die Welt unbe­dingt gebraucht hat? Nein. Ist es trotz­dem toll? Auf alle Fäl­le.

Nur einen Wal­ter habe ich nir­gend­wo fin­den kön­nen.

Nach­trag, 15:52 Uhr: Dank tat­kräf­ti­ger Unter­stüt­zung von Stitch habe ich doch noch einen Wal­ter gefun­den: Wal­ter Mon­da­le, Vize­prä­si­dent von 1977 bis 1981.

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Musik

Deutschland, Deine Backstageräume (1)

Heu­te: Dins­la­ken, Stadt­hal­le

Wolf Maahn Libero Tour 95/96 - Aftershow

Halb zehn, sagt die zusammengegaffate Bühnenuhr

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Digital Politik

Grüne in schwarz-weiß

Ich ver­spre­che: das wird der letz­te Bei­trag zum Grü­nen­par­tei­tag.

Aber wie Sie schon ver­mu­tet haben wer­den, fehlt neben Text und Video natür­lich noch mei­ne liebs­te Prä­sen­ta­ti­ons­form: die Bil­der­ga­le­rie.

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Politik Unterwegs

Unter Grünen: Erste Eindrücke

Alle fünf Blog­ger sind gut in Erfurt und der dazu­ge­hö­ri­gen Mes­se ange­kom­men, jetzt sit­zen wir in einer Mes­se­hal­le, die ein­mal mehr beweist, war­um die Rede­wen­dung „gemüt­lich wie eine Mes­se­hal­le“ in jeder Spra­che der Welt unbe­kannt ist. Immer­hin ist sie an den Rän­dern grün aus­ge­leuch­tet.

Hier ein­mal ein ers­ter Ein­druck:

Lukas Beckmann, Lukas Heinser, Mama und Papa Heinser (v.l.n.r.)
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20 Jahre Totalversagen

Jour­na­lis­ten lie­ben Jubi­lä­en. Im Gegen­satz zu tat­säch­li­chen, tages­ak­tu­el­len Ereig­nis­sen tre­ten die­se nicht über­ra­schend auf, man kann die The­men gründ­lich recher­chie­ren, mit Zeit­zeu­gen spre­chen und das Gesche­hen frei von Affek­ten in sei­nen his­to­ri­schen Kon­text ein­ord­nen. Ich wür­de nicht aus­schlie­ßen, dass die ers­ten Repor­ter am Abend des 11. Sep­tem­ber 2001 began­nen, ihre gro­ße „Ten years after“-Geschichte vor­zu­be­rei­ten.

Die­ser Tage jährt sich das Gei­sel­dra­ma von Glad­beck zum zwan­zigs­ten Mal. Ein im wahrs­ten Wort­sin­ne tra­gi­sches Ereig­nis, bei dem schlicht­weg alles schief ging, was schief gehen konn­te, und das inso­fern in einer Rei­he mit dem Olym­pia-Atten­tat von Mün­chen und der Schley­er-Ent­füh­rung steht. Eine Ver­ket­tung von Uner­fah­ren­heit und Inkom­pe­tenz auf Sei­ten der Behör­den, ein Total­ver­sa­gen der bericht­erstat­ten­den Pres­se.

Ich bin zu jung, um mich an die drei Tage im August 1988 erin­nern zu kön­nen, aber man kennt ja die Bil­der von Sil­ke Bisch­off mit der Pis­to­le an der Schlä­fe und Hans-Jür­gen Rös­ner mit der Pis­to­le zwi­schen den Zäh­nen. Und gera­de das Foto von Sil­ke Bisch­off macht die gro­ße Erin­ne­rungs­pa­ra­de, die schon seit eini­gen Wochen in den deut­schen Medi­en abge­hal­ten wird, zu einer Grat­wan­de­rung.

Bereits vor einem Monat brach­te „Bild“ im Zuge einer gro­ßen Glad­beck-Serie einen Arti­kel über Sil­ke Bisch­offs Mut­ter, der wie folgt über­schrie­ben war:

20 Jahre nach Gladbeck: Dieses Bild lässt die Mutter der toten Silke nie mehr los

Das Demons­tra­tiv­pro­no­men stand da natür­lich nicht ver­se­hent­lich, denn „die­ses Bild“ war dar­über natür­lich noch ein­mal rie­sen­groß abge­druckt.1

Fast ähn­lich bizarr ist der Spa­gat, den die „WAZ“ voll­bringt: auf derwesten.de ist ein Foto von Tätern, Waf­fen und Gei­sel zu sehen, nur weni­ge Zen­ti­me­ter über die­sem Absatz:

Dass es überhaupt dieses Bild gibt: der Täter, die Waffe, die Geisel. Und dann aus dem Off diese Frage, was für eine Frage! "Was fühlen Sie so, mit der Waffe am Hals?" Silke Bischoff guckt fast freundlich über das Mikrofon, es ist ihr bald so nah wie der Revolver. "Gut", sagt sie, sie habe bloß Angst, "dass jemand umgebracht wird oder so".

Da weiß man auch nicht, ob die fol­gen­de Pas­sa­ge Selbst­kri­tik oder Recht­fer­ti­gung sein soll:

Jour­na­lis­ten han­deln statt nur zu beob­ach­ten. Ange­se­he­ne Repor­ter sind unter ihnen, von öffent­lich-recht­li­chen Sen­dern und auch von der WAZ. Oft weiß die Pres­se mehr als die Poli­zei.

Es ist schwie­rig, über die Feh­ler der Pres­se von damals zu berich­ten, in der Pres­se von heu­te. Und es ist schwie­rig, die­se Fotos zu ver­wen­den. Einer­seits gibt es sie, sie sind jour­na­lis­ti­sche Fak­ten, die damals geschaf­fen wur­den und nicht rück­gän­gig gemacht wer­den kön­nen. Ande­rer­seits besteht die Gefahr, mit jedem Wie­der­ab­druck nicht nur das Leid der Ange­hö­ri­gen (s. o.) zu ver­grö­ßern, son­dern auch die Demü­ti­gung der dama­li­gen Opfer zu wie­der­ho­len. Wir haben es natür­lich mit Zeit­do­ku­men­ten zu tun, aber man kann sie heu­te nur zei­gen, weil die Medi­en damals ver­sagt haben. Und so ist es eini­ger­ma­ßen schi­zo­phren, das Medi­en­ver­sa­gen von damals mit genau die­sen Fotos zu bebil­dern.

Wenn man län­ger über die­sen Sach­ver­halt nach­denkt, befin­det man sich plötz­lich tief in einer ethi­schen Grund­satz­dis­kus­si­on. Wozu sind Bil­der wie die von der ver­ängs­tig­ten Sil­ke Bisch­off auf der Rück­bank oder von Hanns Mar­tin Schley­er im durch­ge­schwitz­ten Unter­hemd da? Sol­len sie mah­nen, dass sich das Gezeig­te nicht wie­der­ho­len dür­fe, sol­len sie Mit­leid erzeu­gen oder sol­len sie (aber­mals) die Sen­sa­ti­ons­gier befrie­di­gen?2 Sol­che Bil­der sind durch ihre stän­di­ge Wie­der­ho­lung irgend­wann mehr als nur die Abbil­dung von Ereig­nis­sen. Sie wer­den zu pop­kul­tu­rel­len Iko­nen, so wie die Ein­schlä­ge der Flug­zeu­ge am 11. Sep­tem­ber 2001, die bereits einen Tag spä­ter als Dau­er­schlei­fe Teil des On-Screen-Designs in den Son­der­sen­dun­gen von RTL waren. Sie waren aber genau genom­men auch nie nur die Abbil­dung von Ereig­nis­sen, gera­de die­se Bil­der waren selbst Teil der Ereig­nis­se.

Auch stellt sich die Fra­ge, ob es „gut“, „schlecht“ oder „egal“ ist, wenn sol­che Bil­der zu Iko­nen wer­den. Ver­mut­lich kommt es da unter ande­rem dar­auf an, ob man sich an die Täter oder an die Opfer erin­nert. Es lau­fen ja ernst­haft immer noch Men­schen mit dem Foto von Charles Man­son auf dem T‑Shirt her­um und Mari­lyn Man­son hat sich ja bewusst nach Mari­lyn Mon­roe und Charles Man­son benannt. Die Band 18 Sum­mers hieß übri­gens lan­ge Jah­re Sil­ke Bisch­off, was man ganz und gar geschmack­los fin­den, aber viel­leicht auch ver­ste­hen kann, wenn Sän­ger Felix Flau­cher erklärt, dass es ihm um das Schick­sal einer Ein­zel­per­son gehe, das viel stär­ker berüh­ren kann als das einer anony­men Men­ge.

Wenn wir als Schü­ler im Geschichts­un­ter­richt Fotos aus den frisch befrei­ten Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern gezeigt beka­men, war die Bot­schaft klar: So etwas darf nie wie­der pas­sie­ren, sorgt gefäl­ligst dafür! Was aber sol­len uns die Fotos von Glad­beck3 heu­te sagen? Für Jour­na­lis­ten schwingt da natür­lich ein „nie wie­der“ mit und die – zuge­ge­ben eher theo­re­ti­sche – Fra­ge, wie man sich eigent­lich selbst in einem sol­chen Fall ver­hal­ten wür­de. Aber Jour­na­lis­ten sind eine ziem­li­che Min­der­heit.

Ande­rer­seits rufen Medi­en in Groß­bri­tan­ni­en oder den USA schon län­ger ihre Zuschau­er bzw. Leser dazu auf, sich bei gro­ßen Ereig­nis­sen (also span­nen­den Kata­stro­phen) an der Bericht­erstat­tung zu betei­li­gen. So kam CNN im ver­gan­ge­nen Jahr an einen Teil sei­ner Bil­der vom Amok­lauf in Blacksburg, VA. Udo Röbel, der sich damals als Repor­ter des Köl­ner „Express“ beson­ders unrühm­lich her­vor­tat, als er zu den Tätern ins Auto stieg und sie aus der Stadt lots­te, sagt jetzt in einem sehr lesens­wer­ten Arti­kel der „Süd­deut­schen Zei­tung“:

„Aber was ich schon glau­be, ist, dass wir irgend­wann ein Glad­beck ande­rer Art krie­gen könn­ten. Inzwi­schen tum­meln sich ja Leu­te in der Medi­en­welt, die Jour­na­lis­mus gar nicht gelernt haben. Es gibt Mül­ler, Mei­er, Schul­ze, die mit dem Han­dy unter­wegs sind und jeder­zeit in Situa­tio­nen kom­men kön­nen, wo etwas pas­siert, was sie dann fil­men.“

Viel­leicht wür­de ein ähn­li­ches Ver­bre­chen heu­te unter der 1414 statt­fin­den.

Lan­ge wird die Erin­ne­rung an „Glad­beck“ und die Selbst­re­fle­xi­on aller­dings sowie­so nicht vor­hal­ten: am 28. August steht „20 Jah­re Ram­stein“ an.

  1. Dass das Foto inzwi­schen aus der Online-Ver­si­on des Arti­kels ent­fernt wur­de, hat wenig zu bedeu­ten – erfah­rungs­ge­mäß hat das bei Bild.de häu­fig mit Bild­rech­ten und sel­ten mit Anstand zu tun. []
  2. Der Fall Schley­er unter­schei­det sich vom Fall Bisch­off inso­fern, als die Ent­füh­rer die Fotos selbst gemacht haben – zum einen, um zu bewei­sen, dass sie Schley­er tat­säch­lich in ihrer Gewalt haben und er noch lebt, zum ande­ren sicher auch, um ihr Opfer zu demü­ti­gen. []
  3. „Glad­beck“ ist ja in die­sem Fall auch nur ein ver­ein­fa­chen­des Schlag­wort, Sil­ke Bisch­off wur­de ja in Bre­men als Gei­sel genom­men, die berühmt-berüch­tig­ten Fotos ent­stan­den auf der Dom­plat­te in Köln. []
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Unterwegs

Amsterdamcontent

Cof­fee­shop And TV und touri2 prä­sen­tie­ren: Tul­pen Impres­sio­nen aus Ams­ter­dam.

Herengracht in Amsterdam
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Digital Kultur

Kunstpause

Wid­men wir uns zur Abwechs­lung doch mal etwas Erfreu­li­chem: Mei­ne gute Freun­din Mar­ti­na Dri­gnat hat ihre Inter­net­sei­te taubenstrasse.de gere­launcht.

Möwen auf taubenstrasse.de (Foto: Martina Drignat)

Dort fin­den Sie „Medi­en­kunst & Foto­gra­fie“ und wenn Sie sich dar­un­ter nichts vor­stel­len kön­nen: Mar­ti­na hat unter ande­rem die Web­site von kett­car gestal­tet, das Art­work der Kili­ans-CD (womit ich nichts zu tun hat­te!) und das Lay­out Logo des sehr emp­feh­lens­wer­ten Inter­net­mu­sik­ma­ga­zins mainstage.de. Außer­dem kön­nen Sie sich dort – je nach Geschmack – Fotos von Kat­zen, Scha­fen und Stop­pel­fel­dern anse­hen, sowie Por­träts und Liv­e­fo­tos von zahl­rei­chen Musi­kern.

Ich wür­de mich freu­en, wenn Sie dort mal vor­bei­schau­en und sich zumin­dest durch einen Teil der paar­hun­dert Bil­der kli­cken wür­den. Schließ­lich sind das end­lich mal Bil­der­ga­le­rien, die kei­ne IVW-Zah­len und Wer­be­ein­nah­men hoch­trei­ben.