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Musik

Mixtape 9/​24

Andert­halb Jah­re lang, über 36 Aus­ga­ben, haben wir bei Spo­ti­fy unse­re klei­ne Musik­sen­dung ver­öf­fent­licht, die genau­so hieß wie die­ses Blog hier: Cof­fee And TV. Dann hat der böse, aus­beu­te­ri­sche Tech-Kon­zern die Mög­lich­keit abge­schafft, eine sol­che … nun ja: Radio­sen­dung im Inter­net zu pro­du­zie­ren.

Ich habe ein biss­chen gebraucht, um zu über­le­gen, wie wir wei­ter­ma­chen, denn es gehört ja zu mei­nen tiefs­ten Über­zeu­gun­gen, dass Schön­heit geteilt gehört – und Ihr soll­te ja wei­ter hören kön­nen, was ich gera­de so höre. Die nächst­ge­le­ge­ne Idee ist natür­lich eine Play­list – vor­erst erst­mal wei­ter bei Spo­ti­fy, weil der Absprung von so einem Strea­ming­dienst unge­fähr so kom­pli­ziert ist wie ein Umzug mit drei Kin­dern und fünf Haus­tie­ren ins Aus­land, aber auch bei Tidal, wo ich gera­de ein Pro­be-Abo abge­schlos­sen habe, und die Musik wirk­lich hun­dert Mal bes­ser klingt (außer­dem krie­gen die Künstler*innen mehr Geld).

Und weil eine Befra­gung auf Insta­gram ergab, dass Ihr ger­ne nicht nur Songs hin­ter­ein­an­der hören, son­dern auch Infor­ma­tio­nen und Mei­nun­gen dazu lesen wollt, habe ich jetzt ca. zwei Arbeits­ta­ge damit zuge­bracht, die­sen Blog-Ein­trag hier zusam­men­zu­bau­en. (Wenn Ihr mei­ne Arbeit finan­zi­ell unter­stüt­zen wollt, könnt Ihr mei­nen News­let­ter abon­nie­ren und dafür Geld bezah­len!)

Also dann: Herz­lich will­kom­men zum ers­ten CTV-Mix­tape!

Manic Street Pre­a­chers – Decli­ne & Fall

Ich bin jetzt seit fast 25 Jah­ren Fan der Manic Street Pre­a­chers; sie haben mich durch die Ober­stu­fen­zeit beglei­tet und poli­ti­siert. Ihr letz­tes rich­tig gutes Album ist jetzt auch schon vier­zehn Jah­re alt – und dann bal­lern die plötz­lich so eine Sin­gle raus: eine Pia­no-Hook wie bei ABBA, Gitar­ren wie bei Guns ’n‘ Roses und eine Gesangs­me­lo­die, die unge­fähr so ein­gän­gig ist wie ein gelun­ge­ne­rer Schla­ger.

Der Text han­delt davon, im Ange­sicht einer ver­fal­len­den Welt die klei­nen Wun­der zu fei­ern – viel­leicht ein biss­chen fata­lis­tisch für eine Band, die die meis­te Zeit ihrer Kar­rie­re die sozia­lis­ti­sche Welt­re­vo­lu­ti­on anzet­teln woll­te, aber in Zei­ten, in denen sich so vie­le immer radi­ka­ler äußern, ist es auch auf eine Art radi­kal, das Gegen­teil zu tun. Und wenn es dar­um geht, sich an den klei­nen Din­gen zu erfreu­en, bin ich natür­lich dabei! Der bes­te Song einer Band „von frü­her“ seit Jah­ren!

Ider – You Don’t Know How To Dri­ve

Wir waren bei Cof­fee And TV schon gro­ße Fans von Ider, bevor das bri­ti­sche Elek­tro­pop-Duo über­haupt 2019 sein Debüt­al­bum „Emo­tio­nal Edu­ca­ti­on“ ver­öf­fent­licht hat­te. Der Bild­spen­der für den Titel die­ser Sin­gle ist die männ­li­che Unfä­hig­keit, sich im Stra­ßen­ver­kehr zu ori­en­tie­ren, aber immer gute Rat­schlä­ge zu geben – und das ist nur die ers­te Stro­phe, denn die burns wer­den danach noch viel, viel gemei­ner.

„I wan­na throw your shit in the midd­le of the street /​ Real­ly make a big sce­ne and burn your red SG /​ Dele­te the files of your solo EP, yeah no ones gon­na hear it now“, sin­gen Megan Mark­wick und Lily Somer­ville im Refrain und viel­leicht muss man ein paar Musi­ker im Bekann­ten­kreis haben, um die Tie­fe und Schär­fe die­ser Zei­len voll wür­di­gen zu kön­nen, aber lasst es mich so sagen: Das hier ist die nuklea­re Opti­on – aber sehr, sehr lus­tig!

Ider haben gera­de ihr drit­tes Album „Late To The World“ ange­kün­digt, das am 21. Febru­ar 2025 erschei­nen soll. Ende März spie­len sie in Ham­burg, Ber­lin und Köln.

Chris­ti­an Lee Hut­son – After Hours

Seit dem Release Anfang Juli lie­ge ich mei­ner gesam­ten peer group in den Ohren, dass sie sich bit­te, unbe­dingt, kei­ne Zeit zu War­ten, die­sen Song anhö­ren sol­len. Nein: müs­sen!

„After Hours“ klingt, als wür­de ich es seit 25 Jah­ren ken­nen, aber ich kann nicht genau sagen, an was mich Stim­me und Musik erin­nern: Nick Dra­ke? Nein. The Wea­k­erthans? Auch nicht. Vor allem war Chris­ti­an Lee Hut­son vor 25 Jah­ren gera­de acht und hat (hof­fent­lich, denn das Wort „fuck“ kommt auch drin vor) noch nicht sol­che Songs geschrie­ben. Refrains gibt’s kei­ne, dafür Stro­phen, die sich frei asso­zia­tiv von Spät­is im Him­mel über die Schau­spie­le­rin Cathe­ri­ne O’Ha­ra bis zur Fest­stel­lung „The good stuff is behind a pay­wall“. Das Album „Para­di­se Pop. 10“ erscheint am 27. Sep­tem­ber und ich bin sehr gespannt!

Anna Erhard – Not Rick

Stellt Euch einen jun­gen, weib­li­chen Wer­ner Her­zog vor, der einen cle­ve­ren, aber nicht zu cle­ve­ren Text rezi­tiert, in dem es unter ande­rem um den legen­dä­ren Musik­pro­du­zen­ten Rick Rubin geht, wäh­rend im Hin­ter­grund die Band Cake ein Mas­hup von Becks bes­ten Songs, die nicht „Loser“ hei­ßen, spielt. Okay, ich bin nicht hilf­reich.

Ihr müsst mir ein­fach glau­ben, dass die­ser Song von Anna Erhard, die in der Schweiz auf­ge­wach­sen ist und jetzt in Ber­lin lebt, eini­ge der bes­ten Indie­rock-Trends der letz­ten vier Jahr­zehn­te ent­hält. Oder bes­ser: es hören!

Pete Yorn – Real Good Love

Pete Yorn war der Sound­track der letz­ten Mona­te vor mei­nem Abi — und zwar gleich dop­pelt: zum einen war er in den Jah­ren 2000 bis 2002 auf gefühlt jedem zwei­ten Sound­track-Album von „Dawson‘s Creek“ bis „Spi­der-Man“ dabei (so ver­such­ten Major-Labels damals, ihre Acts groß zu machen), zum ande­ren war sein Debüt-Album „Music­for­the­mor­ning­af­ter“ damals ein treu­er Beglei­ter.

Es wur­de kei­ne enge, dau­er­haf­te Bezie­hung (sein gemein­sa­mes Album mit Scar­lett Johans­son hab ich bis heu­te nie gehört), aber wenn er neue Musik ver­öf­fent­licht, höre ich immer wie­der ger­ne rein. (Und im Gegen­satz zu Ryan Adams, dem ande­ren gro­ßen lie­bes­trun­ke­nen Trou­ba­dour jener Tage, hat er sich, soweit ich weiß, nichts zu Schul­den kom­men las­sen.) Sein neu­es Album „The Hard Way“ ist kein Meis­ter­werk, über das man in zehn Jah­ren noch begeis­tert spre­chen wird, aber es kann die Zeit zwi­schen „Nicht mehr Som­mer“ und „Noch nicht Herbst“ unter­ma­len wie eine akus­ti­sche Über­gangs­ja­cke. Und so eine soli­de Freund­schaft ist doch auch viel wert!

PRONOUN – In The Still

Viel­leicht gar nicht so doof, das eige­ne Musik­pro­jekt nach der viel­leicht pola­ri­sie­rends­ten Wort­gat­tung aller Zei­ten zu benen­nen. Aly­se Vell­turo beschreibt sich selbst als „Brook­lyn-based indie label mana­ger by day, bed­room artist by night“ und „In The Still“ ist mein Erst­kon­takt mit ihrem Schaf­fen.

Wenn Jim­my Eat World und The Pains Of Being Pure At Heart eine gemein­sa­me Toch­ter hät­ten und die dann mit ihren Freun­din­nen von bri­ti­schen 80er-Jah­re-Bands (und zwar nicht Pet Shop Boys oder Wham!, son­dern The Cure und New Order) inspi­rier­te Musik machen wür­de, dann könn­te das Ergeb­nis so klin­gen.

Japan­dro­ids – Chi­ca­go

Für alle, die immer schon Bruce Springsteen und Hüs­ker Dü geliebt haben, gibt es das kana­di­sche Duo Japan­dro­ids. Ihr zwei­tes Album „Cele­bra­ti­on Rock“ aus dem Jahr 2012 ist eines der am pas­sends­ten beti­tel­ten Alben aller Zei­ten und bevor ich für „Lucky & Fred“ oder mei­ne klei­ne ESC-Show auf die Büh­ne gegan­gen bin, hab ich immer ihren Songs „Fire’s High­way“ gehört, um ange­mes­sen pum­ped für einen Abend vor Live-Publi­kum zu sein.

Nach sie­ben Jah­ren Pau­se haben sie im Juli für Okto­ber ihr vier­tes Album „Fate & Alco­hol“ ange­kün­digt, das gleich­zei­tig ihr letz­tes sein soll. Wenn man sich bei einer Band kei­ne Sor­gen machen muss, dass sie mit einem Knall gehen wer­den, dann bei Japan­dro­ids. Sor­ry, baby, we call it like we see it in Chi­ca­go!

Suzan Köcher’s Supra­fon – Living In A Bad Place

Brin­gen wir‘s kurz hin­ter uns: Ja, das ist die Band, wäh­rend deren Auf­tritt der Atten­tä­ter auf dem Solin­ger Stadt­fest sei­ne furcht­ba­re Tat beging. Das war natür­lich ein grau­sa­mer Zufall und die denk­bar beschis­sens­te Art, um Gegen­stand natio­na­ler Bericht­erstat­tung zu wer­den, von daher freut es mich sehr, dass die Vier schon eine Woche spä­ter die Kraft hat­ten, wie­der auf einer Büh­ne zu ste­hen und zu bestehen.

„Living In A Bad Place“ ist ein groo­ven­der Ame­ri­ca­na-Stamp­fer, der an die spä­ten Car­di­gans oder Bran­di Car­l­is­le erin­nert, aber gleich­zei­tig auch ein­deu­tig Suzan Köcher’s Supra­fon ist (wie schon in Sen­dung Nr. 35 zu hören). Im Okto­ber erscheint das Album „In The­se Dying Times“ und das mag jetzt zynisch klin­gen, aber: Wenn die­se gan­ze Schei­ße dazu führt, dass jetzt ein paar mehr Men­schen eine gute Band ken­nen und hören, ist das alle­mal bes­ser, als wenn des­we­gen Gren­zen geschlos­sen und Men­schen­rech­te geschlif­fen wer­den. (Das war jetzt poli­tisch. Bla­me the Manic Street Pre­a­chers!)

The Kil­lers – Bright Lights

Wenn ich alle Fak­ten zusam­men­tra­ge, sind The Kil­lers ver­mut­lich mei­ne Lieb­lings­band unter all jenen, die noch aktiv sind. Ich denk da nur auch nicht immer dran.

Und dann kam Anfang August eine neue Sin­gle raus und ich hab sie mir extra auf­ge­ho­ben, um sie abends, bei Son­nen­un­ter­gang auf unse­rem Cam­ping­platz, zum ers­ten Mal zu hören. Es ist natür­lich kein „Mr. Brights­ide“ oder „When You Were Young“, es ist nicht­mal ein „Cau­ti­on“ (obwohl es erstaun­lich danach klingt). Es ist nur ein Lebens­zei­chen einer Band, die es auch nach 20 Jah­ren noch schafft, mir mit jedem neu­en Album eine klei­ne Freu­de zu berei­ten — und das ist doch auch viel wert!

Bess Atwell – Whe­re I Left Us

Ich mer­ke, dass ich immer weni­ger Alben höre – gera­de, weil ich so ungern Alben anma­che, wenn ich weiß, dass ich sie nicht kom­plett hören kann. Wenn ich 20 bis 30 Minu­ten brau­che, bis das Abend­essen fer­tig ist, reicht das nicht – gera­de, wenn ich erst­mal zehn Minu­ten brau­che, um über­haupt Musik aus­zu­su­chen, wäh­rend das Nudel­was­ser schon kocht. Des­halb habe ich Bess Atwells drit­tes Album „Light Slee­per“ auch noch nicht gehört (auch nicht die zwei davor), obwohl es von Aaron Dess­ner von The Natio­nal pro­du­ziert wur­de, der seit Tay­lor Swifts „Folk­lo­re“ ja der Mann ist, der melan­cho­lisch-schwel­gen­de Pop­songs jun­ger Frau­en den letz­ten Grob­schliff gibt.

„Whe­re I Left Us“ ist da aber auch gar nicht drauf, son­dern Teil neu­en Mate­ri­als, das die Eng­län­de­rin aktu­ell ver­öf­fent­licht. Wenn all ihre Songs so eine herbst­li­che Kuschel­de­cken-Fluf­fig­keit haben, muss ich aber wirk­lich mal in ihre Alben rein­hö­ren!

The Dead­no­tes – Reser­voir

Ich ver­traue mei­nen Bud­dies vom Grand Hotel van Cleef ja erst­mal blind – ein Ver­trau­en, das sie sich vor zwei Jahr­zehn­ten mit kett­car, Tom­te, Marr und Death Cab For Cutie eher leicht­fü­ßig erar­bei­tet haben (war natür­lich trotz­dem eine Men­ge Ener­gie und Geld, die in sol­che Releases gegan­gen ist), das durch gemein­sa­me Kili­ans-Zei­ten noch enger wur­de und das sie in den letz­ten Jah­ren mit Ver­öf­fent­li­chun­gen von Pale, Mari­ya­ka, Fjørt und Arxx wei­ter gestützt haben.

Wenn mei­ne Bud­dies also eine Band signen, die schon zwei Alben in Eigen­re­gie ver­öf­fent­licht hat, dann höre ich mir das natür­lich auf­merk­sam an: „Reser­voir“ ist ein Hauch The Kil­lers, Night­ma­re Of You und Hel­lo­good­bye, also Rock­mu­sik mit Syn­the­si­zern – und das Grand Hotel van Cleef hat mal wie­der recht gehabt.

Alex The Astro­naut – Cold Piz­za

„I Think You’­re Gre­at“ von Alex The Astro­naut war einer der ers­ten Songs, die ich gehört habe, nach­dem im März 2020 der ers­te Covid-Lock­down aus­ge­ru­fen wor­den war – und es soll­te mein Song eines sehr, sehr spe­zi­el­len Jah­res wer­den.

Ich weiß nicht viel über Alex The Astro­naut und habe auch nicht vie­le ihrer ande­ren Songs gehört. Aber wenn man einen Song nach dem bes­ten Essen der Welt benennt, kann das alles schon mal nicht so falsch sein – und tat­säch­lich ist „Cold Piz­za“ ein char­man­ter klei­ner Indie­rock-Schun­k­ler.

Clip­ping – Run It

Dave­ed Diggs kennt Ihr alle als Mar­quis de Lafay­et­te und Tho­mas Jef­fer­son aus „Hamil­ton“ (Ihr kennt „Hamil­ton“ nicht? Oh. Ändert das! Sofort!) Er ist aber auch Mit­glied der expe­ri­men­tel­len Hip-Hop-Band Clip­ping, über die ich nicht viel mehr weiß, als dass Dave­ed Diggs dort Mit­glied ist und sie eine zeit­lang mal für das Hald­ern Pop Fes­ti­val 2023 ange­kün­digt waren, bis sie wie­der aus dem Line-Up ver­schwan­den.

Jetzt habe ich zum ers­ten Mal einen Song von Clip­ping gehört und ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob ich mich inzwi­schen wie­der voll­stän­dig davon erholt habe, aber „Run It“ ist schon ein beein­dru­cken­der Track, der ein biss­chen klingt, als wäre man mit dem Geräusch im Kopf auf­ge­wacht, das ein 56k-Modem beim Ein­wäh­len macht.

Joy Ola­do­kun – I‘ Miss The Birds

Wenn ich noch so was küren wür­de wie ein Album des Jah­res, wäre es letz­tes Jahr „Pro­of Of Life“ von Joy Ola­do­kun gewe­sen, wie ich in unse­rer 2023-Sen­dung schon erzählt habe. Seit­dem hat sie in regel­mä­ßi­gen Abstän­den neue Songs ver­öf­fent­licht, die alle­samt wun­der­bar sind.

In „I’d Miss The Birds“ singt sie davon, dass sie Nash­ville, die Haupt­stadt der ame­ri­ka­ni­schen Musik­in­dus­trie, ver­las­sen und aufs Land zie­hen will. Zwar wür­de sie die Vögel ver­mis­sen, für die die Stadt auch berühmt ist, aber selbst die Vögel wüss­ten ja, wann es Zeit ist zu gehen.

„I’d Miss The Birds“ wird auf „Obser­va­tions From A Crow­ded Room“ ent­hal­ten sein, Joy Ola­do­kuns fünf­tem Album, das sie selbst pro­du­ziert hat und das am 18. Okto­ber erschei­nen soll.

New Radi­cals – Lost Stars

„You Get What You Give“ von New Radi­cals ist ein Song, der mein Leben in ein „Davor“ und „Danach“ teilt. Zum ers­ten Mal seit mei­ner eher kind­li­chen Die-Prin­zen-Pha­se war ich Fan einer Band — die sich weni­ge Wochen, nach­dem ich ihr Album gekauft hat­te, auf­lös­te. Ihr Sän­ger Gregg Alex­an­der hat seit­dem zahl­rei­che Hits für ande­re Acts geschrie­ben (die ich, inkl. Demos, alle auf mei­ner Fest­plat­te habe), aber die Band tauch­te erst zur Amts­ein­füh­rung von Joe Biden ganz über­ra­schend wie­der in der Öffent­lich­keit auf. 

Jetzt gibt es zum ers­ten Mal seit 25 Jah­ren neue Songs — wobei „neu“ dabei ein biss­chen umge­deu­tet wer­den muss, denn es han­delt sich um die eige­nen New-Radi­cals-Ver­sio­nen von „Mur­der On The Dance­f­lo­or“ (bekannt gewor­den durch Sophie Ellis-Bex­tor) und „Lost Stars“ (aus dem Film „Begin Again“). Gregg Alex­an­der hat in einem offe­nen Brief an Kama­la Har­ris’ Ehe­mann Doug Emhoff, der offen­bar ein eben­so gro­ßer Fan der Band ist wie ich, erklärt, dass es sich nicht um ein „Come­back“ hand­le, son­dern um einen Ver­such, die Demo­kra­ten im Wahl­kampf zu unter­stüt­zen. Das ver­leiht die­sen viel­leicht etwas obsku­ren Songs eine Aura von gesell­schaft­li­cher Bedeu­tung und Hoff­nung und macht mich noch glück­li­cher, sie hören zu dür­fen. Ich habe sogar zum ers­ten Mal seit neun Jah­ren einen Song im iTu­nes Store gekauft!

Bris­ke­by – The First Time

Wei­ter geht’s mit „Opa erzählt vom Frie­den“! Bris­ke­by waren die ers­te Vor­band, die ich jemals bei einem Kon­zert gese­hen habe: Im Herbst 2000 im Vor­pro­gramm von a‑ha in der Are­na Ober­hau­sen und ich war sofort schwer ver­knallt in ihre Sän­ge­rin Lise Karls­nes. Der Zufall will es, dass ich ein paar Mona­te spä­ter mei­ne aller­ers­te Musik­re­zen­si­on jemals für plattentests.de über „Jeans For Onas­sis“, das Debüt­al­bum der Band, geschrie­ben habe – das Album hat­te also immer einen ganz beson­de­ren Platz in mei­nem Her­zen und ich habe mei­nen Text nur des­halb ver­linkt, denn es ist grau­en­haf­tes Gewäsch von einem Teen­ager, der noch weit davon ent­fernt war, sei­ne Stim­me gefun­den zu haben, nicht bes­ser gemacht von einer Redak­ti­on, die auf kna­cki­ge Über­schrif­ten und Oneli­ner aus war, und kön­nen wir bit­te über­haupt ganz grund­sätz­lich mal auf­hö­ren, Kunst irgend­wie auf einer Ska­la („5/​10“) quan­ti­fi­zie­ren zu wol­len?!

Bris­ke­by, jeden­falls, haben danach wei­ter Musik gemacht, die kom­plett an mir vor­bei­ging: Ihr letz­tes Album ist aus dem Jahr 2005, was fast 20 Jah­re her ist, die letz­te Sin­gle von 2015. Und jetzt sind sie wie­der da, mit einem Song, der „Like The First Time“ heißt und auch so klingt: Es ist exakt der glei­che groo­ven­de, leicht ange­rock­te skan­di­na­vi­sche Elek­tro­pop zwi­schen Car­di­gans und Annie – und was ist so falsch dar­an?! Ich bin jetzt in einem Alter, wo ich zwar immer noch Wert dar­auf lege, Chap­pell Roan, Char­li XCX und Sabri­na Car­pen­ter grob zu ken­nen (und: Mein Gott, ist „Espres­so“ ein Meis­ter­werk!), aber ich über­las­se ihre Musik ger­ne den jun­gen Leu­ten, denn die haben ja sonst – Hash­tag Kli­ma­kri­se, Hash­tag Ren­ten­kas­se, Hash­tag Austeri­täts­po­li­tik – sonst gar nichts.

Bon Iver – Spey­si­de

Und plötz­lich war da noch ein neu­er Song von Bon Iver: Nur Jus­tin Ver­non und sei­ne Gitar­re, wie damals in der legen­dä­ren Wald­hüt­te, als er „For Emma, Fore­ver Ago“ auf­nahm (was auch schon wie­der ewig her ist). Die gan­zen Elek­tro­spie­le­rei­en der letz­ten Alben: ver­schwun­den; das Duett mit Tay­lor Swift: woan­ders (aber tief in unse­ren Her­zen); die ein­zi­ge wei­te­re Zutat nur die Brat­sche von Rob Moo­se, die dem gan­zen den Anstrich von wei­ter, ame­ri­ka­ni­scher Land­schaft ver­leiht.

Am 18. Okto­ber wird „Sable“, eine EP mit „Spey­si­de“ und zwei wei­te­ren Songs erschei­nen. Dann wis­sen wir, ob Bon Iver full cir­cle gegan­gen sind. Solan­ge reicht aber auch die Schön­heit die­ses Songs.

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Musik Leben

25 Jahre „Hallo Endorphin“

This ent­ry is part 9 of 10 in the series 1999

Im Jahr 1999 erschie­nen jede Men­ge Alben, die für unse­re Autor*innen prä­gend waren. Zu ihrem 25. Jubi­lä­um wol­len wir sie der Rei­he nach vor­stel­len.

...But Alive - Hallo Endorphin (abfotografiert von Lukas Heinser)

Dafür, dass ich in den 1990er Jah­ren in einer Klein­stadt in Nord­rhein-West­fa­len auf­ge­wach­sen bin, fehlt ein wich­ti­ges, eigent­lich natür­li­ches, Puz­zle­teil in mei­ner Pop­kul­tur-Sozia­li­sa­ti­on: Deutsch­punk. Zwi­schen der ZDF-Hit­pa­ra­den-Welt mei­ner Groß­el­tern und dem WDR-2-Pop-Inter­na­tio­na­lis­mus mei­ner Eltern (plus BAP und Grö­ne­mey­er) war kein Platz vor­ge­se­hen für Fehl­far­ben, EA 80 oder Wohl­stands­kin­der und auch nicht für WIZO, Dackel­blut oder Die Gol­de­nen Zitro­nen. Natür­lich fan­den Die Toten Hosen und Die Ärz­te im Musik­fern­se­hen und im Radio statt, aber bei­de Bands haben mich bis heu­te nie inter­es­sie­ren kön­nen (um das mal diplo­ma­tisch aus­zu­drü­cken). Ich mei­ne: Ich lebe seit 20 Jah­ren in Bochum und hab die­sen Som­mer zum ers­ten Mal Die Kas­sie­rer live gese­hen!

Inso­fern waren mir auch …But Ali­ve kein Begriff, als im Spätsommer/​Herbst 2002 plötz­lich alle über kett­car spra­chen. Deren Sän­ger, so lern­te ich, hieß Mar­cus Wie­busch und hat­te zuvor bei eben jenen …But Ali­ve und bei Ran­t­an­plan gesun­gen. Und weil kett­car für mich mit „Du und wie­viel von Dei­nen Freun­den“ ein Tor in eine neue Welt auf­ge­sto­ßen hat­ten (die zu einer jahr­zehn­te­lan­gen Freund­schaft zu ihnen, Thees Uhl­mann und ihrem Label Grand Hotel van Cleef füh­ren soll­te), es aber noch nicht mehr als die­ses Debüt­al­bum gab, brauch­te ich ein Jahr spä­ter Metha­don.

„Hal­lo Endor­phin“ war das vier­te und letz­te Album von …But Ali­ve gewe­sen und in gewis­ser Wei­se das Bin­de­glied zu kett­car: Musi­ka­lisch und text­lich schon recht weit von dem eher klas­si­schen Punk­rock ent­fernt, mit dem die Band ange­fan­gen hat­te. Zwar ging es in man­chen Tex­ten immer noch gegen alles, vor allem gegen gleich­alt­ri­ge Spie­ßer, Pop-Aka­de­mi­ker und Life­style-Lin­ke, aber ande­res war weni­ger kon­kret aus­for­mu­liert. The­men wie Selbst­er­mäch­ti­gung schau­ten genau­so vor­bei wie Tren­nun­gen. Über „Ent­las­sen (Vor der Win­ter­pau­se)“ und „Erin­nert sich jemand an Kal­le ‚del Haye“, in denen Mar­cus Fuß­ball als Bild­spen­der für eine geschei­ter­te Bezie­hung und ent­frem­de­te Freund­schaf­ten habe ich ein paar Jah­re spä­ter in mei­nem Ger­ma­nis­tik-Stu­di­um eine gan­ze Haus­ar­beit geschrie­ben.

Hat­te das kett­car-Debüt mei­nen Steh­satz für Lied­zi­ta­te, die ich im All­tag und in eige­nen Tex­ten unter­brin­gen konn­te, eigent­lich schon bis unter das Dach gefüllt, erwies sich „Hal­lo Endor­phin“ (allein der Album­ti­tel!) als wei­te­rer Stein­bruch für Refe­ren­zen. Schon der Song „Bes­te Waf­fe“ hat mich auf Jah­re mit For­mu­lie­run­gen für Inter­net­fo­ren und ähn­li­che Orte ver­sorgt: „Und da steht Tho­mas Hel­mer – oh nee, doch nicht, sah nur so aus“, „Klar kannst Du Dich mal mel­den, halt nur nicht bei mir“, „Musik­ge­schmack wird über­be­wer­tet“.

Weil ich mir die …But Ali­ve-Dis­ko­gra­fie umge­kehrt chro­no­lo­gisch erschlos­sen habe, blieb „Hal­lo Endor­phin“ immer das Album dazwi­schen: Der Drum­com­pu­ter-Anfang von „Ver­giss den Quatsch“ nimmt „Dei­che“ vor­weg, ein kur­zes Gitar­ren­so­lo in „Fried­lich“ und eine Key­board-Melo­die in „Ent­las­sen (Vor der Win­ter­pau­se)“ täu­schen schon mal die spä­te­re „Lan­dungs­brü­cken raus“-Hook an. Den Sprech­ge­sang wür­de Mar­cus erst auf den spä­te­ren kett­car-Alben wie­der aus­pa­cken, dafür bekommt man bei „Selbst­mit­leid sells“ noch mal Upt­em­po-Punk­rock und bei „Weni­ger als 5 Sekun­den“ etwas, was man eigent­lich nur als Nu-Metal-Ener­gie beschrei­ben kann – was ja 1999 noch nicht so lach­haft war wie zwei, drei Jah­re spä­ter.

Wenn ich recht über­le­ge, knall­ten kett­car und Tom­te in ein sehr kur­zes Zeit­fens­ter, in dem ich mich über­haupt für deutsch­spra­chi­ge Musik inter­es­sie­ren und erwär­men konn­te: Was mit Tom Liwas „St. Amour“ und ein biss­chen Nach­hol-Pro­gramm von Toco­tro­nic und Die Ster­ne im Jahr 2000 begann, ende­te eigent­lich schon wie­der 2005 mit dem zwei­ten Wir-Sind-Hel­den-Album. Dass es Mar­cus Wie­busch mit kett­car geschafft hat, auch 2024 mit „Gute Lau­ne unge­recht ver­teilt“ ein Album zu ver­öf­fent­li­chen, das zu mei­nen High­lights des Jah­res zählt, und sich die Band seit 2017 eigent­lich per­ma­nent selbst über­trifft, kann ich ihnen also gar nicht hoch genug anrech­nen. Neun und zehn und raus!

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…But Ali­ve – Hal­lo Endor­phin
(B.A. Records/​Indigo, 20. Sep­tem­ber 1999)
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Musik Leben

25 Jahre „Reload“

This ent­ry is part 8 of 10 in the series 1999

Im Jahr 1999 erschie­nen jede Men­ge Alben, die für unse­re Autor*innen prä­gend waren. Zu ihrem 25. Jubi­lä­um wol­len wir sie der Rei­he nach vor­stel­len.

Tom Jones - Reload (abfotografiert von Lukas Heinser)

Zum ers­ten Mal von Tom Jones gehört habe ich, wie ver­mut­lich die meis­ten Men­schen mei­ner Gene­ra­ti­on, in „Mars Attacks!“, dem über­se­he­nen Meis­ter­werk von Tim Bur­ton. In dem Film grei­fen Mar­sia­ner die Erde an und sie tun das unter ande­rem in Las Vegas, wäh­rend Tom Jones auf der Büh­ne eines Casi­no-Hotels steht und – natür­lich – „It’s Not Unu­su­al“ singt. Jones spielt sich selbst, er wird im wei­te­ren Ver­lauf des Films mit Annet­te Bening und Janice Rive­ra zu den Tahoe-Höh­len flie­hen und, nach­dem die Mar­sia­ner besiegt sind und ein Fal­ke auf sei­nem Arm gelan­det ist, erneut „It’s Not Unu­su­al“ anstim­men. Eines der Top-10-Enden der Film­ge­schich­te. (Falls Ihr „Mars Attacks!“ noch nie gese­hen habt: Es ist, seit ich mit 13 im Kino war, einer mei­ner abso­lu­ten Lieb­lings­fil­me. Auch mehr als 25 Jah­re spä­ter muss ich immer noch sagen: 10/​10, ein Meis­ter­werk für alle Zei­ten. Guckt ihn Euch an!)

Für mei­ne Eltern und ihre Gene­ra­ti­on war Tom Jones damals im Wesent­li­chen eine etwas abge­half­ter­te Witz­fi­gur, nicht unähn­lich den ehe­ma­li­gen Schla­ger­stars, die bei Baum­artk­er­öff­nun­gen san­gen. Es waren die zyni­schen 1990er und die Qua­li­tä­ten, die es braucht, um Las Vegas resi­den­ci­es und Baum­artk­er­öff­nun­gen zu bestehen, wur­den allen­falls von Götz Als­mann gewür­digt. Da konn­te auch sein Mini-Come­back von 1994 nichts dran ändern, als er gemein­sam mit The Art Of Noi­se „Kiss“ von Prin­ce cover­te und mit sei­ner Ver­si­on für nicht weni­ge Kri­ti­ker das Ori­gi­nal über­traf.

Womög­lich war es eine Mischung aus 1990er-„Ironie“ und Teen­ager-Trotz, aber irgend­wie fand ich Tom Jones cool. Ent­spre­chend über­rascht war ich, als ich im Herbst 1999 in einem Elek­tronik­markt ein neu­es Album von ihm sah, gemein­sam mit Gast­stars wie The Car­di­gans, Rob­bie Wil­liams, Nata­lie Imbru­glia und Sim­ply Red, die mir natür­lich etwas sag­ten. Irgend­wie muss ich auch erkannt haben, dass es sich um jede Men­ge Cover­ver­sio­nen und Neu­ein­spie­lun­gen han­del­te, denn ich war ent­täuscht, dass „It’s Not Unu­su­al“ nicht dabei war, und so habe ich die CD zu die­sem Zeit­punkt nicht gekauft.

Doch dann kam der Auf­tritt bei „Wet­ten, dass ..?“: Nina Pers­son und die Jungs hat­ten sich trotz aller eige­nen Chart­erfol­ge ver­mut­lich nie vor­ge­stellt, ein­mal in die­ser selt­sa­men deut­schen Fern­seh­sen­dung, von der sich inter­na­tio­na­le Stars in first class loun­ges, Fes­ti­val-Back­stage-Berei­chen und bei Preis­ver­lei­hung fas­sungs­los erzäh­len, vor einem spre­chen­den Büh­nen­bild (ja, in der Tat: ein bren­nen­des Haus) einen Auf­tritt mit dem „Tiger“ zu absol­vie­ren, bei dem sie so tun, als wür­den sie gera­de ihre Ver­si­on von „Bur­ning Down The House“ live per­for­men. Ich kann­te das Ori­gi­nal von den Tal­king Heads nicht (und war, als ich es dann end­lich irgend­wann mal hör­te, nicht son­der­lich beein­druckt), aber die­ser Auf­tritt ließ mich direkt am dar­auf­fol­gen­den Mon­tag zu R&K in Dins­la­ken fah­ren und „Rel­oad“ doch noch kau­fen.

Das Album war für mich der Erst­kon­takt mit Acts wie The Divi­ne Come­dy, Baren­aked Ladies, Port­is­head, Cata­to­nia und Ste­reo­pho­nics und die ers­te CD in mei­ner Samm­lung, auf der The Car­di­gans und James Dean Brad­field von den Manic Streets Pre­a­chers zu hören waren – Acts, bei denen ich, wie auch bei Rob­bie Wil­liams, in der Fol­ge einen gewis­sen Hang zum Kom­plet­tis­mus ent­wi­ckeln soll­te. Es mach­te mich nicht nur mit „Bur­ning Down The House“ bekannt, son­dern auch mit Songs wie „All Mine“ (Port­is­head), „Never Tear Us Apart“ (INXS) und wahr­schein­lich auch „Lust For Life“ (Iggy Pop). Kurz­um: Es war ein Crash­kurs in Sachen Pop­kul­tur der vor­an­ge­gan­ge­nen Jahr­zehn­te und der Gegen­wart.

„Are You Gon­na Go My Way“ (Len­ny Kra­vitz) mit Rob­bie Wil­liams wirk­te nicht nur wegen des Titels wie die Über­ga­be eines Staf­fel­stabs. „Some­ti­mes We Cry“ von und mit Van Mor­ri­son, der als Ein­zi­ger einen sei­ner eige­nen Songs sang, rührt mich bis heu­te. James Dean Brad­field von den Manic Streets Pre­a­chers lie­fert bei „I’m Left, You’­re Right, She’s Gone“ (Elvis Pres­ley) eine der bes­ten Gesangs­leis­tun­gen sei­ner Kar­rie­re ab (Tom Jones schreibt, wenn ich das rich­tig erin­ne­re, in sei­ner Auto­bio­gra­phie, dass er Angst hat­te, ein Duett mit einem so begna­de­ten Sän­ger zu sin­gen, und ganz ehr­lich: Wenn Ihr kei­ne Gän­se­haut bekommt, wenn JDBs Stim­me zum ers­ten Mal in den Song rein­grätscht, kann ich Euch auch nicht hel­fen!). Selbst die Ideen, die auf dem Papier schlecht wir­ken, funk­tio­nie­ren im (hof­fent­lich weit auf­ge­dreh­ten) Laut­spre­cher: Soll­te man Iggy Pops „Lust For Life“ covern? Nein. Außer, wenn Chris­sie Hyn­de von The Pre­ten­ders und Tom Jones sin­gen. Dann unbe­dingt.

Dass ein Album mit 17 Tracks so sei­ne Län­gen hat, lässt sich schwer ver­mei­den: „Ain’t That A Lot Of Love“ mit fuck­ing Sim­ply Red? „She Dri­ves Me Cra­zy“ mit Zuc­che­ro? Ist doch schön, wenn Tom Jones so vie­le ange­sag­te Acts zum Mit­wir­ken bewe­gen konn­te!

Der gro­ße Hit, der zu einem spä­ten signa­tu­re song wer­den soll­te, war indes ein ande­rer: „Sex Bomb“, die ein­zi­ge Neu­kom­po­si­ti­on des Albums, aus der Feder des Han­no­ve­ra­ner Musik­pro­du­zen­ten Mousse T., der mit sei­nem Debüt-Hit „Hor­ny ’98“ bereits gezeigt hat­te, dass er stump­fes Rumpf-Gemumpf extrem cool und club­taug­lich klin­gen las­sen konn­te. Heu­te wür­de man anders dar­über den­ken, wenn ein 59-jäh­ri­ger Mann mit gefärb­tem Haupt­haar einer mut­maß­lich sehr viel jün­ge­ren Frau den Refrain „Sex­bomb, sex­bomb you’­re a sex­bomb /​ You can give it to me, when I need to come along /​ Sex­bomb, sex­bomb you’­re my sex­bomb /​ And baby you can turn me on“ ange­dei­hen las­sen woll­te, aber man muss Pop­kul­tur immer aus ihrem Zeit­geist lesen, wenn man sie irgend­wie ver­ste­hen will, und der Zeit­geist der aus­ge­hen­den 1990er Jah­re war eben so, dass ich ihn auf einer Web­site, die auch Min­der­jäh­ri­ge besu­chen kön­nen, schlecht aus­for­mu­lie­ren kann.

Ein­mal ange­fixt, tauch­te ich natür­lich in das Gesamt­werk des wali­si­schen Tigers ein – und, mei­ne Güte, waren da Hits, Hits, Hits! Gut: Die Mör­der­bal­la­de „Deli­lah“ wur­de in den letz­ten Jah­ren von Sport­ver­an­stal­tun­gen ver­bannt und auch die Sujets manch ande­rer Songs sind schlecht geal­tert, aber die­se Stim­me, die immer über irgend­wel­chen Sta­te-of-the-art-Arran­ge­ments schweb­te, lässt zumin­dest mich einen Tacken mehr durch­ge­hen las­sen als es bei ande­ren Acts der Fall wäre.

Tom Jones war – nach den Prin­zen 1994 – tat­säch­lich das zwei­te gro­ße Pop­kon­zert, das ich in mei­nem Leben besuch­te (im Mai 2000 mit mei­nen Eltern und mei­nem Bru­der in der Are­na Ober­hau­sen; das Kon­zert­pla­kat, das mein Vater auf dem Heim­weg von einem Maschen­draht­zaun abmon­tier­te, könn­te immer noch im Kel­ler mei­ner Eltern ste­hen) und auch wenn natür­lich kei­ner der „Reload“-Gäste dabei war, war es ein Erleb­nis. Jones leg­te in der wei­te­ren Fol­ge einen beein­dru­cken­den drit­ten (oder vier­ten oder fünf­ten) Kar­rie­re-Akt hin, indem er auf­hör­te, sei­ne Haa­re zu fär­ben, und begann, Folk- und Ame­ri­ca­na-Alben auf­zu­neh­men (ich habe im letz­ten Jahr zufäl­lig fest­ge­stellt, dass er eine Ver­si­on von „Char­lie Dar­win“ von The Low Anthem ver­öf­fent­licht hat!). Das hat­te Fol­gen, denn als ich ihn zum zwei­ten Mal live sah, spiel­te er die meis­ten sei­ner Klas­si­ker in kaum wie­der­zu­er­ken­nen­den Arran­ge­ments. Das Publi­kum wirk­te ein biss­chen ent­täuscht, aber mit damals schon 79 Jah­ren hat­te er sich das Recht erar­bei­tet, sei­ne Songs der­art zu dylani­sie­ren. Der über­ra­schen­de Ort die­ses über­ra­schen­den Auf­tritts: das Burg­thea­ter Dins­la­ken.

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Tom Jones – Rel­oad
(Gut/​V2, 16. Sep­tem­ber 1999)
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Musik

Die (vorerst) letzte Sendung: Bochum Total 2024, neue Musik von Fontaines D.C., Blush Always

Der ver­bre­che­ri­sche Tech-Kon­zern Spo­ti­fy nimmt uns die Mög­lich­keit, eine klei­ne Musik­sen­dung für Euch zu machen, wie­der weg. 

Wir wol­len die letz­te Aus­ga­be von Cof­fee And TV in die­ser Form nut­zen, um auf das Bochum Total 2024 zurück­zu­bli­cken, Euch ein paar neu ent­deck­te Acts vor­zu­stel­len — und natür­lich, um mit einem Knall zu gehen.

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Alle Songs:

  • The Sixsters – Same Kid
  • Tril­le – Ich mag Dich (und Du mich auch)
  • UMME BLOCK – 25 Hours
  • The Bot­tom Line – Over And Over
  • Sti­na Holm­quist – I Do
  • Fon­tai­nes D.C. – Favou­ri­te
  • Blush Always – My Mum’s Bir­th­day
  • Blur – Cof­fee & TV

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Musik

Neue Musik von Disclosure, James Blake, Ezra Collective, Something Corporate

In Bochum ist der Som­mer aus­ge­bro­chen. Des­halb geht Lukas auf die Suche nach dem Som­mer­hit des Jah­res 2024 und macht Euch ein paar Vor­schlä­ge: Neue Songs von Dis­clo­sure, James Bla­ke und Ezra Coll­ec­ti­ve, dazu der ers­te neue Song von Some­thing Cor­po­ra­te – eine von Lukas’ abso­lu­ten Lieb­lings­bands – seit Jahr­zehn­ten und vie­les mehr.

Die Sen­dung ist also gut gefüllt wie ein Glas Melo­nen­bow­le mit gan­zen Früch­ten!

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Alle Songs:

  • Dis­clo­sure – She’s Gone, Dance On
  • The Boy From The South – Space Par­ty
  • Suzan Köcher’s Supra­fon – Seven­teen
  • James Bla­ke – Thrown Around
  • Ezra Coll­ec­ti­ve feat. Yaz­min Lacey – God Gave Me Feet For Dancing
  • Balu Bri­ga­da – So Cold
  • One­Da – Set It Off
  • Andrew McMa­hon In The Wil­der­ness feat. Some­thing Cor­po­ra­te – Death Grip

Alle Songs:

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Musik

Sounds Like Sugar Festival, neue Musik von Nada Surf, Eels

Am Sams­tag hat unse­re Redak­ti­on einen Betriebs­aus­flug zum Sounds Like Sugar Fes­ti­val in Her­ne gemacht. Von da bringt Lukas viel neue Musik mit, es gibt aber auch ein Wie­der­hö­ren mit Bands wie Nada Surf und Eels, die ihn schon sein hal­bes Leben beglei­ten.

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Alle Songs:

    • Loki – The Girl With No Eyes
    • Mar­ya­ka – Part Of You
    • Zimmer90 – What Love Is
    • Phi­li­ne Son­ny feat. Miya Folick – Shame
    • Nada Surf – In Front Of Me Now
    • Auro­ra – To Be Alright
    • Eels – If I’m Gon­na Go Any­whe­re
    • Jean Sei­zu­re – Don’t Tell Me I’m Going To Hell

Show­no­tes: 

Kategorien
Musik

Lukas‘ Lieblingslieder

Heu­te möch­te Lukas ein­fach mal die Schön­heit der Pop­kul­tur fei­ern. Des­halb spielt er nur Lieb­lings­lie­der. Wel­che genau, das wuss­te er wäh­rend der Auf­zeich­nung auch noch nicht.

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Alle Songs:

  • Alex The Astro­naut – I Think You’re Gre­at
  • R.E.M. – Find The River
  • Car­ly Rae Jep­sen – Call Me May­be
  • Tra­vis – Drift­wood
  • Rae Mor­ris – Do It
  • The Pos­tal Ser­vice – Such Gre­at Heights
  • Gor­di – All The Light We Can­not See
  • The Kil­lers – Mr. Brights­ide

Show­no­tes:

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Musik Leben

25 Jahre „The Man Who“

This ent­ry is part 7 of 10 in the series 1999

Im Jahr 1999 erschie­nen jede Men­ge Alben, die für unse­re Autor*innen prä­gend waren. Zu ihrem 25. Jubi­lä­um wol­len wir sie der Rei­he nach vor­stel­len.

Travis - The Man Who (abfotografiert von Lukas Heinser)

Ein aller­letz­tes Mal habe ich die Sin­gle zuerst gehört. Denn das war ja frü­her so: Man kann­te einen Song aus dem Radio (oder Musik­fern­se­hen, um nicht ganz so alt zu erschei­nen) und wenn man dann beschlos­sen hat­te, ver­gleichs­wei­se viel Geld in die CD zu inves­tie­ren, fing das Album meist mit einem Song an, den man (noch) gar nicht kann­te. Man woll­te ja aber end­lich den ver­kaufs­för­dern­den Hit hören, des­sent­we­gen man den Weg zum Plat­ten­la­den auf sich genom­men hat­te. Mit dem Fahr­rad. An einem Sams­tag­vor­mit­tag im Janu­ar. In Dins­la­ken.

Ich weiß noch, wie ich auf der Couch im Wohn­zim­mer mei­ner Eltern lag (dem Drei­sit­zer an der Innen­wand, nicht dem Zwei­sit­zer an der Außen­wand, in case you’­re won­de­ring) und Track 7 aus­ge­wählt hat­te: „Why Does It Always Rain On Me?“, die­se über­le­bens­gro­ße Char­lie-Brown-Ver­lie­rer­hym­ne, die natür­lich direkt zu einem 16-jäh­ri­gen sprach, der sich irgend­wie nie so ganz dazu­ge­hö­rig fühl­te. Und danach dann das Album von vor­ne.

Tra­vis waren einen Monat zuvor – sor­ry, wenn ich mich da wie­der­ho­le – Teil der „Rol­ling Stone Road­show“ gewe­sen und mit Ben Folds Five und Gay Dad durch Deutsch­land getourt. (Ich weiß qua­si nichts über Gay Dad. Ich habe, seit wir im Jahr 2005 die CD-Schrän­ke bei CT das radio auf­ge­räumt haben, sogar ihr 1999er Album „Lei­su­re Noi­se“ im Regal ste­hen, aber in all den Jah­ren nie gehört. Wenn man über­legt, wel­che Bedeu­tung Ben Folds Five und Tra­vis in der Fol­ge in mei­nem Leben ein­neh­men soll­ten, ist es eigent­lich wahl­wei­se ein Wun­der oder eine Schan­de, dass Gay Dad als fünf­tes Rad am Wagen der­art an den Rand gedrängt wur­den. Ich ver­spre­che Euch jetzt ein­fach mal, dass ich zum 25. Jah­res­tag des ver­häng­nis­vol­len, nicht besuch­ten Kon­zerts in der Live Music Hall am 29. Novem­ber zum ers­ten Mal bewusst Gay Dad hören und hier dar­über schrei­ben wer­de!) „Why Does It Always Rain On Me?“ kann­te ich von Viva 2, obwohl ich das damals gar nicht gucken konn­te, und ich moch­te die Mischung aus unver­kenn­ba­rer Lebens­en­er­gie (der Rhyth­mus!) und Trau­rig­keit (alles ande­re).

Stell­te sich raus: Mit sei­nem hüpf­ba­ren Rhyth­mus war der Song noch der kla­re upper auf dem Album. Alle ande­ren Songs schlepp­ten sich eher dahin, kro­chen oder tau­mel­ten. Selbst der ein­zi­ge objek­ti­ve Rock­song auf „The Man Who“, der hid­den track „Blue Flas­hing Light“, dreht sich schwind­lig auf der Stel­le und han­delt davon, dass jemand allein zuhau­se sitzt, wäh­rend alle ande­ren fei­ern gehen. Wer weiß, wie ich das Album gefun­den hät­te, wenn ich es bei Ver­öf­fent­li­chung im Mai 1999 gehört hät­te – in den grau­en ers­ten Wochen des Jah­res 2000 pass­te es jeden­falls per­fekt zum Wet­ter und dem Mill­en­ni­umska­ter, der sich über die Welt gelegt hat­te: Die Zukunft hat­te ganz ein­deu­tig und aus­weis­lich des Kalen­ders begon­nen, aber alles war immer noch wie zuvor. Das Theo­dor-Heuss-Gym­na­si­um in Dins­la­ken war kein Ort, an dem Opti­mis­mus und Zuver­sicht (oder auch nur irgend­et­was ande­res als gene­rel­ler Welt­schmerz) gedei­hen und auf­blü­hen konn­ten.

Ich hat­te gera­de im Janu­ar (genau­er: am 7., als ich mir bei einem Aus­flug nach Essen den Sound­track zu „Abso­lu­te Gigan­ten“ gekauft hat­te) begon­nen, abends zum Ein­schla­fen Musik auf mei­nem Disc­man zu hören. Nicht etwa gan­ze Alben, son­dern drei Songs, sau­ber kura­tiert. „The Man Who“ bot sehr vie­le die­ser Songs. Noch heu­te kommt eine gan­ze Wel­le sehr spe­zi­fi­scher Emo­tio­nen hoch, wenn das Intro von „Drift­wood“, die ers­ten Tak­te von „Turn“ oder das Gitar­ren­so­lo aus „As You Are“ erklin­gen. Es ist wie­der Anfang 2000 und ich war vor ein paar Tagen mit mei­nem Papa und mei­nen Freun­den in die Groß­stadt (Duis­burg) gefah­ren, um im dor­ti­gen Art­house-Kino „Ghost Dog“ von Jim Jar­musch oder „The Mil­li­on Dol­lar Hotel“ von Wim Wen­ders zu sehen – Fil­me, die im Kern schon irgend­wie lebens­be­ja­hend sind, aber in ers­ter Linie schwel­ge­risch, melan­cho­lisch, lang­sam und rät­sel­haft. (Und falls sich jemand gefragt hat: Natür­lich habe ich an mei­nem 17. Geburts­tag um kurz nach Mit­ter­nacht „Why Does It Always Rain On Me?“ gehört, des­sen titel­ge­ben­de Fra­ge ja wei­ter­geht: „Is it becau­se I lied when I was seven­teen?“)

„Ever­y­day I wake up alo­ne becau­se /​ I’m not like all the other boys“, singt Fran Hea­ly zu Beginn von „As You Are“ und die­se Zei­le soll­te mir in den kom­men­den Jah­ren so etwas wie Man­tra und Trost wer­den, ste­ter Beglei­ter beim Melo­dra­ma­tisch-unglück­lich-ver­liebt-Sein, Die Lei­den des jun­gen Hein­sers. (Alter Vat­ter, was bin ich froh, dass die­se Zei­ten vor­bei sind! Kin­der, wenn Ihr glaubt, dass Euer Leben nur mit einem ande­ren Men­schen an Eurer Sei­te „gut“ und „rich­tig“ wer­den kann: Sucht Euch Hil­fe! Ihr wer­det geliebt, Ihr seid lie­bens­wert, aber die Exis­tenz oder Nicht­exis­tenz einer Zwei­er­be­zie­hung ist in die­sem Kon­text eben genau: zweit­ran­gig.)

Viel­leicht wäre ich auch ohne „The Man Who“ auf die Idee gekom­men, Musik zu machen, Schlag­zeug in einer Band zu spie­len, mir selbst Gitar­re bei­zu­brin­gen und eige­ne Songs zu schrei­ben. Die hät­ten aber zumin­dest sehr anders geklun­gen, denn Tra­vis waren, was trau­rig-antriebs­lo­se Songs in G‑Dur betrifft, ein gro­ßer Ein­fluss. Weil ich wuss­te, dass die Band­mit­glie­der Joni Mit­chell so sehr lie­ben, habe ich mit 18 ange­fan­gen, Joni Mit­chell zu hören. Ich hat­te sogar so einen faux hawk wie Fran Hea­ly (oder wahl­wei­se David Beck­ham)! Chris Mar­tin hat mal gesagt, dass es ohne Tra­vis kein Cold­play gege­ben hät­te, aber den vier Schot­ten jetzt die Schuld an der wei­te­ren Ent­wick­lung sei­ner Kapel­le zu geben, wäre auch üble Nach­re­de.

Im Juni 2001 erschien der Nach­fol­ger „The Invi­si­ble Band“, der heu­te eigent­lich einen noch grö­ße­ren Stel­len­wert bei mir hat. Als wir erst­mal schnel­les Inter­net hat­ten, habe ich alle, wirk­lich alle B‑Seiten, die Tra­vis jemals auf ihren Sin­gles ver­öf­fent­licht hat­ten, zusam­men­ge­sam­melt und sicher­lich öfter gehört als gro­ße Tei­le ihres Spät­werks. („Die B‑Seiten bri­ti­scher Gitar­ren­bands zwi­schen 1994 und 2002 sind bes­ser als alles, was nach 2005 von der Insel kam“ ist ein immer noch nicht geschrie­be­ner, aber in regel­mä­ßi­gen Abstän­den nam­haf­ten deut­schen Publi­ka­tio­nen ange­bo­te­ner Text von mir.) Ich habe Tra­vis zwi­schen Som­mer 2001 und Dezem­ber 2016 sie­ben Mal live gese­hen (ein­mal sogar tat­säch­lich am glei­chen Abend wie Ben Folds) und ein paar Mal kurz gespro­chen; im Sep­tem­ber könn­te ein ach­tes Mal hin­zu­kom­men. Ihre letz­ten Alben haben mich gar nicht mehr inter­es­siert, aber wenn einem eine Band mal so wich­tig war, ver­sucht man es ja doch immer wie­der.

Und irgend­ei­ne beson­de­re Bezie­hung muss es immer noch geben: Ich hät­te die­sen Text hier eigent­lich ges­tern schon schrei­ben wol­len, aber nicht die Zeit gefun­den. Da hät­te aber auch die Son­ne geschie­nen. Heu­te passt hin­ge­gen alles: Der VfL Bochum ist so gut wie abge­stie­gen und es reg­net. Weil ich mit 17 gelo­gen habe.

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Tra­vis – The Man Who
(Inde­pen­di­en­te; 24. Mai 1999)
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Musik

Neue Musik von Travis, The Decemberists, Maro, Ider

Lukas blickt kurz zurück auf den 69. Euro­vi­si­on Song Con­test, wo schon wie­der ein Song gewon­nen hat, den wir in unse­rer ESC-Vor­schau nicht gespielt hat­ten: „The Code“ von Nemo aus der Schweiz.

Dann gibt es neue Songs von Maro, The Decem­be­rists, Amil­li, Ider — und den ers­ten inter­es­san­ten Tra­vis-Song seit lan­ger Zeit.

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Alle Songs:

  • Nemo – The Code
  • Maro feat. Nesaya – Life­line
  • Blush Always feat. Brock­hoff – Big­ger Pic­tu­re
  • The Decem­be­rists feat. James Mer­cer – Buri­al Ground
  • Amil­li – Four Days
  • Ider – Girl
  • Tra­vis – Raze The Bar
  • Car­pool – Can We Just Get High?

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Musik Leben

25 Jahre „Play“

This ent­ry is part 6 of 10 in the series 1999

Im Jahr 1999 erschie­nen jede Men­ge Alben, die für unse­re Autor*innen prä­gend waren. Zu ihrem 25. Jubi­lä­um wol­len wir sie der Rei­he nach vor­stel­len.

Moby - Play (abfotografiert von Lukas Heinser)

Am Anfang waren die Songs. Ich weiß gar nicht, wel­che alle als Sin­gle aus­ge­kop­pelt wur­den und wo ich sie viel­leicht gehört habe – am Ende ist es auch egal, denn „Play“ ging ja auch des­halb in die Geschichts­bü­cher ein, weil es das ers­te kom­plett durch­li­zen­zier­te Album war: Jeder ein­zel­ne Track wur­de für (min­des­tens) einen Wer­be­spot, einen Film und/​oder eine Serie ver­wen­det. Im Radio und in Cafés lau­fen die Songs eh immer noch rauf und run­ter, als sei­en sie Teil des dor­ti­gen Sound-Designs. (Selbst als ich ver­gan­ge­ne Woche dem Deutsch­land­funk Kul­tur ein Inter­view zum ESC in Mal­mö gege­ben habe, lief vor dem Gespräch irgend­ein Song aus die­sem Album. Es zahlt ein biss­chen auf mei­ne hier auf­ge­stell­te Muzak-The­se ein, dass ich nicht sagen kann, wel­cher, aber ich bin mir abso­lut sicher, dass es einer von die­sem Album war.)

Gekauft hab ich „Play“ von Moby auch erst etwa andert­halb Jah­re nach dem Release – obwohl die­se Songs damals schon all­ge­gen­wär­tig schie­nen. Das Kon­zept, Musik zu „besit­zen“ ist im Jahr 2024 ja nicht nur Nach­ge­bo­re­nen schwer zu ver­mit­teln, son­dern fast allen, aber es war eben unab­ding­bar, 30,99 D‑Mark für die­se CD zu bezah­len, sie im Ruck­sack auf dem Rücken mit dem Fahr­rad vom R&K‑Markt nach Hau­se zu fah­ren und dann ins DVD-Rom-Lauf­werk des Com­pu­ters zu schie­ben, um sie über die PC-Boxen abzu­spie­len. Opa erzählt vom Frie­den.

Obwohl ich die vor­he­ri­gen Hit-Sin­gles von Moby schon aus „Hit-Clip“, von 1Live und von „Bra­vo Hits“ kann­te, umweh­te die­se Musik etwas Erwach­se­nes, ja, regel­recht: Kos­mo­po­li­ti­sches. So, dach­te ich damals, klingt Dins­la­ken nicht. Der Big Beat von „Body­rock“ und „Mache­te“, die Blues- bzw. Gos­pel-Samples von „Honey“ und „Run On“, die Kaf­fee­haus-Elec­tro­ni­ca von „7“ und „Down Slow“ – so etwas kann­te man in der Klein­stadt nur aus dem Fern­se­hen. (Heu­te hat Dins­la­ken sei­ne eige­nen Hips­ter-Sze­nen und ‑Knei­pen und die­se Ent­wick­lung ist durch­aus zu begrü­ßen, bremst sie doch die Gen­tri­fi­zie­rung in den Groß­städ­ten wenigs­tens mini­mal ab.)

Moby selbst war bekannt als der knuf­fi­ge, aus­ge­sucht freund­li­che, manch­mal ein ganz klei­nes biss­chen ner­ven­de Vega­ner mit der Glat­ze. Womög­lich hät­te man ahnen kön­nen, dass bei ihm nicht alles im Lot war und er mit psy­chi­schen Pro­ble­men, Alko­hol und ande­ren Dro­gen kämpf­te; „Play“ war ein eher melan­cho­li­sches Par­ty-Album, vor allem in der zwei­ten Hälf­te. Und allein die Song­ti­tel: „Why Does My Heart Feel So Bad?“, „Natu­ral Blues“, „My Weak­ne­ss“. Aber als schwer­mü­ti­ger 17-jäh­ri­ger Indi­vi­dua­list bezieht man das alles natür­lich aus­schließ­lich auf sich selbst und denkt nicht mal an den Künst­ler.

„Play“ war da schon lan­ge ein unfass­ba­rer welt­wei­ter Erfolg und alle Labels, die das Album abge­lehnt hat­ten, hat­ten sich viel­leicht kurz geär­gert. Moby, des­sen Out­put bis dahin eher eklek­tisch gewe­sen war, hat­te sei­ne Nische gefun­den und lie­fert seit­dem ver­läss­lich den Sound­track zu Wer­be­spots, Seri­en, Fil­men und Leben.

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Moby – Play
(Mute/​PIAS; 17. Mai 1999)
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Musik Fernsehen

Eurovision-Vorschau 2024

It’s the most won­derful time of the year: In Mal­mö fin­det der 68. Euro­vi­si­on Song Con­test statt und unser Team wagt eine klei­ne Vor­schau. Sel­ma Zoron­jić und Lukas Hein­ser spre­chen über ihre per­sön­li­chen Favo­ri­ten, die unter­schied­lichs­ten Arten von Folk­lo­re und die bes­ten Songs für Ü50-Par­ties.

Dann begrü­ßen sie spe­cial guest Thors­ten Schorn, der die­ses Jahr erst­ma­lig den ESC kom­men­tie­ren wird, und spre­chen mit ihm über Kind­heits­träu­me, lang­wie­ri­ge Ver­let­zun­gen und sein Selbst­ver­ständ­nis als deut­scher Kom­men­ta­tor.

Einen beson­de­ren Blick in die Kom­men­ta­to­ren­ka­bi­ne beim ESC gibt es auch die­ses Jahr wie­der auf Lukas‘ Insta­gram-Account.

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Alle Songs:

  • Alyo­na Alyo­na and Jer­ry Heil – Tere­sa & Maria (Ukrai­ne)
  • Aiko – Pedes­tal (Tsche­chi­en)
  • Joost Klein – Euro­pa­pa (Nie­der­lan­de)
  • Lada­ni­va – Jako (Arme­ni­en)
  • Saba – Sand (Däne­mark)
  • Bam­bie Thug – Doomsday Blue (Irland)
  • Olly Alex­an­der – Diz­zy (Ver­ei­nig­tes König­reich)
  • Nebulos­sa – Zor­ra (Spa­ni­en)
  • Isaak – Always On The Run (Deutsch­land)

Der ESC im deut­schen TV:

Diens­tag, 7. Mai, 21 Uhr: 1. Halb­fi­na­le auf One und in der ARD-Media­thek

Don­ners­tag, 9. Mai, 21 Uhr: 2. Halb­fi­na­le auf One und in der ARD-Media­thek

Sams­tag 11. Mai, 20.15 Uhr: Warm-Up, Grand Final und After­show-Show im Ers­ten, bei One und in der ARD-Media­thek

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Musik Leben

25 Jahre „The Ego Has Landed“

This ent­ry is part 5 of 10 in the series 1999

Im Jahr 1999 erschie­nen jede Men­ge Alben, die für unse­re Autor*innen prä­gend waren. Zu ihrem 25. Jubi­lä­um wol­len wir sie der Rei­he nach vor­stel­len.

Robbie Williams - The Ego Has Landed (abfotografiert von Lukas Heinser)

Was für ein merk­wür­di­ges Album: Um das ehe­ma­li­ge Take-That-Mit­glied Rob­bie Wil­liams auch auf dem ame­ri­ka­ni­schen Markt groß zu machen, hat­te Capi­tol Records ein­fach Songs sei­ner ers­ten bei­den Alben zusam­men­ge­wür­felt und auf den Markt gebracht. Das Gan­ze war natür­lich gar nicht für euro­päi­sche Plat­ten­lä­den gedacht gewe­sen und ent­spre­chend teu­er und schwer zu bekom­men, aber ande­rer­seits hat­te man alle Hits und ein paar unbe­kann­te­re Songs auf einem Album. Klar, dass ich mir das zu mei­nem 16. Geburts­tag wün­schen muss­te!

Mei­ne liebs­ten Boy­bands der 1990er Jah­re: 1. East 17, 2. Boy­zo­ne, 3. Take That. Natür­lich waren die Kon­ven­tio­nen zu die­ser Zeit noch so, dass man als Jun­ge mit 12, 13 Jah­ren eine sol­che Boy­band eher doof zu fin­den hat­te, und so war Rob­bie Wil­liams schon dadurch cool gewor­den, dass er die­se Band ver­las­sen hat­te.

Aber auch die Sin­gles, die man danach von ihm im Radio hören konn­te, waren gut. Für einen Jun­gen, der über die Hits von Oasis, Blur und The Light­ning Seeds gera­de mit dem Kon­zept „Brit­pop“ in Kon­takt gekom­men war, waren Songs wie „Strong“, „No Reg­rets“ oder „Old Befo­re I Die“ kon­se­quen­te Ergän­zun­gen – und auch heu­te hal­te ich „Strong“ immer noch für einen der bes­ten Oasis-Songs, den Noel Gal­lag­her nie geschrie­ben hat.

Was für ein groß­ar­ti­ges Album: Da waren nun wirk­lich die gan­zen Hits, die ich aus dem Radio kann­te, plus so deep cuts wie „Win Some Lose Some“, „Jesus In A Cam­per Van“ (ein Song, der spä­ter wegen Urhe­ber­rechts­strei­tig­kei­ten aus Wil­liams‘ gesam­tem Schaf­fen gelöscht wur­de) und „Kar­ma Kil­ler“ (eine von Strei­chern ange­trie­be­ne Alter­na­ti­ve-Rock-Abrech­nung mit dem ehe­ma­li­gen Take-That-Mana­ger Nigel Mar­tin-Smith). Im Herbst 1999 wur­de „The Ego Has Lan­ded“ (Ent­schul­di­gung, was ist das über­haupt für ein genia­ler Album­ti­tel?!) mein treu­es­ter Beglei­ter und noch heu­te kommt „No Reg­rets“ für mich nach „Mill­en­ni­um“ und nicht wie auf dem ori­gi­na­len Album „I’ve Been Expec­ting You“ davor.

Natür­lich habe ich mir spä­ter doch noch die bei­den Alben „Life Thru A Lens“ und „I’ve Been Expec­ting You“ gekauft, so wie ich mir zwi­schen 2001 und 2006 alle Sin­gles und bis 2013 alle Alben gekauft habe. Zwi­schen 2000 und unge­fähr 2005 war Rob­bie Wil­liams, das ist für Nach­ge­bo­re­ne auch nur noch schwer vor­stell­bar, unan­ge­foch­ten das, was man eigent­lich immer über Micha­el Jack­son gesagt hat­te: King of Pop. (War­um er erst 2012 ein Album „Take The Crown“ genannt hat, weiß er auch nur selbst.) Es gab gan­ze Rob­bie-Tage bei MTV und er ist bis heu­te der ein­zi­ge Act, für den ich an einem Sams­tag­mor­gen um halb Acht auf­ge­stan­den bin, um in einem phy­si­schen Ticket-Shop Kon­zert­kar­ten zu erwer­ben. Ent­spre­chend bedrü­ckend fand ich es, in der Net­flix-Doku-Serie über sein Leben zu erfah­ren, dass er, als er uns um die Jahr­tau­send­wen­de so viel Freu­de und so vie­le Ever­greens berei­tet hat, eigent­lich die gan­ze Zeit unglück­lich war. Dabei hat­te er uns das – „You think that I’m strong /​ You’­re wrong“ – ja auch immer gesagt.

Für jeman­den, der sich Weiß-Gott-was auf sei­nen Musik­ge­schmack jen­seits des Main­streams ein­ge­bil­det hat, war Rob­bie Wil­liams natür­lich auch immer ein Anknüp­fungs­punkt zu den Mäd­chen der eige­nen Jahr­gangs­stu­fe. Er war einer der weni­gen Radio-Acts, die einen coo­ler mach­ten, wenn man signa­li­sier­te, sei­ne Musik zu hören. Es gibt so vie­le sei­ner Songs aus die­ser Zeit, deren Tex­te schon damals zu mir spra­chen und es auch heu­te noch tun, dass es sich, wenn ich sie heu­te höre, fast so anfühlt, als könn­ten der 40-jäh­ri­ge Lukas und sein 16-jäh­ri­ger Vor­gän­ger durch die Musik mit­ein­an­der spre­chen.

Als der über­trie­ben kum­pe­li­ge Mode­ra­tor auf WDR 4 (of all places), vor eini­ger Zeit „Feel“ als „einen der Klas­si­ker von Rob­bie Wil­liams“ ankün­dig­te, dach­te ich, ernst­haft über­rascht: „Für mich ist ‚Esca­po­lo­gy‘ immer noch das ‚neue‘ Album!?“ Es erschien im Herbst 2002.

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Fol­gen­de wah­re Geschich­te: Als ich Neil Han­non von The Divi­ne Come­dy im Jahr 2006 inter­viewt habe, hab ich ihn natür­lich auch auf „No Reg­rets“ ange­spro­chen – und war­um er so viel schwie­ri­ger zu hören sei als der ande­re Gast-Sän­ger, Neil Ten­n­ant von den Pet Shop Boys. Han­non erzähl­te mir, dass Ten­n­ant zufäl­lig im Stu­dio gewe­sen sei, als der Song gemischt wur­de, und den Audio-Inge­nieur ein­fach gebe­ten habe, die eige­ne Spur ein wenig lau­ter zu dre­hen. Ich habe die­se Anek­do­te nicht zu veri­fi­zie­ren ver­sucht, weil ich den Rock’n’Roll-Mythos dahin­ter nicht zer­stö­ren woll­te.

Rob­bie Wil­liams – The Ego Has Lan­ded
(Chrysalis/​Capitol, 4. Mai 1999)
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