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They Knew She Was Trouble.

Vor­her lau­fen Songs von Tay­lor Swift. Ich bin wahn­sin­nig schlecht im Schät­zen von Men­schen­men­gen, aber es mögen schon an die 300 Leu­te sein, die da in der Bochu­mer Innen­stadt auf dem Dr.-Ruer-Platz, benannt nach einem frü­he­ren jüdi­schen Ober­bür­ger­meis­ter, der von den Nazis in den Sui­zid getrie­ben wur­de, in der pral­len Mit­tags­son­ne ste­hen und war­ten.

Fast scheint es denk­bar, dass das alles, die Musik und das über­wie­gend jun­ge Publi­kum, nur hier ist, damit die Lokal­pres­se spä­ter schrei­ben kann, Hei­di Rei­chin­nek sei „emp­fan­gen wor­den wie ein Pop­star“. Und tat­säch­lich hat die 37-Jäh­ri­ge, seit der Bun­des­tags­wahl Gesicht und Stim­me der Lin­ken, das Wir­ken jun­ger, erfolg­rei­cher Frau­en in der Pop­kul­tur beob­ach­tet und ver­stan­den, wäh­rend man beim Rest der bun­des­deut­schen Poli­tik immer das Gefühl hat, irgend­wo zwi­schen Andre­as Gabal­li­er, Heinz-Rudolf Kun­ze und The Boss­Hoss rum­zu­grün­deln. Zumal, seit Robert Habeck, der Her­bert Grö­ne­mey­er der Poli­tik, das Gebäu­de ver­las­sen hat.

Ein Mann wirft klei­ne Tüt­chen in die Men­ge; für einen Moment ist unklar, ob es sich um Gum­mi­bär­chen oder Kon­do­me han­delt. Es sind Gum­mi­bär­chen. Wenn sie vegan sind, könn­te sich Ulf Pos­ch­ardt trotz­dem empö­ren. Wenn sie nicht vegan sind, wür­den die Fans – und so kann man die Aller­meis­ten hier wohl bezeich­nen – sicher­lich ein Auge zudrü­cken.

Das Publi­kum ist natür­lich so, wie man es sich an einem Werk­tag in den Schul­fe­ri­en um 13:30 vor­stellt: Sehr vie­le jun­ge Men­schen, aber nicht nur Schüler*innen. Es gibt sie noch, die schwar­zen Punk-Ruck­sä­cke mit vie­len But­tons dran; dazu vie­le Hips­ter aus dem Ehren­feld oder der Speck­schweiz, die aus­strah­len, dass sie es zeit­lich ein­rich­ten konn­ten, den Co-Working-Space oder Third-Wave-Cof­fee­shop vor­über­ge­hend zu ver­las­sen; dazu die erwart­ba­ren Veteran*innen von Hof­gar­ten, Start­bahn West und Wackers­dorf.

Bevor es wirk­lich los­ge­hen kann, bit­tet Rats­mit­glied Horst Hoh­mei­er dar­um, Ret­tungs­we­ge frei­zu­hal­ten und sich „mehr in die Mit­te zu ori­en­tie­ren“. Ent­schul­di­gung, wir sind doch hier, weil das mit der Mit­te zuletzt eher als Holz­weg erschien?!

Dann, end­lich: Der erwar­te­te Auf­tritt. Hei­di­ma­nia, in der Nach­bar­stadt erwä­gen sie schon die Umbe­nen­nung in Rei­chin­nek­kir­chen. Rats­kan­di­dat Batı­kağan Pulat, der mit Hei­di (sie möch­te geduzt wer­den und nach 30 Jah­ren Klum ist es ja wirk­lich an der Zeit, sich den Kin­der­buch­klas­si­ker­na­men mal zurück­zu­ho­len) auf die Büh­ne kommt, ruft ent­zückt: „Ihr seid so sweet, hier ist so viel Lie­be. Mega!“, und ich — nun, ich bin 41 Jah­re alt und hier nur bedingt die Ziel­grup­pe.

Heidi Reichinnek und Batıkağan Pulat auf einer Wahlkampfveranstaltung der Linken auf dem Dr.-Ruer-Platz in Bochum am 21. August 2025 (Foto: Lukas Heinser)

Auch Hei­di ist natür­lich „geflasht“ und kom­pli­men­tiert das Publi­kum in jetzt wirk­lich per­fek­ter Pop­star-Aneig­nung: „Sowohl die Son­ne als auch Ihr blen­det!“ Vor ihr auf dem Platz zwin­kert ein Pla­kat der Lin­ken für die Kom­mu­nal­wahl der Gen‑Z freund­schaft­lich zu: „Geht Wäh­len, ihr Mäu­se“. Ich bin ein biss­chen ver­un­si­chert (und habe eh eine irra­tio­na­le Angst, dass Susan­ne Daub­ner an jedem noch so abge­le­ge­nen Ort plötz­lich auf­tau­chen und „Crin­ge, Dig­ger!“ sagen könn­te), möch­te mich aber vehe­ment nicht wie Tho­mas Gott­schalk füh­len und wäh­ne mich daher mit­ge­meint.

Sie freue sich, hier zu sein, erklärt Hei­di, würzt die­se Politiker*innen-Klischee-Äußerung aber mit einem Rund­um­schlag gegen den Nah­ver­kehr in NRW, die­se Acht-Bit-Simu­la­ti­on exis­tie­ren­der Infra­struk­tur, der auch wech­seln­de Ver­kehrs­mi­nis­ter und läs­si­ge Social-Media-Stra­te­gien der ca. 200 ver­schie­de­nen Nah­ver­kehrs­an­bie­ter nichts von ihrer abscheu­li­chen Unter­durch­schnitt­lich­keit neh­men kön­nen. Bei ihr ist es nur ein Halb­satz, aber es ist ein sehr emo­tio­na­les The­ma, bei dem sie mich sofort hat.

Schnell singt sie noch das Lob­lied des Ruhr­ge­biets; Malo­chertum, Struk­tur­wan­del. Es erin­ne­re sie hier an ihre Hei­mat im Osten, sagt sie, weil es da ähn­lich aus­sä­he, und das durch­aus wohl­wol­len­de Publi­kum ist jetzt für einen Moment wirk­lich ver­un­si­chert, ob das irgend­wie als Kom­pli­ment durch­ge­hen kann und wenn ja, als ein toxi­sches.

Es wür­de abso­lut nie­mand erwar­ten und auch gar nicht pas­sen, aber: Hei­di Rei­chin­nek hält hier kei­ne Bier­zelt­re­de. Per Social Media hat­te man im Vor­feld Fra­gen mit den Schwer­punk­ten Bochum und Jun­ge Leu­te ein­rei­chen kön­nen, von denen Batı­kağan jetzt eine Aus­wahl vor­liest. Das ist natür­lich dop­pelt cle­ver, bringt es doch Nähe und geht gleich­zei­tig auf Num­mer Sicher, denn nie­mand ist so doof, im Jahr 2025 noch ein Mikro­fon ins Publi­kum zu hal­ten — noch dazu bei einer Kli­en­tel, wo die Stim­mung zwi­schen zwin­gend not­wen­di­ger Kri­tik an der israe­li­schen Regie­rung von Ben­ja­min Netan­ja­hu und stump­fem Anti­se­mi­tis­mus, der aber natür­lich „anti­ko­lo­ni­al“ und „auf­klä­re­risch“ gele­sen wer­den möch­te, schwankt. Vor mir steht ein ca. 15-jäh­ri­ges Mäd­chen in einem T‑Shirt, des­sen schlich­te Sym­bo­lik eigent­lich nur so ver­stan­den wer­den kann, dass sie die Abschaf­fung Isra­els zuguns­ten eines Paläs­ti­nen­ser­staats for­dert. So unschön wie all­täg­lich die­ser Tage.

Es soll also bit­te nicht um geo­po­li­ti­sche Groß­the­men gehen, die lösen zu kön­nen wol­len schon die unend­li­che Schlicht­heit eines Donald Trump erfor­dert. Statt­des­sen: Wie kann man Jugend­li­che davon abhal­ten, rechts­ra­di­kal zu wer­den? Kei­ne ganz schlech­te Fra­ge an eine stu­dier­te Poli­tik­wis­sen­schaft­le­rin, die lan­ge in der Jugend­hil­fe gear­bei­tet hat. 

Die Ant­wort, nicht wirk­lich über­ra­schend, aber eben auch nahe­lie­gend und nach­voll­zieh­bar: Brei­te Ange­bo­te für Jugend­li­che, direkt vor der Haus­tür. Schul­so­zi­al­ar­beit, die jun­gen Men­schen das Gefühl gibt, gese­hen zu wer­den, bevor es rechts­ra­di­ka­le Grill­aben­de und Social-Media-Accounts tun. Sozia­le Infra­struk­tur als Absi­che­rung gegen den Rechts­ruck. Also das, was markt­ra­di­ka­li­sier­te Durch­op­ti­mie­rungs­fe­ti­schis­ten am Liebs­ten immer als Ers­tes kür­zen. 

Und dann, ein Hauch wohl­do­sier­tes Barack-Oba­ma-Gedächt­nis­pa­thos, das aber auch die ganz simp­le Wahr­heit ist: „Wenn Ihr Euch umguckt, ver­bin­det Euch mit den Men­schen um Euch viel mehr, als Euch tren­nen könn­te.“ Natür­lich greift Hei­di den poli­ti­schen Geg­ner immer mal wie­der an, aber Chris­ti­an Lind­ner und Fried­rich Merz blei­ben die ein­zi­gen Ver­tre­ter, die sie nament­lich nennt. Die AfD erwähnt sie als sol­che nur ein­mal; recht spät, als sie über deren Social-Media-Stra­te­gie spricht, die ja lei­der ziem­lich erfolg­reich sei. Anders als gewis­se bay­ri­sche Minis­ter­prä­si­den­ten, die erst glück­lich schei­nen, wenn sie ande­ren Par­tei­en minu­ten­lang Unfä­hig­keit unter­stellt haben wie ein Trin­ker in der Eck­knei­pe, der sich immer über sei­ne „Alte“ auf­regt, ver­sucht sie es lie­ber mit kon­struk­ti­vem Opti­mis­mus, der sich um etwas mehr bemüht, als „Zuver­sicht“ zu sagen. Gleich­zei­tig betont sie, dass Fort­schritt immer Zeit brau­che: „Wir ver­spre­chen Euch nicht das Blaue vom Him­mel“. Na gut, Wil­ly Brandt hat­te es, hier im Ruhr­ge­biet, auch am Him­mel ver­spro­chen. Und gehal­ten.

Die Fra­ge, ob sie wegen ihrer hohen Sprech­ge­schwin­dig­keit mal über eine Rap-Kar­rie­re nach­ge­dacht habe, ver­neint sie: kein Flow. Rhe­to­risch wäre sie den aller­meis­ten Deutschrap­pern weit über­le­gen und man ahnt, dass sie das weiß. Leu­ten, die mit 1.500 Euro net­to in Tik­Tok-Kom­men­ta­ren Mil­li­ar­dä­re ver­tei­di­gen, ruft sie zu: „Du musst die Stie­fel, mit denen Du getre­ten wirst, nicht auch noch lecken!“, um dann, welt­of­fen und humo­ris­tisch durch­aus gelun­gen, hin­zu­zu­fü­gen: „Nicht falsch ver­ste­hen: No Kink-Shaming!“ Und es scheint zu exakt glei­chen Tei­len plau­si­bel, dass sie die­sen Gag schon mehr­fach gebracht hat, oder er gera­de ein­fach so aus ihr her­aus­ge­spru­delt kam.

Man kann sich vor­stel­len, war­um die­se Frau Men­schen trig­gert, die unge­lenk vor iPads sit­zen und ver­su­chen, locker oder auch nur mensch­lich zu wir­ken, wäh­rend sie in eine Han­dy­ka­me­ra Social-Media-Fra­gen von jun­gen Men­schen beant­wor­ten — und zwar mög­lichst ohne „Tagesschau“-taugliche Wort­hül­sen, also qua­si nackt.

Es erscheint über­flüs­sig, das bei einer Mil­len­ni­al, die Social Media so gut beherrscht, noch ein­mal zu beto­nen, aber Hei­di ist natür­lich auch selbst­iro­nisch: „Wenn wir was kön­nen als Lin­ke, dann ist es Papie­re schrei­ben“, sagt sie und bezeich­net sich selbst als „Kom­mu­nal­nerd“. Sicht­lich begeis­tert stei­gert sich in die Details hin­ein, wie man die dau­ern­den Miet­preis­stei­ge­run­gen been­den könn­te, und bricht doch das Meis­te sehr gut run­ter und for­mu­liert ziel­grup­pen­op­ti­miert — also jung und aka­de­misch ange­haucht. 

Wenn sie mal eine Voka­bel aus dem Fremd­wör­ter­le­xi­kon holt, wird die so anmo­de­riert, dass die allein­er­zie­hen­de Kas­sie­re­rin aus Hof­stede dabei noch was ler­nen kann. Wie das Wort „Femi­zid“: „Das ist kein ‚Bezie­hungs­dra­ma‘ oder eine ‚Fami­li­en­tra­gö­die‘, son­dern das ist ein ver­fick­ter Mord.“ Und irgend­wo fällt wie­der einem Boo­mer das Mon­okel run­ter.

Nach einer hal­ben Stun­de ist das Q&A been­det, es soll noch genug Zeit für Fotos und Auto­gram­me blei­ben: „Stellt Euch bit­te in einer Rei­he auf!“ Ich habe mir im Alter von elf Jah­ren mal die Unter­schrift von Hei­ner Geiß­ler auf dem Neu­tor­platz in Dins­la­ken geholt, weil ich den aus der Zei­tung kann­te, und ver­wah­re das Auto­gramm von Wil­ly Brandt, das mir ein Kol­le­ge mei­nes Vaters mal über­las­sen hat, wie einen Schatz (in dem Sin­ne, dass ich es erst­mal suchen müss­te), aber das hier heu­te ist nicht mei­ne Par­ty.

Man kann es selt­sam fin­den, dass Hei­di der­art abge­fei­ert wird („Wie ein Pop­star“, kommt, schreibt es, „WAZ“!), aber wenn man kein mit­tel­al­ter, wei­ßer Mann ist, mit Hemd, Kra­wat­te und Anzug ver­wach­sen, fin­det man in der Poli­tik immer noch auf­fal­lend weni­ge Men­schen, die so aus­se­hen wie man selbst. Solan­ge in der Uni­on (und durch­aus auch an ande­ren Stel­len) nie­mand merkt, wie wenig reprä­sen­ta­tiv die immer­glei­chen Grup­pen­fo­tos voll geklon­ter stell­ver­tre­ten­der Spar­kas­sen­fi­li­al­lei­ter sind; solan­ge Phil­ipp Amt­hor so etwas wie fri­schen Wind ver­kör­pern soll; solan­ge die SPD, Regie­rungs­par­tei in 23 der ver­gan­ge­nen 27 Jah­re, sich wie ein ideen­lo­ser nas­ser Sack durch jede Mane­ge und jeden Ring schlei­fen lässt; so lan­ge wer­den es die­se Par­tei­en schwer haben, auch nur annä­hernd so einen Hype zu erzeu­gen wie Hei­di Rei­chin­nek es gera­de für die Lin­ke tut. 

Sie schließt mit „Auf die Bar­ri­ka­den!“, dann läuft wie­der Tay­lor Swift.

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Wir könnten dann wieder!

Erin­nern Sie sich noch an die Zeit, als Barack Oba­ma für das Amt des US-Prä­si­den­ten kan­di­dier­te und mit kna­cki­gen Slo­gans wie „Chan­ge“, „Hope“ und „Yes, we can!“ um sich warf? Es ent­stand ein Mem, das man damals noch nicht „Mem“ genannt hat, und die Lis­te der Tritt­brett­fah­rer und Nach­ah­mungs­tä­ter war lang.

Der dies­jäh­ri­ge Wahl­kampf war freud­los und auch wenn nicht völ­lig aus­zu­schlie­ßen davon aus­zu­ge­hen ist, dass der Hash­tag #ImWi­th­Her bei der kom­men­den Bun­des­tags­wahl von der Jun­gen Uni­on noch ein­mal auf­ge­wärmt wird, hat sich außer Oli­ver Pocher, dem Wal­ter Mon­da­le der deut­schen Come­dy, die­se Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­schau der Inspi­ra­ti­on bis­her nie­mand zum Vor­bild genom­men.

Bis­her.

Ladies and gen­tle­men, I pre­sent you Wolf­gang Kubicki, die lose Kano­ne der Frei­en Demo­kra­ten:

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[via Boris Rosen­kranz, natür­lich]

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Politik

Im Schatten der FDP wuchert das Unkraut

Im Schatten der FDP wuchert das Unkraut.

Mit gro­ßem Dank an Rita!

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Wir haben uns für die Erbsensuppe entschieden

Die gelern­te Natur­wis­sen­schaft­le­rin Mer­kel wird die­se Art Beweis­füh­rung zulas­sen müs­sen: Um ein unbe­kann­tes Ele­ment zu erfor­schen, kann es hilf­reich sein, die Dar­an­hef­ten­den und Drum­her­um­schwir­ren­den zu defi­nie­ren. Wenn sie zum stets in ihrer Nähe schlei­chen­den Pofalla blickt, nickt er meist sofort. Oder schüt­telt den Kopf. Was halt gera­de gewünscht wird. Sei­ne Grö­ße ist allein durch Unter­wer­fung bedingt.

Der Typus Pofalla wird nicht abge­sto­ßen von Mer­kel, anders als wider­stän­di­ge­re Cha­rak­te­re.

Ben­ja­min von Stuck­rad-Bar­re, das ver­gisst man ger­ne, hat ja nur einen Roman und eine Hand­voll fik­tio­na­ler Tex­te ver­öf­fent­licht. Den Groß­teil sei­nes Werks machen jour­na­lis­ti­sche Arbei­ten aus, beson­ders Repor­ta­gen.

Und die kann der Mann, der kürz­lich vom Maga­zin „Cice­ro“ sehr schön por­trä­tiert wur­de, auch immer noch schrei­ben – man kriegt davon nur nichts mit, weil sie in Zei­tun­gen wie der „Welt am Sonn­tag“ ver­öf­fent­licht wer­den.

Dass es über Mer­kel, je län­ger sie regiert, immer weni­ger Wit­ze gibt, ist auch merk­wür­dig. Wenn Oppo­si­ti­on, Her­aus­for­de­rer und Kom­men­ta­to­ren ihr man­geln­de Greif­bar­keit vor­hal­ten und queck­silb­ri­ge Posi­tio­nen, klingt das hilf­los. Wenn aber den Wit­ze­ma­chern zu ihr nichts mehr ein­fällt, müs­sen wir das viel­leicht ernst neh­men.

Sei­ne Repor­ta­ge über eine Zug­fahrt mit Ange­la Mer­kel kann ich Ihnen nur wärms­tens emp­feh­len, nicht zuletzt wegen des sagen­haf­ten Nicht-Inter­views, aus dem man mehr über die Kanz­le­rin erfährt als aus vier Jah­ren Regie­rungs­ver­ant­wor­tung:

Wenn Sie aus dem Zug schau­en, was für ein Land sehen Sie?

Ich sehe ein ziem­lich intak­tes Land, im Ver­gleich zu ande­ren Län­dern, in denen man schon so war.

(Man! Län­der, in denen man schon so war! Das ers­te, was einem ein Psy­cho­the­ra­peut bei­bringt: Sagen Sie nicht „man“, sagen Sie „ich“. Das ers­te, was man als Pro­fi­po­li­ti­ker wahr­schein­lich lernt: öfter mal „man“ sagen, dann kann nichts groß pas­sie­ren.)

„Wie war die Wurst?“ von Ben­ja­min von Stuck­rad-Bar­re bei welt.de.

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Politik

Plakatastrophentourismus

Ich will das hier weder zu einem Fach­ma­ga­zin für Wahl­pla­ka­tie­rung wer­den las­sen, noch will ich irgend­wie para­no­id klin­gen, aber: Das haben die doch extra gemacht, oder?

Mein Weg vom Wohn­heim zur U‑Bahn ist voll­ge­pflas­tert mit Frank-Wal­ter Stein­mei­ers:

Frank-Walter Steinmeier Anpacken. Für unser Land.

Frank-Walter Steinmeier Anpacken. Für unser Land.

Unser Land kann mehr.

Mal davon ab, dass ich Frank-Wal­ter Stein­mei­er jetzt nicht unbe­dingt „anpa­cken“ muss, dürf­te das letz­te Motiv natür­lich eines der ehr­lichs­ten Wahl­pla­ka­te der letz­ten 60 Jah­re sein: Neben ein Foto von Stein­mei­er und unter das Logo der SPD „Unser Land kann mehr“ zu schrei­ben, das ist schon erstaun­lich offen.

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… und wir sind nur die Kandidaten

Mon­tag­nach­mit­tag im Köl­ner E‑Werk: Außer Rent­nern, Stu­den­ten und Arbeits­lo­sen hat um die­se Zeit eigent­lich nie­mand Zeit. Trotz­dem haben WDR und NDR es hin­be­kom­men, 179 Bun­des­bür­ger anzu­kar­ren, die angeb­lich reprä­sen­ta­tiv für 82 Mil­lio­nen sind: alt und jung, aus Nord und Süd, Mann und Frau – die gan­ze Palet­te halt. Sie sol­len SPD-Kanz­ler­kan­di­dat Frank-Wal­ter Stein­mei­er in einer die­ser Town­hall-Mee­ting-Simu­la­tio­nen, die der neu­es­te Schrei im deut­schen Polit-TV sind, auf den Zahn füh­len. Bizar­rer­wei­se bin ich einer die­ser 179.

Nach dem nur ver­hal­te­nen Warm-Up durch einen Kol­le­gen (es ist halt eine öffent­lich-recht­li­che Poli­tik­sen­dung, kei­ne Pri­vat­fern­seh-Come­dy) begrü­ßen die Mode­ra­to­ren Jörg Schö­nen­born und Andre­as Cicho­wicz erst uns und dann den Mann, der Kanz­ler wer­den will. Stein­mei­er begrüßt die Zuschau­er, die um ihn her­um sit­zen, rou­ti­niert und man ist froh, dass er nicht gleich mit dem Hän­de­schüt­teln anfängt. Er hät­te ja gar nicht kom­men brau­chen, sagt er, so toll habe ihn „der Jonas“, ein jun­ger Zuschau­er mit blon­dier­ten Haa­ren, der im Warm-Up sei­nen Platz ein­ge­nom­men hat­te, ja ver­tre­ten. Sol­che Aus­sa­gen sor­gen für Stim­mung, aber dann erin­nert Schö­nen­born, der trotz sei­ner sons­ti­gen Kern­auf­ga­be, Zah­len von einem Moni­tor abzu­le­sen, mensch­li­cher wirkt als der leben­de Akten­de­ckel Stein­mei­er, dar­an, dass wir ja nicht zum Ver­gnü­gen hier sei­en, und es geht los.

Die ers­te Fra­ge wird gestellt und die ers­te Ant­wort gege­ben. Im Vor­feld hat­ten sich die WDR-Redak­teu­re tele­fo­nisch erkun­digt, was man even­tu­ell fra­gen wol­le, aber im Stu­dio lässt sich (außer bei ein paar aus­ge­wähl­ten Gäs­ten) nicht zuord­nen, wer wel­che Fra­ge stel­len wür­de – eine wie auch immer gear­te­te Kon­trol­le scheint aus­ge­schlos­sen. Ein Mann wird vor­ge­stellt, der 33 Jah­re bei Her­tie gear­bei­tet hat und „mit nichts mehr als einem feuch­ten Hän­de­druck“ (er muss sehr feucht gewe­sen sein, denn er fin­det zwei Mal Erwäh­nung) ver­ab­schie­det wur­de. Hof­fent­lich war es nicht auch noch der sel­be Her­tie-Mit­ar­bei­ter wie vor drei Wochen bei RTL. Stein­mei­er sagt von Anfang an oft „ich“ und „wir“, ohne dass klar wird, wel­che geheim­nis­vol­le Trup­pe er damit meint. Die magi­schen Buch­sta­ben „SPD“ nimmt er nach 67 Minu­ten zum ers­ten Mal in den Mund, „CDU“ folgt kurz dar­auf. Er redet viel und sagt wenig. Sagt ein Zuschau­er, woher er kommt, kom­men von Stein­mei­er stets die glei­chen back­chan­nels: „Rhe­da-Wie­den­brück, ah!“, „Gre­ven­broich, ah!“, „Bochum, ah!“. Ein Mann, der bei Con­ti­nen­tal arbei­tet, wird fast zu Stein­mei­ers Joe the plum­ber: Zwar kann er sich den Namen des Man­nes nicht mer­ken, aber auf den „Arbei­ter bei Con­ti“ kommt der Kanz­ler­kan­di­dat an jeder pas­sen­den und unpas­sen­den Stel­le gern noch mal zurück.

Kon­kre­te Fra­gen beant­wor­tet Stein­mei­er mit dem Hin­weis, „sofort“ auf den Kern zurück­zu­kom­men, nur um dann so weit aus­zu­ho­len, dass er an einer belie­bi­gen Stel­le abbie­gen und über irgend­was reden kann. Als Fra­ge­stel­ler ist man zu betäubt, um das sofort zu mer­ken, und die Mode­ra­to­ren wis­sen natür­lich sowie­so am Bes­ten, dass sie hier kei­ne kon­kre­ten Ant­wor­ten erwar­ten kön­nen.

Eine älte­re Dame, die zuvor bereits wüst in die Kame­ra gewun­ken hat­te, um dar­auf auf­merk­sam zu machen, dass sie eine Fra­ge stel­len will, hat ein paar kopier­te Zet­tel dabei und fragt Stein­mei­er, ob er schon Gele­gen­heit gehabt habe, den aktu­el­len „Spie­gel“ zu lesen. Stein­mei­er wird aber gera­de frisch über­pu­dert und kann des­halb nicht ant­wor­ten, wes­we­gen Schö­nen­born bit­tet, eine kon­kre­te Fra­ge zu for­mu­lie­ren. Es geht um die Besteue­rung von Sonn­tags­ar­beit und Stein­mei­er ant­wor­tet, man dür­fe auch nicht alles glau­ben, was in der Zei­tung ste­he. Obwohl es natür­lich stimmt, kommt das ein biss­chen mecke­rig rüber und die Dame ent­geg­net, es habe ja nicht in „Bild“ gestan­den, son­dern im „Spie­gel“ und dem müs­se man ja trau­en. Ich hof­fe, dass die Raum­mi­kros zu schwach ein­ge­stellt waren, als dass man mein gluck­sen­des Geläch­ter auch noch zuhau­se hören könn­te.

Weil ich ein „jun­ger Mann im karier­ten Hemd“ bin, darf ich auch eine Fra­ge stel­len, aber ich mer­ke schon, als das Fra­ge­zei­chen durch den Raum schwebt, dass das kei­ne gute Idee war. Ich will wis­sen, ob Stein­mei­er manch­mal von Murat Kur­naz träu­me, aber der Kanz­ler­kan­di­dat ant­wor­tet mit dem Ver­weis auf irgend­wel­che Doku­men­ta­tio­nen über sich und dar­auf, dass ein Unter­su­chungs­aus­schuss sei­ne (Stein­mei­ers) Unschuld bewie­sen habe. Man müs­se jetzt auch mal mit die­sen Anschul­di­gun­gen auf­hö­ren, sagt er, wäh­rend wir irgend­wie haar­scharf anein­an­der vor­bei gucken, und ich das Gefühl habe, unter den Bli­cken der ande­ren Zuschau­er und der Hit­ze der Schein­wer­fer lang­sam zu zer­flie­ßen.

Mit Poli­ti­kern zu spre­chen ist eine der unbe­frie­di­gends­ten Beschäf­ti­gun­gen über­haupt, weil einem immer erst hin­ter­her klar wird, dass das gar kein Gespräch war, son­dern eine Phra­sen-Rou­ti­ne, die man schon im Infor­ma­tik­un­ter­richt der sieb­ten Klas­se schrei­ben kann. (Es kann kein Zufall sein, dass Dou­glas Adams einst an einem Com­pu­ter­pro­gramm namens „Rea­gan“ arbei­te­te, das Fern­seh­de­bat­ten anstel­le des US-Prä­si­den­ten hät­te füh­ren kön­nen.) Es macht fast mehr Spaß, im Herbst Laub zusam­men­zu­keh­ren und die Wie­se kurz nach dem Weg­pa­cken des Rechens schon wie­der mit Blät­tern über­sät zu sehen.

Das The­ma Außen­po­li­tik kommt in der Befra­gung des Außen­mi­nis­ters nicht vor. Fra­gen nach afgha­ni­schen Tank­las­tern („Wie vie­le davon wer­den wir noch in die Luft spren­gen müs­sen, bis es in dem Land kei­ne Tali­ban und kei­ne Zivi­lis­ten mehr gibt und wir nach hau­se gehen kön­nen?“) ver­bie­ten sich wegen der Vor­lauf­zeit von fast 30 Stun­den: Wer weiß, wie die Nach­rich­ten­la­ge bei Aus­strah­lung aus­sieht? Afgha­ni­stan kommt trotz­dem vor, wenn auch anders als gedacht: Die Mut­ter eines Sol­da­ten fragt nicht etwa, wann ihr Jun­ge dau­er­haft zuhau­se und in Sicher­heit blei­ben darf, son­dern erkun­digt sich nach bes­se­rer tech­ni­scher Aus­stat­tung für die Trup­pen. Dass sich die Sen­dung so ame­ri­ka­nisch anfüh­len wür­de, war sicher nicht geplant.

Zur Auf­lo­cke­rung wer­den Stein­mei­er zwi­schen­durch zwei „Wer wird Millionär?“-mäßige Quiz­fra­gen gestellt. Es fällt schwer zu glau­ben, dass eine mut­maß­lich gut bezahl­te Redak­ti­on in mona­te­lan­ger Vor­be­rei­tung nicht über „Was wer­den Sie nach dem Ende der gro­ßen Koali­ti­on am meis­ten ver­mis­sen? A: Ange­la Mer­kel, B: Karl-Theo­dor zu Gut­ten­berg, C: Ursu­la von der Ley­en, D: mei­nen Dienst­wa­gen“ hin­aus­ge­kom­men ist. Immer­hin gibt es Stein­mei­er die Gele­gen­heit zum ein­zi­gen Mal in 75 Minu­ten mit Witz und Schlag­fer­tig­keit zu glän­zen, als er ant­wor­tet: „ ‚D‘ schei­det ja aus, denn wenn die gro­ße Koali­ti­on endet, sit­ze ich ja im Kanz­ler­amt.“

Als Schö­nen­born eine län­ge­re, kom­pli­zier­te Zwi­schen­mo­de­ra­ti­on, in der es auch irgend­wie um die FDP geht, augen­schein­lich völ­lig frei (also jeden­falls ohne Tele­promp­ter und ohne noch mal auf sei­ne Kar­ten zu gucken) in die Kame­ra spricht, wer­de ich zu sei­nem glü­hen­den Ver­eh­rer. Cicho­wicz dage­gen gerät bei sei­nen kur­zen Text­pas­sa­gen häu­fi­ger ins Schwim­men, hat dafür aber das Zwi­schen-Zuschau­ern-Hocken in der Tra­di­ti­on von Jür­gen Flie­ge und Gün­ther Jauch im Reper­toire. Zwi­schen­durch stür­zen immer wie­der stu­den­ti­sche Mikro­fon-hin­hal­te-Kräf­te die Trep­pen hin­un­ter, was man am Bild­schirm ver­mut­lich nur als gro­tesk anmu­ten­de Satz­pau­sen wahr­nimmt.

Kurz vor Schluss darf noch eine Mut­ter mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund eine Fra­ge stel­len und weil sie in Stein­mei­ers Rücken sitzt, gerät die­se Gesprächs­si­mu­la­ti­on voll­ends zum Desas­ter: Stein­mei­er dreht ihr halb die Schul­ter zu und redet lie­ber zu Schö­nen­born und Kame­ra 1 und berich­tet dann – Ein­zel­schick­sa­le her­vor­he­ben! – von einer jun­gen Tür­kin, die er kürz­lich in Mainz ken­nen­ge­lernt habe und die jetzt ihren Haupt­schul­ab­schluss nach­ma­che. Dass vor hin­ter ihm das viel­leicht span­nen­de­re Ein­zel­schick­sal sitzt, ist egal: Die Frau aus Mainz passt bes­ser in die Rou­ti­ne.

Die ers­ten Zuschau­er erhe­ben sich schon wäh­rend des Abspanns.

Wahl­are­na: Zuschau­er fra­gen Frank-Wal­ter Stein­mei­er
Diens­tag, 8. Sep­tem­ber 2009
21:05 Uhr im Ers­ten

Nach­trag, 9. Sep­tem­ber: Bis zum kom­men­den Sams­tag kann man sich die Sen­dung jetzt auch in der ARD-Media­thek anse­hen.

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Politik

Smile Like You Mean It

Einer der schlimms­ten Irr­tü­mer unse­rer Zeit ist ja der, dass Wahl­kampf im Inter­net statt­fin­den müs­se. Er kann, wenn man sich mit dem Medi­um aus­kennt, gute Ideen hat oder Barack Oba­ma heißt. Mir per­sön­lich wäre es ange­sichts von Face­book-Pro­fi­len von Poli­ti­kern, iPho­ne-Apps von Par­tei­en und sechs Mil­li­ar­den „#piraten+“-Nachrichten auf Twit­ter täg­lich sogar lieb, wenn das Inter­net ein poli­tik­frei­er Raum wäre, aber man kann nicht alles haben.

Rich­tig bizarr wird es aber, wenn der Kom­mu­nal­wahl­kampf im Inter­net statt­fin­det. Völ­lig ohne Grund geben sich Men­schen, die bestimmt tol­le Ideen für ihre Hei­mat­stadt haben, aber nicht über Know­how und Mit­tel für einen pro­fes­sio­nel­len (und völ­lig über­flüs­si­gen) Online-Wahl­kampf ver­fü­gen, online der Welt­öf­fent­lich­keit preis – und damit zumeist dem Spott.

Die Ruhr­ba­ro­ne stel­len heu­te schlech­te und nicht ganz so schlech­te Bei­spie­le von Inter­net-Vide­os als Mit­tel im Kom­mu­nal­wahl­kampf vor. Von den Bochu­mer Ober­bür­ger­meis­ter-Kan­di­da­ten habe ich nichts gefun­den, aber in Dins­la­ken haben gleich zwei der sechs Bür­ger­meis­ter­kan­di­da­ten Wer­be­spots in Auf­trag gege­ben.

Den Anfang macht Heinz Wan­sing von der CDU (wir erin­nern uns: „Da. Echt. Nah.“), der sich vom Dins­la­ke­ner Star-Regis­seur Adnan Köse („Lauf um dein Leben – Vom Jun­kie zum Iron­man“) in Sze­ne set­zen ließ. Nach­dem Barack Oba­ma uns letz­tes Jahr die Mut­ter aller Wahl­wer­be­spots vor­ge­stellt hat, ler­nen wir mit „Wan­sing – Der Film“ jetzt deren Groß­cou­si­ne müt­ter­li­cher­seits ken­nen:

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Sagen Sie bit­te nicht, ich sei der Ein­zi­ge, der bei der Musik die gan­ze Zeit damit rech­ne, dass gleich Dino­sau­ri­er aus dem Rot­b­ach­see auf­tau­chen. (Und Dins­la­ken wirkt übri­gens nicht ganz so trost­los, wenn man es im Som­mer besucht und filmt.)

Sein Gegen­kan­di­dat von der SPD, Dr. Micha­el Hei­din­ger, ori­en­tiert sich mit „Micha­el Hei­din­ger (SPD) – Der Film“ optisch stär­ker an Fil­men wie „A Scan­ner Dark­ly“ oder „Waltz With Bas­hir“, ver­zich­tet dafür aber völ­lig auf das Able­sen vom Blatt:

Link: Michael Heidinger (SPD) - Der Film (2009)

Die­se Spots wir­ken auf mich ein wenig wie die Auf­trit­te unbe­hol­fe­ner Kan­di­da­ten in Cas­ting­shows: Einer­seits sucht da jemand ganz bewusst die Öffent­lich­keit, ande­rer­seits hat man als Zuschau­er das Gefühl, sie genau davor beschüt­zen zu wol­len.

Nach­trag, 31. August: Die Comic­fi­gur hat übri­gens gewon­nen

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Politik

Nixkönner

BREAKING NEWS!

Im Fal­le unse­rer neu­en Lis­te „Yes, may­be we could try to, but come to think of it: we defi­ni­te­ly can’t“ geht die SPD Mar­burg mög­li­cher­wei­se unein­hol­bar in Füh­rung:

Schäfer-Gümbel '09: Yo isch kann

Für den Fall, dass das „irgend­wie iro­nisch“ gemeint sein soll­te: Fail!

[via PickiHH]

Nach­trag, 26. Novem­ber: Tobi­as weist in den Kom­men­ta­ren völ­lig zu Recht dar­auf hin, dass es sich bei dem Logo um einen zwei Wochen alten Ent­wurf des Design­ta­ge­buchs han­delt. Aus was für absur­den Inter­pre­ta­tio­nen des Kon­zepts „Selbst­iro­nie“ die SPD das aber auf­greift, ist mir offen gestan­den schlei­er­haft.

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Digital Politik

Barack Obamas schlimme Folgen für die Weltpolitik

„Was kön­nen wir vom Wahl­kampf von Barack Oba­ma ler­nen?“ hat­te ein Dele­gier­ter auf dem Grü­nen­par­tei­tag den zu die­sem Zeit­punkt noch desi­gnier­ten Par­tei­vor­sit­zen­den Cem Özd­emir gefragt. Özd­emir ant­wor­te­te irgend­was Klu­ges, Abwar­ten­des, von wegen das sol­le man jetzt nicht alles nach­ma­chen und man müs­se auch mal sehen und so …

„Ist eine Inter­net-Kam­pa­gne wie die von Barack Oba­ma auch in Deutsch­land mög­lich?“ hat­te Mar­kus Becke­dahl schon kurz nach Oba­mas Wahl­sieg gefragt und sowohl eine kur­ze („Ja und Nein“), als auch eine lan­ge Ant­wort dar­auf gege­ben.

Aber wie das immer so ist: auf beson­ne­ne Poli­ti­ker hören genau­so vie­le Per­so­nen, wie läng­li­che Blog-Ein­trä­ge lesen – also kaum einer. Und so kommt es, dass die zwei­te bis drei­ßigs­te Rei­he (so vie­le Sitz­rei­hen hat das Bochu­mer Ruhr­sta­di­on, viel­leicht bie­tet jemand mehr) der Poli­ti­ker jetzt vor den Fett­näp­fen Schlan­ge steht, um auf eine neue Lis­te zu kom­men.

Sie heißt:
„Yes, may­be we could try to, but come to think of it: we defi­ni­te­ly can’t“

Los ging es mit die­sem Meis­ter­werk:

Yes we can -  Klausurtagug der SPD Havixbeck

[via Jens]

Eine wei­te­re gewag­te Kom­bi­na­ti­on aus Slo­gan und miss­glück­ter deut­scher Spra­che fand ich dann bei Face­book:

Wir machen's: Mit Heiko Maas, muss einer neuer Mann an die Spitze der saarländischen Landesregierung. Unterstützt Heiko Maas für Gute Arbeit, Faire Chancen und Neue Energie im Saarland.

Und den fina­len Aus­lö­ser, die Num­mer von einer Twit­ter-Serie zu einer Blog-Serie zu machen (hof­fent­lich nicht), fand ich dann im Dins­la­ke­ner Lokal­teil der „Rhei­ni­schen Post“:

Dinslaken: 
Köse dreht Wansing-Wahlspot. Dinslaken (RP) Reportage am Montag "Wansing on Ice" hieß es am Sonntagmittag in der Dinslakener Eishalle. Dort drehte CDU-Bürgermeisterkandidat Heinz Wansing gemeinsam mit Regisseur Adnan Köse seinen Wahlwerbespot.

Der auf­stre­ben­de Lokal­po­li­ti­ker Heinz Wan­sing hat sich vom Dins­la­ke­ner Regis­seur Adnan Köse („Lauf um Dein Leben – Vom Jun­kie zum Iron­man“) über­re­den las­sen, einen Wahl­wer­be­spot zu dre­hen, der ab Janu­ar als zehn­mi­nü­ti­ge Ver­si­on auf sei­ner Home­page und spä­ter als Zwei­mi­nü­ter in der Dins­la­ke­ner Licht­burg lau­fen soll.

Die „RP“ zitiert den Regis­seur wie folgt:

Man muss die neu­en Medi­en nut­zen. Mir gefällt sei­ne Hal­tung und ich will mit dem Film errei­chen, dass neben dem Poli­ti­ker und Ver­wal­tungs­fach­mann auch der pri­va­te, der Mensch Heinz Wan­sing fokus­siert wird.

Und wenn Sie jetzt fra­gen: „Ja, was sol­len die armen deut­schen Poli­ti­ker denn jetzt machen, ohne dass Ihr Inter­net-Jung­spun­de Euch immer über deren Unbe­hol­fen­heit lus­tig macht?“, dann ant­wor­te ich mit mei­ner glo­cken­klars­ten Engels­stim­me, die sonst für Fami­li­en­be­su­che und mei­nen Bank­be­ra­ter reser­viert ist: „Poli­tik!“

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Politik Gesellschaft

Miss American Pie

Die­ser Tage schaut die Welt noch mehr auf Ame­ri­ka, als sie es sowie­so schon tut. Die „Schick­sals­wahl unse­rer Gene­ra­ti­on“ steht an und es wirkt ein biss­chen so, als wer­de am Diens­tag zwi­schen Him­mel und Höl­le ent­schie­den.

Der Wahl­kampf zeigt ein­mal mehr die ekla­tan­ten Unter­schie­de zwi­schen den USA und Deutsch­land auf: Nicht nur, dass wir hier ein ande­res Wahl­sys­tem haben, auch kul­tu­rell sieht es hier ganz anders aus. Das Pathos, das Oba­mas halb­stün­di­gen Info­mer­cial durch­weht, wäre hier­zu­lan­de undenk­bar.

Viel­leicht liegt es dar­an, dass Schwarz, Rot und Gold kei­ne so schö­ne Farb­kom­bi­na­ti­on ist wie Rot, Weiß und Blau. Aber noch nicht mal eine geeig­ne­te Musik­un­ter­ma­lung wür­de man hier für so einen Wahl­wer­be­film fin­den: in Deutsch­land gibt es kei­ne Folk­lo­re, denn was es gab, wur­de vom „Musi­kan­ten­stadl“ in Grund und Boden gevolks­tü­melt.

Ich fin­de die­se Unter­schie­de nicht schlimm (auch wenn ich mir manch­mal wün­sche, dass sich jeder ein­zel­ne Deut­sche ein biss­chen mehr mit sei­ner Rol­le in der Gesell­schaft um ihn her­um – nicht mit dem abs­trak­ten Begriff der Nati­on – iden­ti­fi­zie­ren wür­den), aber die­se Unter­schie­de sind eben da. Des­we­gen soll­ten sich deut­sche Poli­ti­ker dafür hüten, Oba­mas ver­meint­li­che Erfolgs­re­zep­te nächs­tes Jahr 1:1 für den deut­schen Markt kopie­ren zu wol­len.

Die armen, armen Hes­sen, die im Janu­ar die soge­nann­te Wahl zwi­schen Roland Koch und Andrea Ypsi­lan­ti hat­ten, bekom­men am Diens­tag viel­leicht eine neue Minis­ter­prä­si­den­tin. Ja, an jenem Schick­sals­diens­tag, 4. Novem­ber. Und weil das so schön passt, hat sich Frau Ypsi­lan­ti heu­te Mor­gen auf einem SPD-Son­der­par­tei­tag in Ful­da dem wehr­lo­sen Barack Oba­ma ans Bein geschmis­sen und mit einem ein­zi­gen Satz die­se tie­fen kul­tu­rel­len Unter­schie­de, die­sen schma­len Grat zwi­schen anste­cken­dem Pathos und absto­ßen­der Pein­lich­keit zusam­men­ge­fasst:

Ich hof­fe, Genos­sin­nen und Genos­sen, dass die ame­ri­ka­ni­schen Wäh­le­rin­nen und Wäh­ler am 4. Novem­ber in Ame­ri­ka sagen: „Yes, we can!“, und dass die hes­si­schen Abge­ord­ne­ten dann sagen kön­nen, mit Euch zusam­men in Hes­sen: „Yes, we do!“

[via WDR2-Nach­rich­ten]

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Rundfunk Politik

St. Louis Vice

Heu­te Nacht um drei Uhr unse­rer Zeit läuft in den USA das ein­zi­ge TV-Duell zwi­schen den bei­den Bewer­bern um das Amt des Vize­prä­si­den­ten. Das wird bestimmt lus­tig.

Aber wer tritt da noch mal gegen wen an?

Verblasster Glanz gegen beständige Blässe

TV-Duell der US-Vizekandidaten: Landpommeranze gegen altes Eisen

 TV-Debatte: Palin gegen Biden – Duell der Fettnäpfchentreter

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Politik

Be My Kandidat

Ursprüng­lich hat­te ich vor­ge­habt, ein Cas­ting für den deut­schen Grand-Prix-Act 2009 zu star­ten. Aber sowas gab es ja schon mal …

Statt­des­sen ruft Cof­fee And TV hier­mit den Wett­be­werb

be my Kandidat

aus, bei dem Sie (ja: Sie) sich bewer­ben kön­nen, um Kan­di­dat für das Amt des Bun­des­prä­si­den­ten zu wer­den.

Vor­aus­set­zun­gen:

  • Sie sind vor dem 23. Mai 1969 gebo­ren.
  • Sie sind deut­scher Staats­bür­ger.
  • Sie besit­zen das Wahl­recht zum deut­schen Bun­des­tag.
  • Sie pas­sen zumin­dest grob in eine der bei­den Kate­go­rien „Mann“ oder „Frau“.
  • Sie wären im Fal­le Ihrer Wahl bereit, für min­des­tens fünf Jah­re auf die Aus­übung Ihres Beru­fes und mög­li­cher Ämter zu ver­zich­ten.
  • Sie ver­spre­chen, im Fal­le Ihrer Wahl Sgt.-Pepper-Fantasieuniformen als neue Dienst­klei­dung für Poli­zei und Bun­des­wehr vor­zu­schla­gen.

Ihre unver­bind­li­che Bewer­bung kön­nen Sie mit einem Kom­men­tar kund­tun, ich kon­tak­tie­re Sie dann unter der von Ihnen ange­ge­be­nen E‑Mail-Adres­se.

Nach einer ers­ten Sich­tung der Bewer­ber ver­an­stal­ten wir hier im Blog ein gro­ßes Cas­ting, bei dem der bes­te Kan­di­dat ermit­telt wird. Es wird einen läh­men­den Vor­wahl­kampf wie in den USA geben und am Ende müs­sen wir noch ein Mit­glied der Bun­des­ver­samm­lung fin­den, das unse­ren Kan­di­da­ten im nächs­ten Jahr auch zur Wahl vor­schlägt.

Zu gewin­nen gibt es hier nichts, die Wahl durch die Bun­des­ver­samm­lung ist noch weni­ger garan­tiert als der Vor­schlag zur Wahl.