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Den Vogel abgeschossen

So lang­sam gehen mir die Erklä­run­gen aus, wie bei „Spie­gel Online“ Über­schrif­ten ent­ste­hen. Eine Theo­rie wäre, dass ein frü­he­rer Gag­schrei­ber von … sagen wir: „Sie­ben Tage, Sie­ben Köp­fe“ mit einer Ket­te um den Hals in der Redak­ti­on gehal­ten wird, eine Mel­dung nach der ande­ren vor­ge­le­sen bekommt und dann drei, vier Kalau­er dazu macht – der schlech­tes­te wird dann genom­men. Natür­lich wäre es auch mög­lich, dass ein Com­pu­ter­pro­gramm jede Mel­dung auf Schlag­wor­te scannt und dann eine such­ma­schi­nen­op­ti­mier­te Head­line aus­spuckt – so irre­füh­rend sie auch sein mag. Alter­na­tiv kön­nen nur noch sehr, sehr schlech­te Dro­gen im Spiel sein.

Brutaler Ehrenmord an Strauß: Amerikaner müssen ins Gefängnis

Zunächst ein Tran­skript mei­ner Gedan­ken:

  • „Hä?“
  • „Muss die bay­ri­sche Geschich­te neu geschrie­ben wer­den?“
  • „ ‚Ehren­mord‘?! ‚An Strauß‘?!“
  • „Wel­che Ame­ri­ka­ner? Alle?!“
  • „Hä?“

Und hier dann kurz die Geschich­te: Zwei jun­ge Män­ner klet­tern betrun­ken in ein Strau­ßen­ge­he­ge, der Strauß Gay­lord atta­ckiert die bei­den, die Beglei­te­rin­nen lachen, die bei­den Män­ner kom­men spä­ter wie­der und töten Gay­lord mit min­des­tens sie­ben Schüs­sen. Das erklärt den Strauß.

Einer der bei­den Män­ner wur­de bereits im März zu sie­ben Mona­ten Haft ver­ur­teilt, der zwei­te jetzt zu fün­fen. Das erklärt die Ame­ri­ka­ner im Gefäng­nis (wobei der zuerst Ver­ur­teil­te nach fünf Mona­ten wie­der frei kam, so dass streng genom­men jetzt nur ein Ame­ri­ka­ner in den Knast muss).

In der Reu­ters-Mel­dung, die „Spie­gel Online“ kom­plett über­nom­men und mit einem eige­nen Pro­log (und natür­lich der obi­gen Über­schrift) ver­se­hen hat, steht dann noch fol­gen­des:

In dem Fall gehe es klar um männ­li­chen Stolz, zitier­te die Zei­tung „San Fran­cis­co Chro­nic­le“ den mit dem Fall befass­ten Staats­an­walt.

Jawoll:

„This who­le thing is about male pri­de,“ Wag­staf­fe said.

Das „erklärt“ dann wohl den „Ehren­mord“, der (immer­hin noch mit Anfüh­rungs­zei­chen) auf das Kon­to von Reu­ters geht.

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Über den Wolken

Will­kom­men zurück an der Cof­fee-And-TV-Jour­na­lis­ten­schu­le!

Nach­dem wir beim letz­ten Mal gelernt haben, wie man eine Gerichts­re­por­ta­ge ver­fasst, wol­len wir uns heu­te dem Bereich des Musik­jour­na­lis­mus zuwen­den. Beson­ders beliebt auf die­sem Gebiet sind seit län­ge­rem Repor­ta­gen, die einen Künst­ler oder eine gan­ze Band in einem hei­mat­li­chen Umfeld zei­gen. Dafür brau­chen wir zunächst ein­mal eine Band, was nicht ganz so schwer ist: Wir neh­men ein­fach unse­re Cof­fee-And-TV-Haus­ka­pel­le.

Als ers­tes brau­chen wir jetzt (wie bei jedem Arti­kel) einen grif­fi­gen Ein­stieg. Oder aber einen, der so wirr ist, dass man schon aus Neu­gier­de, wie sich der Autor wohl dar­aus befrei­en will, wei­ter­liest:

Ent­we­der hast du als Teen­ager die Gele­gen­heit, vor dem Venue auf dei­nen Lieb­lings­act zu war­ten und dir Auto­gram­me geben zu las­sen – oder du hast sie nicht. Ent­we­der du kennst die Bands nur aus TV, Radio und Inter­net – oder du triffst sie im Plat­ten­la­den. Die Kili­ans kom­men aus Dins­la­ken und tra­fen bis­her nie­man­den. Sie sind eine auf­stre­ben­de Rock­band. Die Fra­ge ist: Trotz­dem oder gera­de des­we­gen?

Was ist mit denen, die nie vor einem „Venue“ stan­den und auf ihren „Lieb­lings­act“ war­te­ten? Wer hät­te in wel­chem Plat­ten­la­den jeman­den tref­fen sol­len? Wie­so ist man eine auf­stre­ben­de Rock­band, obwohl oder weil man nie­man­den in einem Plat­ten­la­den getrof­fen hat? Der Leser ist sofort gefan­gen von die­sen Sät­zen und könn­te sie immer wie­der lesen, ohne dass ihm die Deu­tungs­mög­lich­kei­ten aus­gin­gen.

Im zwei­ten Absatz soll­ten wir dem Leser, der die zu por­trä­tie­ren­de Band noch nicht kennt, kurz erklä­ren, von wem wir spre­chen. Zum Bei­spiel so:

The Kili­ans sind fünf Jungs und kom­men aus die­ser Stadt, und sie sind mitt­ler­wei­le im Blick­feld vie­ler, die sich für Rock­mu­sik inter­es­sie­ren. In Dins­la­ken sind sie allein dadurch schon Stars.

So weiß jeder, dass man in Dins­la­ken, par­don: Dins­la­ken allei­ne dadurch zum Star wird, dass man im Blick­feld vie­ler, die sich für Rock­mu­sik inter­es­sie­ren, ist. Sozio­lo­gen spre­chen sicher von second hand popu­la­ri­ty.

Wenn wir mer­ken, dass wir eigent­lich viel lie­ber über die Stadt schrei­ben möch­ten als über die Band, kön­nen wir jetzt immer noch die Kur­ve krat­zen und Ver­gleichs­grö­ßen her­an­zie­hen:

Um das zu ver­ste­hen, muss man sich klar­ma­chen, wie wenig Orte wie Dins­la­ken von der Distink­ti­on geprägt sind, die in Ham­burg oder Ber­lin all­ge­gen­wär­tig ist.

Eine kla­re Posi­ti­ons­be­stim­mung: Ham­bur­ger und Ber­li­ner wer­den sagen: „Klar, Distink­ti­on, Alter!“, alle Ande­ren wer­den erfurchts­voll nicken und es nicht wagen, nach den in die­sen Metro­po­len vor­herr­schen­den Distink­tio­nen zu fra­gen.

Jetzt haben wir dem Leser unser Bild von Dins… Dins­la­ken schon so genau gezeich­net, dass wir uns ein biss­chen wei­ter aus dem Fens­ter leh­nen und Fak­ten gekonnt igno­rie­ren kön­nen:

Hier schielt kaum jemand auf Düs­sel­dorf oder Köln, die nächs­ten grö­ße­ren Städ­te und die Codes der Indie-Schi­cke­ria bedeu­ten hier gar nichts.

Kei­ner unse­rer Leser wird auch nur ahnen, dass wir schon bei unse­rer Ankunft hal­be Armeen von röh­ren­be­hos­ten Rin­gel­pul­li­trä­gern mit Emo­fri­su­ren gese­hen haben, die gera­de auf dem Weg zu einem Rock­kon­zert in Köln waren. Sol­che Infor­ma­tio­nen wür­den ja auch nur das Bild zer­stö­ren, das wir mühe­voll vor den geis­ti­gen Augen unse­rer Rezi­pi­en­ten auf­zu­bau­en ver­su­chen. Die Mög­lich­keit, dass die der­art über­gan­ge­nen Indie-Kid­dies der Stadt per Leser­brief auf ihre Unter­schla­gung hin­wei­sen könn­ten, lösen wir mit einem klei­nen Logik­wölk­chen: Es gibt sie ja gar nicht, haben wir gera­de noch geschrie­ben.

Als die Kids die bei­den Band­mit­glie­der, beglei­tet von der Pres­se, auf sich zukom­men sehen, fah­ren sie ner­vös aus ihren läs­si­gen Posen auf.

Geschickt geret­tet: Die drei Leser, die sich jetzt wun­dern könn­ten, wo denn plötz­lich bemüht läs­si­ge „Kids“ (als Musik­jour­na­list soll­te man das Wör­ter­buch der Jugend­spra­che stets bei sich füh­ren, und wenn es die Aus­ga­be von 1991 ist) her­kom­men, müs­sen jetzt alle Hirn­mas­se auf die Vor­stel­lung ver­wen­den, wir selbst lie­fen wie in einem Hol­ly­wood­film der drei­ßi­ger Jah­re mit einem Papp­kärt­chen mit der Auf­schrift „Pres­se“ im Hut­band durch die Gegend.

Hat­ten wir über­haupt schon erwähnt, wo die­se lang­wei­li­ge Klein­stadt, die kein Schwein ken­nen muss, liegt? Nein? Dann ist jetzt die Gele­gen­heit, auf das Ruhr­ge­biet hin­zu­wei­sen und gleich eine wei­te­re LKW-Ladung Kli­schees über Text, Lesern und Land­schaft aus­zu­kip­pen:

Ganz ruhr­ge­biets­ty­pisch. Natür­lich ist die ört­li­che Zeche mitt­ler­wei­le nicht mehr in Betrieb. Natür­lich sind alle Arbei­ter ent­las­sen – bis auf ein paar, die mit dem Abbau der Maschi­nen beschäf­tigt sind. Von Momen­ten an sol­chen Orten weiß im Ruhr­ge­biet jeder etwas zu erzäh­len. Auch die Kili­ans. Zechen­ge­schich­ten sind in der Regel Nacht­ge­schich­ten, sie han­deln von Alko­hol und davon, irgend­wo drauf­zu­klet­tern und in den Ster­nen­him­mel zu schau­en.

Es ist egal, wenn dem Absatz nichts vor­aus­ging, wor­auf sich das „ruhr­ge­biets­ty­pisch“ bezie­hen könn­te, denn wir nähern uns dem Höhe­punkt:

Alles, was von sol­chen erhöh­ten Stand­or­ten zu sehen ist, wenn man etwas tie­fer blickt, ist: Koh­le, Stahl und graue Wol­ken. All das impli­ziert in die­ser Gegend zwangs­läu­fig immer auch eines: das Schei­tern. Für eine Rock­band sind das lehr­rei­che Erfah­run­gen. Bewusst oder auch nicht, die Kili­ans haben ihre Schlüs­se dar­aus gezo­gen.

Jaaaaa, die­se vier Sät­ze sind von unend­li­cher Weis­heit und Tie­fe. Zunächst ein­mal wis­sen die Leser anschlie­ßend, dass die (natür­lich immer „grau­en“) Wol­ken im Ruhr­ge­biet nied­ri­ger hän­gen als irgend­wel­che Sachen (Abraum­hal­den, För­der­tür­me, Musik­jour­na­lis­ten­egos), auf die man „drauf­klet­tern“ kann, hoch sind. Dann ler­nen sie, dass Koh­le, Stahl und eben jene grau­en Wol­ken nichts ande­res sind als Meta­phern für „das Schei­tern“ und nicht etwa indus­tri­el­le Roh­stof­fe (die ers­ten bei­den) und Wet­ter­phä­no­me­ne (letz­te­res).

Aber wei­ter im Text: Schei­tern, Koh­le, Stahl und Wol­ken – all das sind „lehr­rei­che Erfah­run­gen“, aus denen die jetzt doch mal wie­der nament­lich zu erwäh­nen­de Band ihre Schlüs­se gezo­gen hat. Spä­tes­tens hier wer­den sich selbst Distink­ti­ons­er­fah­re­ne Leser aus Ham­burg und Ber­lin, Düs­sel­dorf oder Köln von Min­der­wer­tig­keits­kom­ple­xen geplagt auf dem Boden wäl­zen und rufen: „Gro­ßer Musik­jour­na­list, ich bin unwür­dig, Dei­nen Aus­füh­run­gen zu fol­gen, aber sprich wei­ter und ver­giss auch die Fremd­wör­ter nicht, die Du Dir im ‚Ador­no für Anfänger‘-Seminar auf der Rück­sei­te Dei­nes Col­lege­blocks notiert hast!“

Damit haben wir sie im Sack und kön­nen noch ein paar Zita­te der Band­mit­glie­der ein­streu­en. Die inter­es­sie­ren zwar weder uns, noch die Leser, aber eine Band­re­por­ta­ge ohne Band wirkt halt immer etwas schwach. Dafür kön­nen wir sie mit gehäs­si­gen, klei­nen Par­ti­keln anmo­de­rie­ren, die trans­por­tie­ren, dass immer nur der doo­fe Sän­ger gere­det hat:

Wie­der­um Simon: „Wir glau­ben, dass die Leu­te hier auf so was war­ten. Sie wol­len, dass hier nicht nur loka­le Acts spie­len, son­dern auch wel­che, die sie aus dem Radio ken­nen. Die Büh­ne soll auf der Wie­se ste­hen, und das Feu­er­wehr­haus dort hin­ten wird der Back­stage­be­reich.“

Jetzt fehlt nur noch ein Schluss­satz, der das bis­her Gelern­te zusam­men­fasst:

So sieht DIY aus, wenn er nicht aus Washing­ton oder Olym­pia, son­dern aus Dins­la­ken kommt.

Es wird schon nie­mand fra­gen, war­um wir von einem Bun­des­staat oder einer Stadt reden, von der außer uns noch 23 Per­so­nen wis­sen, dass sie als Neben-Hoch­burg des ame­ri­ka­ni­schen Indie­rocks gilt. Wenn sich über­haupt noch jemand etwas fragt, dann, wie wohl DIY aus­se­hen könn­te, bei dem man nicht alles sel­ber macht.

Wenn wir die­se ein­fa­chen Regeln befol­gen, wer­den wir bald schon alle fan­tas­ti­sche Band­por­träts schrei­ben kön­nen, die das Zen­tral­or­gan des deut­schen Qua­li­täts­mu­sik­jour­na­lis­mus, der/​die/​das Intro sicher ger­ne abdruckt.

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Rundfunk Fernsehen

Geladene rote Ampel entgleist

Das „Nacht­ma­ga­zin“ der ARD ver­hält sich zum „RTL-Nacht­jour­nal“ wie „Bri­sant“ zu „Explo­siv“: Wenn oben nicht die­se klei­ne Eins in der Ecke wäre, wür­de man kaum glau­ben, dass man gera­de öffent­lich-recht­li­ches Qua­li­täts­fern­se­hen schaut. Klar: Um kurz nach Mit­ter­nacht rich­tet sich das „Nacht­ma­ga­zin“ an die Men­schen, die dann noch wach sind, und das sind eben eher die jün­ge­ren und die sind eben eher Info­tain­ment gewöhnt. Trotz­dem krie­ge ich regel­mä­ßig die Kri­se ob die­ser zwang­haf­ten Locker­heit, dem schon psy­cho­tisch wir­ken­den stän­di­gen Augen­zwin­kern und der him­mel­schrei­en­den Ober­fläch­lich­keit von Bei­trä­gen und Inter­views.

Des­halb schau­en wir uns die Sen­dung von ges­tern (also heu­te) mal genau­er an:

CSU-Vor­sitz
Gabrie­le Pau­li hat über­ra­schend gefor­dert, Ehen auf sie­ben Jah­re zu befris­ten, mit der Mög­lich­keit auf eine anschlie­ßen­de Ver­län­ge­rung. Hier von „ver­flix­ten sie­ben Jah­ren“ zu spre­chen, drängt sich der­ma­ßen auf, dass wir Ingo Zam­pe­ro­ni sei­ne augen­zwin­kern­de Anmo­de­ra­ti­on noch mal durch­ge­hen las­sen wol­len.

Doch dann geht das Elend rich­tig los, denn Fern­se­hen braucht immer Bewegt­bil­der, auch wenn es nur erklä­ren­de und über­lei­ten­de Wor­te aus dem Off gibt. Die­se Sze­nen nennt der Fach­mann „Schnitt­bil­der“ und seit mei­nem Aus­flug in die audio­vi­su­el­len Medi­en weiß ich, wie wich­tig die­se sind, und bei der ARD weiß man es erst recht:

Schnitt­bild: Gabrie­le Pau­li steht auf einer Ver­kehrs­in­sel neben einer Ampel und posiert für Foto­gra­fen.
Spre­che­rin: „Medi­en­rum­mel in Mün­chen – wie so oft, wenn Gabrie­le Pau­li sich zu Wort mel­det. Sie weiß sich in Sze­ne zu set­zen, doch jetzt ste­hen die Ampeln auf rot für sie.“

Das wich­tigs­te Buch in der Redak­ti­on von „ARD Aktu­ell“ scheint also immer noch der Meta­phern-Duden sein.

EU zu Ener­gie­markt

Ingo Zam­pe­ro­ni: „Zum Jah­res­wech­sel dürf­ten vie­le Strom­kun­den noch gela­de­ner sein, denn die Ener­gie­prei­se dro­hen erneut zu stei­gen […]. Für *Ent*spannung will jetzt die Euro­päi­sche Uni­on sor­gen.“

Es folgt ein Bei­trag, des­sen Auf­hän­ger dar­in besteht, den EnBW-Chef Utz Cla­as­sen auf dem Weg zu sei­nem Auf­tritt bei „Hart aber fair“ zu beglei­ten. Man sieht dem armen Wirt­schafts­boss förm­lich an, wie oft er die Ein­gangs­tür des WDR-Funk­hau­ses öff­nen und dann forsch (oder bes­ser noch: „ener­ge­tisch“, haha!) an der Kame­ra vor­bei­ge­hen muss­te. Dafür hat er beim O‑Ton die schmu­cke Lob­by des Fünf­zi­ger-Jah­re-Baus am Köl­ner Wall­raf­platz im Nacken.

Dann steigt Cla­as­sen ille­ga­ler­wei­se in den welt­be­rühm­ten Pater­nos­ter ein (die Benut­zung ist aus Ver­si­che­rungs­grün­den aus­schließ­lich WDR-Ange­stell­ten vor­be­hal­ten) und ent­schwin­det nach oben aus dem Bild. Es folgt ein Schnitt und Ari­bert Peters vom Bund der Ener­gie­ver­brau­cher fährt im glei­chen Pater­nos­ter von oben ins Bild hin­ein. Wol­len Sie raten, wie der Off-Kom­men­tar dazu lau­tet?

Spre­che­rin: „In genau die ande­re Rich­tung bewer­ten Ver­brau­cher­ver­bän­de die Vor­schlä­ge.“

Herr Peters hat­te dann wohl noch das Glück, für wei­te­re Schnitt­bil­der das Funk­haus am hel­lich­ten Tag wie­der zu ver­las­sen und noch in der Tür sein Mobil­te­le­fon auf­zu­klap­pen und ans Ohr zu hal­ten, obwohl es garan­tiert nicht geklin­gelt hat.

Deut­sche Ein­heit

Ingo Zam­pe­ro­ni: „Der Auf­schwung ist im Osten ange­kom­men, das sagt ein ver­hal­ten zuver­sicht­li­cher Wolf­gang Tie­fen­see und der müss­te es ja schließ­lich wis­sen: Ist er doch Ver­kehrs­mi­nis­ter – nicht nur, aber auch der Auf­bau-Ost-Beauf­trag­te der Bun­des­re­gie­rung. […] Aber die Sche­re zwi­schen Neu­en und Alten Bun­des­län­dern klaf­fe immer noch viel zu weit aus­ein­an­der. Tie­fen­see könn­te das wohl nir­gends bes­ser fest­stel­len als in – Tie­fen­see.“

Yes, inde­ed: Man hielt es für ein total ver­rück­te Idee, ins bran­den­bur­gi­sche Tie­fen­see zu fah­ren, um dort mal zu gucken, wie es im Osten denn so aus­sieht. Und da sage noch einer, Namens­wit­ze sei­en das Pri­vi­leg der Pri­vat­sen­der.

Schnitt­bild: Die Aus­la­ge eines Blu­men­händ­lers.
Spre­che­rin: „Blü­hen­de Land­schaf­ten am Orts­ein­gang. Kein Bäcker, kein Super­markt, kei­ne Knei­pe – abge­schafft, weil unren­ta­bel.“

Und kei­ne andert­halb Minu­ten spä­ter:

Schnitt­bild: Ver­las­se­nes Bahn­hofs­ge­bäu­de, Schwenk auf zuge­wach­se­ne Schie­nen.
Spre­che­rin: „Ist Tie­fen­see ent­gleist? Nein, aber Bahn­an­schluss gibt es trotz­dem kei­nen mehr.“

Meteo­ri­ten-Auf­prall

Ingo Zam­pe­ro­ni: „Es war, gän­gi­gen Theo­rien zufol­ge, ein Meteo­rit, der vor 65 Mil­lio­nen Jah­ren das Schick­sal der Dino­sau­ri­er auf unse­rem Pla­ne­ten besie­gel­te. Ganz so gewal­tig war der Ein­schlag nicht, der sich am Wochen­en­de in Peru, unweit des Titi­ca­ca­sees ereig­ne­te, und doch hat der Meteo­ri­ten-Auf­prall mys­te­riö­se Fol­gen.“

Ach, geschenkt, dass wir das schon alle bemerkt hät­ten, wenn sich die Son­ne ver­fins­tert hät­te und wir aus­ge­stor­ben wären. Irgend­wie muss man ja das The­ma anmo­de­rie­ren und im Ver­gleich zu den Vox-Spät­nach­rich­ten, wo ein armer Fach­mann mit genau einem Satz zitiert wur­de („Ich glau­be nicht, dass das Außer­ir­di­sche waren“), ist der ARD-Bei­trag zum The­ma völ­lig in Ord­nung.

Wenn ich anfan­ge, klein­lich zu wer­den, bringt mich die­se eine Aus­ga­be des „Nacht­ma­ga­zins“ noch ins Grab. Wid­men wir uns also lie­ber noch kurz dem let­zen Bei­trag der Sen­dung. Es han­delt sich um ein klas­si­sches „Nachtmagazin“-Thema: Das Krat­zen an der Pop­kul­tur.

Pop­komm

Ingo Zam­pe­ro­ni: „Der Pop kommt – bei der Pop­komm. Aber nicht nur der: Auf der inter­na­tio­na­len Musik­mes­se geht es seit heu­te wie­der um die Trends und Neu­hei­ten in allen Berei­chen der Musik- und Unter­hal­tungs­bran­che.“

Ein Brül­ler ohne Ende. Aber mal was ganz ande­res: Der Pop kommt bei?! Nicht, dass ich Bas­ti­an Sick wäre, aber das ist doch unge­fähr so neben der Spur wie das Pla­kat, das über vie­le Jah­re in mei­ner Hei­mat­stadt ein umher­rei­sen­des Kin­der­pup­pen­thea­ter ankün­dig­te. Dort stand: „Der Kas­per kommt im Thea­ter­zelt“.

Ich bin mir sicher, dort hat man fast so viel gelernt wie beim „Nacht­ma­ga­zin“ – aber nur halb so viel gelacht.

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Besser nie als jetzt.de

jetzt.de, der trau­ri­ge Inter­net-Nach­fol­ger der einst sehr guten Jugend­bei­la­ge der „Süd­deut­schen Zei­tung“, hat eine Auf­lis­tung von 25 deutsch­spra­chi­gen Blogs erstellt, aus der die Leser das „inter­es­san­tes­te deut­sche Web­log“ wäh­len sol­len.

Her­aus­ge­kom­men ist eine über­aus hete­ro­ge­ne Mischung, die neben den obli­ga­to­ri­schen Bei­spie­len BILD­blog und Spree­blick auch die Blogs von Robert Basic, Jojo Beet­le­bum und Felix Schwen­zel und das Pott­blog. In den Kom­men­ta­ren jam­mert es schon wie­der, dass da eh wie­der nur „die übli­chen Ver­däch­ti­gen, die nur des­halb in der Aus­wahl sind, weil jeder Depp meint, die­se Blogs wären ein Muss in der Blogroll“ auf­tau­chen.

Das ist natür­lich nicht falsch, offen­bart aber auch das Dilem­ma dahin­ter: An wen rich­tet sich die Lis­te? Für die Leu­te, die sich in der sog. Blogo­sphä­re aus­ken­nen, ist das kal­ter Lat­te Mac­chia­to, und wer sich nur rudi­men­tär für das The­ma inter­es­siert, wird irgend­wann glau­ben, es gäbe in Deutsch­land nur eine Hand­voll Blogs, so wie es ja auch zu jedem The­ma immer nur einen Exper­ten in den Nach­rich­ten­sen­dun­gen die­ses Lan­des gibt. Wer noch nie von Blogs gehört hat, wird die jetzt.de-Seite in der gedruck­ten „Süd­deut­schen Zei­tung“ über­blät­tern und schon gar nicht im Inter­net dar­über stol­pern. Bleibt also noch die ach so tol­le Abstim­mung.

Als wäre das nicht alles schon trau­rig genug, wer­den die 25 Blogs bei jetzt.de in der jour­na­lis­ti­schen Form prä­sen­tiert, die seit eini­ger Zeit bei sueddeutsche.de und ihren Unter­sei­ten Pflicht ist: als 26-teil­i­ge Bil­der Text­ga­le­rie, bei der man für jede Blog­be­schrei­bung eine Sei­te wei­ter­kli­cken muss.

jetzt.de sucht das “interessanteste deutsche Weblog”
Aus­ris­se: jetzt.de

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Fernere Angaben

Manch­mal ist es aber auch bit­ter für Jour­na­lis­ten: Da erhält man eine sen­sa­tio­nel­le Mel­dung und dann ist die­se Mel­dung eben nur die Mel­dung, also qua­si die Über­schrift und sonst nichts.

So mel­de­te die „Ber­li­ner Mor­gen­post“ heu­te Mor­gen offen­bar (die Mel­dung ist nicht mehr online), dass der Schau­spie­ler Ben Becker bewusst­los in sei­ner Woh­nung auf­ge­fun­den, reani­miert und ins Kran­ken­haus ein­ge­lie­fert wor­den sei.

Die Nach­rich­ten­agen­tur ddp ticker­te dann am Mit­tag fol­gen­des:

Zei­tung: Schau­spie­ler Ben Becker in Woh­nung reani­miert Ber­lin – Der Ber­li­ner Schau­spie­ler und Sän­ger Ben Becker ist einem Zei­tungs­be­richt zufol­ge bei einem Not­fall­ein­satz reani­miert wor­den. Wie die «Ber­li­ner Mor­gen­post» heu­te auf ihrer Inter­net­sei­te schrieb, wur­de er am Mor­gen leb­los in sei­ner Woh­nung in Ber­lin-Mit­te gefun­den. Der 42-Jäh­ri­ge sei minu­ten­lang reani­miert wor­den und lie­ge jetzt in einem Kran­ken­haus, hieß es. Es sol­le auch ein Spritz­be­steck in der Woh­nung gefun­den wor­den sein. Zunächst hat­te die Zei­tung geschrie­ben, Becker rin­ge mit dem Tod. Gegen Mit­tag hieß es, der Schau­spie­ler sei wie­der ansprech­bar und sein Zustand habe sich sta­bi­li­siert.

Und wenn das die kom­plet­te Nach­rich­ten­la­ge zum The­ma ist, ist mit die­sen sechs Sät­zen eigent­lich alles gesagt. Man kann sie so wie­der­ge­ben und fer­tig.

Oder wie die „Net­zei­tung“ dpa schrei­ben lässt:

Nähe­re Anga­ben gab es nicht.

Nur wirkt es dann natür­lich ein biss­chen albern, wenn man die­se Mel­dung dann noch mit der­art vie­len bio­gra­phi­schen Fak­ten auf­bläst, bis sie auf drei­fa­che Grö­ße her­an­ge­wach­sen ist.

Und wenn man die Mel­dung von 11:01 Uhr um 13:04 Uhr aktua­li­siert hat, war­um muss man dann, wenn sich die Nach­rich­ten­la­ge um 16:53 Uhr ändert, plötz­lich eine neue Mel­dung auf­ma­chen? Damit der Leser der Ursprungs­mel­dung nicht erfährt, dass es Becker inzwi­schen offen­bar wie­der bes­ser geht?

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Heute anonym

In ihren emsi­gen Bestre­bun­gen, der „Bild“-Zeitung immer ähn­li­cher zu wer­den, ist die „Rhei­ni­sche Post“ einen gan­zen Schritt wei­ter­ge­kom­men.

Die Sams­tags­aus­ga­be sah so aus:

“Rheinische Post” vom 25. August 2007

Über das Foto der Deut­schen-Bank-Zen­tra­le ist ein Brief gelegt, den eine Düs­sel­dor­fer Anwalts­kanz­lei an die Deut­sche Bank geschickt hat. In der Gra­fik­ab­tei­lung der „RP“ gab man sich größ­te Mühe, die­sen Brief zu anony­mi­sie­ren – und dabei trotz­dem dem gro­ßen Vor­bild treu zu blei­ben:

Beinahe anonym in der “RP”
(Rote Far­be: „Rhei­ni­sche Post“, Schwar­ze Bal­ken: Cof­fee And TV)

Bei­na­he wie die Pro­fis

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Spiegelkinder

Im letz­ten Jahr­tau­send, als ich noch die „Com­pu­ter Bild“ gele­sen habe (die mir erklär­te, wie man unter „Word 97“ einen Flip­per star­ten kann, und dass man das Wort „Brow­ser“ als „Brau­ser“ aus­spricht), zeich­ne­ten sich deren Arti­kel durch teils erschüt­tern­de „Wort­spie­le“ in der Über­schrift aus. Ich erin­ne­re mich an „Brenn­punkt CD“, „Eulen nach Daten“ und „Han­dy hoch“ oder sowas in der Art.

Heu­te brau­che ich kei­ne „Com­pu­ter Bild“ mehr. Heu­te habe ich „Spie­gel Online“:

“Fluch der Karibit” bei “Spiegel Online”

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„Wie man’s spricht!“

Eine der wich­tigs­ten Regeln, die man lernt, wenn man für die Lokal­re­dak­ti­on einer Tages­zei­tung ers­te Berich­te über Kanin­chen­züch­ter­ver­ei­ne und Schul­thea­ter­auf­füh­run­gen schreibt, lau­tet: „Frag lie­ber noch mal nach, wie man den Namen rich­tig schreibt!“

Das gilt natür­lich haupt­säch­lich für Kanin­chen­züch­ter wie Man­fred Sub­c­zier­c­zyk und Nach­wuchs­schau­spie­le­rin­nen wie Sabi­na Schney­da. Bei Rock­stars, die man zwecks O‑Ton-Abson­de­rung kon­tak­tiert, muss man nicht mehr unbe­dingt nach­fra­gen. Das wür­de ja irgend­wie pein­lich wir­ken und man kann ja zur Not im Inter­net nach­schau­en, wie der Inter­view­part­ner rich­tig geschrie­ben wird.

Soll­te man viel­leicht sogar:
Wer ist Tees Ullmann?
(Screen­shot: taz.de, Her­vor­he­bung: Cof­fee & TV)

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Welcome To The Nepp Parade

Hier die irre­füh­rends­ten Über­schrif­ten der letz­ten 24 Stun­den bei „Spie­gel Online“:

Nicole Richie: Schwanger - doch Vater Lionel weiß von nichts

Nun wis­sen natür­lich die meis­ten, dass Lio­nel Richie der (Adoptiv-)Vater von Nico­le Richie ist und nicht der des zu erwar­ten­den Babys. Aber unglück­lich for­mu­liert ist es schon.
USA: Welker Rasen bringt Rentnerin in den Knast

Knast bezeich­net umgangs­sprach­lich: ein Gefäng­nis […]“, weiß Wiki­pe­dia. Für „Spie­gel Online“ bezeich­net es offen­bar auch Arrest­zel­len auf Poli­zei­wa­chen. Und dass „in den Knast brin­gen“ all­ge­mein als „zu einer Gefäng­nis­stra­fe ver­ur­tei­len“ auf­ge­fasst wird (und nicht als „whe­re she sat for more than 30 minu­tes“), soll uns bei­na­he egal sein: Man ist ja schon froh, dass die Über­schrift nicht „Tro­cke­nes Gras bringt Rent­ne­rin in den Knast“ lau­tet.

Harry Potter: Rowling schürt Hoffnung auf achten Band

Wer eine Fort­set­zung selbst als „unwahr­schein­lich“ bezeich­net, kann natür­lich trotz­dem in sei­ner Über­schrift von geschür­ten Hoff­nun­gen spre­chen – es wirkt nur etwas wirr. Aber was bei der Mel­dung so alles falsch gelau­fen ist, liest man am bes­ten bei „Indis­kre­ti­on Ehren­sa­che“ und Ste­fan Nig­ge­mei­er nach.

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Die Umwelt retten mit Ole von Beust und welt.de

Heu­te fin­det, wie Sie viel­leicht mit­be­kom­men haben, Rund um die Welt „Live Earth“ statt. (Wenn Sie es nicht mit­be­kom­men haben, sind sie ent­we­der nicht son­der­lich leben­dig oder gera­de nicht auf der Erde.)

welt.de betreibt dazu eine Art Live­blog irgend­was aktu­el­les mit Schrift. Und inmit­ten die­ses Tex­tes fin­det sich mal eben die Lösung, wie man die­ses gan­ze CO2, das ja bekannt­lich in gro­ßen Men­gen für den Treib­haus­ef­fekt mit­ver­ant­wort­lich ist, schnell und prak­tisch los­wird:

Hamburger Kraftwerk verbraucht CO2
(Screen­shot: welt.de, Her­vor­he­bung: Cof­fee & TV)

Also müss­ten wir nur genug von die­sen Kraft­wer­ken bau­en und schon hät­ten kei­ne CO2-Sor­gen mehr wären wir alle tot.

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Spiegel Online macht die Nacht zum Tag

Zuge­ge­ben: Es ist etwas unge­wöhn­lich, wie in man­chen Län­dern die Uhr­zei­ten auf­ge­schrie­ben wer­den. Und das ame­ri­ka­ni­sche „a.m.“ (ante meri­diem – vor dem Mit­tag) und „p.m.“ (post meri­diem – nach dem Mit­tag) kann man schnell mal durch­ein­an­der­brin­gen, beson­ders bei Zei­ten um zwölf Uhr rum. Aber dar­um geht es gar nicht.

Zu den ver­ei­tel­ten Bom­ben­an­schlä­gen in Lon­don schreibt die BBC:
01:25 Uhr nachts bei der BBC
(Screen­shot: bbc.co.uk, Her­vor­he­bung: Cof­fee & TV)

So ziem­lich alle ande­ren Quel­len grei­fen die­se Zahl auf und rech­nen sie viel­leicht auch noch in die deut­sche Orts­zeit um.

Nur bei Spie­gel Online geht man (mal wie­der) eige­ne Wege:
Nachmittag bei SpOn
(Screen­shot: spiegel.de, Her­vor­he­bung: Cof­fee & TV)

Dabei hät­te doch irgend­wem auf­fal­len kön­nen, dass Nacht­clubs, die im Text sechs Mal erwähnt wer­den, Nach­mit­tags eher sel­ten geöff­net sind …

Nach­trag 1. Juli, 18:10 Uhr: In der (kaum rei­ße­risch beti­tel­ten) Chro­no­lo­gie „Drei Tage Angst: Alarm in Groß­bri­tan­ni­en“ ist nun kor­rekt von „01.00 Uhr (Orts­zeit)“ die Rede – im Ursprungs­ar­ti­kel ist aber immer noch „Nach­mit­tag“.

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SpOn findet „funzen“ nicht k3w1

Wenn der “Spie­gel” übers Inter­net schreibt, ist das meist ähn­lich desas­trös, wie wenn der “Spie­gel” über Spra­che schreibt. Wie erreicht man also maxi­ma­les Desas­ter mit mini­ma­lem Auf­wand? Rich­tig: Indem man jeman­den über Inter­net­spra­che schrei­ben lässt.

Die eigen­wil­li­ge Sprach­ge­stal­tung hat Tra­di­ti­on im Netz. Da schrei­ben Men­schen schon mal Sät­ze wie „Das Hijack­ing-Pro­blem könn­te man mit dem hea­der-redi­rect 301 leicht ver­mei­den.“ Die­se Spra­che nervt Web-Nut­zer.

Ja ja, die­se gan­zen ver­rück­ten Betrü­ger, Kri­mi­nel­len und Kin­der­schän­der im soge­nann­ten „Inter­net“, ganz komi­sche Leu­te.

War­um liest man eigent­lich nie sowas:

Die eigen­wil­li­ge Sprach­ge­stal­tung hat Tra­di­ti­on im Jour­na­lis­mus. Da schrei­ben Men­schen schon mal Sät­ze wie „Das Musik­ma­ga­zin ‚Rol­ling Stone‘ zähl­te Spec­tor noch 2004 zu den ‚100 groß­ar­tigs­ten Künst­lern aller Zei­ten‘.“ Die­se Spra­che nervt Leser.

Spie­gel Online ließ sei­ne Leser über die „gräss­lichs­ten Web-Wör­ter“ abstim­men. Mit erwart­ba­ren Ergeb­nis­sen:

Blogo­sphä­re. Über­set­zung von Blogos­phe­re. Meint die Gesamt­heit aller Web­logs.

Lei­der erfah­ren wir nicht, was jetzt so „gräss­lich“ an dem Wort ist. Ist es die Ein­deut­schung des eng­li­schen Begriffs, der eng­li­sche Begriff selbst oder die Tat­sa­che, dass man doch auch bequem „die Gesamt­heit aller Web­logs“ sagen könn­te. Was wir aber sicher wis­sen: Autor Kon­rad Lisch­ka hät­te sein „meint“ von sei­nem noto­ri­schen Kol­le­gen Bas­ti­an Sick um die Ohren gehau­en bekom­men.

Neti­quet­te. Benimm­re­geln für den Umgang mit­ein­an­der im Netz. Es gibt kei­ne ein­heit­li­che Lis­te, son­dern vie­le, zum Teil schrift­li­che Vor­schlä­ge – und den gesun­den Men­schen­ver­stand.

So what? Wir reden auch vom „Gesetz“, obwohl es sich dabei auch um „kei­ne ein­heit­li­che Lis­te, son­dern vie­le, zum Teil schrift­li­che“ Tex­te han­delt. Ver­stö­ße dage­gen wer­den übri­gens – im Gegen­satz zu Neti­quet­te-Ver­stö­ßen – trotz gesun­den Men­schen­ver­stands auch noch geahn­det.

Zu den „von den SPIE­GEL-ONLINE-Lesern meist­ge­nann­ten Stör-Wör­tern aus dem Inter­net“, die aber etwas ande­res sind als die „gräss­lichs­ten Web-Wör­ter“, zählt unter ande­rem:

Goo­geln: „Mit Goog­le im Inter­net suchen“, defi­niert der Duden, in dem die­ser Aus­druck für das Recher­chie­ren im Web inzwi­schen auch zu fin­den ist. „Goog­le Ear­then“ kann man beim Goog­len schon 384 Mal fin­den!

Schreck­lich! Wor­te, die im Duden ste­hen! So tu doch jemand etwas!

Zu den „gedan­ken­lo­sen Ver­nied­li­chun­gen, die man am liebs­ten nie mehr lesen oder hören will“ zählt Spie­gel Online dann das Wort „fun­zen“, womit end­gül­tig klar sein dürf­te, dass Tex­te zu Sprach­the­men dort grund­sätz­lich nur von Nicht-Lin­gu­is­ten geschrie­ben und gegen­ge­le­sen wer­den – sonst wäre sicher jeman­dem auf­ge­fal­len, dass „fun­zen“ bekannt­lich zu den Voka­beln der Ruhr­ge­biets­spra­che zählt und eben kein Com­pu­ter-Neo­lo­gis­mus ist. Und eine „Ver­nied­li­chung“ schon drei­mal nicht.

Ich will das gan­ze Elend („Jeder anstän­di­ge Web‑2.0‑Dienst hat nicht nur einen vokal­ar­men Namen, son­dern auch ein ent­spre­chen­des Verb.“) gar nicht wei­ter aus­brei­ten. Dass „Spie­gel“ und Spie­gel Online“ dump­fen Sprach­pro­tek­tio­nis­mus betrei­ben wol­len und sich noch nicht ein­mal von Lin­gu­is­tik-Pro­fes­so­ren beein­dru­cken las­sen, ist spä­tes­tens seit Mathi­as Schrei­bers gro­ßer Titel­ge­schich­te (ist die 50 Cent nicht wert) offen­sicht­lich. Das könn­te einem ja egal sein, wenn der­ar­ti­ge Geschich­ten nicht auf­ge­grif­fen und von selbst­er­nann­ten „Sprach­schüt­zern“ nach­ge­plap­pert wür­den.

Spra­che lebt und ver­än­dert sich. Gera­de Bei­spie­le wie die auch ver­teu­fel­ten Ver­ben „qypen“, „pos­ten“ oder „voi­pen“ zei­gen, wie krea­tiv man mit Spra­che umge­hen kann, und wie schnell Spra­che auf tech­ni­sche Ver­än­de­run­gen reagiert (viel schnel­ler als wei­te Tei­le der Gesell­schaft oder gar der sog. Qua­li­täts­jour­na­lis­mus). Die­se Ver­än­de­run­gen zu ver­ur­tei­len, ist unge­fähr so sinn­voll, wie die Evo­lu­ti­on zu ver­ur­tei­len.

Und wer schon über Inter­net­spra­che schreibt, soll­te (wir wis­sen: „Qua­li­täts­jour­na­lis­mus“) wenigs­tens auch mal den einen oder ande­ren Fach­mann zu Wort kom­men las­sen.

Kau­fen Sie sich des­halb unbe­dingt das „Spiegel“-Sonderheft „Leben 2.0 – Wir sind das Netz“, wenn auch Sie an nied­ri­gem Blut­druck lei­den oder ger­ne Leser­brie­fe schrei­ben!