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Zeit ist nicht auf ihrer Seite

Ich habe das Wochenende bei der Familie in Dinslaken verbracht. Als mich meine Geschwister zum Bahnhof brachten, fiel mir auf, dass die große Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz noch auf Sommerzeit stand. Nun hat man in Bahnhofsnähe in der Regel eine diffuse Ahnung, welche Stunde die richtige sein müsste – wichtiger wäre da, dass die Uhr vor dem Bahnhof und die am Gleis möglichst synchron gehen, damit man beispielsweise bei der Parkplatzsuche weiß, ob man sich beeilen sollte. Natürlich trifft auch das nicht zu.

Da fiel mir auch wieder ein, dass schon die letzte Zeitumstellung im Frühjahr, die ja auch kein spontan aufgetretenes Ereignis war, in Dinslaken verspätet vonstatten gegangen war. Etwa drei oder vier Wochen stand sie noch auf Winterzeit, bis ich eines Freitags am Bahnhof ankam und mich sehr wunderte: Entweder hatte sich spontan ein Loch im Raum-Zeit-Kontinuum gebildet, oder ich war tatsächlich vor meiner Abfahrt aus Bochum in Dinslaken angekommen. Dann fiel mir auf: Die Uhren waren in die falsche Richtung umgestellt worden und gingen nun zwei Stunden nach.

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Digital

Spiegel Online macht die Nacht zum Tag

Zugegeben: Es ist etwas ungewöhnlich, wie in manchen Ländern die Uhrzeiten aufgeschrieben werden. Und das amerikanische “a.m.” (ante meridiem – vor dem Mittag) und “p.m.” (post meridiem – nach dem Mittag) kann man schnell mal durcheinanderbringen, besonders bei Zeiten um zwölf Uhr rum. Aber darum geht es gar nicht.

Zu den vereitelten Bombenanschlägen in London schreibt die BBC:
01:25 Uhr nachts bei der BBC
(Screenshot: bbc.co.uk, Hervorhebung: Coffee & TV)

So ziemlich alle anderen Quellen greifen diese Zahl auf und rechnen sie vielleicht auch noch in die deutsche Ortszeit um.

Nur bei Spiegel Online geht man (mal wieder) eigene Wege:
Nachmittag bei SpOn
(Screenshot: spiegel.de, Hervorhebung: Coffee & TV)

Dabei hätte doch irgendwem auffallen können, dass Nachtclubs, die im Text sechs Mal erwähnt werden, Nachmittags eher selten geöffnet sind …

Nachtrag 1. Juli, 18:10 Uhr: In der (kaum reißerisch betitelten) Chronologie “Drei Tage Angst: Alarm in Großbritannien” ist nun korrekt von “01.00 Uhr (Ortszeit)” die Rede – im Ursprungsartikel ist aber immer noch “Nachmittag”.

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Leben

Guten Rusch

Ich bin (wie vermutlich sechs Milliarden andere Bundesbürger) seit einigen Jahren Besitzer der Wanduhr “Rusch” aus dem Hause IKEA. Stets hing sie über meiner Tür und zeigte mir die aktuelle Uhrzeit an. Zweimal im Jahr musste ich sie abnehmen um die Zeit umzustellen, in unregelmäßigen Abständen blieb sie stehen und bekam dann eine Batterie eingesetzt, die mein Discman nicht mehr haben wollte.

Letzte Woche blieb sie wieder einmal stehen, ich tauschte die Batterie aus, stellte die richtige Zeit ein und hängte die Uhr wieder an ihren Platz. Allein: Schon nach wenigen Sekunden blieb sie wieder stehen, der Sekundenzeiger zuckte gleichmäßig, bewegte sich aber kein Stück weiter. Nach längerer Beobachtung und mehrmaligem Ab- und Wiederaufhängen fand ich heraus: Dem Sekundenzeiger fehlt die Kraft, um zwischen der halben und der vollen Minute die Schwerkraft zu überwinden. Und weil das Vorankommen des Sekundenzeigers für die weiteren Zeiger von immenser Wichtigkeit ist, bewegte sich kein Zeiger mehr, obwohl das Uhrwerk weiter schlug.

Seit gestern liegt “Rusch” jetzt neben mir auf dem Schreibtisch – und zeigt die korrekte Uhrzeit an. Die Fragen, die sich daraus ergeben, sind: “Ist eine Wanduhr, die nicht mehr an der Wand hängt, noch eine Wanduhr?”, “Was nützt mir eine Uhr, die mit dem Zifferblatt zur Decke auf meinem Schreibtisch liegt, zwischen meinem Computermonitor und dem Telefon, die jeweils die aktuelle Uhrzeit anzeigen?”, “Ist es moralisch in Ordnung, eine eigentlich noch voll funktionstüchtige, aber leider körperlich etwas beeinträchtigte Uhr einfach auszusortieren wie einen Briefträger, dem der Nachbarshund beide Beine abgenagt hat?”, “Wer oder was füllt das optische Loch oberhalb meiner Tür und zeigt mir im Idealfall auch noch die Uhrzeit an?” sowie “Was nützt mir diese Erfahrung, wo ich doch gar nicht Gagschreiber einer Comedyshow im Privatfernsehen bin, wo man jetzt was von wegen ‘keinen mehr hochkriegen’ und ‘auf dem Rücken liegen’ erzählen könnte?”