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Seifenoper

Seit Kha­led al-Mas­ri in der ver­gan­ge­nen Woche einen Brand in einem Groß­markt leg­te, berich­tet die Bild-„Zeitung“ in beun­ru­hi­gen­der und het­ze­ri­scher Art und Wei­se über ihn (s.a. BILD­blog).

Der neu­es­te „Bild“-Artikel zum The­ma ruft mal wie­der nach einer gan­zen Men­ge nega­tiv behaf­te­ter Adjek­ti­ve und der Fra­ge, war­um man dies­mal eine Kam­pa­gne gegen einen wehr­lo­sen Mann fährt, der schon lan­ge am Boden liegt – und nicht, wie sonst üblich, gegen Schau­spie­le­rin­nen, Poli­ti­ker und Fuß­ball­trai­ner. (Nicht, dass das bes­ser wäre, aber Demon­ta­ge macht doch eigent­lich nur „Spaß“, wenn das Opfer über eine gewis­se Fall­hö­he ver­fügt, oder?)

Eines aber kann man „Bild“ nicht vor­wer­fen: dass sie ihre Arti­kel nicht bis ins kleins­te Detail recher­chiert hät­ten.

Er kauft drei blaue Kanis­ter für je 5,69 Euro, betankt sie, bezahlt und rauscht um 3.58 Uhr davon.

Der Rest des Arti­kels legt zwar den Ver­dacht nahe, dass aus­schließ­lich kleins­te Details recher­chiert und ande­re Sachen ein wenig außer Acht gelas­sen wur­den, die­ser Satz aber qua­li­fi­ziert die zustän­di­gen Autoren für das Gol­de­ne Sei­fen­stück.

Das „Gol­de­ne Sei­fen­stück“ lei­tet sei­nen Namen aus einem „Spiegel“-Artikel über den 11. Sep­tem­ber 2001 ab, in dem aus­ge­führt wur­de, dass sich Moham­med Atta viel­leicht mit einem 28,3 Gramm schwe­ren Stück Sei­fe gewa­schen habe, bevor er zum Flug­ha­fen fuhr, um ein Flug­zeug zu ent­füh­ren und ins World Trade Cen­ter zu steu­ern (nach­zu­le­sen auch in die­sem Buch). Es wird seit­dem in unre­gel­mä­ßi­gen Abstän­den für beson­ders detail­lier­te, aber völ­lig sinn­lo­se Recher­che­tä­tig­kei­ten von Jour­na­lis­ten ver­lie­hen. Von mir.

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Rundfunk Print Fernsehen

Perpetuum Mobile

Letz­te Woche befass­te sich Ste­fan Nig­ge­mei­er in sei­ner FAS-Kolum­ne „Tele­text“ mit Max Schra­din, einem lau­ten und nur bedingt sym­pa­thi­schen End­zwan­zi­ger, der beim umstrit­te­nen Anrufsen­der 9live dafür zustän­dig ist, auf halb­her­zig bekrit­zel­te Flip­charts zu zei­gen und in nicht näher nach­voll­zieh­ba­ren Inter­val­len sehr laut von Zehn bis Null zu zäh­len.

Schra­din reagier­te dar­auf mit dem über­ra­schen­den Vor­ha­ben, die­sen Text über sich live im Fern­se­hen zu dekla­mie­ren und mit eige­nen Anmer­kun­gen zu ver­se­hen. Dass er dabei eini­ge beson­ders kri­ti­sche Text­stel­len über­ging, war sicher der Auf­re­gung geschul­det, zum ers­ten Mal bei 9live einen Text vor­tra­gen zu müs­sen, in dem Sub­jekt, Prä­di­kat und Objekt, sowie eini­ge Neben­sät­ze zwei­ter Ord­nung vor­ka­men. Die­ser, in jeder Hin­sicht bemer­kens­wer­te, Vor­trag ist bei seven­load zu sehen und wur­de selbst­ver­ständ­lich auch in Ste­fans Blog hin­rei­chend gewür­digt.

Ich konn­te natür­lich mal wie­der mei­ne Klap­pe nicht hal­ten und schrieb in den Kom­men­ta­ren:

Zur Stei­ge­rung der media­len Rekur­si­on wür­de sich das Gan­ze aber auch als Tel­e­dia­log in der FAS ganz gut machen.

Und obwohl ich mei­nen Ein­fluss auf die Inhal­te einer der wich­tigs­ten und bes­ten Sonn­tags­zei­tun­gen des Lan­des bis heu­te Mor­gen als sehr gering ein­ge­schätzt hät­te (und dies auch nach wie vor tue), ver­spür­te ich doch ein leich­tes Ste­chen im Hirn, als ich die heu­ti­ge Aus­ga­be der FAS auf­schlug und den aktu­el­len „Tel­e­dia­log“, der in Erman­ge­lung eines Gesprächs­part­ners aus­nahms­wei­se „Tele­mo­no­log“ heißt, sah. Denn (natür­lich) haben die kun­di­gen Medi­en­re­dak­teu­re der FAS dort einen Teil des­sen abge­druckt, was Max Schra­din so von sich gab, wäh­rend er aus der FAS vor­las – inklu­si­ve der Zita­te aus der FAS-Kolum­ne der letz­ten Woche.

Nun hof­fe ich ein­fach mal, dass Schra­dins Hang zur Post­mo­der­ne ähn­lich groß ist wie die Gewinn­chan­cen eines 9li­ve-Anru­fers, denn die Vor­stel­lung, dass in der nächs­ten Woche in der FAS ein Text auf­taucht, der wider­spie­gelt wie Max Schra­din aus einem FAS-Text vor­liest, der eine Mit­schrift sei­ner Vor­le­sung aus einem FAS-Text ist (in dem Schra­din bereits ori­gi­när zitiert wur­de), macht mich ganz schwin­de­lig.

Und da sage noch einer, die Blogo­sphä­re sei rekur­siv …

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„Es gibt doch nichts Schlimmeres als nervende B‑Promis.“

Wie jeder Fuß­ball- und Nicht-Bay­ern-Fan, so habe natür­lich auch ich eine ordent­li­che Abnei­gung gegen den FC Bay­ern Mün­chen. Wie vie­le ande­re Nicht-Bay­ern-Fans hege aber auch ich gro­ße Sym­pa­thien für Meh­met Scholl. Der Mit­tel­feld­spie­ler, der sich auch als Sam­pler-Kom­pi­lie­rer einen Namen gemacht hat, been­det heu­te sei­ne Kar­rie­re als Pro­fi­fuß­bal­ler.

Grund genug für die Süd­deut­sche Zei­tung, noch ein­mal ein aus­führ­li­ches Inter­view mit ihm zu füh­ren – auch wenn er sonst ungern Inter­views gibt:

Ich woll­te mich eben nur dann äußern, wenn ich auch etwas zu sagen habe. Ich woll­te das Gefühl haben, dass mir jemand zuhört. Vie­le Leu­te geben Inter­views nicht, weil sie was zu sagen haben, son­dern weil sie wo erschei­nen möch­ten. Sie bezie­hen ihren Markt­wert daher und wer­den mit Wer­be­ver­trä­gen belohnt. Das ist in Ord­nung. Aber nichts für mich.

Es ist ein Anek­do­ten­rei­ches, selbst­kri­ti­sches und ver­söhn­li­ches Inter­view, das ein­mal mehr das Bild bestä­tigt, das man von Meh­met Scholl all­ge­mein so hat: Ein Typ, den man in einer Knei­pe erst auf den zwei­ten Blick ent­deckt, dem man ein Bier aus­ge­ben und sich nett mit ihm unter­hal­ten wür­de.

Mir ging es um den Erhalt einer gewis­sen Lebens­qua­li­tät – und zudem dar­um, den Leu­ten nicht auf die Ner­ven zu gehen. Es gibt doch nichts Schlim­me­res als ner­ven­de B‑Promis.

Es ist aber auch nicht zuletzt des­halb ein tol­les Inter­view, weil man sich die Sze­ne­rie (zwei­ein­halb Stun­den im Restau­rant, am Neben­tisch sitzt Ste­fan Effen­berg nebst Gat­tin) so leb­haft vor­stel­len kann – inklu­si­ver der ungläu­bi­gen Bli­cke der SZ-Redak­teu­re bei die­ser Sze­ne:

Meh­met Scholl: Stellt’ euch mal vor, ich täusch’ an und lau­fe auf Uli Hoe­neß auf. Dann sin­ke ich wie die Tita­nic!

SZ: Das will ja kei­ner. Wo wer­den Sie dann künf­tig Ihren Spiel­trieb aus­le­ben?

Meh­met Scholl: Kegeln wer­de ich.

SZ: KEGELN?

Ich wün­sche Meh­met Scholl, dass er heu­te noch mal ein Tor schießt (es wäre sein ers­tes in die­ser Sai­son) – und nur sei­net­we­gen dür­fen die Bay­ern heu­te aus­nahms­wei­se mal gewin­nen.

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„Die wichtigen medienethischen Grundsätze“

Die Kar­rie­re des Bodo Hom­bach ist geprägt von merk­wür­di­gen Zufäl­len. So war er z.B. neun Mona­te Kanz­ler­amts­mi­nis­ter unter Ger­hard Schrö­der, ehe er u.a. wegen Vor­wür­fen, der Ener­gie­kon­zern VEBA habe den Bau sei­nes Pri­vat­hau­ses in Mül­heim a.d. Ruhr mit einer sechs­stel­li­gen Sum­me unter­stützt, zurück­trat. Dar­auf­hin wur­de er Spe­cial Coor­di­na­tor of the Sta­bi­li­ty Pact for South-East Euro­pe bei der EU und soll­te u.a. dabei hel­fen, die Kor­rup­ti­on in Süd­ost­eu­ro­pa zu bekämp­fen.
Seit 2002 ist Hom­bach Geschäfts­füh­rer der WAZ-Medi­en­grup­pe, die dar­auf­hin eine mono­pol­ähn­li­che Stel­lung auf dem Medi­en­markt Süd­ost­eu­ro­pas auf­bau­te.

Das alles soll uns aber gar nicht inter­es­sie­ren, denn die­ser Bodo Hom­bach von die­ser WAZ-Medi­en­grup­pe hat nun einen Ver­hal­tens­ko­dex vor­ge­stellt, der u.a. eine kla­re Tren­nung von redak­tio­nel­len Inhal­ten und Wer­bung vor­sieht:

Wer­be­bot­schaf­ten dür­fen nicht in einer Auf­ma­chung (Schrift­art und Typo­gra­phie) prä­sen­tiert wer­den, die für redak­tio­nel­le Bei­trä­ge üblich ist.

Die Idee ist natür­lich weder neu noch blöd, genau genom­men fin­det man sie auch unter Zif­fer 7 im Pres­se­ko­dex, an den sich alle Jour­na­lis­ten hal­ten soll­ten – die Ergeb­nis­se sind bekannt.

Span­nen­der ist schon, was der Kodex zur immer wie­der kri­ti­sier­ten Pra­xis bei Rei­se­re­por­ta­gen (das Rei­se­un­ter­neh­men zahlt, der Arti­kel fällt ent­spre­chend wohl­wol­lend aus) zu sagen hat:

Für Pres­se­rei­sen, bei denen der Ver­an­stal­ter alle Kos­ten über­neh­men will, ist vor einer Zusa­ge der jour­na­lis­ti­sche Wert kri­tisch zu prü­fen. Anzu­stre­ben ist die Her­aus­rech­nung eines WAZ-Kos­ten­an­teils, den der Ver­lag bezahlt. Von der Grund­re­gel der Kos­ten­über­nah­me kann abge­wi­chen wer­den, wenn die Her­aus­rech­nung eines Eigen­an­teils nicht prak­ti­ka­bel ist oder bei den Ein­la­dern des Anlas­ses auf Befrem­den sto­ßen wür­de – zum Bei­spiel bei Eröff­nungs­flü­gen.
Rei­ne „Lust­rei­sen“ müs­sen abge­lehnt wer­den.

Auch die Vor­tei­le der sog. Jour­na­lis­ten­ra­bat­te sol­len ein­ge­schränkt wer­den:

Die Inan­spruch­nah­me von Pres­se­ra­bat­ten ist dem Chef­re­dak­teur /​ der Chef­re­dak­teu­rin anzu­zei­gen, wenn die Vor­teils­ge­wäh­rung deut­lich über den Rah­men han­dels­üb­li­cher Rabat­te hin­aus­geht. Die­se Rege­lung dient der Ver­mei­dung von Inter­es­sen­kol­li­sio­nen.

Und auch ein paar eh gesetz­lich gere­gel­te Sachen wer­den noch mal klar­ge­stellt:

Auf nicht-öffent­li­chen Vor­aus­in­for­ma­tio­nen beru­hen­de Insi­der-Geschäf­te mit Wert­pa­pie­ren sind ver­bo­ten. Eine Vor­ab-Unter­rich­tung darf nur für die jour­na­lis­ti­sche Ver­öf­fent­li­chung, nicht aber geschäft­lich und zur per­sön­li­chen Vor­teils­ge­win­nung genutzt wer­den.

Lei­der fin­det sich im WAZ-Kodex kein Wort zum The­ma Ideen­dieb­stahl und Quel­len­an­ga­ben. Viel­leicht geht man davon aus, dass nie­mand bei der WAZ je auch nur auf die Idee käme, irgend­was irgend­wo abzu­schrei­ben und ver­traut auf die Auf­rich­tig­keit sei­ner Autoren. Wo man doch jetzt das Qua­li­täts­sie­gel des Deut­schen Jour­na­lis­ten­ver­bands hat.

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Musik Print

„Viel schlimmer ist doch, dass mittlerweile jede Putzfrauenstelle übers Fernsehen gecastet wird.“

Wer sich für groß­ar­ti­ge Sät­ze von groß­ar­ti­gen Musi­kern begeis­tern kann, dem sei der aktu­el­le Musik­ex­press (Mai 2007) wärms­tens ans Herz gelegt. Auf lei­der nur einer Sei­te befragt Jan Wig­ger Peter Hein von den Fehl­far­ben – und der sagt so vie­le tol­le Sachen, dass man gar nicht mehr weiß, wel­chen Spruch man sich dem­nächst auf ein T‑Shirt (wohl vor­sichts­hal­ber in XXXXXL) dru­cken las­sen soll.

Zum The­ma Fuß­ball-WM und dem sog. „posi­ti­ven Patrio­tis­mus“ (Fah­nen­schwen­ken):

Ich habe natür­lich gegen die deut­sche Mann­schaft gehal­ten, das mache ich immer. Zum Fah­nen­schwen­ken: Natür­lich geht das. Die Hälf­te der Leu­te mit den Fah­nen konn­te ja kaum Deutsch, die leben halt hier und konn­ten ihrem von zu Hau­se gewohn­ten Fah­nen­schwen­ken mal frei­en Lauf las­sen. Ich fand es auch in Ord­nung, wie man sich mit die­sen Wink­ele­men­ten an den Autos lächer­lich gemacht hat.

Über Franz Josef Wag­ners Kolum­ne in der „Bild“-Zeitung:

„Post von Wag­ner“ fand ich frü­her nur blöd. Aber seit­dem mir mal jemand plau­si­bel gemacht hat, dass der wirk­lich „amt­lich durch­ge­knallt“ ist, blei­be ich dar­an hän­gen. […] Also ab und zu schreibt der auch was Wah­res, und ich lese das mit Belus­ti­gung.“

Auf die Fra­ge, ob Pete Doh­erty Punk sei:

Also Pete Doh­erty ganz bestimmt nicht, der ist eher Sid Vicious. Und das ist nicht Punk, son­dern (über­legt) … Depp.

Als ihm der Pro­mo­ter eine Bröt­chen­tü­te reicht:

Mensch, da ist ja gar nichts von dem drin, was ich bestellt habe. Kein Ei, kein Sand­wich, nur so’n Kör­ner-Kack. Wenigs­tens ist das Tier tot, was auf dem Bröt­chen ist.

Über MP3s:

Das ist im Prin­zip nur Schei­ße, da gehst du ein­mal mit nem Magnet vor­bei, und dann haben sie ihre Musik mal gehabt. Ich stel­le mir immer vor, wie die jetzt 30-Jäh­ri­gen in zwan­zig Jah­ren auf dem Floh­markt ste­hen und da ihre Chips ver­hö­kern (ver­stellt die Stim­me): „Ey, hal­lo, 30 Giga­byte, ey voll krass, mus­su hören!“

Der Rest des Hef­tes ist auch zu emp­feh­len, die neue Fehl­far­ben-Plat­te offen­bar auch.

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Bloody April

Ges­tern wur­den auf dem Cam­pus der Uni­ver­si­tät von Blacksburg, Va. mehr als 30 Men­schen von einem Amok­läu­fer erschos­sen. Das ist unglaub­lich schreck­lich, eine sehr, sehr trau­ri­ge Geschich­te. Vie­le Men­schen rund um die gan­ze Welt sind ent­setzt und sprach­los – und es wäre wirk­lich wün­schens­wert, wenn auch die Jour­na­lis­ten ange­denk eines sol­chen Ereig­nis­ses ein­fach mal sprach­los wären und die Schnau­ze hiel­ten. Die New York Times doku­men­tiert sehr ein­drucks­voll, wie die Fern­seh­re­por­ter auf dem Cam­pus ein­fie­len, und wie Augen­zeu­gen per Han­dy­ka­me­ra und Inter­net die Nach­rich­ten­sta­ti­on mit Bil­dern aus der Schuss­li­nie ver­sorg­ten. Der Arti­kel schließt mit einem Zitat, das zynisch zu nen­nen ich mich nicht scheue:

“Stay out of harm’s way,” the CNN anchor Don Lemon said, addres­sing stu­dents at Vir­gi­nia Tech. “But send us your pic­tures and video.”

Aber auch die deut­schen Medi­en schal­te­ten sofort auf Tur­bo und schrit­ten beherzt und enthirnt zur Tat. Dabei war die „Bild“-Schlagzeile, die etwas vom „größ­ten Blut­bad aller Zei­ten“ fasel­te, sogar noch das kleins­te Übel. Je nach­dem, wie man den Begriff „Blut­bad“ defi­niert und wie man den Super­la­tiv räum­lich ein­schrän­ken will, stimmt die Behaup­tung sogar: in den USA hat es nie einen Amok­lauf mit mehr Todes­op­fern gege­ben.
In fast jeder Zei­tungs- oder Fern­seh­re­dak­ti­on muss­te sich ein Mit­ar­bei­ter dar­an machen, eine Chro­nik der schlimms­ten Amok­läu­fer zu erstel­len. Auch das kann man kri­tisch sehen, aber es kann ja auch ganz hilf­reich sein, sich noch mal ein paar Fak­ten ins Gedächt­nis zu rufen.
Da schon wäh­rend des Amok­laufs reich­lich von Stu­den­ten der Vir­gi­nia Tech über die Ereig­nis­se gebloggt wur­de, kann man sich nun an die Web-Aus­le­se machen. Das ist sogar aus medi­en­theo­re­ti­scher Sicht hoch­in­ter­es­sant, da es bis­her kaum ver­gleich­ba­re Ereig­nis­se gibt, die der­art medi­al abge­deckt sind.

Was Spie­gel Online sich dann aber noch leis­tet, ist ent­we­der als Beschäf­ti­gungs­the­ra­pie für Prak­ti­kan­ten oder als end­gül­ti­ge Gleich­set­zung von SpOn mit „Bild“ anzu­se­hen:

Die Amok­läu­fe von Litt­le­ton, Erfurt und Blacksburg haben nicht nur das Leid und den Schre­cken gemein­sam, den weni­ge über vie­le gebracht haben. Sie tei­len auch den Monat, in dem die Schre­ckens­ta­ten ver­übt wur­den.

Und in deed: das ein­zi­ge, was dem Arti­kel noch fehlt, sind die Quer­sum­men der Tage, an denen die Amok­läu­fe statt­fan­den (34, 16, 20). Über den gest­ri­gen Täter schreibt jdl:

Waren Kle­bold und Har­ris auch sei­ne Vor­bil­der? Kann­te er die Wahn­sinns­tat des Robert Stein­häu­ser? War das Datum bewusst gewählt? Schon die Fra­gen sind beängs­ti­gend. Wie wer­den erst die Ant­wor­ten sein?

Beängs­ti­gend, für­wahr. Denn die „Bild“-gleiche Über­schrift

Monat der Mas­sa­ker: Blu­ti­ger April

bezieht sich ja gar nicht auf eine mög­li­che Nach­ah­mungs­tat (die man im Moment eben­so wenig aus­schlie­ßen wie bestä­ti­gen kann), son­dern auf einen ver­damm­ten Monat. Ein Blick in die SpOn-eige­ne Chro­nik hät­te gezeigt, dass von den 18 dort auf­ge­führ­ten Amok­läu­fen 15 in Nicht-April-Mona­ten statt­fan­den – dafür vier im März (!!!!1). Viel­leicht liegt es ja an den Ster­nen

Nach­trag, 19:17 Uhr: Ste­fan Nig­ge­mei­er schreibt dazu:

Im welt­wei­ten Ren­nen um den dümms­ten Bericht zum Amok­lauf in Blacksburg liegt Spie­gel Online mit die­sem Arti­kel fast unein­hol­bar in Füh­rung

War­ten wir’s ab …

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Lost In The Supermarket

Es kommt nicht häu­fig vor, dass mir ein Zei­tungs­ar­ti­kel aus dem Her­zen spricht. Gera­de war es aber soweit: Ralph Mar­tin, ein Ame­ri­ka­ner in Deutsch­land, fragt sich in der FAZ, war­um alle Deut­schen so begeis­tert zu Aldi ren­nen und offen­bar nie­mand in die­sem Land mehr bereit ist, für Qua­li­tät auch sog. anstän­di­ge Prei­se zu bezah­len.

Was das für die Gesamt­ge­sell­schaft bedeu­tet, wur­de mir klar, als ich las, dass die reichs­ten Deut­schen nicht die Hohen­zol­lerns oder Thurn und Taxis sind, son­dern die Brü­der Albrecht, die sich mit 32 Mil­li­ar­den Euro in der glei­chen Kate­go­rie bewe­gen wie Bill Gates oder die Erben von Sam Walt­on, der Wal-Mart grün­de­te.

Mit sei­nem lesens­wer­ten (und nur bedingt pole­mi­schen) Text haut Mar­tin in die glei­che Ker­be, die ich schon bei Eric T. Han­sen so span­nend fand: Ame­ri­ka­ner kom­men nach Deutsch­land, wun­dern sich und stel­len den Deut­schen dann ihr Land in der Außen­an­sicht vor (das mei­ne ich ganz ohne Iro­nie).
Als ich im ver­gan­ge­nen Dezem­ber nach drei Mona­ten USA nach Deutsch­land zurück­kehr­te, woll­te ich jedem Men­schen im Super­markt das zubrül­len, was Mar­tin auch schreibt:

Nur scheint es in Deutsch­land nie­mand zu mer­ken, wie beängs­ti­gend bil­lig Lebens­mit­tel hier im Ver­gleich zu ande­ren Indus­trie­län­dern sind.

Ich kam aber nicht dazu, weil ich mei­ne Ein­käu­fe sel­ber ein­pa­cken muss­te.

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Null-Blog-Generation (2)

Man kann ja ein durch­aus gespal­te­nes Ver­hält­nis zu Web 9 3/​4 und der Blogo­sphä­re haben. Irgend­wie sind wir hier ja auch ein Teil davon, aber trotz­dem kann ich nicht alles nach­voll­zie­hen und ver­ste­hen, was da vor sich geht. Muss und will ich aber auch gar nicht.

So ver­ste­he ich zum Bei­spiel nicht so ganz, war­um man sich als Ver­tre­ter eines digi­ta­len Medi­ums mit all des­sen Vor- und Nach­tei­len aus­ge­rech­net im Real Life tref­fen muss, um in einem Raum zu sit­zen und dann doch wie­der haupt­säch­lich den Lap­top auf dem Schoß zu haben. Aber wie man aller­or­ten lesen kann, schei­nen die Men­schen auf der re:publica durch­aus ihren Spaß gehabt und sich erfolg­reich aus­ge­tauscht zu haben. Und das wie­der­um fin­de ich gut, so wie ich Blogs an sich auch gut fin­de.

Die Macher von tagesschau.de fin­det Blogs auch gut, sonst hät­ten sie sich wohl kaum ein eige­nes ange­legt. Des­halb berich­ten sie auch groß über die re:publica und las­sen den Text sogar von jeman­dem schrei­ben, der Ahnung von der Mate­rie hat.

Nur: Wenn man im Inter­net einen Arti­kel über Blogs schreibt, der für nicht weni­ge Men­schen ein Ein­stieg ins The­ma Blogs sein könn­te, und in dem John­ny Haeus­ler, Mar­kus Becke­dahl, Sascha Lobo und Udo Vet­ter nament­lich und in ihrer Eigen­schaft als Blog­ger erwähnt wer­den, war­um in Drei­teu­fels­na­men ist dann auch hier KEIN EINZIGES Blog ver­linkt? Nir­gend­wo..

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Digital

Die Ziehung der Jahreszahlen

Eine der ers­ten Regeln, die man auf jeder Jour­na­lis­ten­schu­le, ach­was: als jugend­li­cher frei­er Mit­ar­bei­ter bei jeder Lokal­zei­tung lernt, ist die, dass jeder Arti­kel eine gute Eröff­nung brau­che. Einen kna­cki­gen Satz, einen Eye Cat­cher, eine Zei­le, die den Leser am Kra­gen packt und bis zum letz­ten Punkt im letz­ten Absatz nicht mehr los­lässt.
Eine wei­te­re wich­ti­ge Regel ist die, dass man gut recher­chie­ren soll­te, was man in sei­nen Arti­keln so behaup­tet.

Und jetzt über­le­gen wir mal alle, wel­che die­ser bei­den Regeln Flo­ri­an Leclerc von FAZ.NET in sei­nem Arti­kel „Bür­ger­re­por­ter im Netz“ nicht beher­zigt hat:

Zwölf Jahre ist das Internet nun alt.

PS: Selbst das WWW ist älter als zwölf Jah­re, wie ein kur­zer Blick in Geschich­te des Inter­nets erge­ben hät­te.