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Musik

Podcast: Episode 7

Lukas ist ein bisschen erkältet und hat deshalb zum ersten Mal Husten gehört, die Indie-Supergroup von Gisbert zu Knyphausen, Moses Schneider und Tobias Friedrich. Außerdem spielt er neue Songs von ARXX, Arlo Parks, Muff Potter und The National und ein Lieblingslied von Japandroids:

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Alle Songs:

  • Husten feat. Sophie Hunger – Dasein
  • ARXX – The Last Time
  • Men I Trust – Ring Of Past
  • Arlo Parks – Impurities
  • Muff Potter – Beachbar
  • Gracie Abrams – Where Do We Go Now?
  • The National – Eucalyptus
  • Japandroids – Fire’s Highway
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Musik

Podcast: Episode 6

Am 25. März ist der erste Todestag von Taylor Hawkins, dem Schlagzeuger der Foo Fighters. Ich bin kein Experte oder Biograph für Taylor Hawkins, aber ich mochte ihn immer und ich mag Schlagzeug spielen und deshalb schaue ich heute in einer sehr persönlichen und etwas emotionalen Folge zurück auf das Leben dieses begnadeten Rockstars:

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Alle Songs:

  • Foo Fighters – Stacked Actors
  • Alanis Morissette – You Oughta Know (Live)
  • Foo Fighters – Next Year
  • Foo Fighters – Cold Day In The Sun
  • Dennis Wilson – Holy Man (Taylor Hawkins Version)
  • Taylor Hawkins & The Coattail Riders – Not Bad Luck
  • King Princess – Let Us Die
  • Foo Fighters – My Hero (Live Acoustic)

Shownotes:

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Musik

Podcast: Episode 5

Bochum, das musikalische Zentrum der Bundesrepublik: Jana von Janou erzählt uns, was es mit dem neuen Song „Boy Is Broken“ auf sich hat, dann hören wir Philine Sonny, unsere Botschafterin beim SXSW. Außerdem hat Lukas neue Musik von Meet Me @ The Altar, King Princess und Kendrick Scott mitgebracht, wir schwelgen in Erinnerungen und tanzen zum Oscar-prämierten „Naatu Naatu“.

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Alle Songs:

  • Janou – Boy Is Broken
  • Philine Sonny – Same Light
  • Meet Me @ The Altar – Thx 4 Nothin’
  • Death Cab For Cutie – I Miss Strangers (Acoustic)
  • Travis – Flowers In The Window (Live)
  • Kaala Bhairava, M. M. Keeravani, Rahul Sipligunj – Naatu Naatu
  • Kendrick Scott – One Door Closes, Another Opens
  • King Princess – The Bend

Show notes:

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Film Digital

Don’t mention the war

1940 sagte Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel über den deutschen Diktator Adolf Hitler, dessen Armee gerade Frankreich und die BeNeLux-Staaten überrannt hatte, dieser sei der „größte Feldherr aller Zeiten“. Nach der verheerenden Niederlage in der Schlacht um Stalingrad machte diese Formulierung in der deutschen Bevölkerung mit eher sarkastischer Konnotation die Runde und Hitler wurde in Anlehnung an den Abkürzungswahn, der Deutsche seit Jahrhunderten umtreibt, zum „GröFaZ“ erklärt.

Man darf davon ausgehen, dass die Formulierung – anders als das „Tausendjährige Reich“ – die Jahrzehnte überdauert hat, denn im November 2007 sagte der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble auf dem Höhepunkt der öffentlichen Diskussion um die sog. Vorratsdatenspeicherung laut „taz“:

„Wir hatten den ‘größten Feldherrn aller Zeiten’, den GröFaZ, und jetzt kommt die größte Verfassungsbeschwerde aller Zeiten“

Schäuble schaffte es damit in meine Liste der Nazi-Vergleiche, die es damals zu einer gewissen Popularität in der deutschen Blogosphäre brachte, später mit Ergänzungen in Daniel Erks Buch „So viel Hitler war selten“ für die Nachwelt festgehalten wurde und inzwischen auch schon 15 Jahre alt ist.

Man könnte also schlussfolgern, dass die Formulierung „größter Irgendwas aller Zeiten“ in Deutschland mit einer gewissen Vorsicht verwendet werden sollte. Besonders, wenn es um Deutschland geht. Oder Krieg.

Und damit kommen wir zur gestrigen Berichterstattung von Bild.de über die Oscar-Verleihung und den deutschen Antikriegsfilm „Im Westen nichts Neues“:

Holen wir heute unseren größten Oscar aller Zeiten?

Das ist kompositorisch schon nah an der Perfektion (wenn man unter „Perfektion“ auch Dinge versteht wie eine überlaufende Toilette, die die ganze Wohnung in Mitleidenschaft zieht): der Soldat mit Stahlhelm; das fröhlich dummstolze Stammtisch-„Wir“, das „Bild“ immer hervorholt, wenn gerade Fußball-WM ist oder ein Papst gewählt wird; die Formulierung an sich — und natürlich das Gold drumherum.

Im Artikel fasst der Bild.de-Autor seine Eindrücke vom Film so zusammen:

Die Regie genial. Die Kamera anbetungswürdig. Das Szenenbild: Einfach nur krass.

„Okay“, hätte ich gesagt. „Das passiert, wenn man Berufseinsteiger um die 25 Texte schreiben lässt: Die Sprache ist etwas umgangssprachlicher und sie verwenden aus Versehen Formulierungen, für die ihnen im entscheidenden Moment die Goldwaagen-App auf dem Smartphone fehlt.“

Stellt sich raus: Der Text ist von Bild.de-Redakteur Ralf Pörner. Und der müsste inzwischen 60 sein.

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Musik

Podcast: Episode 4

Im Bochumer Schneegestöber baut Lukas sein musikalisches Lagerfeuer auf, an das Ihr Euch alle kuscheln könnt: Nach einer etwas ausufernden, sehr persönlichen Rückschau auf das allerletzte Pale-Konzert vergangene Woche in Köln spielt Lukas neue Songs von Nia Archives, Freekind und Maro und den deutschen Beitrag zum ESC 2023. Von herzerwärmend bis Kleinholz ist also alles dabei!

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Alles Songs:

  • Pale – Someday You Will Know
  • Kilians – Fight The Start
  • Nia Archives – Conveniency
  • Freekind – Good Vibrations
  • Scowl – Opening Night
  • Lord Of The Lost – Blood & Glitter
  • Maro – Em porta trancada
  • Rufus Wainwright feat. Brandi Carlile – Down In The Willow Garden

Shownotes:

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Musik

Goodbye Trouble

Gestern war ich auf einer Trauerfeier. Und auf einem Klassentreffen. Und auf dem ersten (indoor) Konzert seit drei Jahren. Pale hatten zum One-Night-Only-Konzert ins Kölner Gloria gebeten und die Indie-Crowd, die vor 20 Jahren auf Visions-Partys Smirnoff Ice getrunken hatte, war geschlossen angetreten — mit Mützen über dem lichter werdenden Haar, ohne Trainingsjacken mit Städtenamen drauf und mit nur einem Bier in der Hand, denn man muss ja noch fahren und die Kinder werden so früh wach.

Die erste Welle der Ekstase schwappt schon hoch, als das Licht für die Vorband ausgeht. Pale hatten vage „Gäste“ und „Freunde“ angekündigt und so geht es als kollektive Selbstbestätigung durch, als wir sehen, dass es wirklich Thees Uhlmann ist, der da auf die Bühne schlurft. Doch – behold! – er ist nicht alleine, mit ihm kommt Marcus Wiebusch raus. Das macht Sinn, sind doch das letzte Pale-Album 2006 und das jetzt aber wirklich allerletzte Pale-Album 2022 beim Grand Hotel van Cleef erschienen, dem Label, das die beiden 2002 gegründet hatten und dessentwegen wir uns alle kennen und gute Musik hören. „Gebt dem Nachwuchs eine Chance“, scherzt Thees, dann spielen die beiden sechs Songs aus dem großen kettcar/Tomte/Thees-Uhlmann-Werk. Wir hätten auch 20 genommen, aber sie sind ja nur als Warm-Up hier und bringen das Gloria erfolgreich auf Betriebstemperatur. Leider auch buchstäblich.

Vor dem Pale-Konzert (Foto: Lukas Heinser)

Dann leuchtet der Pale-Schriftzug über der Bühne auf und die Band (oder das, was von ihr übrig ist) betritt unter einem der dicksten Auftrittsapplause, die ich je erlebt habe, das Scheinwerferlicht. Nach dem ersten Song sagt Sänger/Gitarrist Holger Kochs, er habe sich in den letzten Tagen eine lange Ansage ausgedacht und wieder verworfen, denn wir wüssten ja eh alle, warum wir da sind: „Für Christian!“

Christian Dang-anh war der Gitarrist von Pale, „der einzige richtige Musiker innerhalb der Band“, wie die anderen selbst sagen. 2019, zehn Jahre nach der Auflösung der Band, wurde bei ihm ein Gehirntumor diagnostiziert, was die Mitglieder auf die Idee brachte, wieder gemeinsam Musik zu machen. Schlagzeuger und Holgers Bruder Stephan Kochs hatte mit einer eigenen schweren Erkrankung zu kämpfen, dann kam die Pandemie und im Frühjahr 2021 ist Christian leider gestorben.

Aus diesen Sessions und Erfahrungen ist „The Night, The Dawn And What Remains“ entstanden, das wirklich allerletzte Album, dessen Songs heute Abend alle zur Aufführung kommen — neben den ganzen Hits, natürlich, wobei mir irgendwann auffällt, dass es false memory meinerseits war, zu glauben, ich hätte die Musik der Band „schon damals“ „immer viel“ gehört.

Zwischen den Songs sagt Holger so viele kluge Sachen über das Leben und die Gegenwart, die man genießen und feiern solle, dass ich mir denke, dass ich mir die alle merken werde. Jetzt könnte ich natürlich nichts mehr davon zitieren, aber das ist total egal, weil ich ja WEISS, dass er Recht hat.

Sie spielen „Man Of 20 Lives“ für Stephan, der heute nur im Publikum ist. Zu „Bigger Than Life“ werden im Hintergrund alte Videos und Bilder von Christian projiziert und ich denke mal wieder, wie so oft, über Musik: „This is my church / This is where I heal my hurts“. (Maxi Jazz von Faithless ist übrigens im Dezember auch gestorben.) Holger singt – „auch wenn’s pathetisch klingt“ – „Wake Up!“ für seine Kinder und ich stehe da inmitten einer wild zusammengewürfelten Gruppe alter Freunde und Bekannter, jetzt sind wir alle Väter, und ich muss mich gar nicht umgucken, weil ich weiß, dass wir gerade alle Tränen in den Augen haben. Das Publikum weiß auch, wann Holger Unterstützung gebrauchen kann, und umarmt ihn mit langem, frenetischen Applaus. Das Gloria ist heute ein einziger großer Liebeskreis. (Rocco Clein ist jetzt auch schon 19 Jahre tot.)

Beim Pale-Konzert (Foto: Lukas Heinser)

„Still You Feel“, eine Hymne auf die Musik, die einem Zuhause ist, nachdem man die furchtbare Heimatstadt verlassen hat, ist auf dem Album ein Duett mit Simon den Hartog von den Kilians. (Auf dem Popkultur-Altar auf dem Albumcover steht ein Mixtape namens „Hometown Mix“, dessen B-Seite mit „Dinslaken 2002“ beschriftet ist — Simons und meiner alten Heimatstadt und meinem Abi-Jahr. Ich bin mir auch nach Monaten noch nicht sicher, was das mit mir macht.) Und natürlich kommt Simon, den Holger als seine Lieblingsstimme in Deutschland bezeichnet, auch auf die Bühne im Gloria. Und er bleibt noch für einen zweiten Song: „Fight The Start“ von den Kilians. Ich habe diesen Song mindestens 30 Mal live gehört, im Publikum, beim Soundcheck, neben der Bühne — zuletzt vor neun Jahren, ein paar Leben her, und ich bin sehr froh, dass mir die ganze emotionale Bedeutung dieses Moments nicht schon gestern Abend aufgefallen ist, sondern erst jetzt. Durchatmen.

„Someday You Will Know“ („The last song of a band that already played its final show“) wird auf dem Album von einem Saxofon-Solo von Steve Norman von Spandau Ballet gekrönt — und es ist jetzt wirklich keine große Überraschung mehr, dass auch er heute Abend hier ist und mitspielt. (Tatsächlich wäre es auch nur konsequent gewesen, wenn zum abschließenden The-Jam-Cover „Town Called Malice“ Paul Weller zur Band hinzugestoßen wäre. Oder Noel Gallagher. Oder John Lennon, because why the fuck not?) Etwas überraschender ist schon, dass auch er für einen zweiten Song bleibt und wir so in den Genuss kommen, „Gold“ von Spandau Ballet auch einmal live zu hören. You’ve got the power to know you’re indestructible!

Er habe unterschätzt, wie viel 27 Songs sind, meint Holger lachend vor den letzten Zugaben, als er das Publikum bittet, gerne etwas lauter mitzusingen. Drei Stunden stehen sind auch schon ziemlich anstrengend, denke ich. Und drei Stunden Rückweg vom Club zum eigenen Bett haben sich früher auch nicht so schlimm angefühlt. Aber wer hätte gedacht, damals, als man anfing, Musik als etwas wahrzunehmen, was mehr ist als das, was im Radio zwischen den Politik-Beiträgen läuft, dass sie einem mal so viel bedeuten und einen durch schwere Zeiten (und großartige!) begleiten würde, dass sie mal zu Freundschaften führen würde und zu Abenden wie diesem?

This is how it feels when nothing can ever make you stop / This is how it feels when nothing’s wrong.

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Musik

Podcast: Episode 3

Es ist eines der wichtigsten Releases des bisherigen Jahres in Deutschland: „Glas“, das Debütalbum von Nina Chuba. Lukas verrät Euch, wie er es findet, und spielt einen neuen Song von seinem großen Helden Andrew McMahon. Dazu LoFi-Indie von Sidney Gish, Britpop von Inhaler und Dreamhouse von Elderbrook feat. Vintage Culture. Ein Blumenstrauß voller musikalischer Füllhörner!

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Alle Songs:

  • Nina Chuba – Freitag
  • Andrew McMahon In The Wilderness – Nobody Tells You When You’re Young
  • Sidney Gish – Filming School
  • Two Blinks, I Love You – Carnegie Hall
  • Voiid – Free Kitten
  • Inhaler – If You’re Gonna Break My Heart
  • Elderbrook feat. Vintage Culture – Talk It Over
  • Maddie Zahm – Step On Me
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Musik

Podcast: Episode 2

Ganz knapp zu spät für die erste Folge hat Ben Folds sein erstes Album seit acht Jahren angekündigt. Deshalb beginnen wir unsere zweite Sendung natürlich mit der Vorab-Single „Winslow Gardens“. Außerdem singt P!nk auf ihrem neuen Album zusammen mit den schwedischen Söderberg-Schwestern von First Aid Kit, es gibt neue Songs von Kelela, Barrie und Caroline Polachek und Lukas darf „Fucked Up“ im (ist doch quasi) Radio sagen.

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Alle Songs:

  • Ben Folds – Winslow Gardens
  • Darren Jessee – Love And Thanks
  • Kelela – Happy Ending
  • P!nk feat. First Aid Kit – Kids In Love
  • Barrie – Unholy Appetite
  • Caroline Polachek – Pretty In Possible
  • Fucked Up – Lords Of Kensington
  • Brad Mehldau – Here, There And Everywhere
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Musik

Podcast: Episode 1

Vor zweieinhalb Jahren hat Spotify angekündigt, dass sie bald ein Feature ausrollen würden, mit dem man eigene Musik-Podcasts erstellen kann. Man müsste dafür nur Moderationen aufnehmen und mit Songs kombinieren, die bei Spotify verfügbar sind — fertig! Ich hatte zu diesem Zeitpunkt seit etwa 13 Jahren (so lang muss es damals ungefähr hergewesen sein, dass ich zum ersten Mal „All Songs Considered“ von NPR Music gehört hatte) darauf gewartet, einen eigenen Musik-Podcast starten zu können, der gleichzeitig legal und bezahlbar ist (ersteres ermöglicht die GEMA seit einigen Jahren mit einem eigenen Tarif, der zweiteres ausschließt) und war entsprechend stoked: Zwei Tage rannte ich wie high durch meine Wohnung, war völlig begeistert und plante schon mal die ersten zwanzig, dreißig Ausgaben.

Dann passierte: nichts. Im letzten Sommer habe ich noch mal kurz daran gedacht, aber ich befürchtete schon, dass das Feature den Weg aller wirklich sinnvollen Web-Anwendungen (der Google Reader, der Komm-Küssen-Button bei jetzt.de, die Centennial-Bulb-Webcam) gegangen und verschwunden sei. Dann schrieb mir vor zwei Wochen eine Freundin, es gebe jetzt bei Spotify die Möglichkeit, Podcasts mit Musik zu veröffentlichen, und das sei doch etwas, was gut zu mir passen würde.

Nun, ladies and gentlemen und alle in-between: Hier ist „Coffee And TV“, der Podcast!

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In der ersten Folge spiele ich u.a. neue Songs von Amilli, The Hold Steady und Maryaka und obwohl ich ein bisschen aus der Übung war, hat es wahnsinnig Spaß gemacht, nach ca. 16 Jahren mal wieder eine Musiksendung zu moderieren. Also mach ich das jetzt öfters. Leider kann man den Podcast aus den oben beschrieben Gründen nur auf Spotify hören und wenn man kein zahlender Premium-Member ist, gibt es auch nur 30-sekündige Ausschnitte und nicht die ganzen Songs zu hören, aber ich finde, es ist bedeutend besser als nichts!

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Musik

Acts des Jahres 2022

Der erste Monat 2023 ist fast rum, schnell noch eben die Acts des Jahres 2022 in eine ordentliche Liste packen:

10. Sudan Archives
Schon der Name, unter dem Brittney Denise Parks Musik macht, macht neugierig: Sudan Archives, das klingt erstmal nach field recordings, nach Ethnologie und world music. Ja, aber: Die Art, wie sie Einflüsse aus afrikanischer Musik, Elektronik und Hip-Hop mischt und zwischendurch noch auf ihrer Geige spielt, ist nur eine (wenn man so will: akademische) Ebene ihres Sounds. Vor allem flirrt, klopft und groovt ihre Musik; oft passiert vieles gleichzeitig und doch bleibt noch viel Platz in den Arrangements, um zu atmen. „Natural Brown Prom Queen“ (Stones Throw Records; Apple Music, Spotify, Bandcamp) heißt ihr zweites Album und der Titel kommt schon angemessen breitschultrig daher: Wer women of color im Jahr 2022 noch an den Rand drängen wollte, ist bei Sudan Archives an der falschen Adresse (natürlich auch generell; diversity exists, get used to it). „I’m not average“ wiederholt sie im Quasi-Titeltrack „NBPQ (Topless)“ und beschreibt darin, wie es ist, ausgegrenzt und kritisch beäugt zu werden und dieses Anders-Sein zu einer Art Markenzeichen umzuwidmen. „Natural Brown Prom Queen“ ist also ein Album, das sowohl bei sorgfältiger Beschäftigung auf der inhaltlichen Ebene funktioniert, als auch einfach gut als Soundtrack des eigenen Lebens funktioniert — und das ist ja immer super, wenn sowas möglich ist!

9. Janou
Ich finde es ja immer stark, wenn Menschen ihr Ding durchziehen: Ich kenne Jana von Janou jetzt schon mehr als zehn Jahre und habe erlebt, wie sie rumorende Bochumer Kneipen zum Schweigen brachte, indem sie ihre Stimme zur Akustikgitarre erhob. Seit einigen Jahren ist Janou ein Duo mit starken elektronischen Einflüssen und diese ganzen Sounds lassen ihre ausdrucksstarke Stimme noch mehr strahlen. Nach einigen Singles erschien 2022 mit „Fluid Ground“ (Skip A Beat; Apple Music, Spotify) die erste EP, die Bock auf mehr macht: Wenn im opening cut „Down“ kurz eine Erinnerung an „She Drives Me Crazy“ von den Fine Young Cannibals durchschimmert, wenn „Lonely Boy“ von den Black Keys mit Genehmigung der Band zu „Lonely Boy (Girl)“ umgewidmet wird, „Solitude“ ein Licht in der Dunkelheit anzündet oder „Rosemary“, mein persönlicher Sommerhit 2022 (s.a. die Songs des Jahres), Bochum nach LA oder Miami verlegt. Wo sind die Radiosender, die sowas auf Rotation nehmen?!

8. Maro
Ich habe es im letzten Jahr in jedem Interview gesagt und ich wiederhole es gerne: Der Eurovision Song Contest hat nur noch wenig mit dem freakigen musikalischen Paralleluniversum zu tun, als das er über Jahrzehnte galt. Er ist nicht mehr nur die jährliche Leistungsschau der Bühnentechnik-Industrie, sondern auch ein … nun ja: ernstzunehmendes Musikfestival, bei dem man Acts entdecken kann, die einem die heimische Musikpresse und der Spotify-Algorithmus jetzt eher nicht vorgestellt hätte. So auch Mariana Secca aus Portugal, die als Maro (gesprochen: Maru) großartige Musik macht: Ihr ESC-Beitrag „Saudade, Saudade“ (s.a. die Songs des Jahres) ist auf ihrem letztjährigen Album „Can You See Me?“ (Secca Records; Apple Music, Spotify) gar nicht vertreten, dafür Songs wie das hypnotische „Am I Not Enough For Now?“, das schläfrige „We’ve Been Loving In Silence“ oder „Like We’re Wired“, das klingt wie ein Sonnenaufgang. Inhaltlich bildet das Album die Gefühlswelt einer Frau Mitte Zwanzig ab, mit all den großen Erwartungen und Enttäuschungen, die auch Liz Phair, Fiona Apple oder Tori Amos vor 30 Jahren schon besungen haben; musikalisch steht vor allem Maros Stimme im Vordergrund, aber dahinter spannen die Gitarren, Klaviere und Drumcomputer einen weiten Raum auf. Und wenn man denkt, das klingt jetzt schon alles sehr ähnlich, kommt mittendrin das portugiesisch-sprachige Duett „Juro Que Vi Flores“. Das nächste Album hat Maro für dieses Jahr schon angekündigt.

7. Philine Sonny
Irgendwie hat man es ja bei all dem neuen Elend schon fast vergessen, aber in den Jahren 2020 und 2021 (und ein Stück weit auch noch 2022) gab es in Europa eine Pandemie, die das öffentliche Leben weitgehend zum Erliegen gebracht hatte. Als nach zwei Jahren Zwangspause im letzten Sommer die Musikfestivals zurückkehrten, habe ich mich zum ersten Mal richtig aufs Bochum Total gefreut: endlich wieder Livemusik, fußläufig vor der eigenen Haustür, portionsgerecht fürs eigene Kind und ein guter Anlass, um endlich mal wieder die eigenen Freund*innen zu treffen. Genialerweise hatte auch noch ein fellow nerd eine Spotify-Playlist gebaut, mit der man sich im Vorfeld auf das Festival vorbereiten konnte, weil einem die meisten Namen ja doch noch nichts sagen. Als ich zu den Songs von Philine Sonny kam, war ich als Erstes überrascht, dass ein Act, der so nach Weltformat klingt, tatsächlich beim Bochum Total spielt. Dann stellte ich fest, dass Philine Sonny aus Unna stammt, was jetzt – selbst von Bochum aus betrachtet – eher das Gegenteil der großen, weiten Welt ist. So klingt das also, wenn man mit The War On Drugs, Ryan Adams, Bright Eyes und Lucy Dacus aufgewachsen ist und diese Musik ganz doll fühlt (oder zumindest klingt es so, als wäre Philine Sonny mit dieser Musik aufgewachsen). Die erste EP „Lose Yourself“ (Mightkillya; Apple Music, Spotify) haut den Pflock auf alle Fälle schon mal sehr fest in den Boden und jetzt, wo Philine Sonny in Bochum wohnt und zum legendären showcase festival South By Southwest eingeladen wurde, würde ich sagen: sky’s the limit.

6. Anaïs Mitchell
Manchmal frage ich mich schon, wie bestimmte Acts so lange an mir vorbeigehen konnten. Dann fühle ich mich kurz schlecht und nehme ich mir vor, noch mehr Musik zu hören, aber dann denke ich auch wieder: „Das hier ist kein Wettbewerb und Musik findet einen eh immer im richtigen Moment!“ 2022 war also der richtige Moment, um Anaïs Mitchell nach 18 Jahren und einigem „Ich hab davon gehört/gelesen“ in mein Leben zu lassen — rechtzeitig zum achten, selbstbetitelten Album (BMG; Apple Music, Spotify). Ich hab das bei Musik, die irgendwie mit Folk zu tun hat, immer, dass ich mir beim Hören weite Landschaften vorstelle (was ja auch Sinn dieses Genres ist), aber bei diesem Album ist es besonders stark: es klingt wie ein road trip durch Gegenden, die man am Besten schnell hinter sich lässt, auf der Suche nach dem großen Glück und dem Ort, wo man seine Pläne verwirklichen kann. Es erinnert mich aber auch an Hem, k.d. lang und Bon Iver und es gibt nicht viel besseres, was ich über Musik sagen kann.

5. Lou Turner
Noch mehr Indie-Folk: Auf ihrem dritten Album „Microcosmos“ (Lou Turner; Apple Music, Spotify, Bandcamp) setzt sich Lou Turner unter den Eindrücken der Pandemie mit der Frage auseinander, was es bedeutet, „unterwegs“ und „zuhause“ zu sein. Es geht um die Welt, die im Lockdown gleichzeitig kleiner und größer wurde, als Spaziergänge durch die eigene Nachbarschaft plötzlich die neuen Reisen waren. Dabei orientiert sie sich u.a. an Joni Mitchells Album „Hejira“ (das sie in „Empty Tame And Ugly“ auch namentlich erwähnt) und das alles, Musik und Lyrics, sind wirklich wunderbar.

4. Koffee
Gut: Den Künstlernamen finden wir hier im Blog natürlich schon mal grundsympathisch. Auch Koffees Karriere ist eng mit der COVID-19-Pandemie verbunden: Als gefeierte Nachwuchskünstlerin wurde sie 2020 erstmal ausgebremst, die Single „Lockdown“ wurde im selbigen zum Hit. „Gifted“ (Promised Land; Apple Music, Spotify) ist ihr Debüt-Album und gilt offiziell als Reggae. Ich habe dafür alle Vorurteile, die ich gegenüber dem Genre hatte (auch bzw. vor allem Dank seines studentischen Publikums in Deutschland), über Bord geworfen und mich im Frühjahr 2022, als die „Normalität“ so langsam, aber sicher zurückkam, sehr an diesem Album erfreut. Im opening cut „x10“ läuft Bob Marleys „Redemption Song“ einfach im Hintergrund und auch wenn das natürlich vor allem als Ehrerweisung gemeint ist, zeigt es auch: Dieses Album ist etwas anderes.

3. Bülow
Alter ist ja etwas, was man ungefähr nie gescheit einschätzen kann: Als Kind und Teenager sind Musiker*innen halt alle irgendwie „älter“ und die, mit denen man aufgewachsen ist, werden immer älter bleiben. Dann kommen plötzlich Menschen, die signifikant jünger sind als man selbst, und man denkt: „Woher können die das denn schon alles?“ Naja: George Harrison war 20, als das erste Beatles-Album rauskam, Beck war bei „Loser“ auch nur ein paar Jährchen älter und Conor Oberst ist mit zwölf schon mit eigenen Songs aufgetreten. Also: Megan Bülow ist Ende Dezember 23 geworden und macht professionell Musik, seit sie 16 ist. Das klang immer schon gut, aber ihre EP „Booty Call“ (Universal; Apple Music, Spotify) zeigt ihre Stärken nochmal besser als alle bisherigen Releases: fünf Songs, etwas über 13 Minuten — maximal verdichteter Indie-Pop zwischen besagten Beck und Conor Oberst, mit großer Schnoddrigkeit, nachklingender teenage angst und einem generell starken nineties vibe. Hören junge Menschen noch Alben? Nehmen junge Acts noch welche auf? Ich fänd’s stark!

2. King Princess
Das große Aufreger-Thema in den US-Medien waren Ende des Jahres die „Nepo babies“, also junge Menschen, die – so das Narrativ – aufgrund ihrer Abstammung einen leichteren Einstieg ins Berufsleben und bessere Aufstiegschancen haben. Sicherlich ein ernsthaftes Problem, aber gerade die mediale Fokussierung auf die Unterhaltungsbranche nahm der Kritik auch ein bisschen den Wind aus den Segeln: Wenn Du unter Künstler*innen aufwächst, ist es halt wahrscheinlich, dass Du selbst ein gewisses Interesse an Kunst und Kultur entwickelst. Dazu kommen dann eben noch Talent und Kontakte, also: check your privilege, aber so what?! (Dass deutsche Medien sich vor allem um eine Nacherzählung einer amerikanischen Debatte bemühten, aber nicht für eine Sekunde auf die Idee kamen, dass Thema auf Deutschland herunterzubrechen, spricht entweder für oder gegen sie — ich bin mir da noch unsicher.) Mikaela Straus, jedenfalls, tauchte auf dieser Liste der nepo babies auch auf, weil ihr Vater recording engineer ist und ihr Ur-Urgroßvater (!) Isidor Straus einer der Besitzer von Macy’s war, bevor er mit seiner Frau beim Untergang der „Titanic“ (bekanntermaßen im Jahr 1912) ums Leben kam. Ja, interessante Fußnote, aber viel interessanter ist doch nun wirklich die Musik, die Mikaela (Jahrgang 1998) als King Princess veröffentlicht: krachender Indie-Pop mit großen Melodien und klugen Texten. Mit elf hatte sie einen Plattenvertrag abgelehnt, weil sie die kreative Kontrolle nicht abgeben wollte, und das scheint sich ausgezahlt zu haben: „Hold On Baby“ (Zelig Records; Apple Music, Spotify) ist ihr zweites Album und man ahnt, dass es auf einem Major-Label eventuell etwas anders klingen würde. Inhaltlich geht es um Beziehungsspannungen in der Pandemie, um Freundschaften, gender identity und Selbstzweifel im Sex Shop. Mit Mark Ronson, Ethan Gruska, Aaron Dessner, Bryce Dessner und Tobias Jesso Jr. haben einige der aktuell namhaftesten Produzenten am Album mitgewirkt und der closer „Let Us Die“ ist einer der letzten Song, auf dem Taylor Hawkins von den Foo Fighters vor seinem viel zu frühen Tod getrommelt hat. Kurzum: Es gibt viel zu entdecken und zum Nachdenken und das mag ich ja immer, wenn man Musik hören, aber ihr auch zuhören kann. Bei passendem Verkehrsaufkommen „reicht“ das Album genau von meinem Elternhaus bis zu unserer Haustür und in jedem normalen Jahr hätten King Princess und „Hold On Baby“ den Spitzenplatz meiner Rangliste belegt, aber 2022 war auch in dieser Hinsicht kein normales Jahr.

1. Pale
Ich hab die Geschichte jetzt schon ein paar Mal erzählt: Pale hatten sich eigentlich 2009 aufgelöst. Dann wurde 2019 bei ihrem ehemaligen Gitarristen Christian ein Gehirntumor diagnostiziert, was die Mitglieder auf die Idee brachte, wieder gemeinsam Musik zu machen. Schlagzeuger Stephan hatte mit einer eigenen schweren Erkrankung zu kämpfen, dann kam die Pandemie und im Frühjahr 2021 ist Christian leider gestorben. Man muss diese Geschichte kennen, um zu verstehen, was „The Night, The Dawn And What Remains“ (Grand Hotel van Cleef; Apple Music, Spotify), das finale Album, das aus all dem doch noch entstanden ist, eigentlich ist: eine einzige Feier des Lebens, der Freundschaft und der Musik. Vom instrumentalen Opener „Wherever You Will Go“, der an U2 und Stars erinnert und die Tür schon mal entsprechend weit aufmacht, über die Singles „New York“ (s.a. Songs des Jahres), „Man Of 20 Lives“ (für Stephan) und „Bigger Than Life“ (für Christian) bis zum Schlussakkord von „Someday You Will Know“ zelebriert dieses Album das Trotzdem, das Überleben, das Zurückbleiben und auch die Trauer. Es ist wie ein Bengalo auf einer Beerdigung. Und dann taucht mittendrin plötzlich Simon den Hartog auf. Der ehemalige Sänger der Kilians hat zwar fast eine ganze Dekade nicht gesungen, aber auf „Still You Feel“ kuschelt sich seine altbekannte, jung gebliebene Reibeisenstimme plötzlich an die von Pale-Sänger Holger Kochs und gemeinsam singen sie über große Gefühle, Musik und Heimatstädte. Ich wusste selbst nicht, wie dringend ich genau das gebraucht hatte, aber: Junge, war ich glücklich, als ich das Lied zum ersten Mal gehört habe! Klar, dass die Songs zu meinem täglichen Begleiter wurden, als ich nach dem Tod meiner Omi mit meiner eigenen Trauer, meinen Erinnerungen und vor allem aber auch meiner alles überlagernden Liebe für alles und alle klarkommen musste. Klar, dass so ein Album natürlich wieder beim GHvC erscheinen musste. Klar, dass so ein Album seinen ganz eigenen Platz auf meinem privaten Popkultur-Altar bekommen muss — und wie krass ist es da bitte, dass das Albumcover einen Popkultur-Altar zeigt, auf dem (neben einer Ausgabe von „Per Anhalter durch die Galaxis“) ein Mixtape namens „Hometown Mix“ steht, dessen B-Seite (nur auf der Vinyl-Version zu entziffern) mit „Dinslaken 2002“ beschriftet ist?! Eben. It is the last stop that tells you a lot about where you came from and what you have got.

Pale - The Night, The Dawn And What Remains (Albumcover)

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Musik

Songs des Jahres 2022

Ich brauche traditionell immer ein bisschen länger, um meine Songs des Jahres zusammenzustellen, aber ich finde das besser, als das Jahr schon im November einpacken zu wollen; hier ist mein Blog mit meinen Regeln und außerdem ist ja noch Januar. Also: Hier sind – Stand jetzt – meine Lieblingslieder des Jahres 2022!

25. Death Cab For Cutie – Here To Forever
Ben Gibbards Lyrics sind ja mitunter so spezifisch, dass sie schon zum Meme taugen. Das muss natürlich nicht schlecht sein, im Gegenteil:

In every movie I watch from the ’50s
There’s only one thought that swirls
Around my head now
And that’s that everyone there on the screen
Yeah, everyone there on the screen
Well, they’re all dead now

Damit hat er einmal mehr einen Gedanken ausformuliert, den ich so oder so ähnlich selbst schon oft hatte. Und wenn Du dann am Tag nach dem Tod Deiner Großmutter im Wohnzimmer des Großelternhauses stehst, auf einem Regal die Fotos all der Großtanten und -onkel, dann knallen diese Zeilen noch mal ganz neu in die offene Wunde: Die sind jetzt alle tot. Das neue Death-Cab-Album „Asphalt Meadows“ hat mich irgendwie nicht so richtig abgeholt, aber dieser Song wird immer Teil meiner Geschichte sein.

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24. Nina Chuba – Wildberry Lillet
Ich bin jetzt in einem Alter, wo es zunehmend schwer wird, mit den jungen Leuten Schritt zu halten — vor allem, wenn man keinen Bock hat, sich chinesische Spionage-Software aufs Handy zu laden. Ich habe dieses Lied also erst relativ spät in einem prähistorischen Medium namens Musikfernsehen entdeckt, aber mir war sofort klar, warum das ein Hit ist: Diese Hook, die gekonnt auf der Grenze zwischen „eingängig“ und „nervig“ hüpft; diese Lyrics, die im klassischsten Sinne das durchspielen, was wir musical theater kids den „I Want“-Song nennen, und dabei sowohl im Dicke-Hose-Rap („Ich will Immos, ich will Dollars, ich will fliegen wie bei Marvel“) abschöpfen, als auch fast rührend kindlich („Will, dass alle meine Freunde bei mir wohnen in der Straße“) daherkommen; diese fröhlich-rumpelige Pippi-Langstrumpf-Haltung, mit der wieder mal eine neue Generation ihren Teil vom Kuchen einfordert — oder hier gleich die ganze Bäckerei („Ich hab’ Hunger, also nehm’ ich mir alles vom Buffet“). Und mittendrin eine Zeile, die man als immer jugendlichen Trotz lesen kann — oder als wahnsinnig traurigen Fatalismus: „Ich will nicht alt werden“. Wenn man den Song feuilletonistisch naserümpfend neben den „Fridays For Future“-Aktivismus legt, wird man feststellen, dass die Jugend (Nina Chuba ist da mit 24 gerade noch im richtigen Alter für den Song) ganz schön widersprüchlich sein kann: „We’re the young generation, and we’ve got something to say“ hatten die Monkees ja schon 1967 gesungen — und darüber hinaus nichts zu sagen gehabt, während zeitgleich mal wieder eine Zeitenwende ausbrach.

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23. Harry Styles – As It Was
Damit hätte jetzt auch niemand rechnen können, dass ausgerechnet „Take On Me“ von a-ha mal zu einem der prägendsten Einflüsse auf eine neue Generation Popmusik werden würde: Schon „Blinding Lights“ von The Weeknd war von der legendären Keyboard-Hook … sagen wir mal: „inspiriert“ und auch „As It Was“ kann eine gewisse Verwandtschaft nicht bestreiten. Aber erstens bitte nichts gegen a-ha und zweitens passiert hier in 2:47 Minuten (während die Kinofilme immer länger werden, werden die Popsongs immer kürzer — die Menschen haben ja auch nicht unendlich viel Zeit) so viel, dass man kaum hinterher kommt. Und über Harry Styles muss man ja eh nichts mehr sagen. ((Außer: Hat er jetzt eigentlich Chris Pine angespuckt?))

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22. The National feat. Bon Iver – Weird Goodbyes
„What your favorite sad dad band says about you“ titelte McSweeney’s im Januar 2022, dabei war der Witz da schon mindestens viereinhalb Jahre alt. The National und Bon Iver sind natürlich auf beiden Listen und wenn sie nicht gerade mit Taylor Swift Musik machen, machen sie die halt gemeinsam (dass Aaron Dessner von The National und Justin Vernon von Bon Iver auch noch gemeinsam bei Big Red Machine spielen, verwirrt an dieser Stelle zwar nur, ich muss es aber erwähnen, weil sonst meine Mitgliedschaft in der „Musikjournalisten-Nerds“-Unterabteilung des Bochumer „Sad Dad“-Clubs in Gefahr wäre). So wie bei diesem Song, der nicht Teil des neuen The-National-Albums sein wird, das inzwischen angekündigt wurde und „First Two Pages of Frankenstein“ (man ahnt eine etwas umständliche Referenz, die da irgendwo als Witz im Hintergrund lauert) heißt. Es ist trotzdem ein schöner Song! Und die Band verkauft inzwischen „Sad Dad“-Merchandise.

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21. Rae Morris – No Woman Is An Island
Rae Morris ist der erste und bisher einzige Act, der schon zwei Mal meine Liste der „Songs des Jahres“ angeführt hat: 2012 und 2018. Rechnerisch wäre sie also erst 2024 wieder dran, was ja auch gut sein kann. „No Woman Is An Island“ ist natürlich auch nicht schlecht, ich hab nur eben 20 Songs (von ca. 4.000 gehörten) gefunden, die ich 2022 besser fand als diese leicht theatralische (im Sinne von Bühnenaufführung, nicht im Sinne von übertrieben) Feminismus-Ballade.

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Kategorien
Musik Literatur Gesellschaft

Tied To The 90’s

„It’s hard to explain the soft differences between life in the 2020s and life in the 1990s to any person who did not experience both of those periods as an adult“, schreibt Chuck Klosterman auf Seite 6 seines Buchs über die Neunziger und auch wenn ich das Jahrzehnt nur als Kind bzw. Teenager miterlebt habe, war ich schon mit dem gleichen Beispiel konfrontiert, das er einen Absatz später bringt: Erklärt mal einem Achtjährigen, warum man früher Musik nicht einfach bei Spotify gehört hat, sondern CDs kaufen musste!

„The Nineties“ von Chuck Klosterman (Foto: Lukas Heinser)

Anders als die albernen „Weißt Du noch?“-Paraden im deutschen Fernsehen, in denen sich irgendwelche Halb-Promis schenkelklopfend daran erinnern, dass es Songs, Trends und Ereignisse tatsächlich gegeben hat, setzt Klosterman alles in Bezug zueinander: Politik, Gesellschaft, Sport und natürlich Popkultur reflektieren bei ihm immer einander und sie reflektieren ihre Zeit, denn, auch das wird im Buch immer wieder deutlich: Man kann die Vergangenheit nicht durch die Brille der Gegenwart erklären.

Erwartbarem stellt er längst Vergessenes gegenüber; er hat sich durch zeitgenössische Medien und Studien gefressen und alles zu einem wahnsinnig guten Buch zusammengemixt, das zwar (wie er selbst sagt) keine wissenschaftliche Publikation ist, aber auch Nachgeborenen helfen dürfte, jenes Jahrzehnt zu verstehen, das zwischen Ende des Kalten Krieges und 9/11 eine Zeit relativer Ruhe darstellte und in dem die Wahrnehmung der Welt noch nicht fragmentiert war. Eine Zeit, in der „das Internet“ zwar schon existierte, aber keine bedeutende Rolle spielte, und in dem Präsidentschaftskandidaten und Nachrichtensender als vollkommen austauschbar galten.

Klosterman ist ohnehin einer meiner absoluten Lieblings-Autoren und total prägend für meine Arbeit und meinen Blick auf die Welt. „The Nineties“ wirkt, als habe jemand, der sehr viel mehr weiß als ich, ein Buch über mich geschrieben: über Nirvana und „The Matrix“, über VHS-Rekorder und die Präsidentschaft von Bill Clinton. Es ist ein Buch, bei dem ich traurig war, als es zu Ende war, und in dem ich wohnen möchte!