Kategorien
Musik Unterwegs

Oslog (5)

Ich bin wieder zuhause. Gestern hatte unsere kleine deutsche Reisegruppe noch einen schönen Spaziergang am Osloer Hafen entlang und hoch zum Königsschloss unternommen (Fotos folgen vielleicht), dann ging es mit dem Flieger zurück in heimische Gefilde, die uns besonders herzlich, also in Form von Nieselregen und betrunkenen Kindern, begrüßten.

Oslo bei Nacht

Die Reisetasche ist ausgepackt, auf meinem Schreibtisch stapeln sich die neuen CDs, aber als erstes ist es an der Zeit, die Bands vom Samstagabend noch zu würdigen:

Simon Says No (Foto: Lukas Heinser)

Simon Says No
Nach all den vertrackten, verspielten, sonstwo beeinflussten Bands tat es gut, endlich mal wieder eine zu hören, die einfach nur gerade nach vorne rockten: Simon Says No erinnerten an die frühen Radiohead, die frühen R.E.M., Dinosaur Jr. und Editors. Leider hielt sich meine Begeisterung nicht sehr lange, denn ungefähr nach drei Songs wurde das Ganze ein bisschen spannungsarm. Ob die Leute, die den Club im Dutzend verließen, ähnlich dachten oder nur dringend zu einem anderen Konzert wollten, weiß ich leider nicht.

Fennesz/Food

Fennesz/Food
Der österreichische Saxophonist Christian Fennesz spielte gemeinsam mit dem norwegischen Duo Food, das aus einem Schlagzeuger und einem DJ besteht. (Nachtrag: Wer da gespielt hat, steht hier.) Und sie spielten eine halbe Stunde ohne Unterbrechung eine einzige lange Improvisation, die nur noch wenig mit Pop zu tun hatte, dafür viel mit Jazz und Düsternis. Das klang schon mal nach David-Lynch-Filmen und nach schweren Migräne-Attacken, war aber durchaus sehenswert. Zum Schluss steigerte sich die Musik wie erwartet in ein unglaubliches Lärmgewitter, aber das war nach den überwiegend sehr zugänglichen Sachen auch mal toll.

The Whitest Boy Alive

The Whitest Boy Alive
Ich hatte ja schon mal erwähnt, dass Erlend Øye Maskottchen und Star des by:Larm in Personalunion war, nun durfte er auch mit seiner Band Headliner sein. Dance Music in Bandbesetzung und über Tausend Norweger tanzten undw wippten und riefen am Schluss auf Deutsch “Kalte Füße!” (aber das ist eine lange Geschichte). Øyes Sonderrolle wurde dadurch deutlich, dass die Band nicht nur sieben Minuten überzog, sondern auch einfach noch eine Zugabe spielte. Aber das ging völlig in Ordnung.

Lindstrøm
Ich habe immer so meine Schwierigkeiten, wenn es um Live-Auftritte von Elektrokünstlern geht. Es ist halt nicht soooo spannend, einem Mann zuzusehen, der hinter einem Mischpult und einem MacBook steht. Die Musik war dafür durchaus schön und an der Grenze zwischen tanzbar und chillig. (Referenzgrößen hier: die erste Röyksopp, die letzte Underworld.)

WhoMadeWho

WhoMadeWho
Der Abschluss und angeblich der Headliner des Festivals: drei Dänen, die eine Sorte von Musik machten, die mir nach ungefähr vier Takten gehörig auf die Ketten ging. Wenn man’s mag, war’s bestimmt toll, aber für mich war das MGMT und Klaxons in nervig.

Fazit
Rund 20 Acts in drei Tagen, da kann man schnell den Überblick verlieren. Was ist hängengeblieben? Auf alle Fälle die beiden Mädels von First Aid Kit. Die beeindruckendste Liveshow war wohl die von I Was A Teenage Satan Worshipper, die gleichzeitig den tollsten Bandnamen hatten. Annie war auch toll und von Pony The Pirate werden wir sicher auch noch was hören.

Es folgt noch mindestens ein Eintrag zur Konferenz und dem ganzen Drumherum, aber ich kann schon einmal zusammenfassen, dass der Ausflug zum by:Larm eine feine Sache war und ich jede Menge gute neue Musik gehört habe.

Was es mit dem Oslo-Trip auf sich hatte, steht hier.

Kategorien
Musik Unterwegs

Oslog (3)

Über die Konferenz, die das by:Larm zur Hälfte ausmacht, muss ich ein andermal schreiben. Vielleicht so viel vorab: Obwohl ich Vorträge und sogenannte Panels sonst eher hasse, suhle ich mich hier mit Freuden in Erkenntnisgewinnen.

Kommen wir nun zur anderen Hälfte: den Konzerten, die hier in so ziemlichen allen Clubs der Stadt (sowie in Kongresshallen und Zelten) stattfinden. Alles liegt näher zusammen als Hundehaufen auf Berliner Bürgersteigen, aber trotzdem muss man natürlich ständig Jacke, Mütze, Schal und Handschuhe anziehen, über die mitunter lebensgefährlichen Bürgersteige stapfen (eine Räumpflicht scheint in Norwegen eher unbekannt), in den nächsten Club rein, alles so gut es geht ablegen und versuchen, sich nicht zu viel zu bewegen, weil man sich unter der Jacke sonst totschwitzt.

Wartende Menschen in Oslo

Ist man aber einmal im Rausch, will man jede Band, die gerade spielt, sehen — oder zumindest jeweils eine. Nur einer scheint in jedem Moment überall gleichzeitig zu sein: Erlend Øye von den Kings Of Convenience und The Whitest Boy Alive. Er ist gleichzeitig Star und Maskottchen des Festivals, so eine Art Thees Uhlmann Norwegens. Wo er auftaucht und zur Musik mitwippt, steigen die Chancen der jeweiligen Band auf den großen Durchbruch. 30 Minuten sind eine sympathische Länge, um sich einen Eindruck über die Künstler zu verschaffen, den man dann später vertiefen kann (oder eben nicht).

Kommen wir nun zu den Künstlern des heutigen Abends und – in Ermangelung von klar definierten Genres – wieder zu einem munteren Namedropping:

I Was A Teenage Satan Worshiper

I Was A Teenage Satan Worshipper
Ja, geil, das ist mal ein Bandname. Nicht Oasis, Blur, The Killers, The Fray oder Occident, sondern I Was A Teenage Satan Worshipper. Bands, die so heißen, will man doch auf Anhieb gut finden. Und die Finnen sind gar nicht schlecht: ein bisschen wie The Sounds mit Sänger, ein bisschen wie The Killers auf Speed. Durchgeknallter, tanzbarer Indierock mit sattem Synthesizer dahinter. Dazu Texte, die von Skeletor und leeren Augenhölen handeln. Auf Dauer wird’s ein bisschen langweilig, aber definitiv eine Band für die abseitigeren Mixtapes. Wobei der Bandname da ein bisschen lang ist für diese kleinen Papiereinleger.

Pony The Pirate

Pony The Pirate
Eine Band, die in Norwegen als nächstes großes Ding gehandelt wird. Sieben Musiker (bzw. fünf und zwei Musikerinnen), die so ziemlich alles spielen, was eine ordentliche Musikalienhandlung so verkauft: Glockenspiel, Pedal Steel, Saxophon, Trompete und den ganzen normalen Quatsch. Haben viel von Arcade Fire und ein bisschen was von The Gaslight Anthem. Und einen Sänger, der Bass spielt und aussieht wie Billy Corgan. 10 Euro, dass die dieses Jahr auf dem Haldern spielen.

Under Dogs International
Die ersten fünf Minuten dachte ich: “Ja, doch, aber hallo!” Jazz, Gypsiesound und Dub, ein bisschen Englisch, ein bisschen Norwegisch. Dann dachte ich: “Na gut, es nervt doch sehr auf Dauer.” Würde mich aber nicht wundern, wenn wir die dieses Jahr beim Grand Prix wiedersähen.

The Alexandria Quartet

The Alexandria Quartet
Die hatte ich ja schon vor Travis gesehen und für ganz ordentlich befunden. Dieser Eindruck hat sich heute verfestigt: Indierock zwischen Mando Diao, den frühen Killers und Travis. Die ruhigen Sachen gefallen mir allerdings ein bisschen besser als die rockigeren.

Olafur Arnalds
Auf dem Haldern letztes Jahr war ich irgendwie zu müde, um mir mitten in der Nacht noch ruhige Musik im Zelt anzuhören. Heute spielte er in einem bestuhlten Saal im Kongresszentrum und ich sah mich schon wieder dahinschlummern. Aber dann blieb ich doch wach, um der wunderschön entrückten Musik zu hören, die der junge Isländer da mit Hilfe eines Flügels, eines Laptops und eines Streichquartetts in den Raum ergoss. Es erinnerte ein bisschen an The Notwist, ein bisschen mehr an Sigur Rós und für Sekundenbruchteile an Richard Clayderman, und die Frage, ob das eigentlich noch Pop sei, hätte sicher angeklopft, wenn Anklopfen bei dieser ruhigen Instrumentalmusik nicht denkbar unhöflich gewesen wäre. Von Herrn Arnalds kam auch die beste Ansage bisher: “I will sell the CD for … like what? One hundret Kroner? That’s a nice price … not for you, but it’s very, very much in Icelandic money.” Vielleicht hätte man den Kontrast zwischen seiner Musik und dieser lakonischen Moderation miterleben müssen, aber der Saal hat getobt.

Fjorden Baby!
Deren Sänger hatte ich gestern auf dem Weg zurück zum Hotel getroffen und ihm versprochen, mir seine Band anzusehen. Ich versuche bei sowas ja immer Wort zu halten, zumal er mir die beste norwegische Band unserer Zeit versprochen hat. Die habe ich dann aber zumindest nach meinem Empfinden nicht gesehen. Als ich reinkam, spielten sie gerade irgendwas in Richtung Reggae/Dub mit norwegischen Texten. Die anderen Songs waren rhythmisch vertrackter, klopften dafür aber auch mal beim Nu Metal an. Das ist Musik, von der ich gar nicht weiß, was ich davon halten soll. Wer Kaizers Orchestra mag, könnte Fjorden Baby! unter Umständen etwas abgewinnen. Aber ich mag ja eigentlich Kaizers Orchestra …

Was es mit dem Oslo-Trip auf sich hat, steht hier.

Kategorien
Musik Digital

mtv.de geht im Whirlpool unter

mtv.de würde ich aus guten Gründen nicht als meine bevorzugte Nachrichtenquelle für den Bereich Musik und Entertainment bezeichnen. Aber manchmal schicken einen Google Alerts eben auf solche Seiten.

Zum Beispiel zu solchen Überschriften:

Britisches Gericht verbietet Babyshambles!

“Holla”, denkt man da natürlich, “sind wir schon wieder so weit?” Dann liest man den dazugehörigen Artikel, wundert sich, liest ihn noch einmal und ist sich anschließend sicher, ihn Schritt für Schritt durchgehen zu müssen.

Fangen wir also an:

Die Babyshambles schaffen einen gefährlichen “Whirlpool-Effekt”. Uhhhh!

Vermeintliche Nachrichtenmeldungen, die mit Ausrufen wie “Uhhhh!”, “Wow!” oder “Aha!” aufwarten, kann man meistens getrost in die Tonne kloppen. Da findet sich jemand witzig und die Chancen stehen gut, dass sich kein weiteres intelligentes Lebewesen im ganzen Universum finden wird, das diese Ansicht teilt.

Pete und Co. wechseln zu schnell den Rhythmus!

Was uns dieser Satz sagen will, erfahren wir vielleicht später noch.

Die Babyshambles sollten eigentlich auf dem britischen “Moonfest” (29. – 31. August) in Wiltshire auftreten. Dies bereitete den Behörden anscheinend solche Sorgen, daß das örtliche Gericht kurzerhand den Auftritt verbot und schließlich das gesamte Festival abgesagt wurde. Mit rechten Dingen ist das Ganze nicht zugegangen. Es gab zwar Ermittlungen, jedoch weder eine ordentliche Gerichtsverhandlung noch wurde ein Bandmitglied oder Veranstalter befragt. Polizei und Gericht scheinen das Verbot unter sich ausgemacht zu haben.

Nun war ich nicht dabei, aber der Umstand, dass im “Guardian” der Veranstalter John Green von einem “Gerichtsverfahren” spricht, in dessen Verhandlungspause man ihm ein “Angebot” unterbreitet habe, könnte natürlich in gewisser Weise doch für Gespräche untereinander sprechen:

Green said police had offered him a deal during a pause in court proceedings to allow the night to go ahead if he agreed to spend more on security and removed Doherty from the lineup but he refused the “offer”.

Aber weiter im Text bei mtv.de:

Zur Info: Pete Doherty besitzt ein Haus in Wiltshire – was der örtlichen Polizei anscheinend gar nicht paßt. John Green, Veranstalter des “Moonfest” sagte laut nme.com hierzu:

“Sie [die Polizei] haben mir persönlich gesagt, daß es hassen, ihn hier wohnen zu sehen.”

Und so sagte er das laut nme.com:

“They [the police] told me privately they hate the fact he lives in Wiltshire and they don’t want him on their patch,” Green told the Guardian

Wir schalten nun um zum Freistil-Schwafeln:

Die absurde Geschichte nimmt allerdings echte Monty Python-Züge an, wenn man den Polizeibericht liest. Die Band schaffe einen “Whirlpool-Effekt” bei ihrem Publikum. Sie senke absichtlich den Rhythmus und zöge dann das Tempo wieder an, was “Gewalt-aufrufend” sei.

Zum Vergleich noch mal das Originalzitat, wiedergegeben von nme.com:

“What he does as part of his routine is to gee up the crowd. They speed up and then slow down the music and create a whirlpool effect in the crowd.

“They [the crowd] all get geed up and then they start fighting.”

Aber wir wollen nicht zu kleinlich sein. Wirklich absurd an der Geschichte ist wohl vor allem, dass die örtliche Polizei einen Geheimdienst-Beamten zu den Babyshambles befragt hat und dabei laut “Guardian” zu folgendem Ergebnis kam:

“Experts are telling us that the profile of fans that follow Pete Doherty and Babyshambles is volatile and they can easily be whipped up into a frenzy, whereas the profile of someone that would follow around Cliff Richard or Bucks Fizz, for example, is completely different.”

Das ist natürlich nur dann witzig, wenn man weiß, wer oder was Cliff Richard oder Bucks Fizz sind. Für Leser und Schreiber von mtv.de also eher nicht. Aber die haben eh einen anderen Humor:

Wow! Adam Ficek, Drummer der Babyshambles, hat’s erkannt:

“Die ganze Sache ist reif für eine Komödie.”

Ja, wow! Und so komödiantisch hat er’s gesagt:

Reacting to the police’s decision, Babyshambles drummer Adam Ficek said he was angry, but said that the band would try to organise an alternative show. “The whole thing is a farce, it’s almost comical,” he told NME.COM

Bleibt nicht viel mehr, als den Schlussabsatz von mtv.de in den Raum zu stellen:

Die Babyshambles versuchen nun, einen Alternativ-Gig zu organisieren. Wir warten’s ab, lachen uns schlapp und hoffen, daß die Queen sich bald einschaltet.

Bitte, liebe Leute von mtv.de: Könntet Ihr vielleicht beim nächsten Mal einfach jemanden schreiben lassen, der sich gerade nicht schlapptlacht, stattdessen mit Quellen und fremdsprachlichen Zitaten umgehen kann, und seine Stilblütenausbildung nicht in irgendeiner Lokalredaktion gemacht hat?

Sie, liebe Leser, lesen stattdessen vielleicht lieber diesen charmanten Kommentar von Tim Jonze im “Guardian”. Der ist wenigstens richtig lustig:

The closest you normally come to a riot here is when the battery on someone’s Nokia N93i camera-phone dies. Bands such as Coldplay and U2 are typical of your average stadium band, making mid-paced, epic music that is impossible to dance to without looking like someone’s “cool dad” (ie, the rest of the crowd).

Kategorien
Musik Digital

Programmhinweis: Haldern-Blog

Heute startet in Rees-Haldern am schönen Niederrhein das 25. Haldern-Pop-Festival. Mit dabei sind unter anderem The Dodos, Fleet Foxes, Maxïmo Park, Flaming Lips, Kula Shaker, Editors, Kate Nash, Kilians, Iron & Wine, Guillemots, Okkervil River und Bernd Begemann – aber auch Kathrin und ich.

Im Zuge einer feindlichen Übernahme (die aber sehr freundlich ablief) werden wir das Haldern-Blog, das im vergangenen Jahr von den Kollegen von Mujuk betrieben wurde, mit Inhalten füllen. Freuen Sie sich auf aktuelle Fotos, Interviews (hoffentlich) und das übliche Gemecker über das niederrheinische Wetter. Hier wird es in den kommenden Tagen entsprechend ein wenig ruhiger zugehen.

Haldern Blog

Disclosure: Das Haldern-Blog wird unabhängig vom, aber in enger Zusammenarbeit mit dem Haldern-Pop-Veranstalter Raum 3 betrieben. Wir bekommen dafür kein Geld, aber (wie die meisten anderen Journalisten auch) freien Zugang zum Festival.

Kategorien
Musik Unterwegs

Haldern-Liveblog (Samstag)

15:06 Uhr: Was bisher geschah: Drecksverdammtes Mistwetter! Diese Hitze! Im Zelt fühle ich mich wie Colonel Kurtz in der grünen Hölle, außerhalb wie Erwin Rommel in Nordafrika. Wie, mir kann man’s auch nicht recht machen? 22°C, bewölkt – sollte doch kein Problem sein.

Auf dem Weg zum Festivalgelände noch lauwarmes Bier vernichtet, aber was tut man nicht alles für authentisches Festival-Feeling? Das ist nämlich jetzt schon wieder vorbei, weil ich Prollo-Pressemensch im schattigen Pressezelt sitzen darf, während die unbarmherzige niederrheinische Sonne auf den ehemals matschigen Alten Reitplatz niederbrennt. Navel und Sereena Maneesh hab ich deshalb schon verpasst, aber das Haldern-Blog schafft Abhilfe.

Gerade stehen Friska Viljor auf der Bühne und von dem, was hier hinten noch ankommt, würde ich auf Indie-Rock tippen. Das sollte mal genauer untersucht werden.

15:35 Uhr: Denken Sie bei einem bärtigen, langhaarigen Mann mit Hut und Mandoline nicht auch automatisch an Hans Süper? Sie könnten auch an Friska Viljor denken. Die klangen ein bisschen wie eine Mischung aus Arcade Fire, Kaizers Orchestra, The Smith und einer durchgeknallten Countryband und waren (natürlich deshalb, nicht trotzdem) außergewöhnlich unterhaltsam. Wenn es auf dem Niveau weitergeht, wird das ein sehr feiner, aber ultra-anstrengender Tag.

16:30 Uhr: Na gut: Sooooo doll ging’s dann doch nicht weiter. Voxtrot haben zwar ein Klavier dabei und klingen ein bisschen wie dir frühen R.E.M., aber so ganz können mich die Texaner nicht überzeugen.

Dafür hat der WDR wieder seine Kameras eingeschaltet und in den Weg gestellt, was mich aus obskuren Gründen an den schönsten Festival-TV-Moment ever erinnert …

17:19 Uhr: Auch wenn sie mal ausnahmsweise nicht auftreten, sind The Divine Comedy auf dem Haldern Pop omnispärsent – und wenn es nur als Umbaumusik und T-Shirt-Beschriftung ist.

Gerade spielen Johnossi, die “schwedischen White Stripes”. Es sei sehr heiß auf der Bühne sagt Sänger John und ein “Ach was” geht durch die Menge. Aber man habe auch gehört, es sei das erste trockene Haldern-Festival seit dem 18. Jahrhundert. Das Publikum hockt zur Zeit vermutlich lieber im Badesee neben dem Festivalgelände und hört von dort aus zu. Alle anderen haben schon braungebrannte Haut oder pfeifen auf Sonnenbrände. Wenn es nicht so unerträglich heiß wäre, würden die Leute vielleicht nicht nur beim größten Hit der Band tanzen. Aber der heißt ja immerhin “Man Must Dance”.

18:17 Uhr: Ein Teil des gerade antrocknenden Festivalgeländes stand zwischenzeitlich wieder unter Wasser – dort war eine provisorische Festival-Dusche zur Abkühlung aufgebaut worden. Auch wenn es schon früher Abend ist, sind die Temperaturen nach wie vor hoch.

Die Zuschauer, die sich gerade Malajube geben, lassen sich davon aber nicht aufhalten. Und auch wenn die Kanadier sonst “Montréal -40°C” besingen, kommt ihr französischsprachiger Indierock gut an. Ich vermute unter den lauten Gitarren und Krachwänden kleine Pop-Perlen, aber die sollen offenbar nicht zu auffällig sein.

19:38 Uhr: Gerade gab es die obligatorische Pressekonferenz. Veranstalter Stefan Reichmann ist zufrieden mit dem Wetter und den Besucherzahlen (5.500 bis 6.000). Er erzählt, dass Indie in vielen Bereichen jetzt Mainstream sei, und man in Haldern nicht bereit sei, den “Headliner-Terror”, der letztendlich nur die Kosten der Eintrittskarten in die Höhe treibe, weiter mitzumachen. Und auch ohne die ganz großen “Indie”-Headliner sind Besucherzahlen und Stimmung ja bestens.

Zur Zeit stehen Architecture In Helsinki auf der Bühne, was Raum für etwa ein Halbdutzend mieser Wortspiele ließe. Lassen wir das lieber bleiben und freuen uns an dem dezent verspulten Indiepop, der gerade von der Bühne donnert.

Ab 20 Uhr soll Eins Live, die sog. Jugendwelle des omnipräsenten WDR, übrigens das Festival für vier Stunden live übertragen. Ich bin ja mal gespannt, ob man dort seinem Publikum wirklich ein Konzert von Loney, Dear “zumutet” und dann nach zehn Minuten Jan Delay aussteigt, wie es der Zeitplan vorsieht.

20:28 Uhr: Es gibt Geschichten, da habe ich das Gefühl, dass mir ein Puzzleteil fehle. Bei Architecture In Helsinki bin ich mir dessen sogar sicher: Alle erzählen einem, wie toll die doch seien, doch weder auf Platte noch live kann mich die Band irgendwie packen. Letztendlich klingt ihre Musik in meinen Ohren wie der Migräneanfall einer Waldorf-Kindergärtnerin.

Gossip am Rande: Hier im VIP-Zelt läuft auch Dennis von Muff Potter rum, den ich gerade auf vermutlich recht peinliche Weise angequatscht habe. Ich sollte mir dieses unprofessionelle Fandom im Dienst mal abgewöhnen. Andererseits: Sollte man Leuten, die großartige Musik machen, nicht auch in ihrer Freizeit sagen dürfen, dass sie das tun? Vielleicht grübel ich gleich bei Loney, Dear mal darüber nach.

21:00 Uhr: Während die tiefstehende Sonne den niederrheinischen Himmel in ein holländisches Orange taucht, geht die Swedish Invasion auf der Bühne in die nächste Runde: Loney, Dear alias Emil Svanängen und seine Begleitband zaubern melancholischen Indiepop zwischen Bright Eyes und The Postal Service. Die mitunter überraschend textarmen Songs (“Nananananana”, “Dadadadada”, “Lalalalala”, …) klingen live nicht so elektrisch wie auf Platte, weswegen sich der Postal-Service-Vergleich nicht mehr ganz so aufdrängt. Irgendwie aber eben doch, weswegen ich die Band ebenso als Referenz nennen möchte wie Electric President. Solche Musik würde auch schön in die Nacht passen.

Apropos Nacht: Nach den Erfahrungen von gestern Abend grübel ich noch, ob ich es überhaupt versuchen soll, mir Ghosts und Duke Special im Spiegelzelt anzusehen. Zwar muss man der Fairness halber erwähnen, dass das Geschehen aus dem Zelt auch nach draußen übertragen wird (inkl. Großbildleinwand) – aber ob das so viel bringt, wenn auf der Hauptbühne gerade Jan Delay und seine Band spielen?

Nachträge Sonntag: Pünktlich zu den Shout Out Louds wurde es voll auf dem Platz. So viel zum Thema “Mäh, gibt ja keinen Headliner”. Es war von vorne bis hinten ein großartiger Auftritt und als nach fünfzig Minuten “Tonight I Have To Leave It” kam (als letzter regulärer Song vor dem dreiteiligen Zugabenblock), brannte wie erwartet die Luft. Man kommt um diese ständigen The-Cure-Vergleiche wirklich kaum umhin, weil Adam Olenius wirklich wie Robert Smith klingt. Ganz klar ein würdiger Abschluss des Festivals.

Aber das Festival war ja noch nicht vorbei: Während immer mehr Menschen zu Jan Delay auf den Platz strömten, wetzte ich hinaus ins Spiegelzelt, wo gerade The Drones am … haha: dröhnen waren. Ich war mir auch am Ende des Auftritts nicht sicher, was ich von ihrem Noise-Blues-Rock mit Post-Grunge-Einflüssen halten sollte, aber interessant war es allemal.

So langsam füllte sich das Spiegelzelt mit Leuten, die den Platz teils fluchtartig verlassen haben mussten. Ihre Ausführungen über das, was Jan Delay da so gebracht habe, sollen vor einer möglicherweise minderjährigen Leserschaft geheimgehalten werden, deswegen nur so viel: Ich war froh, dass ich mich fürs Zelt entschieden hatte.

Gegen halb eins legten dort Ghosts aus London mit ihrem charmanten Indiepop los, der live nicht mehr ganz so zuckersüß-lieblich klingt wie auf Platte. Die Band war (wie eigentlich alle anderen auch) völlig begeistert vom Publikum und das Publikum auch von ihnen. Mitten im Set gab es ein neues Kapitel der Serie “Britpop-Bands covern gänzlich unwahrscheinliche Songs”, als Sänger Simon Pettigrew “Don’t Cha” von den Pussycat Dolls anstimmte, was wir natürlich alle erst im Refrain bemerkten.

Während die Kräfte der Zuschauer schwanden und manche schon im Stehen einschliefen, wurde ein halbes Instrumentenmuseum auf die Bühne des Spiegelzelts geschleppt. Duke Special, sonst eigentlich nur Sänger/Pianist Peter Wilson, spielten in vierköpfiger Besetzung, bei der unter anderem auch Küchenquirl und Käsereibe zum Einsatz kamen. Wilson stand hinter seinem Klavier wie sonst nur Ben Folds, und wer so schöne Circus-Cabaret-Indie-Folk-Orchester-Pop-Musik macht, dem sieht man auch mal nach, dass er Wursthaare auf dem Kopf trägt.

Danach war Schluss. Zwar stand mit The Earlies noch eine letzte Band auf dem Programm, aber Rücken, Füße, Lunge und Augen schrien “Bett!” bzw. wenigstens “Schlafsack”. Und so endete das regenfreie Haldern-Pop-Festival 2007 in dieser seligen Haldern-Stimmung, die einen irgendwie jedes Jahr befällt. Auf dem Zeltplatz gab es noch Johnny Hills “Ruf Teddybär Eins-Vier” und Howard Carpendales “Ti Amo” und ich wusste: “Irgendwie ist es auch gut, dass es jetzt erst mal wieder vorbei ist.”

Kategorien
Musik Unterwegs

Haldern-Liveblog (Freitag)

17:00 Uhr: Was bisher geschah: Ich wurde heute Morgen wach und – die Sonne schien. Aus Dankbarkeit opferten wir Petrus eine Packung “Saure Apfelringe” (Haldern-Tradition #2) und frühstückten ausgiebigst in der Sonne. Ich weiß, ich werde einen Sonnenbrand bekommen.

Die erste Band, die ich mir im angeguckt habe, waren die Brakes (“like on your bike”) im Spiegelzelt. Die Band sieht anders aus als ich sie mir vom Klang ihrer Musik her vorgestellt hätte, und hat Ananässe auf ihren Verstärkern stehen, die sie während des Konzerts ins Publikum schmeißt. Musik machen sie auch: schrömmeliger Indierock trifft auf Country-Anleihen, die im Coversong “Jackson” (den kennen Sie aus dem Johnny-Cash-Film) kulminieren.

Dann geht’s aufs Festival-Gelände, das allein schon dadurch besticht, dass die Bühne anders steht als sonst. Sie steht … nun ja: leicht schräg. Wer schon mal auf dem Haldern war und sich das Festival-Gelände als Uhr vorstellen kann, imaginiere sich jetzt bitte, die Bühne sei von zwölf auf ein Uhr vorgerückt, wobei sie immer noch auf den Mittelpunkt des Uhrwerks ausgerichtet ist. Alle anderen stellen sich bitte vor, dass da eine große Bühne auf einem Reitplatz steht, das reicht.

Der sympathisch-verplante Holländer, der seit (I assume) 1984 das Programm ansagt, betritt die Bühne und kündigt in gewohntem Überschwang Ripchord an. Die Band erinnert aus der Ferne (schließlich will das Pressezelt inspiziert werden) ein bisschen an Mando Diao und die Libertines. Und das ist ja wohl mal eine präzise Ansage, denn welche Band klingt heutzutage schon so? Na gut …

Gerade stehen/steht Gabriel Rios auf der Bühne und alles, was hier ankommt, sind ein Bass und eine Bassdrum. Deswegen werde ich nun hinaus in den Matsch eilen und ein Ohr auf das Geschehen werfen, damit ich hinterher schreiben kann, wie es wirklich klang.

Vorher muss ich noch die ersten Verletzungen im Team vermelden: Katti hat sich den Nagel ihres dicken Zehs eingerissen (hier zuckten grad 85% der Leser zusammen und schworen sich, so ein Ekelblog nie wieder zu besuchen) und ich habe mir (weit weniger schlimm) die Sonnenbrille, die ich extrem lässig ins Haar gesteckt hatte, aufs Nasenbein gedonnert. Und jetzt muss ich wirklich los, denn Björn vom Haldern-Blog ist gerade hinter mir aufgetaucht und jetzt wollen wir ein wenig plaudern und Bruderschaft trinken. Oder irgendwie sowas.

18:05 Uhr: Bis ich auf dem Platz war, war/waren Gabriel Rios schon vorbei. So bleiben mir nur die Ricky-Martin-mäßigen Eindrücke, die im Pressezelt ankamen.

Vielleicht hätte man eine Band wie Polarkreis 18, die mit geschätzten zweiundvierzig Instrumenten agiert, nicht unbedingt mitten in den Nachmittag legen sollen. Jetzt hinkt der Zeitplan. Dafür gibt es gerade die “deutschen Radiohead”, was dann zutreffend wäre, wenn Radiohead bedeutend mehr tanzbare Tracks wie “Idioteque” veröffentlicht hätten. Man möchte fast ein Krautrock-Revival ausrufen, aber Dresden ist eine so Krautrock-untypische Stadt (sie liegt, zuallererst, nicht am Rhein).

Der WDR fährt mit seinen Rockpalast-Kameras die ganze Zeit vor der Bühne herum und versperrt dem Publikum und den Fotografen die freie Sicht auf die Bühne. Das könnte richtig ärgerlich sein, aber das Publikum sieht nicht so aus, als ob es das mit den Rundfunkgebühren sonderlich genau nähme. Und Leute, die man nicht bezahlt, kann man ja kaum anschreien, sie mögen einem bitte aus dem Sichtfeld treten.

Was man auf keinen Fall unerwähnt lassen sollte: Sonne! Sonne!! Soooooonneeeeeee!!!!1

19:15 Uhr: Von Paul Steel und Band habe ich nicht viel mitbekommen, weil ich zeitgleich The Electric Soft Parade interviewt habe. Ich glaube, ich hätte die Musik “nett” gefunden. Nett waren aber auch die Gebrüder White, weswegen sich das schon gelohnt hat, so wie’s war. Die Tatsache, dass ich den alten Kinderkassettenrecorder meines Bruders als Aufnahmegerät mitgebracht habe, war jedenfalls ein Super-Eisbrecher, denn wie finden junge Männer, die verspielte Popmusik machen, so ein Teil? “Cool, old school!”

19:58 Uhr: Wer hat dem Pudel die Gitarre um den Hals gebunden? Ach nee, das ist nur Kyle Falconer, der lockichte Sänger von The View, der seine Gitarre noch ein bisschen höher trägt als Johnny Cash. Zu beeinträchtigen scheint es ihn nicht, denn er und seine Band pflügen gerade durch ein Set voller schwungvoller Indierock-Kracher, die immer mal wieder rhythmisch an der Tür klopfen, auf der “Polka” steht. Die Indiepedia sagt, der Schlagzeuger sei mal mit Pete Doherty verhaftet worden. Reife Leistung. Und ungefähr so schwierig wie Angeln in einem Fass voller Fische.

20:57 Uhr: Ein junger Mann, der aussieht wie Gary Oldman in Sid And Nancy, kommt auf die Bühne, rotzt zweimal auf selbige und legt mit seiner Band los. Klingen tut’s aber eher wie The Clash, wenigstens so ungefähr. Live klingt Jamie T bedeutend weniger nach Hip-Hop, als auf Platte, ich meine trotzdem, einen süßlichen Geruch in der Luft zu vernehmen.

21:40 Uhr: Gerade war ich am Zelt, meinen Pulli holen. Dabei konnte ich eine Haldern-typische Szene beobachten: Ein älteres Ehepaar aus der Nachbarschaft ging in ordentlicher Kleidung am Zeltplatz vorbei – offenbar um “mal zu gucken, was die jungen Leute so machen”. Sie gesellten sich zu einer Gruppe am Bierstand und plauderten los.

Folgende Musik habe ich auf dem Zeltplatz hören können (unvollständig): Max Mutzke, Red Hot Chili Peppers, The Fratellis, Bap, Led Zeppelin, The Sounds, Kaiser Chiefs. Unangefochtener Festival-Hit dürfte aber “Tonight I Have To Leave It” von den Shout Out Louds werden. Zu recht.

22:15 Uhr: Noch mehr idiotische Optik-Vergleiche: The Magic Numbers sehen ein bisschen aus wie die Kelly Family. Sie machen durchaus nette Popmusik, die das inzwischen nächtliche Festivalgelände durchweht. Es könnte auch Rockpalast 1978 auf der Loreley sein.

Man sollte auch mal anmerken, dass das Publikum zwar in Indie-Uniformen erschienen ist (If I had one Dollar for every polka dot …), aber in der Gesamtheit recht gut aussehend ist (nur knapp hinter den immer besonders hübschen Publika von Travis und Slut). Ich glaube schon, dass manch einer hier den Partner fürs Leben finden könnte.

Samstag, 00:31 Uhr: Auf der Bühne sitzt grad Jason Pierce und buchstabiert Gänsehaut. Mit seinem Keyboarder, einem Streichquartett und einem (dreiköpfigen) Gospelchor sind das die “Acoustic Mainlines” seiner sonstigen Band Spiritualized. Es mag sein, dass das Feenstaub ist, der da durch die Nacht fliegt – vielleicht sind es auch nur die Überreste der Motten, die den Scheinwerfern zu nahe gekommen sind. Die Leute, die bei dieser Musik noch quatschen, möchte man am liebsten schütteln und anschreien: “Ruhe, da vorne stirbt jemand!” Nun ja, sterben wird Jason Pierce heute Nacht nicht, aber so oft wie er “Lord” und “Jesus” singt, fühlt man sich ein wenig, als höre man jemandem verbotenerweise beim Beten zu. Einfach schön.

Nachtrag Samstag, 14:58 Uhr: Eigentlich wollte ich mir gestern Nacht noch The Electric Soft Parade angucken. Ich hatte es den Gebrüdern White sogar im Interview versprochen. Aber als ich vom Platz kam, war die Schlange vor dem viel zu kleinen Spiegelzelt schon so lang, dass absehbar war, dass die Person, die in der Schlange vor mir gestanden hätte, als letzte reingekommen wäre. Ich finde das nach wie vor unglücklich mit diesem Zelt, zumal wenn auch noch zeitgleich auf der Hauptbühne Programm ist. Entscheiden-müssen oder Nicht-reinkommen ist Rock am Ring, aber nicht Haldern.

So gab’s dann wenigstens im (eigenen) Zelt noch The Waterboys aus weiter Ferne. Aus so weiter Ferne, dass nur noch eine Ahnung von Songs ankam. Die war aber durchaus nett.

Kategorien
Unterwegs Musik

Haldern-Beinahe-Liveblog (Donnerstag)

Von Bochum über Dinslaken nach Haldern und auf der Autobahn: Nieselregen. Ich will schon umdrehen, aber meine Beifahrerinnen sagen mir, dass darf man nicht auf der Autobahn. War auch besser so, denn danach blieb es *aufHolzklopf* trocken.

Zelt aufgebaut, Kartoffelsalat mit Frikadellen gegessen, Cidre getrunken (Haldern-Tradition #1). Danach Kilians geguckt, die auf dem Dach ihres vierzig Jahre alten, von einem Energy-Drink-Hersteller umgebauten, Tourbusses spielen. Das Konzert war solide Hochleistungsware, die Stimmung im Publikum bestens.

Leider war die Müdigkeit danach so hoch, dass ich mich nicht mehr zum offiziellen Festival-Teil ins Spiegelzelt schleppen konnte und – Asche auf mein Haupt! – Naked Lunch deswegen verpasst habe. Als Rache dafür habe ich schlecht geschlafen, weil wir unser Zelt direkt neben einem Bierstand aufgestellt haben, der erst irgendwann mitten in der Nacht schließt …

Kategorien
Musik

Die Ohnmacht der Möglichkeiten

Beim Blick auf meinen Kalender habe ich gerade festgestellt, dass in vier Wochen ja schon wieder Haldern Pop ist. Seit sieben Jahren fahre ich nun auf dieses sympathische Festival am schönen Niederrhein und es hat sich bisher immer gelohnt. Ich hoffe nur inständig, dass sich das Wetter bis zum 2. August noch bessert, denn ein drittes Jahr mit Platzregen und Schlammschlacht in Folge würde mir so langsam dann doch mal auf die Ketten gehen.

Das Line-Up ist dieses Jahr ein bisschen … äh: ungewöhnlich, spielen mit Jan Delay und Jamie T doch zwei Künstler, die auf den ersten Blick nicht soooo viel mit Indie zu tun haben. Auf den zweiten natürlich schon und überhaupt: Schubladendenken ist den Haldern-Machern von Raum3 völlig fremd, deswegen gibt es jedes Jahr eine außergewöhnliche Mischung aus Szenegrößen, gerade durchbrechenden Acts und vorher noch völlig unbekannten Künstlern. Geradezu bezeichnend ist die Tatsache, dass die schwächsten Auftritte der letzten Jahre ausgerechnet die der Superstars Franz Ferdinand und Mando Diao waren – die sorgten aber immerhin für eine Indiemädchenquote, über die sich so manche “Ladies Night” freuen würde.

Für dieses Jahr sind unter anderem angekündigt: Two Gallants, Naked Lunch, The Electric Soft Parade, Polarkreis 18, The View, Jamie T, The Magic Numbers, Sebastien Tellier, Johnossi, Architecture In Helsinki, Shout Out Louds, Jan Delay & Disko No. 1, Ghosts, Duke Special, The Earlies, …

Je länger man sich das Line-Up anguckt, desto besser wird es eigentlich. Zugegeben: Im letzten Jahr hatte ich mit Element Of Crime, The Divine Comedy und James Dean Bradfield gleich drei persönliche Helden, auf die ich mich freuen konnte. Aber ich nehme an, ich werde auch dieses Jahr wieder begeistert zurückkommen. Wenn das Wetter stimmt …

Haldern Pop Festival
vom 2. bis 4. August in Rees-Haldern (Ndrh.)
Tickets gibt’s offenbar noch hier

Kategorien
Musik

Bochum-Total-Tagebuch (Tag 4)

Heute war das Wetter gar nicht mal so schlecht. Dafür das Programm

Also bleibt nur noch das Fazit für 2007: Voll wie üblich, aber ein sehr schönes, vielseitiges Line-Up. Nur halt Pech mit dem Wetter.

Und warum sämtliche Supermärkte in der Innenstadt, die sonst am Total-Wochenende den besten Umsatz des Jahres (im Segment “alkoholische Getränke”) machen, dieses Jahr alle Schlag 17 Uhr (Konzertbeginn) geschlossen haben, kriege ich auch noch raus …

Kategorien
Musik

Bochum-Total-Tagebuch (Tag 3)

Das Ruhrgebiet im Allgemeinen und Bochum im Speziellen ist ein Ort, an dem sich Menschen, die von unseren Eltern in den Achtzigern “Grufties” genannt wurden, gerne treffen und gemeinsam Musik hören, die von sehr teuren Synthesizern erzeugt wird, und zu der Männer (tief) und Frauen (hoch) Texte singen, die im Allgemeinen von Schmerz, Tod und Nacht handeln. Die einzige Musikrichtung, die mich noch weniger interessiert als Gothic/EBM ist Reggae, aber wer wäre ich, das Line-Up des Bochum Total zu kritisieren, zumal nach diesem Auftakt? Es ist halt wirklich für jeden Geschmack etwas dabei und so kam ich am gestrigen Samstag wieder zweimal auf meine Kosten:

Sugarplum Fairy (Eins-Live-Bühne)
Victor und Carl Norén, die beiden Sänger von Sugarplum Fairy sind die kleinen Brüder von Gustaf Norén von Mando Diao. Als letztere vor zwei Jahren auf dem Haldern Pop spielten, regnete es in Strömen, ich saß im Pressezelt und langweilte mich, denn die Band war live mindestens so schwach wie Franz Ferdinand am Abend zuvor.

Gestern war also Bochum Total, es regnete immer mal wieder, ich stand vor der Bühne und war hellauf begeistert. Die kleinen schwedischen Rotzlöffel (hab grad extra nachgeguckt: wenigstens der Schlagzeuger ist älter als ich, wenn auch nur eine Woche) haben sich natürlich viel bei der Schwesterband und vor allem bei Oasis abgeguckt, aber bei allem Gepose war noch der Spaß dahinter zu erkennen und es klang einfach gut. Sie spielten viele Songs vom aktuellen Album “First Round First Minute”, wobei sich Carl, Victor und David Hebert ständig an Bass, Gitarre, Orgel und Gesang abwechselten, was ich immer besonders schön finde. Die meiste Stimmung kam aber bei den Hits des Debütalbums auf: bei “Morning Miss Lisa”, “Sail Beyond Doubt”, “(And Please) Stay Young” und dem überragenden “Sweet Jackie”, das Noel Gallagher sicher gerne geschrieben hätte, wenn die Noréns es nicht aus seinen größten Hits zusammengepuzzelt hätten.

Es wäre also ein rundherum gelungenes Rock’n’Roll-Konzert gewesen, hätte Carl Norén nicht plötzlich die vierte Wand eingerissen und das Oasis’sche “Wonderwall” angestimmt. Da zeigte sich nämlich für einen Moment, dass Sugarplum Fairy letztendlich doch noch nur Ersatzbefriedigung für das lauthals mitgrölende Publikum waren. Andererseits haben Oasis ja auch oft genug die Beatles gecovert …

Tocotronic (Eins-Live-Bühne)
Tocotronic beim Bochum Total 2007Beim bereits oben erwähnten Haldern 2005 kam mir Musikexpress-Redakteur Josef Winkler im Pressezelt entgegengerauscht, flötete “Tocotrooooonic!” und entschwand Richtung Bühne (in meiner Erinnerung trug er ein Feengewand und Bänder im Haar, aber ich mag mich da durchaus irren). Der Auftritt damals war schlichtweg fantastisch und das große Finale mit “Neues vom Trickser” endete in dem Unwetter, was den Mando-Diao-Auftritt begleiten sollte.

Diesmal nieselte es nur leicht, was in Sachen Spezialeffekte ja beinahe langweilig ist. Trotzdem waren Dirk “der Graf” von Lowtzow und die Seinen wie allgemein üblich sehr, sehr gut. Es gab einiges an neuem Liedwerk vom noch unveröffentlichten Album “Kapitulation” zu hören (das wieder sehr gut wird) und eine Art Greatest-Hits-Revue, die sich den Mainstream-Hits “This Boy Is Tocotronic” und “Let There Be Rock” konsequent verweigerte. Dafür gab es beispielsweise bei “Ich bin viel zu lange mit euch mitgegangen” und dem finalen “Freiburg” die wohl größten Studentenchöre der Welt zu hören (Trainingsjacken inklusive) und bei “Aber hier leben, nein danke” flog kein einziger Becher auf die Bühne.

Detail am Rande: Ein etwa sechs- bis achtjähriges Mädchen im Tocotronic-Bandshirt auf den Schultern seines Vaters, das den Refrain der aktuellen Single “Kapitulation” begeistert und aus einem Schneidezahnlosen Mund mitsang.

Das verwendete Foto stammt von Kathrin. Hier hat sie noch mehr vom Bochum Total.

Kategorien
Musik

Bochum-Total-Tagebuch (Tag 2)

Bochum im Regen

Bei dem Wetter und dem mich nicht unbedingt ansprechenden heutigen Programm bin ich dann doch lieber zuhause geblieben. Morgen dann Sugarplum Fairy und Tocotronic.

Bisher habe ich beim Bochum Total immer nur gutes Wetter erlebt, es muss demnach damit zusammenhängen, dass zeitgleich Hurricane und Glastonbury stattfinden – und bei denen gibt es ja eine Unwettergarantie aufs Ticket.

Kategorien
Musik

Bochum-Total-Tagebuch (Tag 1)

In die Bochumer Innenstadt sollte man derzeit besser nicht mit dem Auto fahren wollen (wobei: sollte man eigentlich besser eh nie), denn es ist Bochum Total, das größte Umsonst-und-draußen-Festival-Europas (Gerüchten zufolge dankt man in Bochum immer noch alljährlich der Popkomm für ihren Umzug nach Berlin und das daraus resultierende Ende des Kölner Ringfests). Ich tu mir das als guter Lokalpatriot natürlich mit Freuden an, zumal das Line-Up in diesem Jahr besonders gut ist.

Kilians (Eins-Live-Bühne)
Kilians beim Bochum Total 2007Ach, die schon wieder. Zwei Konzerte einer Band innerhalb von 19 Stunden – das hatte ich auch noch nicht. Das Wetter meinte es nicht gut mit der Band, über die ich schon beinahe alles geschrieben habe. Aber sie waren wieder sehr, sehr gut. Der Vollständigkeit halber (und um “Schiebung!”-Rufe entweder zu unterbinden oder erst anzustacheln) sei noch erwähnt, dass sie mir ein Lied gewidmet haben. Die Süßen!

Karpatenhund (Eins-Live-Bühne)
Bei plötzlicher Trockenheit und aufkommendem Sonnenschein gab es das deutschsprachige Indie-Ding dieses Jahres mit tatkräftiger Unterstützung und okayer Single. Nicht mein Ding, aber in der Runde, in der ich den Auftritt mehr an mir vorbeiströmen ließ, als ihn wirklich zu verfolgen, war auch eher das Aussehen der Frontfrau das beherrschende Thema. (Zwischenruf: “Das war jetzt aber ein saudummer Chauvi-Spruch!” Antwort: “Schon, aber leider auch der Wahrheit. Heute ist aber eigentlich eh ohne Zwischenrufe.”)

Jupiter Jones (Ring-Bühne)
Hallo, liebe Emo-Kinder, jetzt beschüttet Euch doch mal nicht gegenseitig mit Bier, sondern konzentriert Euch auf die Band da vorne! Die schreiben Texte, die Euch sicher sehr entgegenkommen, und rocken wie Schmitz’ Katze. Wie, “Life goes on und irgendwie schaff ich das schon” ist kein Text für Euch? Na, dann eben nicht.
Da fällt mir ein: ich brauche dringend noch das neue Album mit dem fantastischen Titel “Entweder geht diese scheußliche Tapete – oder ich”.

Virginia Jetzt! (Eins-Live-Bühne)
Ich mag die ja. Zum einen, weil ihr sehr charmantes Debüt-Album 2003 ein treuer Begleiter war, zum anderen, weil Gitarrist/Keyboarder/Songschreiber Thomas Dörschel und ich uns irgendwann noch um den Titel “Größter Ben-Folds-Fan Deutschlands” prügeln müssen (wobei ich mir sicher bin, das keiner von beiden ernsthaft kämpfen würde). Virginia Jetzt! sind aber auch einfach eine verdammt gute Liveband, die sehr schöne Songs haben und eine ungeheure Spielfreude an den Tag legen. Folgende Songs wurden daher im Laufe des Sets angespielt: “The Sweet Escape” von Gwen Stefani, “Eye Of The Tiger” von Survivor, “No Limits” von 2Unlimited, “Jump” von Van Halen und “Seven Nation Army” von den White Stripes.

Nach dem Opener “Mein sein” gab es als zweiten Song “Liebeslieder” und mir dämmerte, dass die große Diskussion, die dieses Lied vor drei Jahren über “deutschtümelige Liedzeilen” (“Das ist mein Land, meine Menschen, das ist die Welt, die ich versteh”) ausgelöst hatte, noch alberner war als so manch aktuelle Diskussion in der Blogosphäre. Meinen aus diesem Gedanken entsprungenen Essay “Wer sich worüber aufregt, ist eigentlich egal, Hauptsache, es hört irgendjemand zu” hoffe ich zu einem späteren Zeitpunkt in der Wochenzeitung “Freitag” präsentieren zu können – sonst erscheint er als Book on demand.

Im Laufe des Sets kam so ziemlich alles an neuen und älteren Songs vor, was man sich wünschen konnte, und als der Tag Schlag 22 Uhr (“die Nachbarn, die Nachbarn …”) endete, war ich froh, dass ich mich nicht von dem bisschen Wolkenbruch am Nachmittag hatte aufhalten lassen. So lief ich zwar vier Stunden in einer Regenhose durch die Gegend (das nur als Antwort auf die Frage, was das uncoolste Kleidungsstück ist, was ich mir spontan vorstellen könnte), aber erstens hatte die mich zuvor weitgehend trocken gehalten und zweitens shall the geek ja bekanntlich inherit the earth.

Das verwendete Foto stammt von Kathrin. Hier hat sie noch mehr vom Bochum Total.