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Musik

Listenpanik 02/09

Der Februar ist ein blöder Monat: Verdammt kurz, aber voller spannender Veröffentlichungen. Alles habe ich nicht geschafft zu hören, einige waren erschreckend öde, aber irgendwie sind mir dann doch noch genug Alben und Songs eingefallen, die man sich für die Jahresendliste vormerken sollte.

Bevor im März mit Starsailor und Ben Lee das ganz große Fan-Fass aufgemacht wird, hier erstmal der Februar:

Alben
Lily Allen – It’s Not Me, It’s You
Selten habe ich mich im Bekanntenkreis für etwas so sehr rechtfertigen müssen wie für meine Lily-Allen-Verehrung. Aber im Gegensatz zu diesen ganzen Café- und Familienkombibeschallerinnen (Duffy, Amy Winehouse, Amy MacDonald, Adele, Gabriela Cilmi, …) hat Lily Allen Eier (das hört sich im Bezug auf Frauen immer komisch an, weil Frauen natürlich generell Eier haben — ganz anders als Männer). Ihre Songs sind klug und witzig, gehen ins Ohr und in die Füße und ihr zweites Album setzt das phantastische Debüt konsequent fort. So und nicht anders sollten junge Frauen mit 23 klingen.

Beirut – March Of The Zapotec / Realpeople: Holland
Und damit zum nächsten Musiker, der jünger als ich ist: Zach Condon hat mit seiner Band Beirut bereits zwei Alben veröffentlicht, jetzt kommt eine Doppel-EP, bestehend aus sechs Songs, die er mit einer 19-köpfigen Band in Mexiko aufgenommen hat, und fünfen, die er schon vor längerer Zeit mit seinem Elektronik-Projekt Realpeople aufgenommen hat. Der erste Teil ist Weltmusik für Leute, die sonst keine Weltmusik mögen, der zweite Elektronik für Leute, die sonst keine Elektronik hören. Trotz dieser zwei doch recht unterschiedlichen Ansätze wird das Album (die Doppel-EP) von Condons Stimme und seinen Ideen wunderbar zusammengehalten.

U2 – No Line On The Horizon
U2 zählen zu jenen Bands, die ich durchaus schätze, die mir aber nie in den Sinn kämen, wenn es um die Nennung meiner Lieblingsbands geht. “No Line On The Horizon” wird jetzt als ihr bestes Album seit langem gefeiert und erstmals seit langer Zeit höre ich ein Album, von dem bei mir so gar nichts hängen bleiben will. Nach etlichen Durchgängen könnte ich gerade anderthalb Refrains benennen, ansonsten geht das Album einfach so durch meinen Kopf durch. Seltsamerweise weiß ich trotzdem, dass ich das Album gut finde.

Morrissey – Years Of Refusal
Ja, klar: The Smiths waren schon sehr, sehr groß und Morrissey ist eine coole Sau. Trotzdem haben mich die Alben des Mannes, den Musikjournalisten stets wissend mit merkwürdigen Attributen bedenken, nie so wirklich interessiert. Die Singles: ja (“First Of The Gang To Die” als absoluter Überhit), aber sonst? “Years Of Refusal” ist da anders: Das Album rockt und bockt und zickt und alle schreien laut “Ach Gott, ach Gott, das kann er doch nicht machen. Und jetzt hört man auch noch die Verzerrer und das scheppernde Schlagzeug …”. Und ich finde es zum ersten Mal richtig interessant.

The Whitest Boy Alive – Rules
In einem wachen Moment meiner by:Larm-Berichterstattung hatte ich Erlend Øye als “eine Art Thees Uhlmann Norwegens” beschrieben, was sich allerdings primär auf die Maskottchen- und Patenhaftigkeit der Beiden für die jeweiligen Musikszenen bezog. (Witzigerweise ist Øye ja ungefähr so selten in Norwegen wie Uhlmann in Hamburg, weil beide in Berlin wohnen, der Stadt, in der man halt wohnt.) Außerdem sind Beide – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung – jeweils ihre Band. Kaum jemanden interessiert, wer sonst noch bei The Whitest Boy Alive bzw. bei Tomte spielt — aber damit ist endlich Schluss mit den Gemeinsamkeiten, denn The Whitest Boy Alive sind permanent so funky wie Tomte in ihren funkigsten Momenten. “Rules” ist von vorne bis hinten eine Aufforderung zum Tanz, eine Platte, die man erst mit den Füßen hört und dann mit den Ohren (eine anatomisch etwas abwegige Idee), einfach schöner, klangvoller Pop.

Songs
Lily Allen – Who’d Have Known
Die Idee, einfach den Refrain eines Hits vom Take-That-Comeback-Album zu nehmen (“Shine”) und daraus einen komplett neuen Song zu entwickeln, ist so uncool und absurd, dass man sie einfach lieben muss. Ansonsten ist “Who’d Have Known” auch noch ein so rührend unschuldiges Liebeslied, in dem sich Romantik und alltägliches Rumlungern auf sehr sympathische Weise treffen. Beziehung durch Gewohnheitsrecht, quasi.

Klee – Ich lass ein Licht an für Dich
Und gleich noch so eine rührend unschuldige Nummer: “Berge versetzen”, das aktuelle, mitunter an Goldfrapp erinnernd Klee-Album, war ein bisschen an mir vorbeigegangen, bis mir der Shuffle Mode diesen Song in die Ohren und direkt ins Herz jagte. Dieses Lied ist der beste Beweis, wie man auch in deutscher Sprache völlig unpeinlich ganz große Gefühle behandeln kann. (Ich muss da immer an “Halt Dich an Deiner Liebe fest” denken.)

Kilians – Said And Done
Lustig: Wenn man es direkt nach “Ich lass ein Licht an für Dich” hört, klingt es fast wie die Fortsetzung des Songs. Irgendjemand muss ja auch mal “Never Thought I’d Say That It’s Alright” und “When Did Your Heart Go Missing” beerben, was generationenübergreifenden Airplay angeht. Warum also nicht die Kilians, die mit ein paar Streichern im Rücken das Feld beackern, das seit dem Ende von Readymade und Miles brach liegt? Und keine Angst vor dem Pop: Das Album rockt dann wieder mehr.

Mando Diao – Go Out Tonight
Wirklich spannend ist auch deren neues Album nicht geworden (wenn auch nicht ganz so öde wie das von Franz Ferdinand), aber kurz vor Schluss kommt dann wenigstens so eine Mando-Diao-typische Schunkelnummer mit Motown-Rhythmus, Melancholie und ordentlich Feuer in den Stimmen.

[Listenpanik, die Serie]

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Musik Unterwegs

Oslog (5)

Ich bin wieder zuhause. Gestern hatte unsere kleine deutsche Reisegruppe noch einen schönen Spaziergang am Osloer Hafen entlang und hoch zum Königsschloss unternommen (Fotos folgen vielleicht), dann ging es mit dem Flieger zurück in heimische Gefilde, die uns besonders herzlich, also in Form von Nieselregen und betrunkenen Kindern, begrüßten.

Oslo bei Nacht

Die Reisetasche ist ausgepackt, auf meinem Schreibtisch stapeln sich die neuen CDs, aber als erstes ist es an der Zeit, die Bands vom Samstagabend noch zu würdigen:

Simon Says No (Foto: Lukas Heinser)

Simon Says No
Nach all den vertrackten, verspielten, sonstwo beeinflussten Bands tat es gut, endlich mal wieder eine zu hören, die einfach nur gerade nach vorne rockten: Simon Says No erinnerten an die frühen Radiohead, die frühen R.E.M., Dinosaur Jr. und Editors. Leider hielt sich meine Begeisterung nicht sehr lange, denn ungefähr nach drei Songs wurde das Ganze ein bisschen spannungsarm. Ob die Leute, die den Club im Dutzend verließen, ähnlich dachten oder nur dringend zu einem anderen Konzert wollten, weiß ich leider nicht.

Fennesz/Food

Fennesz/Food
Der österreichische Saxophonist Christian Fennesz spielte gemeinsam mit dem norwegischen Duo Food, das aus einem Schlagzeuger und einem DJ besteht. (Nachtrag: Wer da gespielt hat, steht hier.) Und sie spielten eine halbe Stunde ohne Unterbrechung eine einzige lange Improvisation, die nur noch wenig mit Pop zu tun hatte, dafür viel mit Jazz und Düsternis. Das klang schon mal nach David-Lynch-Filmen und nach schweren Migräne-Attacken, war aber durchaus sehenswert. Zum Schluss steigerte sich die Musik wie erwartet in ein unglaubliches Lärmgewitter, aber das war nach den überwiegend sehr zugänglichen Sachen auch mal toll.

The Whitest Boy Alive

The Whitest Boy Alive
Ich hatte ja schon mal erwähnt, dass Erlend Øye Maskottchen und Star des by:Larm in Personalunion war, nun durfte er auch mit seiner Band Headliner sein. Dance Music in Bandbesetzung und über Tausend Norweger tanzten undw wippten und riefen am Schluss auf Deutsch “Kalte Füße!” (aber das ist eine lange Geschichte). Øyes Sonderrolle wurde dadurch deutlich, dass die Band nicht nur sieben Minuten überzog, sondern auch einfach noch eine Zugabe spielte. Aber das ging völlig in Ordnung.

Lindstrøm
Ich habe immer so meine Schwierigkeiten, wenn es um Live-Auftritte von Elektrokünstlern geht. Es ist halt nicht soooo spannend, einem Mann zuzusehen, der hinter einem Mischpult und einem MacBook steht. Die Musik war dafür durchaus schön und an der Grenze zwischen tanzbar und chillig. (Referenzgrößen hier: die erste Röyksopp, die letzte Underworld.)

WhoMadeWho

WhoMadeWho
Der Abschluss und angeblich der Headliner des Festivals: drei Dänen, die eine Sorte von Musik machten, die mir nach ungefähr vier Takten gehörig auf die Ketten ging. Wenn man’s mag, war’s bestimmt toll, aber für mich war das MGMT und Klaxons in nervig.

Fazit
Rund 20 Acts in drei Tagen, da kann man schnell den Überblick verlieren. Was ist hängengeblieben? Auf alle Fälle die beiden Mädels von First Aid Kit. Die beeindruckendste Liveshow war wohl die von I Was A Teenage Satan Worshipper, die gleichzeitig den tollsten Bandnamen hatten. Annie war auch toll und von Pony The Pirate werden wir sicher auch noch was hören.

Es folgt noch mindestens ein Eintrag zur Konferenz und dem ganzen Drumherum, aber ich kann schon einmal zusammenfassen, dass der Ausflug zum by:Larm eine feine Sache war und ich jede Menge gute neue Musik gehört habe.

Was es mit dem Oslo-Trip auf sich hatte, steht hier.