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Embedded journalism

In der vergangenen Woche tauchte bei YouTube ein Video auf, dass den russischen Oppositionspolitiker und Ex-Schachweltmeister Gari Kasparow auf einer Veranstaltung zeigt. Plötzlich kommt ein männliches Genital mit Rotorblättern herangeschwebt, das von einem Personenschützer Kasparows unschädlich gemacht wird.

Soweit eine ganz interessante Geschichte und ein recht witziges Video. Bei “RP Online” entschied man sich heute, darüber zu berichten – und zwar in Form eines kleinen Einleitungstextes und einer sechzehnteiligen Bildergalerie. Wer sich durch die durchgeklickt hat, wird mit einem Link zum Video belohnt.

Das ganze Elend in sechzehn Bildern (klicken Sie auf den Streifen für die Großansicht):

“RP Online” fotografiert ein YouTube-Video ab

Wer nicht so viel klicken will:

Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.

[Direktlink]

Überhaupt scheint es bei “RP Online” keine festen Regeln zu geben, wie man mit YouTube-Clips umzugehen hat: mal werden sie in den Artikel eingebunden (wie im Falle der “Nackt-Stewardess”, des “peinlichen Microsoft-Videos” oder der Neujahrsansprache von Guido Westerwelle), mal wird das entsprechende Video immerhin verlinkt (wie im Artikel über das “irre Gespenst”, in der Bildergalerie über den “irren Youtube-Hype um Rick Astley” oder eben ganz am Ende von Bildergalerien), und mal müssten die Leser das Video schon selbst suchen (wie bei dem “mysteriösen Zwerg” oder – besonders merkwürdig – der vierundzwanzigteiligen Bildergalerie “Die besten YouTube-Videos des Jahres”).

PS: Wenn “RP Online” im Falle des fliegenden Glieds übrigens noch zwei Minuten recherchiert hätte, hätte man noch schreiben können, dass es ursprünglich zwei fliegende Phalli gab.

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Wörterbuch Onlinejournalismus: “Vermischtes”

Falls Sie sich immer schon gefragt haben, was das eigentlich so für Themen sind, die unter dem eher allgemein gehaltenen Rubrum “Vermischtes” zusammengefasst werden: welt.de erklärt es Ihnen gerne!

Die aktuelle Top Story der Kategorie geht so:

Urlaubsflirt - Von türkischen Gigolos und deutscher Einsamkeit

Es gibt natürlich auch noch andere Themen:

Erotikmagazin für Frauen - Im weiblichen Kopfkino der Lust

Neben aktuellen Artikeln gibt es natürlich auch Kolumnen:

Kolumne: Ab 18

Kolumne: Heartcore

Nicht fehlen darf natürlich die Königsdisziplin des Onlinejournalismus, die Bildergalerie:

Bildergalerien

(Achtung: Mindestens eines der Themen passt übrigens nicht zu den anderen.)

Immer mehr Leute reden vom “Mitmachweb”, weswegen der Besucher von welt.de in einem “Wissenstest” auch selbst aktiv werden kann:

Mitmachtest: Wie benehmen Sie sich im Bett?

Zuguterletzt gibt es noch ein Bilderquiz. Oder derer sechs, um genau zu sein.

Glauben Sie mir, ich wünschte mir auch, ich hätte mir das hier nur ausgedacht:

Bilderquiz

[Alle Screenshots: welt.de, heute um 15:50 Uhr]

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Die Top-Themen von “RP Online”

… am 22. Mai 2008, kurz nach 18 Uhr:

Top-Themen bei “RP Online”

[Alle Screenshots: “RP Online”, Zusammenstellung: Coffee And TV]

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Grimme legt nach

Bei der Bekanntgabe der Nominierungen für den Grimme Online Award hatten die Verantwortlichen des Grimme-Instituts noch gescherzt: Peinlichkeiten wie im letzten Jahr wolle man dieses Jahr um jeden Preis vermeiden, außerdem dürfe die Jury ja maximal zwei Webseiten nachnominieren. Von diesem Recht machte die Jury prompt Gebrauch.

So schlimm wie im letzten Jahr, als die Jury das damalige Jury-Mitglied Mario Sixtus nachnominierte (der daraufhin sofort aus der Jury ausstieg und am Ende den Preis natürlich – und eigentlich zu Recht – gewann), ist es in diesem Jahr nicht geworden. Dieses Jahr entschied man sich nur, die Quote öffentlich-rechtlicher Angebote an den Nominierungen von erst 23,5% auf 26,3% zu erhöhen – immerhin strategisch geschickt zu einer Zeit, zu der Thomas Knüwer im Urlaub ist.

Wenigstens ist die jetzt nachnominierte “WDR Mediathek regional” schon seit mehr als einem halben Jahr online. Außerdem ist sie bedeutend einfacher zu bedienen als die ebenfalls nominierte ZDF-Mediathek, was aber auch keine große Kunst ist. Einbetten kann man die zur Verfügung stehenden Filme aber auch beim WDR nicht, so dass ich auf einen Beispielbeitrag verlinken muss. Auch hier darf/muss die Nominierung als Signal an die Politik verstanden werden, die bald darüber entscheiden muss, wie viel öffentlich-rechtliche Sender im Internet machen dürfen.

Erfahrungsgemäß lässt eine Nachnominierung darauf schließen, dass die Webseite auch einen Award kriegen wird – immerhin sieht es so aus, als finde die Jury das Angebot besser als alle Vorschläge der Nominierungskommission. Und das scheint mir das Kernproblem des GOA zu sein: es gibt eine Nominierungskommission, eine Jury und über allem das Grimme-Institut, das seinen guten Namen hergibt. Sie alle mögen für sich genommen jeweils nur das Beste wollen, aber die strikte Trennung, die für Transparenz sorgen soll, führt in Wahrheit immer zu Chaos und Häme in der Blogosphäre. Und auch wenn die sicher nicht der alleinige Maßstab sein sollte: ein Online-Preis, der regelmäßig Onliner gegen sich aufbringt, ist nichts wert.

Ach so, ich schrieb von zwei Nachnominierungen: neben der WDR-Mediathek wurde intro.de in die Liste aufgenommen, das Onlineportal zu Deutschlands studentischstem Musikmagazin. Das erstrahlt seit kurzem in einem zweinulligen, langsamen und unübersichtlichen … äh: Glanz und ist damit so egal wie das dazugehörige Heft.

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Hackepeter wird Kacke später

Die Bildunterschrift des Tages entnehmen wir heute taz.de:

taz.de über Hackfressen

[via Franz]

Nachtrag, 24. Mai: Irgendwann in den letzten Tagen muss taz.de die Bildunterschrift geändert haben.

Jetzt sieht sie jedenfalls so aus:

taz.de bezeichnet Neonazis nicht weiter als “Hackfressen”

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Und wieso eigentlich nicht ich?

Heute wurden die Nominierungen für den Grimme Online Award 2008 bekannt gegeben. Da ich noch nicht die Zeit hatte, mir alle nominierten Internetangebote näher anzusehen, schreibe ich aber nicht über die Nominierten, sondern über die nette kleine Veranstaltung in den Räumen der Landesanstalt für Medien NRW in Düsseldorf:

Bekanntgabe der Nominierungen für den GOA 2008

Dem Adolf-Grimme-Institut haftet ja immer eine gewisse Spießigkeit an: Es sitzt in Marl und hängt irgendwie mit dem Deutschen Volkshochschulverband zusammen – Unglamouröseres kann man sich kaum vorstellen, ohne beim Aufschreiben mindestens die Bewohner mehrerer ostdeutscher Landstriche und ein paar Personen zu beleidigen. Trotzdem (vermutlich eher: genau deshalb) macht das Grimme-Institut aber sehr gute und lobenswerte Arbeit – ich selbst habe kürzlich erst an einem sehr interessanten Seminar über Medienjournalismus teilnehmen dürfen.

Wo, wenn nicht im weitgehend ablenkungsfreien Marl, sollten sich Menschen durch fast 1.900 vorgeschlagene Internetseiten klicken; wer, wenn nicht eine Nominierungskommission aus Kommunikationswissenschaftlern, VHS-Studienleitern und Onlinejournalisten, sollte eine solche Masse erst auf 250 näher zu betrachtende Angebote und dann auf 17 Nominierungen einschränken? So erklärte Uwe Kammann, Direktor des Adolf-Grimme-Instituts, dann auch das Selbstverständnis des Preises: Orientierung und Hilfe liefern in der Flut von Internetangeboten. Im vergangenen Jahr habe ich so das großartige Blog “USA erklärt” kennengelernt.

Zwei Trends seien in diesem Jahr erkennbar, hieß es: der zu Online-Videos und zu Nutzerbeteiligung, wobei letztere inzwischen weit über Kommentarfunktionen hinausginge. Damit war die Horrorvorstellung für einige Journalisten dann auch schön umrissen: “Fernsehen” im Internet, gemacht von Menschen, die womöglich noch nie ein Fernsehstudio, geschweige denn eine Journalistenschule von innen gesehen haben, und noch dazu die Einbindung der Leute, die früher nur abnicken sollten, was man ihnen vorsetzte.

Andere Journalisten finden das freilich toll. So berichtete Jens Rehländer von GEO.de, das mit einer Multimediareportage über die Koralleninsel Raja Ampat nominiert ist, völlig nachvollziehbar davon, wie enthusiastisch er nach einem Jahr in der Online-Redaktion sei, nachdem er 20 Jahre Print gemacht habe. Er sprach von der Veränderung des Berufsbilds Journalist und davon, dass die Reporter von Geo nach Feierabend und am Wochenende ihre Multimediainhalte zusammenschneiden. Dann sagte er noch, dass es Internetnutzer lieber authentisch als extrem professionell hätten, und man gar nicht vorhabe, mit Podcasts und Videos Radio und Fernsehen Konkurrenz zu machen. Und ich dachte nur noch: “Kluger Mann!”

Gut ein Viertel der Nominierungen entfiel auf programmbegleitende Angebote öffentlichlich-rechtlicher Sender, was man natürlich durchaus kritisieren kann, wenn man eh bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit das öffentlich-rechtliche System kritisieren will. Dass die ZDF-Mediathek nominiert wurde, kann man durchaus als politische Entscheidung verstehen, immerhin sollen die öffentlich-rechtlichen Sender nach Plänen der EU-Kommission ihre Inhalte zukünftig nur noch sieben Tage online stellen dürfen, was für den Gebührenzahler in etwa so geistreich ist wie ein Malermeister, der Ihnen nach sieben Tagen die bereits bezahlten Tapeten wieder von den Wänden kratzt. Dieses Thema führte dann auch zu kleineren Diskussionen zwischen Vertretern des WDR und der Düsseldorfer Staatskanzlei und zu spannenden Gesprächen nach dem offiziellen Teil. Dass es im Jahr 2008 überhaupt noch als preiswürdig gilt, wenn ein Fernsehsender fast alle seine Inhalte online verfügbar hat, ist schon einigermaßen tragisch, in Deutschland aber eben auch Fakt. Wenn sich die Jury an die Bewertungskriterien hält (Stichwort “Nutzerfreundlichkeit”), dürfte die ZDF-Mediathek trotzdem keine Chance auf den Preis haben.

Markus Beckedahl von netzpolitik.org

Insgesamt ist die Liste der Nominierten schon recht brav, man könnte sagen: Grimme-Institut halt. Mir fiele so spontan aber kein sonderlich “unbraves” Internetprojekt ein, das ich hätte vorschlagen können. Dass vergleichsweise wenige Blogs nominiert wurden (dafür mit Netzpolitik und Störungsmelder zwei politische und das sehr persönliche der ALS-Patientin Sandra Schadek), erklärte Prof. Christoph Neuberger aus der Nominierungskommission damit, dass sich die Standards im Web jedes Jahr änderten und Multimedialität inzwischen einen höheren Stellenwert habe.

Dann sind überproportional viele Angebote für Kinder dabei, was man noch damit rechtfertigen kann, dass Orientierung besonders auf diesem Gebiet Not tut und pädagogisch wertvolle Internetseiten sowieso unterstützenswert sind. Mit Hobnox ist ein Angebot nominiert, das ich zwar für sehr spannend, möglicherweise gar revolutionär halte, sich aber auch noch in der Beta-Phase befindet …

Man kann also wieder kräftig an der Liste rummäkeln, was man als Blogger vermutlich sogar tun muss, weil ja so viele böse “kommerzielle” und “gebührenfinanzierte” Angebote auf der Liste stehen, man kann aber das Anliegen und die Entscheidungen des Grimme-Instituts akzeptieren und, wenn’s denn sein muss, einfach einen eigenen Award ausrufen – so wie Til Schweiger, nachdem er beim Deutschen Filmpreis übergangen worden war.

Nicht ohne Stolz will ich aber zum Schluss darauf hinweisen, dass ich beim Überfliegen der Listen unter den Mitarbeiter an den nominierten Projekten schon wieder zwei ehemalige Dinslakener gefunden habe.

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Rundfunk

Housebesuch

Ich habe erst heute (und damit passend zum gestern gesendeten Staffelfinale) festgestellt, dass “RP Online” vor mehr als einem Jahr sechs Mediziner zu “Dr. House” befragt hat.

Sie finden die Serie allesamt unrealistisch und Dr. Gregory House mindestens unsympathisch, wenn nicht gar unhaltbar, aber das soll uns nicht groß interessieren, denn es handelt sich ja um eine fiktionale Serie und nicht um einen medizinischen Fachaufsatz.

Ihre Einschätzungen sind nichtsdestotrotz fast durchgängig interessant und hier in einer siebenteiligen Klickstrecke nachzulesen.

Nachtrag, 8. Mai: Meine Mutter wies mich darauf hin, dass die “NRZ” vor ein paar Wochen etwas ganz ähnliches gemacht hat. Allerdings ist der Arzt, der die Serie dort analysiert, Fan.

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Digital

Drunter und drüber mit RP-Online

Willkommen zu unserem kleinen Quiz “Sprechen Sie RPO?”, bei dem es gilt, eine Überschrift ins Deutsche zu übersetzen.

Worum geht es wohl in einem “Artikel”, den RP-Online wie folgt überschreibt?

Gisele Bündchen zeigt, was Frau drunter trägt

Sie haben es natürlich sofort an der Präposition “drunter” erkannt: es geht um Schuhe, aufbereitet in einer fünfzehnteiligen Bildergalerie, in der im Prinzip vierzehn Mal das gleiche Motiv zu sehen ist.

Begleitet wird dieser “Artikel” in bester RP-Online-Tradition nicht von drei, nicht von vier und nicht von fünf, sondern von sechs weiteren Bildergalerien:

Sechs Bildergalerien braucht’s schon

Wenn man alle durchklickt, hat man 131 neue Klicks generiert.

Bodo Hombach, Chef der WAZ-Gruppe, hat übrigens eine Prämie ausgesetzt, wenn das WAZ-Portal derwesten.de RP-Online bis zum Jahresende als führendes regionales Internetangebot in NRW ablöst. Ich hätte da ja durchaus einen Masterplan, den ich Herrn Hombach gegen einen geringen Obulus gerne ausführlich erkläre …

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Digital Gesellschaft

Ein schöner Rücken kann auch ein Skandal sein

“Sag mir, wer Miley Cyrus ist!”, gehörte bis vorgestern nicht zu den Fragen, die ich sofort hätte beantworten können, wenn man mich um halb sechs morgens wachgeschüttelt hätte. Ich bin einfach zu alt, um “Hannah Montana”, die überaus erfolgreiche TV-Serie vom Disney Channel, je gesehen zu haben. Heute weiß ich natürlich, wer Miley Cyrus ist, und Sie alle werden es auch wissen: sie ist die Hauptperson des neuesten “Nacktskandals” in den USA.

Was war diesmal geschehen? Annie Leibovitz, die vermutlich bekannteste und renommierteste lebende Fotografin der Welt, hatte die 15jährige Ms. Cyrus für “Vanity Fair” fotografiert – “oben ohne”, wie die Agenturen vermelden, oder anatomisch korrekt: mit entblößtem Rücken. Das Foto dürfte maximal ausreichen, bei Männern Beschützerinstinkte zu wecken und dem Kind die eigene Jacke umzulegen, aber es entfachte einen “Skandal”, der zumindest in diesem Monat seinesgleichen sucht.

Denn kaum war das Foto im Werbespot für die Juni-Ausgabe von “Vanity Fair” über die amerikanischen Bildschirme geflimmert, empörten sich die ersten Eltern in Internetforen und Blogs:

It’s time that parents really start thinking seriously about the Sexualization of Children, and how marketers are targeting very young children, causing young girls and boys to grow up way too fast. The only way marketers are going to be forced to stop sexualizing children is when parents finally stand up and say, “We’re not going to take it anymore!”, and boycott stores that market this sort of smut to kids.

Für Disney, wo man mit Miley Cyrus/Hannah Montana unfassbar viel Geld verdient, war schnell klar, dass man reagieren musste. Man entschied sich deshalb zum Angriff auf “Vanity Fair” und Annie Leibovitz:

A Disney spokeswoman, Patti McTeague, faulted Vanity Fair for the photo. “Unfortunately, as the article suggests, a situation was created to deliberately manipulate a 15-year-old in order to sell magazines,” she said.

[New York Times]

Und Miley Cyrus, deren Eltern ((Ihr Vater Billy Ray Cyrus ist als Countryrocker durchaus Showbiz-erfahren.)) beim Fotoshoot anwesend waren, fühlte sich plötzlich verraten und bereute alles:

“I took part in a photo shoot that was supposed to be ‘artistic’ and now, seeing the photographs and reading the story, I feel so embarrassed. I never intended for any of this to happen and I apologize to my fans who I care so deeply about.”

[ebenda]

Man hätte ahnen können, dass zumindest ein Teil der amerikanischen Elternschaft den Weltuntergang heraufziehen sieht, wenn ein Vorbild ((Und genau das dürfte dieses komische Miley/Hannah-Konstrukt für viele sein.)) ihrer Kinder plötzlich mit rotbemaltem Mund und bloßem Rücken zu sehen ist. Insofern hat Jac Chebatoris nicht Unrecht, wenn er im Internetauftritt von “Newsweek” schreibt:

But her parents attended and monitored the shoot. And Miley herself is by now well steeped in the maneuverings of celebrity. Witting or unwitting, she should have known better. And she plainly did not see the backlash coming until too late.

Schon letzte Woche hatte es einen mittelschweren “Skandal” gegeben, als im Internet private Fotos auftauchten, auf denen Miley Cyrus ihren BH und ihren nackten Bauch zeigt. (Hinweis, 6. August 2008: Diese Behauptung ist offenbar völliger Unfug: In der “Huffington Post” war von einem “Cyrus look-alike” die Rede. Vielen Dank an Jen für den Hinweis.) Wie schon im vergangenen Jahr bei Vanessa Hudgens (Star des anderen großen Disney franchise “High School Musical”) taten sich alsbald zwei Lager auf: der Pietcong, der Image und Karriere sofort ruiniert sah, und das Blogger- und Kommentatorenpack, das angesichts von Teenagern, die auf privaten Fotos ihre Unterwäsche zeigen, sofort von Pornokarrieren zu sabbern beginnt.

Beide Seiten verkennen: In Zeiten von Digitalkameras sind Teenager, die sich und ihren Körper fotografieren, ungefähr so alltäglich wie Katzenbilder. Sind diese Teenager dann auch noch prominent, ist die Chance, dass die Bilder binnen Wochenfrist im Internet landen, immens hoch. Vermutlich wird man zukünftig keinen einzigen Teenie-Star finden, von dem es keine solchen Bilder gibt. Dieser Tatsache müssen Eltern genauso ins Auge blicken wie der Tatsache, dass ihre eigenen Kinder dem vermutlich in nichts nachstehen werden. ((Gucken Sie jetzt bitte nicht auf dem Computer Ihres Kindes nach.))

Natürlich ist die ganze Geschichte von so immensem Nachrichtenwert, dass sie auch im deutschen Onlinejournalismus ausführlich gewürdigt werden muss. Und zwar in der Netzeitung, bei bild.de, stern.de, welt.de, n-tv.de, “Spiegel Online” und im News-Ticker von sueddeutsche.de.

Und bevor Sie sich jetzt wieder über die “prüden Amis” auslassen: der nächste “Naziskandal” kommt bestimmt!

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Warum nicht “Wechselgeld”?

… und dann war da noch Firstnews, Tochter der Klassik Radio AG und laut Selbstbeschreibung “die größte und leistungsfähigste Unterhaltungs-Nachrichtenagentur im deutschsprachigen Raum”, zu deren Kunden neben diversen Online-Portalen auch viele öffentlich-rechtliche Radiostationen in Deutschland, Österreich und der Schweiz gehören.

Die leidige Shakira-Geschichte ging unter anderem über Firstnews, ebenso die Meldung, wonach sich Lily Allen mit zwei Männern auf einer Toilette aufgehalten habe. In diesem Falle stimmt der Kern wohl, aber Firstnews verbreitete auch folgenden Abschnitt:

Als sie ertappt wurden, erklärte Lily scherzhaft, sie hätte Sex mit den beiden Männern und wolle nicht gestört werden.

(Firstnews ist ein kostenpflichtiges Angebot, auf das man nicht verlinken kann, die Meldung steht aber im Wortlaut unter anderem hier.)

Und jetzt raten Sie mal, was das “Heat”-Magazin, auf das sich Firstnews explizit beruft, geschrieben hat.

Sie kommen nicht drauf:

While Lily laughed off the incident and claimed she’d had a sex change, Johnny was a bit more grumpy, shouting, “Don’t touch me, just don’t touch me!” at the bouncers (like they’d want to – have you seen the state of him?!) and left shortly afterwards.

(Für diejenigen, die wie der Firstnews-Praktikant kein Englisch können: sex change bedeutet “Geschlechtsumwandlung”.)

Ich habe die Redaktionsleiterin von Firstnews letzte Woche angeschrieben und gefragt, warum Ihre Agentur verspätete Aprilscherze und falsche Übersetzungen verbreite. Bis heute hat niemand geantwortet.

Nachtrag, 23. April: Heute kam eine E-Mail der Redaktionsleiterin. Sie sei einige Tage außer Haus gewesen, beide Meldungen seien aber inzwischen “geändert und entsprechend ausgebessert” worden.

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Rein und raus bei mtv.de

Mittwoch, 9. April 2008
mtv.de berichtet unter der Überschrift “Sexvideo – Jetzt auch Shakira?” über ein angebliches Sexvideo, das die Sängerin Shakira mit zwei Männern auf einer Yacht zeigen soll. Diese Geschichte ist falsch, es handelte sich dabei um den Aprilscherz eines argentinischen Radiomoderators (s.a. hier).

Noch am selben Tag weist ein Leser mtv.de mit zwei gleichlautenden Kommentaren auf diesen Fehler hier:

Verschwundener Kommentar bei mtv.de

Freitag, 11. April 2008
Nachdem ich die ganze Geschichte aufgeschrieben habe, schicke ich eine E-Mail an die Pressesprecherin von MTV, in der ich frage, warum man bei mtv.de auf den Leserkommentar nicht reagiert und die Sache nicht richtiggestellt habe. Außerdem will ich wissen, ob bei mtv.de die Kommentare unter den Artikeln überhaupt gelesen werden.

Am gleichen Tag geht bei mtv.de ein Wochenrückblick online, der unter anderem mit folgender Geschichte aufwartet:

Die Wochenhighlights bei mtv.de

Samstag, 12. April 2008
Als ich nachgucken will, ob sich bei mtv.de inzwischen etwas getan hat, stelle ich fest, dass die Geschichte nach wie vor unkorrigiert online steht – aber die Leserhinweise auf den Aprilscherz verschwunden sind.

Entsprechend sinnlos wirkt auch der Kommentar, der plötzlich Nummer 1 in der Liste ist:

Kommentar bei mtv.de

Weil mir das alles etwas merkwürdig vorkommt, kommentiere ich selber mal, und nach gut anderthalb Stunden sind wir schon zwei:

Kommentare bei mtv.de

Montag, 14. April 2008
Bei meinem Kontrollrundgang stelle ich fest, dass der Artikel und die neuen Kommentare immer noch da sind – nun ist aber plötzlich der Wochenrückblick aus dem Archiv von mtv.de verschwunden.

Die Falschmeldung führt unterdessen die Liste der “most wanted” (meistgeklickten) Nachrichten mit Abstand an:

Most wanted news bei mtv.de

Ich nutze das Kontaktformular in der Hoffnung, irgendjemanden zu erreichen, der mir erklären kann, warum a) die Falschmeldung nicht nach dem Leserhinweis korrigiert, sondern anderthalb Tage später noch einmal im Wochenrückblick wiederholt wurde, b) der entsprechende Leserkommentar plötzlich verschwunden ist, c) der ganze Wochenrückblick unauffindbar ist und d) ob angedenk der Reaktionen auf diesen Artikel die Kommentare bei mtv.de überhaupt gelesen würden:

Gaga-Kommentare bei mtv.de

Als ich spätabends noch einmal meine E-Mails checke, habe ich immer noch keine Antwort von mtv.de bekommen. Der zuvor verschwundene Wochenrückblick ist aber plötzlich wieder online und taucht auch im News-Archiv wieder auf:

Die Wochenhighlights bei mtv.de

Dafür sieht die Liste der “most wanted” Nachrichten plötzlich so aus:

Most wanted news bei mtv.de

Dienstag, 15. April 2008 (Update)
Die Pressesprecherin von MTV ruft mich an, um mir zu erklären, dass mtv.de ein großer Laden sei, wo nicht alle Kommentare sofort gelesen würden. Was mit den Hinweisen des Lesers passiert sei, werde noch geprüft. Der Wochenrückblick sei vermutlich im Zuge eines Datenbank-Updates kurzzeitig verschwunden, ein Hinweis auf den Aprilschertz werde eingebaut.

Noch warten wir darauf.

Mittwoch, 16. April 2008 (2. Update)
mtv.de muss ein sehr großer Laden sein: Es fehlt nämlich immer noch jeder Hinweis auf den Aprilscherz. Dafür steht dort seit gestern ein weiterer Leserkommentar:

Noch ein Leserkommentar bei mtv.de

Freitag, 18. April 2008 (3. Update)
Ich habe mich geirrt: mx weist in den Kommentaren darauf hin, dass mtv.de sehr wohl bereits am Dienstag klargestellt hat, dass es sich um einen Aprilscherz handelt – allerdings in einem Extra-Artikel!

In bester “Bild”-Manier heißt es dort, “jetzt” sei herausgekommen, dass es sich um einen Aprilscherz gehandelt habe. Außerdem schließt der Text mit einem selten dämlich Hintertürchen-Satz:

Vielleicht hat mtv.de ja doch recht gehabt

Wer durch Zufall auf den Ursprungsartikel stößt, muss immer noch glauben, dass ein solches Video existiert.

Immerhin im Wochenrückblick taucht die Korrektur auf – wenn auch irgendwie komisch formuliert:

mtv.de bedauert, dass es kein Sex-Video von Shakira gibt

Donnerstag, 22. Mai 2008 (4. Update)
Ich habe gerade spaßeshalber noch mal nachgeschaut: tatsächlich hat mtv.de es irgendwann in den letzten fünf Wochen geschafft, den Ursprungsartikel doch noch zu bearbeiten.

Er endet jetzt wie folgt:

mtv.de erklärt, dass es doch kein Shakira-Sex-Video gibt

Ich beschließe, den Rechtschreibfehler zu ignorieren und den Fall als abgeschlossen zu betrachten.