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Rundfunk Leben

Die geheimnisvollen Listen des WDR

Dem Thema Rundfunkgebühren kann man sich kaum nähern, ohne dass nicht innerhalb von zwei Minuten mindestens einem Gesprächspartner die Halsschlagader platzt und Worte wie “Planwirtschaft” und “Musikantenstadl” fallen. Deswegen hätte ich schon vorab die Bitte, dass wir in den Kommentaren die grundsätzliche Debatte über den Sinn und Unsinn von öffentlich-rechtlichem Rundfunk und der GEZ ausklammern.

Am Freitag stand ein Gebührenbeauftragter des WDR (Name und Dienstnummer liegen mir vor) vor unserer WG-Tür im Studentenwohnheim. Er sagte, der WDR arbeite schon seit langem mit dem Akademischen Förderungswerks (Akafö) zusammen, um zu kontrollieren, ob da auch alles richtig laufe (“Sie könnte ja auch versehentlich etwas angemeldet haben, was Sie gar nicht anmelden müssen!”) und um Stress zu vermeiden. Deswegen habe er auch vom Akafö eine Liste mit allen Bewohnern der Wohnheime erhalten und klappere die seit einigen Jahren (“mein Sohn hat ja auch hier studiert und im Wohnheim gewohnt”) ab.

Da stand natürlich plötzliche eine sehr unschöne Frage unübersehbar im Raum: Das Studentenwerk gibt Daten seiner Bewohner weiter? ((Zunächst einmal erschließt sich mir nicht ganz, warum man in Studentenwohnheimen Listen benötigt, um Studenten ausfindig zu machen. Als Gebührenbeauftragter angelt man da ja quasi im Fass.))

Fakt ist: Der Mann hatte eine Liste, auf der – soweit ich das erkennen konnte – die Namen aller Heimbewohner nach WGs sortiert waren. Und zwar in meinem Fall beide Vornamen. ((Warum das Akafö Briefe an mich seit 2005 mit beiden Vornamen adressiert, obwohl ich mich 2004 nur mit Lukas angemeldet habe, ist eine andere Frage, die sich mir gerade bei der Durchsicht meiner Unterlagen stellte. Vermutlich haben sie den zweiten Vornamen einfach von meiner Studienbescheinigung übernommen, weil sie dachten, ich lege Wert darauf.)) Das Einwohnermeldeamt scheidet als Quelle eigentlich aus, weil vermutlich längst nicht alle Bewohner auch in Bochum gemeldet sind, und man dort auch nicht wüsste, wer in welcher Wohnung wohnt.

In der Pressestelle des Akafö sagte man mir, dass man aus Datenschutzgründen keine Daten weitergeben dürfe — entsprechend tue man das natürlich auch nicht. Das Akafö habe aber, nachdem es früher viele “Reibereien” gegeben habe, vor einigen Jahren eine Übereinkunft mit dem WDR getroffen, nach der dieser etwa einmal im Jahr Gebührenbeauftragte in die Wohnheime schicke. Diese Besuche würden aber in der Regeln vorher angekündigt und mit den Heimräten besprochen. Wenn der WDR das mit irgendwem beim Akafö bespreche, kriege die Pressestelle den Auftrag, Flugblätter zu drucken. Da man aber in diesem Jahr noch keine gedruckt hätte, die auf einen derartigen Besuch hinwiesen, sei der Pressestelle nichts derartiges bekannt.

In der Pressestelle des WDR war man zunächst sehr hilfsbereit und versprach, der Geschichte nachzugehen. Das war allerdings am Montag und seitdem warten meine Fragen auf Antworten:

– Woher stammen die (offenbar nach Wohnungsnummer sortierten) Listen mit den Namen der Heimbewohner, wenn sie nicht vom Akafö stammen?
– Warum wurden die Besuche nicht (wie sonst üblich) mit dem Akafö abgesprochen?
– Handelt es sich bei den Gebührenbeauftragten des WDR um andere Personen als die Rundfunkgebührenbeauftragte der LfM? Falls ja: Worin bestehen die Unterschiede?

Um ehrlich zu sein: Ich weiß nicht, ob es sich dabei um einen “Datenschutzskandal” handelt oder um einen der unzähligen Grenzfälle aus jener Grauzone, die die GEZ ((Mit der übrigens auch Journalisten nicht telefonisch kommunizieren können.)) umgibt. Aber die Frage, wer was mit meinen Daten macht, ((Und bevor Sie fragen: Nein, die stammen ganz sicher weder aus dem Impressum dieses Blogs, noch aus irgendeinem Social Network — und auch nicht von meiner Bank, dem Deutschen Jugendherbergswerk, dem Miles-and-More-Programm der Lufthansa und der Jungen Presse NRW.)) die hätte ich doch ganz gerne noch mal beantwortet.

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Politik

Unvernünftig

Nachdem in der letzten Zeit eine beunruhigende Zahl an Datenschutzvergehen aufgeflogen war, hatte Wolfgang Schäuble gestern zu einem Datenschutzgipfel geladen.

Thomas Knüwer nennt die beschlossene Gesetzesverschärfung, die die Datenweitergabe nur mit ausdrücklicher Einwilligung der Betroffenen vorsieht, eine “weltfremde PR-Aktion der Politik” und fordert ein komplettes Verbot des Handels mit Personendaten.

Wolfgang Schäuble, Bundesminister des Inneren und selbst begeisterter Datensammler, sieht das ein bisschen anders:

Wir sollten auch nicht das amtliche Telefonbuch, wo man gucken kann, wie man einen anrufen kann, schon als eine der ganz großen Gefahren ansehen. Sondern was wir brauchen ist, angesichts neuer technologischer Entwicklungen, angesichts einem ganz anderen, ähm, Möglichkeiten, Potentialen der Datensammlung, -speicherung und -verarbeitung eine vernünftige Begrenzung des Missbrauchs.

[Nachzuhören bei WDR 2]

Natürlich ist ein Telefonbuch (für das ich der Nennung meiner Daten übrigens gleich bei Anschlussanmeldung widersprochen habe) keine “ganz große Gefahr”. Das hat aber erstens (soweit ich weiß) auch niemand behauptet und zweitens klingt diese Umschreibung etwas merkwürdig aus dem Munde eines Mannes, der in allem und jedem eine Gefahr sieht.

Und ob eine Begrenzung des Missbrauchs auch etwas anderes als “vernünftig” sein kann, wüsste ich dann wirklich gerne mal.

Mit Dank an Oliver Ding für den Hinweis.

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Politik Gesellschaft

What’s your name, what’s your number?

Mein Leben als Lukas Heinser ist vorbei, seit heute bin ich eine elfstellige Nummer. Eine, in der noch nicht mal eine “42” vorkommt. Die Briefe des Bundeszentralamts für Steuern haben Bochum erreicht.

Noch bin ich mir nicht ganz sicher, was ich davon halten soll. Zentrale Identifikationsnummern gibt es in Ländern wie den USA oder Schweden (beide eigentlich bekannt für Bürgerrechte und Liberalität) schon lange und mir leuchtet durchaus ein, dass so eine zentrale Erfassung Vorteile mit sich bringen kann. Laut Anschreiben sind auch (bisher) nur Daten über mich gespeichert, die jeder von Ihnen innerhalb weniger Minuten bei Facebook und in diesem Blog herausfinden könnte. Allerdings sehe ich durchaus einen Unterschied, ob ich diese Daten freiwillig in die Welt hinausposaune, oder sie einfach so gespeichert werden. Darüberhinaus finde ich es etwas merkwürdig, dass das Bundeszentralamt für Steuern meine Religionszugehörigkeit nicht gespeichert haben will – wäre das angesichts der zu entrichtenden Kirchensteuer nicht eine hilfreiche Information?

Außerdem kann sich Wolfgang Schäuble noch so auf den Standpunkt stellen, dass meine Daten beim Staat sicher seien: fast wöchentlich gibt es in den Nachrichten eine Meldung darüber, wo geheime Daten verschwunden oder aufgetaucht sind. Dass diese Meldungen fast immer aus Großbritannien kommen, ist nicht beruhigend: Bei den zwei Möglichkeiten (entweder, die Briten sind das einzige Volk auf der Welt, denen sowas ständig passiert, oder sie sind das einzige Volk, das wenigstens davon erfährt) spricht schon die reine Wahrscheinlichkeitsrechnung für Option 2. Ich möchte nicht in einem Land leben, wo man sich meine Daten nicht mehr zusammensuchen, sondern sie einfach nur aus dem zentralen Melderegister klauen muss – gemeinsam mit denen von bis zu 82 Millionen anderen.

Bei der “Humanistischen Union” gibt es Musterklagen, mit deren Hilfe man sich gegen die Zuteilung der eigenen Identifikationsnummer wehren kann. Die Erhebung der Klage vor dem Finanzgericht kostet allerdings 200 Euro – das ist schon viel Geld, wenn man sich nicht mal sicher ist, ob man die Nummer jetzt richtig scheiße oder nur ein bisschen doof findet.

Aber was ist das eigentlich für ein Staat, der seine Bürger zwingt, sich mit solchen Fragen zu befassen?

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Digital

Möchtest Du meine CD-R-Sammlung sehen?

Auch ohne Zugriff auf die Bilddatenbank der dpa zu haben, glaube ich zu wissen, was dort als erstes Ergebnis auftaucht, wenn man ein Symbolbild zum Thema Datenklau sucht:


(“Spiegel Online”)


(tagesschau.de)


(“RP Online”)
(stern.de)


(“Weser Kurier”)


(“Netzeitung”)


(welt.de)


(derwesten.de)


(“Neues Deutschland”)


(“Kölner Stadt Anzeiger”)

Regelrecht originell ist da die Idee der “Readers Edition”:

Nachtrag, 20. August: Es gibt übrigens noch eine andere Version des Fotos mit der selben (gleichen? kopierten?) CD:

(turi2.de)

Nachtrag, 22. August: Nur der Vollständigkeit halber:


(“RP Online”)

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Politik Gesellschaft

Kein Gebot vom Kaiser Augustus

Es gibt vermutlich keinerlei echten Zusammenhang, aber das Timing ist trotzdem merkwürdig: Wenige Tage vor der großen Demo gegen Vorratsdatenspeicherung in Berlin beschließt der Bundestag eine neue Volkszählung. Nach allem, was die Staatssicherheitspolitiker der CDU/CSU in den letzten Wochen und Monaten so gefordert haben, dürfte niemand mehr ernstlich überrascht sein, wenn aus ihrer Richtung plötzlich der Vorschlag käme, die derart erhobenen Daten doch nicht zu anonymisieren und zu löschen wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert, sondern sie direkt für die Fütterung der zentralen Antiterrordatei weiter zu verwenden. Das wäre ja auch praktisch, wenn man die Daten für 450 Millionen Euro eh schon mal erhoben hat.

Ich binein bisschen überrascht, dass es in Zeiten digitaler Karteien und umfassender Vernetzung wirklich noch Daten gibt, die der Staat nicht von seinen Bürgern kennt, und man noch mal losziehen muss, um die Leute zu befragen. Aber offenbar reichen Einwohnermelderegister und Hochrechnungen nicht aus, wie die Financial Times Deutschland dpa zitiert:

Statistiker fordern schon seit längerem eine neue Datenbasis. Nach ihrer Schätzung leben in Deutschland rund 1,3 Millionen Menschen weniger, als auf Basis der Volkszählung von 1987 fortgeschrieben wurde. Das Statistische Bundesamt geht derzeit von 82,3 Millionen Einwohnern aus. Auch die Zahl der Ausländer wurde nach Schätzungen wahrscheinlich zu hoch geschätzt.

FDP und Grüne enthielten sich bei der gestrigen Abstimmung ihrer Stimmen, nur die Linkspartei stimmte dagegen. Da sogar der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung Peter Schaar nichts gegen die Aktion einzuwenden hatte, ist es eher unwahrscheinlich, dass noch einmal ein Aufruhr durchs Volk geht wie bei der letzten Volkszählung in den Achtziger Jahren. Die Menschen, die sich damals gegen den “gläsernen Bürger” wandten, haben schließlich mittlerweile alle ihre Kunden- und Rabattkarten und geben so fast an jeder Supermarktkasse mehr von sich preis, als der Staat damals wissen wollte.

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Digital Politik

Schieflage der Nation

Wann weiß man, dass in diesem Land etwas falsch läuft?

Wenn sich Google lautstark für Privatsphäre und Datenschutz einsetzt.

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Digital Leben

Ich gehöre nicht dazu

Vergangene Woche wurde ich von meinem besten Freund, den ich seit meinem ersten Tag am Gymnasium kenne (damals wollte ich ihm eine reinhauen), gefragt, warum ich denn immer noch nicht beim StudiVZ angemeldt sei. Da seien doch schließlich fast all unsere Freunde und Bekannten aus Schulzeiten und man könne so doch super in Kontakt bleiben. Ich erging mich in einem halbstündigen Vortrag, den ich – weil ich die Argumente einmal beisammen hatte – hier Auszugsweise wiedergeben will:

Persönliche Daten
Ich weiß, dass meine Daten im Internet nirgendwo wirklich sicher sind. Trotzdem würde ich sie nur äußerst ungern nie bei einem Anbieter hinterlegen, der schon mehrfach durch Sicherheitsmängel aufgefallen ist und in seinen “Datenschutzerklärungen” andeutet, möglicherweise meine Privatkorrespondenzen lesen zu wollen. Ferner schreckt es mich ab, wenn in den AGBs eine “vom Betreiber nach billigem Ermessen festzusetzende […] Vertragsstrafe” in den Raum gestellt wird, die “auf erstes Anfordern an den Betreiber zu zahlen” sei. Diese würde bei penibler Auslegung der AGBs zum Beispiel fällig, wenn nicht “alle von ihm [dem Nutzer] gegenüber dem Betreiber angegebenen persönlichen Daten der Wahrheit entsprechen” – ich also beispielsweise meine Körpergröße oder Augenfarbe (keine Ahnung, ob man die im Profil angeben kann, ich kann ja von außen nicht mal probeweise reingucken) nicht korrekt angebe.

Die Macher
Manchen Jungunternehmern steigt es zu Kopf, wenn sie plötzlich mit Geldsummen zu tun haben, die ihre Eltern in einem ganzen Leben harter und ehrlicher Arbeit nicht ansparen können. Manchen von ihnen entgleitet irgendwann alles. Ehssan Dariani, einer der drei StudiVZ-Gründer, benimmt sich hingegen nur wie die Axt im Walde: Er verfügt über eine recht eigentümliche Auffassung von “Satire” und Frauen. Das kann man natürlich als persönliche Erziehungsdefizite abtun, für mich hingegen ist klar, dass ich mit solchen Leuten so wenig wie möglich zu tun haben möchte.

Die Grundidee
Das Medium heißt Internet und eine seiner Stärken ist, dass man damit ganz schnell Kontakte knüpfen kann – weltweit eben. Wozu brauche ich da eine Plattform, die sich an die “Randgruppe” (etwas mehr als 2% Anteil an der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik) deutschsprachiger Studenten richtet, wenn es Portale für alle gibt? Klar: Es gibt auch Fan-Foren für Tokio Hotel und Newsgroups für Kernphysiker. Das sind noch kleinere Zielgruppen. Aber bei denen sehe ich wenigstens ein, warum die unter sich bleiben wollen.
Ich habe aber generell ein Problem mit In-Kontakt-bleiben- und Neue-Leute-Kennenlernen-Plattformen: Wenn sich meine früheren Mitschüler für mich interessieren würden, wäre es ein Leichtes für sie, meine E-Mail-Adresse herauszufinden (falls sie die nicht eh hätten) oder mich über meine Eltern zu kontaktieren. Die, äh: geringe Anzahl von Kontaktaufnahmen seit unserem Abitur vor fünf Jahren lässt für mich den Schluss zu, dass das Interesse so groß nicht sein kann. Jede “Und was machst Du jetzt so?”-Botschaft im StudiVZ wäre also genauso albern wie ein Klassentreffen. Mit den Mitschülern, die wirkliche Freunde waren, stehe ich auch heute noch in (unregelmäßigem, aber herzlichen) Kontakt – auch ohne StudiVZ.
Und wieso sollte ich online Kommilitonen adden, mit denen ich im Seminarraum kein Wort spreche? Ganz extrem wird das dann an Geburtstagen: Wenn mir jemand gratuliert, möchte ich mir wenigstens vorstellen können, dass er dies tut, weil ich ihm etwas bedeute und er sich deshalb das Datum gemerkt oder aufgeschrieben hat. Ich habe sehr gute Freunde, die bis heute nicht wissen, wann ich mein Wiegenfest begehe, und das ist für mich völlig okay. Aber wenn mir Wild- und Halbfremde gratulieren, nur weil ihnen ein Computerprogramm automatisch mitteilt, dass sie dies zu tun hätten, fühle ich mich wie ein Kind, dessen Großeltern an Weihnachten den korrekten Namen vom Geschenkpapier ablesen müssen. Außerdem sollte ein Gespräch nicht schon mit dem Dank des Jubilars für die Glückwünsche enden, weil man sich sonst nichts zu sagen hat.

Die Übersättigung
Ich habe je einen Account bei ICQ und Skype; bin bei jetzt.de, last.fm, MySpace, xing.com und Livejournal angemeldet; kann bei Amazon, eBay und im iTunes Store einkaufen und treibe mich mehr oder weniger regelmäßig in mindestens einem Dutzend Blogs, Webforen und Newsgroups rum. Ich habe keinen Nerv mehr, mir noch einen Usernamen ausdenken zu müssen, nur weil mein Standardnick schon vergeben ist. Ich weiß, dass jegliche Sorgen zum Datenschutz längst absurd sind: Sollte ich morgen mein Gedächtnis verlieren, kann ich mir alles Wissenswerte (und sehr viel Unwichtiges) über meine Person im Internet zusammensuchen.
Mit nur 23 Jahren hat sich bei mir eine gewisse Technikmüdigkeit eingestellt und will gar nicht mehr wissen, was Twitter, Meebo und Seekfreed sind.
Trotzdem kommt alle paar Monate irgendwas daher, von dem ich nie dachte, dass ich es brauchen würde, was mich aber fesselt und fasziniert.

Für StudiVZ gilt aber das, was ich meinem Freund gleich zu Beginn meiner Tirade sagte: “Ich melde mich da an dem Tag an, an dem ich ein Bild-Zeitungs-Abo abschließe und mir einen Ken-Follett-Roman kaufe.”