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Der Weg zum Rockstar in sechs Milliarden Schritten

Falls ich mal eine Lis­te machen müss­te „Musi­ker, die auf die Musik­in­dus­trie nicht so rich­tig gut zu spre­chen sind“, stün­den zwei Namen ganz oben: Thom Yor­ke von Radio­head (deren letz­tes Album „In Rain­bows“ gegen so ziem­lich jede Logik der Bran­che ver­sto­ßen hat) und Trent Rez­nor von den Nine Inch Nails.

Letz­te­rer hat sich letz­te Woche mit einem Bei­trag im Forum sei­ner Band­web­site zu Wort gemel­det, in dem er mal eben kurz und holz­schnitt­ar­tig die Mög­lich­kei­ten erklärt, die man als Musi­ker heu­te so hat. Kurz zusam­men­ge­fasst lau­ten sie unge­fähr „Lass Dich tra­di­tio­nell von einem Major­la­bel ver­mark­ten und gib die Kon­trol­le ab“ und „Mach alles sel­ber, sei aktiv und beiß Dich durch“. Das ist natür­lich grob ver­ein­fa­chend (und von mir noch mal destil­liert), kommt aber so in etwa hin.

Wie genau das mit der Selbst­ver­mark­tung lau­fen soll, erklärt Rez­nor dann gleich aus­führ­li­cher:

Have your MySpace page, but get a site out­side MySpace – it’s dying and reads as cheap /​ gene­ric. Remo­ve all Flash from your web­site. Remo­ve all stu­pid intros and load-times. MAKE IT SIMPLE TO NAVIGATE AND EASY TO FIND AND HEAR MUSIC (but don’t auto­play). Con­stant­ly update your site with con­tent – pic­tures, blogs, wha­te­ver. Give peo­p­le a reason to return to your site all the time. Put up a bul­le­tin board and start a com­mu­ni­ty. Enga­ge your fans (with cau­ti­on!) Make cheap vide­os. Film yours­elf tal­king. Play shows. Make inte­res­t­ing things. Get a Twit­ter account. Be inte­res­t­ing. Be real. Sub­mit your music to blogs that may be inte­res­ted. NEVER CHASE TRENDS. Uti­li­ze the multi­tu­de of tools available to you for very litt­le cost of any – Flickr /​ You­Tube /​ Vimeo /​ Sound­Cloud /​ Twit­ter etc.

Ich habe Bücher gele­sen, die in der Sum­me unkon­kre­ter waren.

Aber die Pro­blem­lö­sung führt natür­lich zu neu­en Pro­ble­men: Ers­tens muss ich mich als Musi­ker neben der Musik (und dem … äh: Leben) auch noch um die gan­zen Ver­brei­tungs­ka­nä­le küm­mern. Im Best­fall ist das nur unglaub­lich auf­wen­dig – wenn man Pech hat, kann man aber weder mit Video­schnitt, noch mit Sozia­len Netz­wer­ken umge­hen. Zwei­tens wird man ja nie die ein­zi­ge Nach­wuchs­band sein, die die­se Wege geht. Statt auf dem tra­di­tio­nel­len Musik­markt mit ein paar hun­dert ande­ren Acts kon­kur­riert man heu­te bei MySpace mit – set­zen wir die Schät­zung mal opti­mis­tisch an – sechs Mil­li­ar­den Kapel­len.

Wäh­rend man ja schon bei offi­zi­ell (also via Plat­ten­fir­ma) ver­öf­fent­lich­ter Musik in aller Regel genau die Sachen nie mit­kriegt, die einen sonst am meis­ten begeis­tert hät­ten, gleicht es einem Blitz­schlag nach dem Lot­to­ge­winn, bei MySpace (oder irgend­ei­ner ande­ren der paar Tau­send Musik­platt­for­men) eine unbe­kann­te Band zu ent­de­cken, die einen kickt. Das, was ich immer über Blogs gesagt habe („Man muss halt Medi­en­kom­pe­tenz ent­wi­ckeln und ein biss­chen Glück haben, dann fin­det man schon ein paar Sachen, die einen rich­tig begeis­tern“), erscheint mir im Bezug auf Musik plötz­lich hoff­nungs­los naiv.

Wie also kom­men Musi­ker und Hörer zusam­men? Nicht mehr unbe­dingt durch Radio-DJs und Musik­fern­se­hen, wenn man die­ser Stu­die über den Medi­en­kon­sum von Teen­agern glaubt – wobei Radio-DJs in Deutsch­land eh seit den 1980er Jah­ren unbe­kannt sind. Häu­fig bekommt man Musik von auto­ma­ti­sier­ten Diens­ten wie last.fm oder von Freun­den emp­foh­len. Aber da geht’s bei mir schon wie­der los: „Höre ich mir jetzt neben­her die­se gan­zen unbe­kann­ten Sachen an oder las­se ich ein­fach zum hun­derts­ten Mal The Killers/​Travis/​Oasis lau­fen?“ Ob ich mich dazu zwin­gen könn­te, an einem Tag in der Woche nur neue Musik zu hören?

Natür­lich war es nie ein­fa­cher, ohne Kon­tak­te und ohne indus­tri­el­les Mar­ke­ting sei­ne Hörer zu fin­den. Und gleich­zei­tig nie schwie­ri­ger. Bis heu­te gibt es kei­ne mir bekann­te Band, die aus­schließ­lich durch das Inter­net in die ers­te Liga auf­ge­stie­gen wäre (und sagen Sie nicht „Arc­tic Mon­keys“ oder „Lily Allen“, die haben sowie­so wie­der nor­ma­le Plat­ten­ver­trä­ge unter­schrie­ben). Die gan­zen social media-Akti­vi­tä­ten erfor­dern eini­ges an Auf­wand und es bleibt immer offen, ob und wann es sich lohnt. (Das Beru­hi­gen­de dar­an ist wie­der­um: Es bleibt auch bei Major­la­bels offen, ob ein „The­ma“ funk­tio­niert. Da sind die Fehl­schlä­ge auch viel teu­rer.)

Lus­ti­ger­wei­se höre ich in letz­ter Zeit von vie­len Nach­wuchs­bands, dass sie jetzt ein eige­nes Manage­ment hät­ten. Das sind dann häu­fig Men­schen, die in einem Hin­ter­hof ein Ton­stu­dio für Wer­be­jin­gles haben und immer schon den Geruch des Rock’n’Roll ein­at­men woll­ten. (Rock’n’Roll riecht übri­gens nach kal­tem Rauch, Schweiß und Bier. Man kann es sich ganz leicht in der hei­mi­schen Küche züch­ten.) Im Best­fall haben die­se Mana­ger vor zwan­zig Jah­ren mal selbst in einer Band gespielt (man­che von ihnen haben Mil­lio­nen von Plat­ten ver­kauft, aber das weiß und glaubt heu­te nie­mand mehr) und wis­sen noch, wie die Bran­che damals funk­tio­niert hat. Ande­re „Mana­ger“ könn­ten sonst auch als „Model-Agent“ jun­ge Blon­di­nen in der Dis­co anspre­chen. (Spie­len Sie die gan­zen bösen Kli­schees ruhig im Geis­te alle mal durch, sie stim­men sowie­so alle. Das Gegen­teil aber auch immer, das ist ja das tol­le.)

Vie­le Bands sind natür­lich nur Musi­ker – die brau­chen jeman­den, der sich um alles ande­re küm­mert und auf sie auf­passt. Sol­che Leu­te gibt es, aber sie kos­ten im Zwei­fels­fall viel Geld. Geld, das man nicht hat, nie ver­die­nen wird und sowie­so für Equip­ment und Kip­pen aus­ge­ben muss.

Geld mache man heut­zu­ta­ge mit Kon­zer­ten, heißt es immer wie­der. Das ist unter bestimm­ten Aspek­ten (z.B. wenn man U2 ist) sicher nicht falsch, aber man muss sie erst mal spie­len. Außer­halb von Jugend­zen­tren (die natür­lich auch alle kein Geld haben bzw. machen) ist das schwie­rig bis unmög­lich. Boo­king ist die Höl­le für alle Betei­lig­ten, wes­we­gen ich mich da auch nie ran­ge­traut habe: Die Bands ver­schi­cken Demos und Band­in­fos im Dut­zend und die Ver­an­stal­ter haben den Schreib­tisch voll mit dem Kram. Wenn man heut­zu­ta­ge als Nach­wuchs­mu­si­ker irgend­was wirk­lich braucht, dann einen geschei­ten Boo­ker, der im Ide­al­fall ein gan­zes Port­fo­lio von Bands hat und den Ver­an­stal­tern genau das prä­sen­tie­ren kann, was zu ihnen passt. (Und das mit den Kon­tak­ten geht auch ein­fa­cher.) Winz­lings-Labels und ‑Ver­trie­be sind mei­nes Erach­tens ver­zicht­bar: Für die Down­loads­to­res (die heut­zu­ta­ge unver­zicht­bar sind, wenn man sei­ne Musik nicht eh ver­schen­ken will) gibt es Dienst­leis­ter wie Tun­e­co­re und die CDs, die man bei Kon­zer­ten unbe­dingt dabei haben soll­te, kann man ent­we­der in klei­ner Stück­zahl pres­sen las­sen oder gleich – Sakri­leg! – selbst bren­nen.

Wich­tig ist heut­zu­ta­ge vor allem der Aus­tausch unter­ein­an­der. Des­we­gen bin ich auch sehr gespannt auf die all2gethernow, die „Anti-Pop­komm“, die im Sep­tem­ber in Ber­lin statt­fin­den wird.

Ihre Zie­le kann man natür­lich auch total eke­lig aus­drü­cken, aber ich find’s trotz­dem span­nend:

Spä­tes­tens jetzt geht es dar­um nach vor­ne zu schau­en, neue Ideen und inno­va­ti­ve Pra­xis in der Krea­tiv­wirt­schaft zu beleuch­ten. Ziel muss sein gemein­sam Model­le zu defi­nie­ren, die Krea­ti­ven und Künst­lern mit ihrer Arbeit Ein­künf­te ermög­li­chen. Jede Form des Input ist hilf­reich, denn fina­le Ant­wor­ten gibt es noch nicht. Eine offe­ne Form der Dis­kus­si­on wie sie ein Bar­camp gewähr­leis­tet ist des­halb ide­al.

(Mehr über „Krea­tiv­wirt­schaft“ und „Input“ kön­nen Sie dem­nächst in mei­nem neu­en Buch „Die 1.000 dümms­ten Begrif­fe des frü­hen 21. Jahr­hun­derts“ nach­le­sen. Auf den Sei­ten zwi­schen „Digi­tal Nati­ve“, „Gene­ra­ti­on Upload“ und „fail“.)

Jeden­falls soll dis­ku­tiert und nicht nur reprä­sen­tiert wer­den und Musi­ker und Blog­ger dür­fen auch dabei sein.

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Bringing Down The House

Als im letz­ten Jahr mit dem Bar­Cam­pRuhr in Essen das ers­te Bar­Camp für das Ruhr­ge­biet statt­fand, stand das alte Kar­stadt-Stamm­haus noch zum Teil.

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Foto: Frei­ga­be von nero­tu­nes

Eini­ge Zeit spä­ter wur­de das Gebäu­de dem Erd­bo­den gleich gemacht. Auf­ge­zeich­net wur­de das Gan­ze von einer auf dem Dach des Unper­fekt­hau­ses ste­hen­den Kame­ra, die Bil­der wur­den jetzt in einen Zeit­raf­fer­film ver­wan­delt. Bis Minu­te 1:30 pas­siert rela­tiv wenig, danach geht’s aber ab.

In vier Wochen fin­det das zwei­te Bar­Cam­pRuhr wie­der im Unper­fekt­haus statt, in die­sem Jahr wer­den die Teil­neh­mer nicht mehr auf das alte Kar­stadt-Haus schau­en, son­dern auf die Bau­stel­le der zwei­ten Hälf­te des Ein­kaufs­zen­trum am Lim­be­cker Platz.

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Digital

Barcamp Ruhr – Der Film

Die Maß­ein­heit für ver­spä­tet vor­ge­tra­ge­ne Zeit­geist­the­men heißt – ich wie­der­ho­le mich da ger­ne – „Poly­lux“. Aller­dings möch­te ich zu Guns­ten des RBB mal davon aus­ge­hen, dass deren Zeit­plan nicht von Hard­ware-Pro­ble­men dik­tiert wird.

Wie dem auch sei: Das Bar­camp Ruhr ist fast schon wie­der eine Woche her, es wur­de viel dar­über geschrie­ben und das ein oder ande­re Video ist auch schon län­ger online. Ich hat­te die War­te­zeit ja bereits für einen abge­schlos­se­nen Roman über das ver­gan­ge­ne Wochen­en­de genutzt, des­halb ist das, was jetzt noch kommt, gewis­ser­ma­ßen mei­ne ers­te Roman­ver­fil­mung – und das bei einem als unver­film­bar gel­ten­den Stoff.

In Wirk­lich­keit sind es nur ein paar sub­jek­ti­ve Impres­sio­nen, aber das kön­nen Sie ja selbst sehen:


Link: sevenload.com

Nächs­te Woche dann: Das Hör­buch, das Koch­buch, der Sound­track und der Fett­frei-Grill zum Event.

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Digital Leben

Teil einer Jugendbewegung

Am Wochen­en­de fand – wie bereits erwähnt – das ers­te Bar­camp Ruhr statt. Da das ange­kün­dig­te Video noch ein wenig auf sich war­ten las­sen wird ((Ich muss erst noch neu­en Arbeits­spei­cher kau­fen.)), woll­te ich das Erleb­te vor­ab schon mal in rela­tiv unge­fil­ter­te Wor­te fas­sen:

Was genau ein Bar­camp ist, wuss­te ich vor dem Wochen­en­de selbst nicht so genau. Man sag­te mir stets, es han­de­le sich um eine „Unkon­fe­renz“, was in etwa so hilf­reich ist, wie der Ver­such, Quan­ten­phy­sik mit Hil­fe japa­ni­scher Voka­beln erklä­ren zu wol­len. In Wahr­heit ist es ein betont locke­res Zusam­men­tref­fen von Men­schen, die irgend­was mit Inter­net zu tun haben. Zu Beginn des jewei­li­gen Ver­an­stal­tungs­ta­ges stel­len die Teil­neh­mer ((Exter­ne Refe­ren­ten sind nicht vor­ge­se­hen.)) The­men vor, über die sie ger­ne spre­chen wür­den. Per Hand­zei­chen wird abge­stimmt, wie vie­le Leu­te sich für das The­ma inter­es­sie­ren – dar­aus ergibt sich dann, in wel­chem Raum und zu wel­cher Uhr­zeit der Vor­trag statt­fin­det.

„Vor­trag“ ist im Übri­gen falsch. Es han­delt sich um soge­nann­te „Ses­si­ons“ und deren sprach­li­che nähe zur jam ses­si­on in der Musik kommt nicht von unge­fähr: „Einer redet, die ande­ren hören zu“ gibt’s nicht und ist angeb­lich auch nicht erwünscht.

Exkurs: Ich habe in der Schu­le immer Fron­tal­un­ter­richt gemocht, weil ich nie ver­ste­hen wer­de, war­um ein Leh­rer, der die Fak­ten kennt und auf­sa­gen könn­te, erst mal eine Drei­vier­tel­stun­de lang auf­schreibt, was die Schü­ler, denen er etwas bei­brin­gen soll, denn bis­her zum The­ma wis­sen. „Hit­ler war böse“ ist zwar eine rich­ti­ge Fest­stel­lung, als Ein­stieg ins The­ma „Zwei­ter Welt­krieg“ aber irgend­wie dürf­tig. Der Geschichts­un­ter­richt der Ober­stu­fe ist des­halb auch heu­te noch dafür ver­ant­wort­lich, dass ich beim Wort „Mind­map“ kalt­schwei­ßig wer­de und unkon­trol­lier­te Lau­te aus­sto­ße. Auch in der Uni sind mir Vor­le­sun­gen hun­dert Mal lie­ber als Dis­kus­sio­nen. Ande­rer­seits sind mir Dis­kus­sio­nen immer noch hun­dert Mal lie­ber als schlech­te Refe­ra­te. Exkurs Ende.

Die Qua­li­tät der Ses­si­ons bei einem Bar­camp hängt des­halb nicht nur von den Kom­pe­ten­zen des Vor­tra­gen­den ((Kei­ne Ahnung, wie der rich­ti­ge Begriff lau­tet, ver­mut­lich „Ses­si­on Lea­der“ oder so.)) ab, son­dern auch von der Grup­pe der Zuhö­rer. Da kann es schon mal vor­kom­men, dass span­nen­de Aus­füh­run­gen abge­würgt wer­den und ein Zuhö­rer ohne vor­he­ri­ge Mel­dung ein­fach vor sich hin doziert. Auch wenn ich mich an sol­che Umgangs­for­men im Lau­fe des Wochen­en­des gewöh­nen konn­te, wird die­ses Ver­fah­ren nie zu mei­ner favo­ri­sier­ten Art der Wis­sens­ver­mitt­lung zäh­len. Um ver­schie­de­ne Ansich­ten zu einem The­ma ken­nen zu ler­nen, ist es aber ganz hilf­reich.

The­ma­tisch sind den Ses­si­ons kei­ne Gren­zen gesetzt, alles, was auch nur im Ent­fern­tes­ten mit Inter­net zu tun haben könn­te, kommt dar­in vor. Damit stand ich per­sön­lich vor einem wei­te­ren Pro­blem: Wirt­schaft ist zum Bei­spiel ein The­ma, dass mich noch nie inter­es­siert hat – null. Ich könn­te auch unter Andro­hung von kör­per­li­cher Gewalt kei­ne zehn DAX-Unter­neh­men auf­lis­ten – geschwei­ge denn fünf Start­ups. ((Ein Start­up ist eine Exis­tenz­neu­grün­dung im Inter­net. Da gibt es alles von social net­works (MySpace oder Face­book waren mal Start­ups) bis hin zu Inter­net­sei­ten, auf denen man sein Müs­li oder sei­nen Kaf­fee indi­vi­du­ell zusam­men­stel­len kann.))

Ich fin­de es fas­zi­nie­rend, auf wel­che Ideen Leu­te kom­men, deren krea­ti­ve Hirn­hälf­te auch Syn­ap­sen zu dem Teil, der ans Geld­ver­die­nen denkt, auf­ge­baut hat, aber ich will kein Unter­neh­men grün­den. Die Wor­te „busi­ness plan“, „crowd sourcing“ oder „break even“ erschei­nen mir immer wie Par­odien auf die Wirt­schaft und laden mich allen­falls zum Bull­shit-Bin­go ein. Da fällt es schwer, ernst zu blei­ben, und die Leu­te, die sicher­lich alle total nett sind und tol­le Ideen haben, nicht für den glei­chen schreck­li­chen Men­schen­schlag zu hal­ten, wie die Inves­to­ren, denen sie Geld für ihre Pro­jek­te abrin­gen wol­len.

Ein Schwer­punkt des Bar­camps Ruhr lag auf Musik im Inter­net, was mich als Musik­fan und Gele­gen­heits­mu­si­ker schon inter­es­sier­te. Ent­spre­chend irri­tiert war ich aber, als in dies­be­züg­li­chen Ses­si­ons plötz­lich von „con­tent“, statt von „Musik“ die Rede war. Das ist für mich dann auch kein gro­ßer Unter­schied mehr zu dem bösen, bösen Major­la­bel, wo alle stän­dig von „Pro­duk­ten“ faseln.

Über­haupt: Für Mit­glie­der des unsäg­li­chen „Ver­eins Deut­sche Spra­che“ wäre ein Bar­camp das, was Sodom und Gomor­rha für einen guten Katho­li­ken sind. Wer schon tech­ni­sche Begrif­fe wie „Lap­top“ oder „Brow­ser“ gei­ßelt, der wird inmit­ten von „Ses­si­ons“, „Start­ups“ und „Back Offices“ foam vor dem mouth bekom­men und im tri­ang­le sprin­gen. Das Unper­fekt­haus in Essen ((Eine Art Hip­pie­kom­mu­ne mit kur­zen Haa­ren, in der man sich ganz rüh­rend um uns küm­mer­te.)) wur­de übri­gens stets als „Loca­ti­on“ bezeich­net, was dann unge­fähr der Punkt war, an dem es selbst mir ein biss­chen too much wur­de. „Schlim­mer als die wahl­lo­se Ver­wen­dung fremd­sprach­li­cher Begrif­fe ist aber immer noch die fal­sche Aus­spra­che der­sel­ben“, dach­te ich, wäh­rend ich gedan­ken­ver­lo­ren in mei­nem Tsch­appu­ki­no rühr­te.

Was mich auch eini­ger­ma­ßen ver­stör­te, war die Ein­stel­lung man­cher Leu­te. Bis­her hat­te ich den unend­li­chen Reiz des Inter­nets unter ande­rem dar­in gese­hen, dass dort jeder tun und las­sen kann, was er ganz allei­ne will, maxi­mal begrenzt durch Geset­ze, die bit­te nicht zu streng sind. Plötz­lich kamen Leu­te an, die von einer „Blog­ger­kul­tur“ spra­chen und Sät­ze sag­ten wie: „Wer nicht auf Bar­camps geht, ist für mich kein Blog­ger“, „Jour­na­lis­ten sind kei­ne Blog­ger“ oder „Ein Blog ohne Kom­men­ta­re ist kein Blog“. Da waren sie wie­der, die Leu­te, die man im Bereich der Musik „Indi­en­a­zis“ nennt, und die in Schub­la­den den­ken, die ihnen „Spex“, „Intro“ und „Visi­ons“ aus dem Holz eines abge­bro­che­nen Sozio­lo­gie­stu­di­ums gezim­mert haben. Men­schen, die im Use­net und in Web­fo­ren schrei­ben, war­um die­se oder jene Band ein­fach schei­ße sein muss und nicht Indie sein kann, und die sich selbst vor allem über die Abgren­zung zu ande­ren und die Aus­gren­zung der­sel­ben defi­nie­ren. Sol­che gibt es also auch im Web 2.0. Für den unwahr­schein­li­chen Fall, dass ihre Inter­pre­ta­ti­on des Kon­zepts „Blog“ irgend­wann ein­mal tat­säch­lich zu einer Defi­ni­ti­on wer­den soll­te, wer­de ich mir schon mal einen neu­en Begriff über­le­gen, unter dem die­se lose Text­samm­lung im Inter­net dann fir­mie­ren wird.

Jetzt habe ich alles auf­ge­schrie­ben, was ich merk­wür­dig bis abschre­ckend fand, und es wirkt, als sei das Bar­camp Ruhr für mich eine ganz und gar schreck­li­che Ver­an­stal­tung gewe­sen. Das ist falsch. Zwar war der Sams­tag wirk­lich ver­wir­rend und anstren­gend, aber der Sonn­tag hat viel wie­der wett­ge­macht. Es waren sehr vie­le net­te Leu­te da und bei rund 120 Teil­neh­mern ist auch bei opti­mis­tischs­ter Welt­an­schau­ung rein sta­tis­tisch klar, dass dar­un­ter min­des­tens eine Hand­voll sein wird, deren Bekannt­schaft man lie­ber nie gemacht hät­te. Die Atmo­sphä­re war die gan­ze Zeit über sehr ange­nehm und dass ich vor grö­ße­ren Grup­pen ((„grö­ßer“ = „mehr als fünf Leu­te“.)) Angst habe und kein gro­ßer Freund von Small­talk und ziel­lo­sen Dis­kus­sio­nen bin, ist ja letzt­lich mein per­sön­li­ches Pro­blem.

Ich habe in der Tat noch eini­ge inter­es­san­te Din­ge erfah­ren ((So habe ich zum Bei­spiel qik.com ken­nen­ge­lernt, eine Inter­net­sei­te, die mei­ner Mei­nung nach für den end­gül­ti­gen Unter­gang des Abend­lan­des und das Ende der Mensch­heit ver­ant­wort­lich sein könn­te.)) und eini­ge span­nen­de Gesprä­che geführt. Die Alters­span­ne der Teil­neh­mer reich­te von 18 bis 57, wobei ich es vor allem groß­ar­tig fin­de, wenn auch Men­schen im fort­ge­schrit­te­nen Alter mit mehr Offen­heit auf neue Sachen zuge­hen als ich selbst mit mei­nen 24 Jah­ren.

Über­all erwähnt wur­de die über­aus unschö­ne Tat­sa­che, dass wäh­rend des Bar­camps zwei iPods ((Mobi­le Musikab­spiel­ge­rä­te der Fir­ma Apple.)) (ein Nano, ein Touch), eine Kame­ra, ein Asus Eee ((Eine Art Lap­top, aber noch klei­ner.)) und ein iBook gestoh­len wur­den. Das war im Nach­hin­ein lei­der fast abzu­se­hen bei den unzäh­li­gen Leu­ten, die zusätz­lich zu den Teil­neh­mern noch durchs Haus lie­fen. Ich bin aber über­zeugt davon, dass dem Dieb sei­ne Hän­de, sei­ne Zun­ge und sein Glied abfau­len wer­den. Wenn Sie also dem­nächst in der Esse­ner Innen­stadt einen stum­men Mann mit Arm­stümp­fen sehen, soll­ten Sie ihm noch kurz die Hose run­ter­zie­hen und ihn dann zur Poli­zei schlei­fen.

Vor Mona­ten hat­te ich gemut­maßt, ein Bar­camp sei „eine Art Kir­chen­tag“. Jetzt habe ich bei­des ein­mal mit­ge­macht und muss sagen, dass die­se Ein­schät­zung gera­de­zu pro­phe­tisch war. Bei­de Male blieb trotz einer Men­ge Skep­sis und Ärger ein ziem­lich posi­ti­ver Ein­druck – und die Fra­ge, ob ein Mal nicht aus­reicht.

Dem­nächst dann: Die gan­ze Grüt­ze noch mal in Ton und Bild.

Nach­trag, 21. März: JETZT! Grüt­ze gibt’s hier.

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Total unsymptomatisch

Heu­te mor­gen stand ich vor dem Unper­fekt­haus in Essen um einen völ­lig idio­ti­schen Auf­sa­ger für mei­nen Videobe­richt zum Bar­camp Ruhr zu dre­hen (stay tun­ed for more). Aus dem Augen­win­kel sah ich einen Mann, der erst rechts an dem Gebäu­de vor­bei schlich, in der Hof­ein­fahrt neben­an ver­schwand und wie­der her­vor­kam, dann links vor­bei schlich, dort in einem Haus­ein­gang ver­schwand, um nach min­des­tens einer Minu­te des Suchens dann doch durch die Tür ins Gebäu­de zu gelan­gen, durch wel­che die gan­ze Zeit über Men­schen rein und raus gegan­gen waren.

„Aha“, dach­te ich so für mich, „viel­leicht ein Ent­wick­ler auf der Suche nach neu­en Wegen oder gar ein unbe­tei­lig­ter Pas­sant. Jeden­falls sicher kein Jour­na­list.“

Bei dem Mann han­del­te es sich, wie sich spä­ter her­aus­stell­te, um einen der Abge­sand­ten von derwesten.de.

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Conquer yourself rather than the world

Um ehr­lich zu sein habe ich kei­ne Ahnung, was genau ein Bar­Camp ist – den Schil­de­run­gen nach zu urtei­len muss es sich dabei um eine Art Kir­chen­tag für die Jün­ger des Web 9 3/​4 han­deln. Trotz­dem habe ich irgend­wie zuge­sagt, bei der Orga­ni­sa­ti­on eines sol­chen mit­zu­hel­fen. Die Haupt­ar­beit bleibt aber – so sind sie, die­se moder­nen Frau­en – an Kat­ti hän­gen.

Alles wei­te­re erfah­ren Sie (und ich hof­fent­lich auch) unter barcampruhr.de.