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Musik Leben

Punch The Button

Ich moch­te die Suga­ba­bes schon immer. Unter allen Girl Groups waren sie die­je­ni­gen mit dem meis­ten Indie Appeal, was sich nicht zuletzt dadurch zeig­te, dass sie im ver­gan­ge­nen Jahr „I Bet You Look Good On The Dance­f­lo­or“ von den Arc­tic Mon­keys cover­ten und sich Star­sail­or am Suga­ba­bes-Hit „Push The But­ton“ ver­grif­fen.

Von daher ist es eigent­lich gar nicht so über­ra­schend, eine Mel­dung wie die­se hier zu lesen:

Sugabes: Pop-Sängerin nach Prügelei festgenommen

(Screen­shot: Spie­gel Online)

Das ist eine Art von Girl Power, zu der nicht mal deren Erfin­der, die Spi­ce Girls, fähig waren.

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Leben

Bild mal meine Meinung ab!

Wir alle fra­gen uns sicher regel­mä­ßig, wo Umfra­ge­er­geb­nis­se wie „Män­ner fin­den Ursu­la von der Ley­ens neue Fri­sur gut“, „Deut­sche fah­ren im Urlaub nur ungern in die Ukrai­ne“ oder „Wenn mor­gen Bun­des­tags­wahl wäre, wür­de Knut zur sexies­ten Schau­spie­le­rin gewählt“ her­kom­men. Bis­her war mein Grund­ge­dan­ke, dass da eini­ge irre PR-Men­schen in bom­ben­si­che­ren Kel­lern sit­zen und sol­che Zah­len aus­wür­feln. Dann klin­gel­te mein Tele­fon.

Eine Frau mitt­le­ren Alters aus der bran­den­bur­gi­schen Pro­vinz war dran und sag­te, sie rufe für das Mei­nungs­for­schungs­in­sti­tut Emnid an, ob sie bit­te ein Haus­halts­mit­glied über 60 Jah­ren spre­chen kön­ne. Mei­ne Erleich­te­rung, dem Schick­sal noch ein­mal ent­flo­hen zu sein, hielt nicht lan­ge: auch wenn es bei uns kein sol­ches gebe, wür­de sie mir ger­ne eini­ge Fra­gen stel­len, sag­te die Frau. Ich wil­lig­te ein, frag­te aber vor­her selbst nach, wie man bit­te­schön an mei­ne Num­mer, die ich noch nicht mal ken­ne, und die wirk­lich nir­gend­wo ver­zeich­net sei, kom­me. Das mache ein Zufalls­ge­nera­tor, ent­geg­ne­te die Frau und leg­te los. Nach 23:15 Minu­ten war ich fer­tig, hat­te zwei wund­te­le­fo­nier­te Ohren und mei­nen Bei­trag zu einem Hau­fen tol­ler Tor­ten­dia­gram­me in einem Hau­fen hoch­wer­ti­ger Medi­en gelie­fert.

Bei fol­gen­den Sta­tis­ti­ken wer­de ich in den nächs­ten Mona­ten „Mama, ich bin im Fern­se­hen!“ schrei­en dür­fen:

  • betr. der Zufrie­den­heit mit der Bun­des­po­li­tik („Geht so“)
  • betr. der Zufrie­den­heit mit der NRW-Lan­des­po­li­tik („Haben Sie die Opti­on ‚Beschis­sen‘?“)
  • die sog. Sonn­tags­fra­ge
  • betr. des Rauch­ver­bots bzw. des­sen Inter­pre­ta­ti­on durch die NRW-Lan­des­re­gie­rung
  • betr. der Wie­der­auf­nah­me der Ermitt­lun­gen im Mord­fall Buback und der mög­li­chen Begna­di­gung von Chris­ti­an Klar
  • betr. mei­ner Prä­fe­ren­zen für Kar­tof­fel­puf­fer oder Rei­be­ku­chen (in deed: auf die Fra­ge nach mei­ner Mei­nung über poli­tisch moti­vier­ten Ter­ro­ris­mus folg­te eine zu Kar­tof­fel­puf­fern und Rei­be­ku­chen …)
  • betr. mei­nes Geld­in­sti­tuts
  • betr. mei­ner Erfah­run­gen mit Ver­sand­händ­lern („tele­fo­nisch, Kata­log, Inter­net“)
  • betr. mei­ner Erfah­run­gen zu Dienst­leis­tun­gen per Inter­net (inkl. Musik­down­loads)
  • betr. mei­ner Mei­nung und Erfah­rung zu und mit Bio­le­bens­mit­teln
  • betr. mei­nem Geschmack in Sachen Fein­kost­sa­la­te („dar­un­ter ver­ste­hen wir Sala­te, die mit Mayo­nai­se zube­rei­tet wer­den“)
  • betr. diver­ser sta­tis­ti­scher Daten mei­nes Haus­halts

Inter­es­sant. Ich befür­wor­te übri­gens, dass Chris­ti­an Klar mit der Lan­des­re­gie­rung in NRW Kar­tof­fel­puf­fer essen soll – aber nur, wenn sie aus bio­lo­gi­schem Anbau kom­men und mit Apfel­mus ser­viert wer­den.

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Film Leben

Aus dem Zusammenhang

In den spä­ten 1960er Jah­ren trieb in Nord­ka­li­for­ni­en der sog. Zodiac Kil­ler sein Unwe­sen. Sei­ne (nach­weis­ba­ren) Opfer waren in der Regel jun­ge Pär­chen, die er auf teils ziem­lich bru­ta­le Wei­se töte­te. Beson­ders spek­ta­ku­lär an dem Fall waren die kom­plex ver­schlüs­sel­ten Brie­fe, die der (mut­maß­li­che) Täter an die Öffent­lich­keit schick­te und in denen er die Ver­ant­wor­tung für eine Viel­zahl wei­te­rer Mor­de über­nahm. Bis heu­te ist sich die Poli­zei nicht sicher, wer der Zodiac Kil­ler ist, und wel­che Moti­ve ihn antrie­ben. Die Poli­zei­ak­te des San Fran­cis­co Poli­ce Depart­ments, die vor drei Jah­ren geschlos­sen wor­den war, wur­de im Früh­jahr die­ses Jah­res wie­der geöff­net.

Vor zwei Wochen lief in den USA „Zodiac“ an, der neue Film von David Fin­cher („Se7en“, „Fight Club“), der sich auf teils fik­ti­ven, teils ver­brief­ten Wegen mit dem Fall des Zodiac Kil­lers befasst.

Ges­tern wur­de in San Fran­cis­co ein 17jähriges Mäd­chen von einem unbe­kann­ten jun­gen Mann auf offe­ner Stra­ße erschos­sen, ihr Beglei­ter wur­de ver­letzt.

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Digital Leben

Getrennt, geschrieben

Heu­te, lie­be Kin­der, erklärt Euch das Cof­fee-And-TV-Lehr­per­so­nal mal, war­um eini­ge Regeln der deut­schen Recht­schrei­bung der Zwei­deu­tig­keit Tür und Tor öff­nen. Als Bei­spiel haben wir uns die Getrennt­schrei­bung von zusam­men­ge­setz­ten Ver­ben aus­ge­sucht. RP Online schreibt in einem Arti­kel über Fla­vio Bria­to­re, der mög­li­cher­wei­se gar nicht der Vater von Hei­di Klums ers­tem Kind ist, fol­gen­des:

Der For­mel-Eins-Mana­ger und das Top­mo­del waren 2003 zusam­men gekom­men und trenn­ten sich kurz vor Lenis Geburt im Mai 2004.

Und obwohl die­ser Satz laut Duden (§34) vor­bild­lich zusam­men­ge­stellt wur­de, kann ich doch nicht ver­heh­len, an einer Stel­le herz­haft und puber­tär auf­ge­lacht zu haben. Kann aber auch am Kon­text lie­gen …

PS: Bria­to­re sagt, nicht er, „son­dern eine pro­mi­nen­te Per­sön­lich­keit, die Mil­lio­nen aus dem Fern­se­hen ken­nen“ sol­le der Vater sein. Sei­en wir also gespannt, wie schnell Prinz Fré­dé­ric von Anhalt dies­mal vor die Mikro­fo­ne der Welt­öf­fent­lich­keit hech­tet, um sich als Erzeu­ger ins Gespräch zu brin­gen.

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Musik Leben

The höher they come, the blöder they fall

Es mag Zufall sein, dass es fast auf den Tag genau acht Jah­re her ist, dass ich zum ers­ten Mal von Brit­ney Spears hör­te. Sie trat mit ihrer ers­ten Sin­gle „Baby One More Time“ bei „Top Of The Pops“ auf und als mein bes­ter Freund und ich das sahen und hör­ten, gaben wir dem Mädel drei Sin­gles, dann sei alles wie­der vor­bei. Ich gebe zu: wir hat­ten uns ver­schätzt. Es waren dann doch vier Alben, die zu bewer­ten hier gar nicht The­ma sein soll. (Nur ein Hin­weis sei erlaubt: dass „Baby One More Time“ ein tol­ler Song war, wur­de spä­tes­tens ein Jahr spä­ter klar, als Tra­vis ihn cover­ten.)

Die Fra­ge, wann eigent­lich Brit­neys letz­te Sin­gle erschie­nen sei (und wie die klang), könn­te ich nicht ohne vor­he­ri­ge Recher­che beant­wor­ten. Aber das ist inzwi­schen auch völ­lig egal, es inter­es­siert ja auch nur noch die wenigs­ten, dass Pete Doh­erty noch Musik macht (die letz­te Babysham­bles-EP, das weiß ich wenigs­tens, hieß „The Blin­ding“ und erschien Ende 2006). Brit­ney Spears, die ja sowie­so immer schon ein belieb­tes The­ma des sog. Boulevard-„Journalismus“ war, ist end­gül­tig zum Traum eines jeden Gos­sen­be­ob­ach­ters gewor­den, weil sie alles, aber auch wirk­lich alles ver­eint, wofür man sonst Paris Hil­ton, Rob­bie Wil­liams und Pete Doh­erty bräuch­te – oder die jetzt nicht mehr ver­füg­ba­re Anna Nico­le Smith.

Jetzt (das ist der Bild­zei­tungs-Begriff für „vor eini­ger Zeit“, in die­sem Fall: „let­ze Woche“) hat sie sich eine Glat­ze schnei­den las­sen, was die „Panorama“-Redakteure hun­der­ter Online-Maga­zi­ne in Ver­zü­ckung ver­set­ze. Zwar gab es allen­falls zwei grie­se­li­ge Fotos von Spears‘ Plat­te, aber fast nie­mand ließ sich die Gele­gen­heit ent­ge­hen, noch mal eine Foto-Gale­rie mit den schöns­ten glatz­köp­fi­gen Frau­en (Sinead O’Con­nor, Skin, Nata­lie Port­man, Demi Moo­re) zusam­men­zu­stel­len. Ent­setzt wur­de das Phra­sen­schwein gemol­ken und die ewig glei­che Fra­ge, wie es nur so weit habe kom­men kön­nen, in den Raum oder zumin­dest auf die Titel­sei­ten gestellt. Frau Spears, die vor dem Fri­seur­be­such eine Ent­zie­hungs­kur abge­bro­chen hat­te, begab sich in der Zwi­schen­zeit in eine Ent­zugs­kli­nik, check­te nach 24 stun­den wie­der aus und hat nach neu­es­ten Mel­dun­gen grad zum drit­ten Mal inner­halb einer Woche eine Reha-Kli­nik auf­ge­sucht. (Ich muss mich kor­ri­gie­ren: nach neu­es­ten Mel­dun­gen soll Frau Spears mit einem Regen­schirm auf ein Auto los­ge­gan­gen sein, das ent­we­der ihrem Noch-Gat­ten oder einem Papa­raz­zo gehör­te. Das mit der Kli­nik könn­te natür­lich trotz­dem stim­men. Oder schon wie­der über­holt sein.)

Der ziem­lich bril­lan­te ame­ri­ka­ni­sche Pop­jour­na­list Chuck Klos­ter­man sagt in einem (im Novem­ber 2006 geführ­ten) Inter­view in der aktu­el­len Galo­re:

Es ist schwie­rig, jeman­den wie Brit­ney sati­risch zu beglei­ten. Wenn jemand vor zwei Jah­ren eine Par­odie auf Spears ver­fasst hät­te, was hät­te er getan? Wahr­schein­lich hät­te man sie mit einem wei­ßen Mit­tel­stands-Mann ver­hei­ra­tet, der von sich denkt, er sei ein Rap­per. Und der dann in ihrem Kel­ler wohnt und hin­ter­her um das Sor­ge­recht für die Kin­der klagt, um an ihr Geld zu kom­men. Das wäre glatt als Sati­re durch­ge­gan­gen. Aber es ist wirk­lich pas­siert. Man hät­te auch eine Sze­ne schrei­ben kön­nen, wie Brit­ney bar­fuß aus einer öffent­li­chen Toi­let­te kommt. Auch das ist wirk­lich pas­siert.

Bei You­Tube kann man sich ein Video anse­hen, wie Brit­ney Spears von Papa­raz­zi bedrängt wird und schließ­lich aus­ras­tet. Die Berufs­zy­ni­ker der Scum Press wer­den wie­der was faseln von „Wer die Medi­en für sei­nen Auf­stieg nutzt, muss auch damit rech­nen, in der Zei­tung zu ste­hen, wenn es mal nicht so gut läuft.“ (das Zitat ist zusam­men­er­fun­den, soll­te aber als authen­tisch durch­ge­hen) und auch der klei­ne Mann auf der Stra­ße wird wie­der geist­rei­che Leser­brie­fe abson­dern mit Sen­ten­zen wie „Ich kann das Gejam­mer der ‚Rei­chen und Schö­nen‘ nicht mehr hören. Er hat sich für das Leben, das er führt, ent­schie­den, und ent­schei­det sich jeden Tag aufs Neue dafür.“ (aus den Kom­men­ta­ren zu einem sueddeutsche.de-Arti­kels über Rob­bie Wil­liams‘ aktu­el­len Tablet­ten­ent­zug, der sich sowie­so schon wie ein Nach­ruf liest). Und war­um gucken wir uns das alle an? Weil „die da oben“ viel schö­ner und län­ger fal­len kön­nen. Das Schluss­wort die­ses quir­li­gen Gedan­ken­hop­pings gebührt des­halb Bil­ly Wil­der:

Der Unter­schied zwi­schen einer Komö­die und einer Tra­gö­die ist: Ein Mann läuft eine Stra­ße hin­un­ter und fällt hin. Wenn er wie­der auf­steht, ist das eine Komö­die, die Leu­te lachen; bleibt er lie­gen, ist es eine Tra­gö­die.

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Leben Unterwegs

Die schönsten Bahnstrecken Europas

Heu­te ist der Tag des Hirns. Und das kam so:

14:19 h: Ich ver­las­se Bochum bei strah­len­dem Son­nen­schein mit einem Regio­nal­ex­press. Ich bin bes­ter Din­ge und lese in der neu­en Vani­ty Fair (ich erken­ne jetzt schon ver­däch­ti­ges Run­ning-Gag-Poten­ti­al für die­se Zeit­schrift in die­sem Blog).
14:43 h: Ich kom­me in Duis­burg an, kau­fe mir am Bahn­steig eine Fla­sche Mez­zo­mix und war­te auf den nächs­ten Zug.
14:58 h: Die Regio­nal­bahn nach Wesel fährt ein. Nach dem Ein­stei­gen depo­nie­re ich mei­ne Rei­se­ta­sche in einer der Abla­gen, set­ze mich und löse die Sudo­kus in … einer Zeit­schrift.
15:19 h: Der Zug fährt in Dins­la­ken ein. Ich stei­ge aus, die Son­ne scheint, mein MP3-Play­er spielt „Ever­yo­ne Is Here“ von den Finn Brot­hers und ich gehe bes­tens gelaunt zu Fuß zu mei­nem Eltern­haus.
15:45 h: Ich errei­che mein Eltern­haus, begrü­ße mei­ne Geschwis­ter, gehe wie­der in mein Zim­mer und fra­ge mich, wo eigent­lich mei­ne Rei­se­ta­sche ist.
15:46 h: Ich rufe bei der Deut­schen Bahn AG an, las­se mich mit der zen­tra­len Ver­lust­stel­le ver­bin­den, schil­de­re mein Anlie­gen und die Tasche und bekom­me eine Vor­gangs­num­mer. Bil­der von gesperr­ten Bahn­stre­cken und mei­ner armen, gespreng­ten Rei­se­ta­sche zucken mir durch den Kopf.
16:39 h: Ich bin wie­der am Dins­la­ke­ner Bahn­hof, die Züge fah­ren noch. Also stei­ge ich in die Regio­nal­bahn nach Mön­chen­glad­bach ein, die nach Fahr­plan die glei­che (also der sel­be Zug) sein könn­te, in dem ich acht­zig Minu­ten zuvor mei­ne Tasche ver­ges­sen hat­te. Ich gehe den gan­zen Zug ab, fin­de aber kei­ne Tasche. Weil die Suche so ihre Zeit braucht, ist der Zug schon wie­der los­ge­fah­ren und ich kann erst in Ober­hau­sen-Hol­ten aus­stei­gen.
16:48 h: Ich neh­me die nächs­te Regio­nal­bahn (dies­mal ein offen­kun­dig ande­rer Wagen­typ) nach Dins­la­ken zurück.
17:01 h: Ich fra­ge am Schal­ter der Deut­schen Bahn in Dins­la­ken nach, was ich denn tun kön­ne. Der stets außer­ge­wöhn­lich freund­li­che Schal­ter­be­am­te, der wirk­lich mal öffent­li­che Erwäh­nung und Lob­prei­sung ver­dient hät­te, gibt mir die Num­mer der Leit­stel­le in Duis­burg.
17:05 h: Ich rufe in Duis­burg an. Dort ist eine Rei­se­ta­sche, auf die mei­ne Beschrei­bung passt, soeben als gefun­den gemel­det wor­den und wird in die­sem Moment – „Blei­ben­se ma grad dran!“ – dem Duis­bur­ger Bahn­hofs­per­so­nal aus­ge­hän­digt.
17:39 h: Ich neh­me die nächs­te Regio­nal­bahn nach Duis­burg.
18:01 h: Ich gehe zum Ser­vice­point im Duis­bur­ger Haupt­bahn­hof, mel­de mich, sehe mei­ne Tasche und muss nur noch auf­sa­gen, was sich dar­in befand, dann gehört sie wie­der mir.
18:20 h: Mit dem Gurt mei­ner Rei­se­ta­sche um die Füße gewi­ckelt fah­re ich mit dem nächs­ten Zug wie­der nach Dins­la­ken zurück.
18:40 h: Ich stei­ge zum drit­ten Mal am heu­ti­gen Tag am Dins­la­ke­ner Bahn­hof aus einem Zug und mache mich aber­mals auf den Weg zu mei­nem Eltern­haus.
19:10 h: Ich stel­le fest, dass die sechs DVDs aus der Tasche ver­schwun­den sind.

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Leben

Torschützen und Theoretiker

Eines der Haupt­pro­ble­me für Pro­mi­nen­te ist das Erkannt­wer­den, und das gleich dop­pelt: Geht ein Pro­mi­nen­ter (Poli­ti­ker, Sport­ler, Tele­no­vel­a­dar­stel­ler) neben einer Per­son, die nicht durch diver­se Pres­se­be­rich­te als sein aktu­el­ler Lebens­part­ner bekannt ist, durch die Stra­ßen irgend­ei­ner deut­schen Stadt, ist die Chan­ce groß, dass gleich jemand mit einem Foto­han­dy hin­ter dem nächs­ten Stra­ßen­schild her­vor­springt, unge­fragt ein ver­wa­ckel­tes Foto „schießt“ und die­ses an ein Bou­le­vard­blatt ver­kauft. Das fragt dann in einer necki­schen Bild­un­ter­schrift, was denn wohl die Frau des Pro­mi­nen­ten dazu sage, aber die Ant­wort die­ser Frau („Ich begrü­ße es durch­aus, wenn mein Gat­te mit sei­ner Schwes­ter, die gera­de in Tren­nung von ihrem drit­ten Mann lebt, durch die Stra­ßen sei­ner Hei­mat­stadt schlen­dert, wäh­rend ich mit einer Wohn­raum­ex­per­tin unser Wohn­zim­mer im Land­haus­stil relaun­che – dann sitzt er mir näm­lich beim Ein­rich­ten nicht im Weg!“) wird der Leser nie erfah­ren, weil sie womög­lich total unspan­nend wäre.

Total unspan­nend bis depri­mie­rend kann es für einen Pro­mi­nen­ten aber auch sein, eben genau nicht erkannt zu wer­den. Wer die­ser Tage über den roten Tep­pich der Ber­li­na­le geht und dabei nicht um Auto­gram­me und gemein­sa­me Fotos gebe­ten wird, der kann schnell in eine mit­tel­schwe­re Sinn­kri­se stür­zen.

Mein Pro­blem mit Pro­mi­nen­ten ist, dass ich sie meist an so unwahr­schein­li­chen Orten sich­te, dass ich zunächst immer an eine Ver­wechs­lung glau­be. So stand ich am Mon­tag­abend nichts­ah­nend auf einer Kunst­aus­stel­lung in Düs­sel­dorf, als hin­ter mei­nem Rücken plötz­lich Kevin Kuranyi auf­tauch­te. Nun braucht es schon eini­ge Über­win­dung der eige­nen Vor­ur­tei­le, sich einen Fuß­ball­na­tio­nal­spie­ler auf einer Ver­nis­sa­ge vor­zu­stel­len, aber es spricht eini­ges dafür: Kevin Kuranyi hat ja nicht gera­de das, was man ein Aller­welts­ge­sicht nennt (das wäre etwa bei Mike Han­ke schon ganz anders), und die deut­sche Fuß­ball­na­tio­nal­mann­schaft befand sich seit Sonn­tag­abend tat­säch­lich zwecks Län­der­spiel­vor­be­rei­tung in Düs­sel­dorf. Wenn es also wirk­lich Kevin Kuranyi war, kann ich in Zukunft berich­ten, dass alle Fuß­ball­na­tio­nal­spie­ler, mit denen ich jemals im glei­chen Raum war, danach inner­halb von 48 Stun­den ein Tor geschos­sen haben.

Heu­te war es dann schon wie­der so weit: im Bochu­mer Haupt­bahn­hof fuhr ein Mann die Roll­trep­pe hin­ab, der eine nicht gerin­ge Ähn­lich­keit mit dem Phi­lo­so­phen Peter Slo­ter­di­jk auf­wies. Die­ser soll­te am glei­chen Tag bei einem Sym­po­si­um an der Ruhr-Uni zuge­gen sein, was mir auch sofort wie­der ein­fiel, als ich den mög­li­chen Dop­pel­gän­ger erblick­te. Allein: müs­sen welt­weit geach­te­te Pro­fes­so­ren, die auf dem Weg zu Tagun­gen über die Dia­lek­tik der Säku­la­ri­sie­rung sind, wirk­lich mit öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln fah­ren? Rei­sen sie zu sol­chen Ter­mi­nen wirk­lich ganz ohne Gepäck an? Und: kann es wirk­lich sein, dass der Autor von „Ich pro­gnos­ti­zie­re der Phi­lo­so­phie eine neue Ver­gan­gen­heit“ und Gast­ge­ber des „phi­lo­so­phi­schen Quar­tetts“ die U‑Bahn in die fal­sche Rich­tung nimmt?

Falls also jemand per­sön­li­chen Kon­takt zu den Her­ren Kuranyi oder Slo­ter­di­jk hat (Noch span­nen­der wäre natür­lich jemand, der Kon­takt zu bei­den hat – was mögen die schon groß gemein­sam haben?), wäre ich natür­lich hoch­er­freut zu erfah­ren, ob ich einer Ver­wechs­lung auf­ge­ses­sen bin oder mein Weg tat­säch­lich mit Pro­mi­nen­ten gepflas­tert ist.