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Leben Unterwegs

Die schönsten Bahnstrecken Europas

Heute ist der Tag des Hirns. Und das kam so:

14:19 h: Ich verlasse Bochum bei strahlendem Sonnenschein mit einem Regionalexpress. Ich bin bester Dinge und lese in der neuen Vanity Fair (ich erkenne jetzt schon verdächtiges RunningGag-Potential für diese Zeitschrift in diesem Blog).
14:43 h: Ich komme in Duisburg an, kaufe mir am Bahnsteig eine Flasche Mezzomix und warte auf den nächsten Zug.
14:58 h: Die Regionalbahn nach Wesel fährt ein. Nach dem Einsteigen deponiere ich meine Reisetasche in einer der Ablagen, setze mich und löse die Sudokus in … einer Zeitschrift.
15:19 h: Der Zug fährt in Dinslaken ein. Ich steige aus, die Sonne scheint, mein MP3-Player spielt “Everyone Is Here” von den Finn Brothers und ich gehe bestens gelaunt zu Fuß zu meinem Elternhaus.
15:45 h: Ich erreiche mein Elternhaus, begrüße meine Geschwister, gehe wieder in mein Zimmer und frage mich, wo eigentlich meine Reisetasche ist.
15:46 h: Ich rufe bei der Deutschen Bahn AG an, lasse mich mit der zentralen Verluststelle verbinden, schildere mein Anliegen und die Tasche und bekomme eine Vorgangsnummer. Bilder von gesperrten Bahnstrecken und meiner armen, gesprengten Reisetasche zucken mir durch den Kopf.
16:39 h: Ich bin wieder am Dinslakener Bahnhof, die Züge fahren noch. Also steige ich in die Regionalbahn nach Mönchengladbach ein, die nach Fahrplan die gleiche (also der selbe Zug) sein könnte, in dem ich achtzig Minuten zuvor meine Tasche vergessen hatte. Ich gehe den ganzen Zug ab, finde aber keine Tasche. Weil die Suche so ihre Zeit braucht, ist der Zug schon wieder losgefahren und ich kann erst in Oberhausen-Holten aussteigen.
16:48 h: Ich nehme die nächste Regionalbahn (diesmal ein offenkundig anderer Wagentyp) nach Dinslaken zurück.
17:01 h: Ich frage am Schalter der Deutschen Bahn in Dinslaken nach, was ich denn tun könne. Der stets außergewöhnlich freundliche Schalterbeamte, der wirklich mal öffentliche Erwähnung und Lobpreisung verdient hätte, gibt mir die Nummer der Leitstelle in Duisburg.
17:05 h: Ich rufe in Duisburg an. Dort ist eine Reisetasche, auf die meine Beschreibung passt, soeben als gefunden gemeldet worden und wird in diesem Moment – “Bleibense ma grad dran!” – dem Duisburger Bahnhofspersonal ausgehändigt.
17:39 h: Ich nehme die nächste Regionalbahn nach Duisburg.
18:01 h: Ich gehe zum Servicepoint im Duisburger Hauptbahnhof, melde mich, sehe meine Tasche und muss nur noch aufsagen, was sich darin befand, dann gehört sie wieder mir.
18:20 h: Mit dem Gurt meiner Reisetasche um die Füße gewickelt fahre ich mit dem nächsten Zug wieder nach Dinslaken zurück.
18:40 h: Ich steige zum dritten Mal am heutigen Tag am Dinslakener Bahnhof aus einem Zug und mache mich abermals auf den Weg zu meinem Elternhaus.
19:10 h: Ich stelle fest, dass die sechs DVDs aus der Tasche verschwunden sind.

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Der diskrete Charme der Bourgeoisie

Noch auf dem Paris-Trip (mitsamt entsprechender Tastatur – diese paar Sätze zu tippen wird wieder Stunden dauern), geht mir doch schon wieder das kulturelle Leben in Deutschland durch den Kopf. Zum Beispiel die Veröffentlichung der ersten deutschen Ausgabe von “Vanity Fair”, mit der ich mich die erste Hälfte meiner Herfahrt über im Zug beschäftigte. Einen Euro kostet das dicke Heft nur. Bis man beim Inhaltsverzeichnis angelangt ist, weiß man jedoch schon, dass dieser Preis völlig gerechtfertigt ist. Bis zum ersten Wort der Redaktion kämpft man sich durch vierzehn Seiten Werbung, bis zum Inhalt sind es noch einmal vier. Jede Woche soll das Teil erscheinen – wer hat eigentlich jede Woche Zeit, so einen Schinken zu lesen? Und vor allem: Wann soll man dann noch bei all den Designer-Shops auf der Champs Elysée vorbeischauen um die beworbenen Luxusgüter auch zu erwerben? Oder gehen die Bourgeoisie etwa zum zeitsparenden Online-Shopping über?

Im Editorial zeigt sich “Vanity Fair” dann auch direkt stolz darauf, sich im Jahr 2002 trotz aller Kritik “patriotisch” zur Regierung Bush bekannt zu haben. Wie recht sie doch hatten und wie unrecht der Rest der Welt! Die Regierung Bush leistet ja nach wie vor hervorragende Arbeit und ich finde, wir sollten uns alle einmal wieder patriotisch zu ihr bekennen. Einfach incredible, dieses Gespür für Trends! Und dieser schonungslose Enthüllungsjournalismus erst! Auf Seite 42 bleibt kurz mein Herz stehen, als ich erfahren muss, dass 70% aller Jugendlichen gefälschte Software besitzen. Gefälschte Software! Heißt das etwa, dass das Windows XP auf meinem PC aller Wahrscheinlichkeit nach nicht echt ist? Haben eifrige Chinesen ohne jeden Respekt für Urheberrecht etwa ein Fake-Windows nachprogrammiert und in Umlauf gebracht? In der Tat ein Skandal, vor dem das Familienministerium warnen sollte – es geht schließlich um unsere Jugend.

Ansonsten blieb mir nur noch ein prätentiöses Robert-De-Niro-Interview in Erinnerung, offensichtlich aus der US-Ausgabe übernommen. An den dortigen Stil, Artikel zu verfassen, wird man sich wohl gewöhnen müssen, so als Abonnent oder so. Ich überlege noch, einer zu werden, immerhin gefielen mir während der Zugfahrt die Sudokus in drei Schwierigkeitsgraden sowie das angenehm knifflige Rätsel doch ziemlich gut.