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Musik Unterwegs

It’s always raining somewhere

Im Geiste von Harry Rowohlt habe ich mich entschlossen, es folgendermaßen zu sagen: Ich erzähle mal kurz was übers La-Pampa-Festival. Ich habe das inzwischen überall rumerzählt; da sehe ich nicht ein, weshalb ich es ausgerechnet Ihnen nicht auch erzählen soll. Das war’s jetzt aber auch mit dem freien Zitieren.

Über das Festival selbst muss man zumindest Folgendes sagen: Es stehen zwei bis drei Bühnen (die Zahl hängt massiv davon ab, wie die persönliche Definition des Wortes “Bühne” bei den jeweiligen Besuchern beschaffen ist) auf einem Seebad-Gelände am Südostzipfel des Landes Sachsen, in der Nähe von Görlitz, genauer: Hagenwerder bei Görlitz. Um den See herum kann man zelten, unmittelbare Nähe zum Wasser ist hierbei unbedingt empfehlenswert. Denn mit jedem Zentimeter, um den man sich mit dem Zelt vom See entfernt, steigt die ohnehin schon gefährliche Proximität zur anliegenden Gleisanlage. Diese wird zwar nur jede Stunde von einer S-Bahn der ODEG (Ostdeutsche Eisenbahn GmbH – deshalb müsste sie eigentlich ODEGMBH heißen, aber was weiß ich schon?) befahren, ist aber auch nicht mit einem Zaun vom Weg um den See abgetrennt. Wie durch ein Wunder kommt, soviel ich weiß, am ganzen Wochenende niemand dabei ums Leben.

Ich werde jetzt hier nicht chronologisch aufzählen, was alles schief gegangen ist oder schlechter als gedacht funktioniert hat. Das mit dem Wetter, dafür kann ja niemand was, aber wenn es jeden Abend pünktlich um 22 Uhr anfängt, ein piesackendes Bisschen mehr als zu nieseln, macht das aus einem entspannten Konzert von The Notwist am Freitag schon mal eine kleine Hängepartie, vor allen Dingen deshalb, weil an den Stellen der Songs, die aufgrund ihrer steigenden Intensität auch mit mehr Licht untermalt werden, das Ausmaß des Regens erst gut beleuchtet sichtbar wird und man dadurch ganz und gar nicht zum Jubeln und Frohlocken aufgelegt ist.

Irgendwann hat man sich natürlich dran gewöhnt. So um 1 Uhr nachts oder so, da ist man dann halt nass, Leugnen hilft auch nicht mehr. Was dazu führt, dass ich Bonaparte um Viertel vor Drei schon so früh zu meinem persönlichen Festivalhöhepunkt erkläre und mir vornehme, zukünftig mein streng abschätziges Verhältnis zu, pardon, Hüpf- und Springmusik, noch einmal zu überdenken.

Die Nacht findet allerdings leider nicht statt, weil es so laut regnet, dass ich das Gefühl habe, eine Million kleiner Steine fiele auf das Zeltdach. Das wird nur übertroffen von einer Handvoll männlicher Jugendlicher aus dem nahe gelegenen Görlitz-Hagenwerder/Weinhübel, oder wie auch immer das heißt, die einen gefühlten Zentimeter von meinem Ohr entfernt einen unfassbaren Radau machen, unter anderem so geartet, dass mit steigendem Alkoholisierungsgrad die Lautstärke steigt, die Qualität der Witze allerdings rapide absinkt, bis sie bei wahnsinnigunterirdischen Rassismen gegen Polen angekommen sind, bei denen ich eigentlich hoffnungsvoll überzeugt war, dass sie endlich, endlich, endlich einmal aus der Mode kommen würden. Stattdessen schäme ich mich stellvertretend für die gesamte Menschheit und versuche neurotisch, mich in den Schlaf zu wiegeln. Immerhin finde ich ein Oropax, das ich in der Mitte salomonisch zerteile, damit beide meiner Ohren ihre Ruhe kriegen.

Samstag spielen Portugal. The Man in der Hauptsache, und vielleicht noch ClickClickDecker, den/die ich eigentlich sehr gern mag, die aber im Vergleich zum immer noch nachwirkenden großartigen Eindruck von Bonaparte eine eher schwammige und lasche Vorstellung abliefern, mitunter sicher auch deshalb, weil sie sehr leise sind. Andererseits aber auch deshalb, weil ich glaube ich so langsam genug Lieder gehört habe, die am Achtel-Fieber leiden. But that’s just me.

Wenn ich aber nun zusammenfassend ein bisschen zwiegespalten bin und sage, dass ich schon weiß, warum ich kaum auf Festivals gehe, und mein letztes davor mittlerweile schon sechs Jahre her ist (und deshalb notwendig war, weil ich sonst vermutlich nie mehr Radiohead live gesehen hätte, ohne dafür meine Seele für den Ticketpreis zu verkaufen), dann liegt das mit Sicherheit nicht an der Musik, die nämlich, trotz aller bösen Konnotation des Ausdrucks, wenn nicht sehr gut, dann immerhin gut gemeint war. Es liegt vielmehr daran, dass ich noch heute, zwei Tage danach, Ohrenzwicker aus dem Zelt in meinem Zimmer finde. Oder dass ich die Schuhe, die ich dabei hatte, wahrscheinlich wegwerfen muss, nachdem ich versucht habe, mit dem Messer den alten krustigen Schlamm aus den offenen Zwischenräumen zwischen Stoff und Sohle zu entfernen. Und an einem mehr oder weniger fiesen Schnupfen, den ich so gut gebrauchen kann wie ein Loch im Knie.

Zum Schluss noch eine pädagogische Note. Wenn Sie unsicher darüber sind, wie das Wort “Material” richtig ausgesprochen wird, und sich diesbezüglich informieren möchten, halten Sie nicht, ich wiederhole, nicht, unter keinen Umständen, an einem Rasthof in der Nähe von Kosel an der Bundesstraße 99. Egal, wie leer der Tank ist. Es sei denn natürlich, sie wollen für den Rest Ihres Lebens mit einem breiten, aufdringlichen “Mattärjol” auf der Zunge herumlaufen.

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Musik

Listenpanik 05/08 (Ein Fragment)

Bald ist Juli. Dann muss auf die Alben des Monats Juni zurückgeblickt werden. Das heißt, es “muss” natürlich gar nichts, das ist ja nur den Stress, den man sich selber macht. Noch ist aber auch die Liste für den Monat Mai noch unfertig, was mich um so fertiger macht.

Und weil mir gerade nicht viel mehr einfällt und beim Musikjournalismus eh unwichtig ist, was man schreibt (wichtig ist nur die korrekte Schreibweise von Künstler- und Albumnamen und eine ungefähre Wertung, die schon allein durch die Erwähnung auf dieser Liste vorgenommen wird), veröffentliche ich hier und jetzt einfach das, was ich bisher habe. Ohne Rücksicht auf Verluste und diesmal ohne Platzierungen:

Alben
Death Cab For Cutie – Narrow Stairs
So ein bisschen sind sie ja die Coldplay Amerikas: Death Cab For Cutie sind von der einstigen Indie-Band zu den Lieblingen von alt und jung geworden und seit “O.C., California” weiß auch jeder, dass wahre Fans sie nur “Death Cab” nennen.
Geschenkt: “Narrow Stairs” ist ein wenig lauter und sperriger geraten als der Vorgänger “Plans” (allein die Idee, eine achteinhalbminütige Single zu veröffentlichen!) und ist natürlich schon wieder großartig. Sechs gute Alben muss man auch erst mal schaffen – “O.C., California” hatte vier Staffeln, davon eine gute.

The Notwist – The Devil, You + Me
“Gut Ding will Weilheim haben” – irgendein deutscher Musikjournalist wird das sicher geschrieben haben über die Band aus der oberbayrischen Provinz, deren letztes Album auch schon wieder sechs Jahre zurückliegt – als Band, wohlgemerkt, denn mit diversen Nebenprojekten haben die Acher-Brüder Markus und Micha, Martin “Console” Gretschmann und ihr ständig unerwähnt bleibender Drummer Andi Haberl in der Zwischenzeit bestimmt einen halben Plattenschrank gefüllt.
Jetzt also wieder The Notwist: “The Devil, You + Me” klingt organischer und weniger elektronisch als ihr Meisterwerk “Neon Golden”, ist aber mindestens genauso gut. (Wieso eigentlich “aber”?) Wäre “großes Kino” keine brutalst abgedroschene Phrase, es träfe auf dieses Album zu, so schnell entstehen kleine Filme im Kopf.

The Ting Tings – We Started Nothing
Überhit “Great DJ”
… wie eine Mischung aus Cansei De Ser Sexy und The Clash

MGMT – Oracular Spectacular
Guillemots – Red
Clueso – So Sehr Dabei

Songs
The Notwist – Good Lies
Wie viele verschiedene Möglichkeiten gibt es, den selben Satz zu singen? Sie können es gerne nachzählen bei Markus Acher, Sie können es aber auch bleiben lassen und sich ganz auf dieses wundervolle Lied konzentrieren.

Death Cab For Cutie – The Ice Is Getting Thinner
Gut: So langsam sind dann mal alle Metaphern durch für die Beziehung, aus der langsam, aber sicher die Luft entweicht. Und trotzdem: So schön wie Ben Gibbard hat das schon lange niemand mehr besungen. Eine echtes Gänsehaut-Lied, dessen Kopfstimmen-Gesang man allerdings nur nachahmen sollte, wenn man alleine ist.

The Ting Tings – That’s Not My Name
Clueso – Keinen Zentimeter

schon seit Monaten draußen, aber immer noch gut

[Listenpanik – Die Serie]

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Musik Leben

Was geht

Am Samstag schloss der Traditionsplattenladen “Elpi” in Bochum für immer seine Pforten. Nach langer Zeit (ich hab vergessen, noch mal nachzufragen, meine aber, mich an die Zahl von 28 Jahren erinnern zu können) zieht sich damit ein traditionsreicher Einzelhändler zurück, ein fast schon prototypischer Plattenladen wie in “High Fidelity”.

Ich war das erste Mal vor grob vier Jahren bei “Elpi”, an meinem ersten Tag in Bochum, dem Tag meiner Einschreibung. Ich kaufte mir damals “Sea Change” von Beck im Angebot, packte die CD in meinen Discman und weil sie so unendlich traurig ist, ich vom ersten Eindruck Bochums ziemlich deprimiert war und es auch noch anfing zu regnen, machte ich sie wieder aus und habe sie dieses Jahr am Abend vor meiner Examensfeier zum ersten Mal an einem Stück gehört.

Ich war gerne bei “Elpi” und habe viele CDs gekauft, aber ehrlich gesagt nur wenige neue. Da konnte der Laden, der zu keiner großen Kette gehörte, nicht mit den Preisen der Elektronikkaufhäuser und Internet-Versandhäsuer mithalten. Und nicht nur ich zuckte bei Preisen von siebzehn, achtzehn Euro immer wieder zusammen, auch viele andere kauften nicht mehr in dem kleinen Laden in der Fußgängerzone.

Deshalb war jetzt Schluss. Nicht wegen “Saturn”, wie mir die Mitarbeiter erzählten, aber die Perspektive eines riesigen CD-Angebots zu Kampfpreisen in der Nachbarschaft beschleunigte die Entscheidung wohl. So war immerhin noch ein würdevoller Abschied möglich und der Laden musste nicht leer bleiben, während die alten Kunden mit schlechtem Gewissen zur Konkurrenz schlichen. Der Name und die Mitarbeiter bleiben immerhin im “Elpi-Ticketshop” erhalten, der im neuen “Saturn” neben der CD-Abteilung im zweiten Stock liegt.

Die letzten Wochen waren natürlich die übliche Leichenfledderei mit Ausverkauf und Rabatten von 25 bis 50 Prozent. “Soll man da überhaupt noch mal hingehen?”, fragte ich mich und mein imaginary friend sagte: “Doch, klar. Erstens hast Du ja schon früher da gekauft und zweitens nehmen die so wenigstens noch was Geld ein.” Und so kaufte ich noch mal CDs: The Clash, Sugababes und Randy Newman, als allerletztes “Neon Golden” von The Notwist.

Und auf der heißt es ja:

Fail with consequence, lose with eloquence and smile.