Neben vielen Pros und Contras, journalistisch tätig zu sein, gibt es ein unschlagbares Argument für diese Arbeit: bei Presseevents gibt es fast immer was zu essen. Gestern hatten die Veranstalter des liebenswerten Haldern-Pop-Festivals gleich zu drei Terminen auf einmal an den schönen Niederrhein geladen: Spargelessen, Pressekonferenz und Konzert. Klar, dass ich mir das nicht entgehen lassen konnte.
Schon bei der Anreise sah man das Prinzip Haldern auf der Gartenterrasse des Gasthofs Tepferd in einem einzigen Bild zusammengefasst: da saßen Dorfbewohner beim Feierabendbier neben internationalen Indiemusikern, erfreuten sich am strahlenden Sonnenschein und kämpften gemeinsam gegen die gefürchteten niederrheinischen Blutsauger-Insekten. In einem Saal, in dem sonst goldene Hochzeiten gefeiert werden, scharten sich Musikjournalisten und Sponsoren um Tische, auf denen Fässchen der niederrheinischen Traditionsbrauerei Diebels standen, die seit mehr als zehn Jahren Partner des niederheinischen Traditionsfestivals ist.
Obwohl ich ja selbst Niederrheiner bin, konnte ich die in meiner Heimat vorherrschende Begeisterung für Altbier und Spargel nie so ganz teilen. In der urgemütlichen Atmosphäre des Gasthauses allerdings wäre kaum etwas anderes vorstellbar gewesen als das leicht klebrige Gesöff und das Saisongemüse mit der merkwürdigen Konsistenz und dem Aussehen, das eher an männliche Körperteile als an irgendetwas sonst erinnert (viel besser als Spargel schmecken aber eh die Beilagen: Kartoffeln und gekochter Schinken mit richtig viel zerlaufener Butter übergossen). Wie zum Beweis meines Einleitungssatzes standen die meisten Journalisten schon am Büffet, als die Eröffnung desselben gerade verklungen war (besonders Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks scheinen sonst nichts zu Essen zu kriegen).
Als alle satt aussahen, begann der halbwegs offizielle Teil des Abends: das Festival feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen, ein Alter, in dem “normale Halderner schon vier Kinder und ein Haus gebaut” haben, wie Wolfgang “Linne” Linneweber, schon ewig für die Pressebetreuung des Festivals zuständig, scherzte. Das soll natürlich schon irgendwie gefeiert werden, aber eben in bester Haldern-Tradition, also ohne Größenwahn und großes Spektakel. So wird in diesem Jahr die Hauptbühne ausnahmsweise schon am Donnerstag Abend bespielt werden – von Foals und den Flaming Lips.
In kurzen Grußworten verwiesen der Bürgermeister der Stadt Rees und Vertreter von Diebels und der Sparkasse Rees-Emmerich auf die langjährige gemeinsame Geschichte und man merkte noch einmal: in Haldern würde Tradition auch dann groß geschrieben, wenn es kein Substantiv wäre. Chef-Organisator Stefan Reichmann erklärte mehrfach, dass das Festival ohne die Unterstützung der Dorfbewohner nicht denkbar wäre, und kündigte schon mal an, dass der Eingang zum Gelände in diesem Jahr bekränzt sein werde – wie am Niederrhein sonst nach 25 Jahren Ehe üblich.
Mit Restorm gibt es einen neuen Partner im Boot, der gerade mal 25 Wochen alt ist, aber für ähnliche Ideale einsteht: bei der gefühlt viertausendsten Online-Plattform für Musiker sollen diese endlich mal richtig im Mittelpunkt stehen. Theo Favetto, einer der Macher von Restorm, erklärte mir im Anschluss, was auf der Website schon möglich ist und was noch hinzukommen soll. Das klingt durchaus spannend und lohnt die nähere Betrachtung für Musiker und Musikliebhaber.
Das Festival-Line-Up, zu dem bisher unter anderem Bohren und der Club Of Gore, Editors, Iron And Wine, Kate Nash, Okkervil River, The Dodos und, äh: die Kilians gehörten, wurde dann noch eben um acht neue Bestätigungen erweitert: Jamie Lidell, Fleet Foxes, Guillemots, Soko, Gutter Twins, Kula Shaker, The Blakes und Loney, Dear. Ein bis zwei Überraschungen werden später noch verkündet, die Eintrittskarten dürften in etwa zwei Wochen ausverkauft sein.
Dann war Konzert: zum Abschluss der 25-Jahre-Haldern-Pop-Jubiläums-Tour spielten die Guillemots, White Rabbits, Soko und Loney, Dear im großen Saal des Gasthofs auf einer kleinen Bühne, auf der sonst vermutlich Schützenkapellen und Akkordeon-Orchester auftreten. Es war eine ganz wunderbare Atmosphäre, eben auch typisch Haldern: Indiekids aus ganz NRW standen neben alten Haldernern, tanzten zur Musik der Guillemots und langweilten sich bei den White Rabbits. Dann mussten wir leider weg: der letzte Zug raus aus dem Paradies und Richtung Zivilisation fuhr um 22:50 Uhr vom Bahnhof Haldern ab.