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Gesammelte Platten Februar 2010

Die­ser Ein­trag ist Teil 2 von bis­her 8 in der Serie Gesam­mel­te Plat­ten

Die Idee, eine neue Serie zu star­ten, war ja gut. Der Gedan­ke, dass man aus Grün­den des Grup­pen­zwangs eher ver­sucht sein könn­te, sich an Abga­be­ter­mi­ne zu hal­ten, war auch nicht schlecht. Und dann war’s natür­lich wie­der der (eigent­lich nie) so genann­te Chef, der am Längs­ten gebraucht hat.

Dafür haben wir jetzt eine (wie wir fin­den) ansehn­li­che Lis­te bei­sam­men mit Plat­ten aus dem Monat Febru­ar (oder so – die Ver­öf­fent­li­chungs­ter­mi­ne in Deutsch­land schei­nen immer will­kür­li­cher, absur­der und mehr­fa­cher zu wer­den). Und März kommt dann hof­fent­lich auch recht bald!

The Album Leaf – A Cho­rus Of Sto­rytel­lers
Der Titel des fünf­ten Album von The Album Leaf wun­dert mich über­haupt nicht. Er passt sogar wun­der­bar, denn das neue Werk aus der Feder von Jim­my LaVal­le und sei­nem Team hat mich wirk­lich beein­druckt. Atmo­sphä­ri­scher Post-Rock, der beim Hören Klang­wel­ten auf­baut, die einen hin­weg­tra­gen und zu einem Sound­track des Moments wer­den las­sen, wenn man denn will. „Moment­auf­nah­men“ beschreibt das Werk ziem­lich nah, ohne es zu sehr ein­zu­gren­zen. Kohä­siv sind die Songs und fügen sich in das Bild von Geschich­ten sehr gut. Cle­ver ver­knüpf­te Gei­gen mit pul­sie­ren­den Melo­dien.
Liegt viel­leicht auch dar­an, dass LaVal­le „A Cho­rus Of Sto­rytel­lers“ wie sei­ne Vor­gän­ger auf Island auf­ge­nom­men hat. Pas­sen die Songs doch per­fekt zu Land­schaf­ten, die man mit Island in Ver­bin­dung bringt, in denen Zeit in ande­ren Ein­hei­ten gezählt wird. An man­chen Lie­dern bleibt man hän­gen und Zeit spielt kei­ne Rol­le, bis man wei­ter­ge­tra­gen wird und die Zeit rennt. Tex­te ver­teilt Jim­my LaVal­le auf die­ser Plat­te nicht vie­le, wenn er es den­noch tut, bleibt viel Platz für Mög­lich­kei­ten: „There’s a wind behind ever­yo­ne /​ That takes us through our lives /​ I wish I could have stay­ed /​ But this wind takes me away.“ Viel­leicht ist das Album auch ein wenig die Ent­de­ckung der Lang­sam­keit. (AK)

The Blue Van – Man Up
Kön­nen wir offen spre­chen? Ich bin in letz­ter Zeit ein biss­chen genervt bis ent­täuscht von Gitar­ren­rock­bands. Die Sachen, die mich im letz­ten Jahr wirk­lich gekickt haben, waren meist Hip-Hop oder Elek­tro, ger­ne auch irgend­was mit viel Kla­vier, Glo­cken­spie­len und Xylo­pho­nen. Nicht die bes­te Vor­aus­set­zung also, um sich mit einer skan­di­na­vi­schen Indierock­band zu befas­sen. Und doch hat das drit­te Album von The Blue Van aus Däne­mark eini­ges von dem Schwung der Debüts von Man­do Diao und Franz Fer­di­nand und erin­nert dar­über hin­aus an Bands wie The Hives, Jet und The Alex­an­dria Quar­tet. Also: Defi­ni­tiv nix Neu­es, aber durch­aus druck­voll und unter­halt­sam. (LH, Rezen­si­ons­exem­plar)

Enno Bun­ger – Ein biss­chen mehr Herz
Es braucht in der Regel nicht viel mehr als ein Kla­vier, um mich zu begeis­tern. Enno Bun­ger, der Front­mann von Enno Bun­ger, spielt Kla­vier, also sieht es mit Anlei­hen bei Kea­ne, Cold­play und Stray­light Run schon mal ganz gut aus. Bei den Tex­ten bin ich durch­aus zu Dis­kus­sio­nen bereit, denn deutsch­spra­chi­ges Gesin­ge über Gefüh­le läuft ja schnell Gefahr, schla­ge­resk zu klin­gen. In der Tat sind man­che Tex­te selbst für mich als Virginia-Jetzt!-Gutfinder hart an der Gren­ze, aber wenn man das Trio aus Leer erst mal live gese­hen hat, erschließt sich einem das Werk sehr viel bes­ser. Ich kann ver­ste­hen, wenn man Enno Bun­ger nicht mag, aber ich mag sie. (LH, Rezen­si­ons­exem­plar)

Lightspeed Cham­pi­on – Life Is Sweet! Nice To Meet You.
Nach dem Ende der Test Ici­c­les mach­te Dev Hynes (der, wie ich gera­de erschro­cken fest­stel­le, auch jün­ger ist als ich selbst) plötz­lich Folk­mu­sik und ver­öf­fent­lich­te mit „Fal­ling Off The Laven­der Bridge“ vor zwei Jah­ren ein Album, das nach Wüs­ten­staub klang. Davon ver­ab­schie­det sich das Zweit­werk schon rela­tiv früh und schwankt dann durch die ver­schie­de­nen Spiel­ar­ten von Indiepop. Das Album erin­nert an WHY?, We Are Sci­en­tists und die Shout Out Louds, dann bricht plötz­lich („The Big Guns Of High­s­mith“) ein Män­ner­chor her­vor, wie man ihn seit „Sam’s Town“ von den Kil­lers nicht mehr gehört hat. Das ist manch­mal ein biss­chen zu eklek­tisch (und mit 15 Songs auch etwas zu viel), aber ins­ge­samt immer noch sehr schön. (LH)

Local Nati­ves – Goril­la Man­or
Ver­kürzt könn­te man die­se Plat­te fol­gen­der­ma­ßen beschrei­ben: Ein Biss­chen wie Vam­pi­re Weekend, nur eben ohne fürch­ter­lich zu sein. Dass da Res­t­erklä­rungs­be­darf zurück­bleibt, ist zumin­dest vor­stell­bar. Local Nati­ves kom­men aus Sil­ver Lake (oder Sil­ver­la­ke?), wor­über ich mir ein­mal (mit etwa 700 ande­ren zusam­men) auf einem „Kon­zert“ von Hen­ry Roll­ins per­sön­lich erklä­ren las­sen durf­te, dass das eine ziem­lich üble Ecke in Los Ange­les ist (oder war, der Herr Roll­ins hat da wohl um 1840 mal gewohnt). Der Her­kunfts­ort ist natür­lich völ­lig irrele­vant, aber man soll ja per­sön­li­che oder geo­gra­phi­sche Bezü­ge zu sei­nem Unter­su­chungs­ob­jekt her­stel­len. Jeden­falls war mein ers­ter Gedan­ke beim Hören die­ser Plat­te: „Hui. Klingt wie Vam­pi­re Weekend, nur nicht so fürch­ter­lich.“ Tut es ja aber gar nicht. „Goril­la Man­or“ ist halt eigent­lich ganz schön Indie-Rock, aber eben mit dem Extra-Meter Spaß (Ah, Rezen­si­ons­plat­ti­tü­den!), den man gemein­hin als den „The-Blood-Arm-Effekt“ kennt: Auf den ers­ten Blick sehr direk­ter Schub­la­den­rock, der es aber aus bestimm­ten, unvor­her­seh­ba­ren Grün­den schafft, zu wach­sen und Bedeu­tung zu erlan­gen. Inso­fern sind Refe­ren­zen auch depla­ziert, wer aber trotz­dem wel­che braucht: Ein wenig Grizz­ly Bear (wegen der Chö­re), ein biss­chen Ani­mal Coll­ec­ti­ve (wegen der spo­ra­di­schen Busch­trom­meln) und ein wenig The Natio­nal (wegen der kon­ven­tio­nel­len Mach­art). Gefällt mir sehr gut! Objek­ti­ver wird es nicht. (MS)

Mas­si­ve Attack – Heli­go­land
Kein Mann ist eine Insel. Stimmt. Heli­go­land ist in dem Fall das fünf­te Stu­dio­al­bum des bri­ti­schen Trip-Hop-Duos Mas­si­ve Attack. Nach eini­ger War­te­zeit, in der die Bei­den sich mit Sound­tracks und ande­ren ambi­tio­nier­ten Pro­jek­ten beschäf­tigt haben, war ein kom­plet­tes Album fer­tig, was jedoch wie­der ver­wor­fen wur­de. Für Heli­go­land haben sich die Bei­den den wun­der­ba­ren Tun­de Adeb­im­pe von TV On The Radio, Damon Albarn von Blur, Adri­an Utley von Port­is­head, Guy Gar­vey von Elbow und etli­che ande­re Künst­ler an Bord geholt, die durch­aus char­mant für „Heli­go­land“ kol­la­bo­rier­ten und man kann sagen, es ist eine ein­dring­li­che Plat­te gewor­den. Nicht ganz bequem beim ers­ten Mal hören, aber die Kan­ten, an die man beim Hören aneckt, sind sehr sehr gut kon­zi­piert. Vor allem „Babel“ und „Para­di­se Cir­cuits“ sind für mich High­lights. Düs­ter, wabern­de Beats, ein wenig los­ge­lös­te Melo­dien. Mas­si­ve Attack wie man Sie kennt. Ich bin dann mal auf Heli­go­land. Insel­ur­laub. (AK)

Joan­na News­om – Have One On Me
Was die­se Frau auch immer macht. Da bringt sie zuletzt ein Album auf den Markt, das mit „Ys“ einen doch eher undurch­sich­ti­gen Titel sein Eigen nennt. Wird man dann aller­dings des Covers ange­sich­tig, ver­schlägt es einem fast die Spra­che ob des gan­zen Mit­tel­al­ter-Klim­bims, den man da vor sich hat. Ein Hören der Musik kann einen dann sofort eines Bes­se­ren beleh­ren, wenn man sich nicht schon zu arg dar­auf ein­ge­schos­sen hat, das als Herr-der-Rin­ge-Sound­track abtun zu wol­len. Aber um „Ys“ geht es ja nicht. Es geht dar­um, was sie jetzt schon wie­der gemacht hat, die gute Frau News­om. In Zei­ten der nach­hal­ti­gen Für­to­t­er­klä­rung der hap­ti­schen Kom­po­nen­te von Musik ent­schei­det sie sich dafür, eine Drei­fach-CD /​ LP her­aus­zu­brin­gen. Natür­lich ist da durch­aus eini­ges an Book­let und Art­work dabei, um den tat­säch­li­chen Hard­co­ver-Käu­fer für sei­ne ana­chro­nis­ti­sche Tat zu ent­loh­nen, aber den­noch: Pro­duk­ti­ons­kos­ten und so, Sper­rig­keit etc. pp. Apro­pos: Nicht einer die­ser gan­zen Songs hat kon­ven­tio­nel­le Pop­son­glän­ge (ob das gene­rell gut oder gene­rell schlecht ist, steht in einem ande­ren Pam­phlet, das selbst schon müde gewor­den ist; auch eine her­aus­ra­gen­de Leis­tung für etwas aus Papier, nicht wahr?). Dar­über­hin­aus wur­de hier mit einer der­ar­ti­gen instru­men­ta­len Opu­lenz ans Werk gegan­gen, dass man sich allein im Ope­ner „Easy“ ver­lie­ren kann und bestän­dig Neu­es hört, und das vor allem (jetzt kommt fast der wich­tigs­te Punkt), ohne sich auch nur ein­mal zu fra­gen, war­um man das jetzt irgend­wie gut fin­den soll. Es fehlt also qua­si der Moder­ne-Kunst-Moment, in dem man vor einem Tri­pty­chon von Miró mit dem Titel „Gefäng­nis aus der Sicht eines Insas­sen“ oder so ähn­lich steht und denkt: „Hm, das ist jetzt also die­se Kunst, von der immer alle spre­chen“. Natür­lich ist Miró super, kei­ne Sor­ge, und so schön bunt und so. Aber „Have One On Me“ könn­te tat­säch­lich so in etwa die Ana­lo­gie zu Pie­ter Brueg­hels des Älte­ren „Land­schaft mit dem Sturz des Ika­rus“ sein: Hand­werk­lich her­vor­ra­gend, aber dar­über­hin­aus so alle­go­rien- und bild­reich, dass man sich noch Jahr­hun­der­te lang dar­über den Kopf zer­bre­chen kann. Wenn man das mag. Ansons­ten ist es auch ein­fach so ziem­lich schön! (MS)

Sca­ry Man­si­on – Make Me Cry
Manch­mal ist es gut, dass Album­co­ver in Zei­ten von MP3s eine eher unter­ge­ord­ne­te Rol­le spie­len, denn das zu „Make Me Cry“ hät­te mich dann doch nicht unbe­dingt zum Hören ein­ge­la­den. Da wäre mir doch glatt was ent­gan­gen, denn der Indie­rock die­ser Band aus Brook­lyn gefällt mir aus­ge­spro­chen gut. Mein Musik­gen­re­be­nenn­ro­bo­tor hat grad den Dienst quit­tiert, also ver­su­che ich mich lie­ber an Ver­glei­chen: The Pains Of Being Pure At Heart, Yo La Ten­go, The Sounds … Na ja, so unge­fähr. Jeden­falls: Lieb­rei­zen­der Gesang einer Sän­ge­rin über ver­zerr­te Gitar­ren, die mal Upt­em­po, mal epi­scher sind. Das wird mich im kom­men­den Früh­ling sicher noch län­ger beglei­ten. (LH, Rezen­si­ons­exem­plar)

Seabear – We Built A Fire
Seabear, das sind sie­ben auf einen Streich. Was als Solo­pro­jekt von Sin­dri Már Sig­fús­son aus Island begann, ist jetzt eine sie­ben­köp­fi­ge musi­zie­ren­de Band, die mit ihrem Indie-Folk einen gelun­gen Nach­fol­ger zu ihrem Debut­al­bum „The Ghost That Car­ri­ed Us Away“ ablie­fert. „We Built A Fire“ kann sich auf jeden Fall hören las­sen, egal zu wel­cher Jah­res­zeit. Es ist alles dabei: Hör­ner, Gei­gen, unauf­dring­li­ches Schlag­zeug, tol­le Melo­dien und die­se beson­de­ren islän­di­schen Emo­tio­nen, oder was die sonst noch in ihre Songs rein­mi­schen, dass man ein­fach gebannt vor dem Laut­spre­cher sitzt. Von lei­sen Tönen („Cold Sum­mer“) bis hin zu fre­chen Tönen („Wolf­boy“, „Wod­den Tee­th“) ist auf „We Built A Fire“ alles vor­han­den. Vor allem aber ist nichts vorraus­seh­bar, außer dass Seabear wirk­lich ein gelun­ge­nes Werk geschaf­fen haben, das die leich­ten Melo­dien auch immer mit der dazu­ge­hö­ri­gen Tie­fe ver­bin­det. Was es des­halb so emp­feh­lens­wert macht. (AK)

Shout Out Louds – Work
Ist das Kon­zept die­ser Serie hier eigent­lich, nur Emp­feh­lun­gen aus­zu­spre­chen? Dann hat die neue Shout-Out-Louds-Plat­te hier eigent­lich nicht viel ver­lo­ren, denn sie ist schon eine ziem­li­che Ent­täu­schung. Dass sie etwas ruhi­ger ist als die bei­den Vor­gän­ger, ist an sich ja nichts schlim­mes, aber lei­der bleibt außer der Sin­gle „Fall Hard“ ein­fach nicht viel hän­gen. Nach eini­gen Durch­gän­gen kommt dann zwar ein biss­chen Atmo­sphä­re auf, aber bis dahin hat man eigent­lich schon lie­ber zu „Our Ill Wills“ oder „Howl Howl Gaf Gaff“ gegrif­fen. Scha­de! (LH)

Yea­say­er – Odd Blood
Irgend­wann vor zwei Wochen habe ich eine Sam­mel-Mail bekom­men mit der Fra­ge, ob jemand mit aufs Yea­say­er-Kon­zert im Fried­richs­hai­ner Post­bahn­hof gehen wür­de. Habe dann ganz schnell Yea gesagt. Hät­te ich viel­leicht nicht tun sol­len, denn es war eins der lang­wei­ligs­ten Kon­zer­te, an die ich mich erin­nern kann. Nicht, dass es schlecht gewe­sen wäre, dann hät­te man ja ein­fach gehen kön­nen. Es war im Gegen­teil immer mal wie­der ganz gut, viel­ver­spre­chend, sodass man stän­dig dar­auf gewar­tet hat, dass es end­lich mal rich­tig los geht. Das ist dann lei­der den gan­zen Abend lang nicht pas­siert, was aller­dings selt­sam ist, in Anbe­tracht des­sen, dass es auf die­sem Album eigent­lich die gan­ze Zeit, Ver­zei­hung, so rich­tig los geht. Von die­sem irre­füh­ren­den, genia­len Ope­ner mit der effekt­ver­zier­ten und hun­der­te Okta­ven nach unten gedrück­ten Stim­me über den, Ver­zei­hung noch­mals, Hit „Ambling Alp“ bis zum Schluss ist das durch­weg inter­es­san­te Kost, die durch­aus gewöh­nungs­be­dürf­tig ist, aber doch – auf die gute Art! – Hip­pie­mu­sik mit Tech­no und total über­trie­be­nem Lati­no­kitsch ver­mischt. Eigent­lich über­haupt nicht mein Ding, wäre es aber sicher­lich gewor­den und hät­te „Odd Blood“ zu einem die­ser gebets­müh­len­ar­tig beschwo­re­nen „frü­hen Anwär­ter“ auf mein Album des Jah­res wer­den las­sen. Wäre nicht die­ses Kon­zert so ver­ma­le­deit öde gewe­sen. Scha­de! Anhö­ren lohnt sich wohl aber trotz­dem. (MS)

Mit­ar­beit an die­ser Aus­ga­be:
AK: Anni­ka Krü­ger
LH: Lukas Hein­ser
MS: Mar­kus Steidl

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Listenpanik: Alben 2008

Die Alben­lis­ten sind immer die schlimms­ten. Wäh­rend einem iTu­nes und last.fm bei der Fra­ge nach den Songs des Jah­res schon einen gro­ßen Teil der Arbeit abneh­men, muss man bei den Alben abwä­gen: Wie oft habe ich das Album gehört? Wie lan­ge habe ich das Album gehört und wann zuletzt? Müss­te ich die­ses Album viel­leicht höher anset­zen als jenes, weil es bei einer gewis­sen Objek­ti­vi­tät ein­fach bes­ser oder anspruchs­vol­ler ist (ich es aber gar nicht so ger­ne höre)?

Wenn man dann noch den Feh­ler macht, mal in die alten Jah­res­bes­ten­lis­ten rein­zu­schau­en und fest­stellt, dass man das Album des Jah­res 2007 (Bloc Par­ty) im Jahr 2008 gar nicht mehr gehört hat und auch sonst alles an die­sen Lis­ten falsch wirkt, dann will man es eigent­lich gleich ganz blei­ben las­sen.

Oder man zwingt sich und fängt an:

25. Ben Folds – Way To Nor­mal
Es hät­te schlim­mer kom­men kön­nen: Bloc Par­ty (Album des Jah­res 2005 und 2007) haben es gar nicht in die Bes­ten­lis­te geschafft. Ben Folds hat also irgend­wie noch Glück gehabt – und wirk­lich schlecht ist „Way To Nor­mal“ ja auch nicht gera­ten, nur irgend­wie erschüt­ternd … egal. Wäh­rend die Ben-Folds-Five-Alben bei mir immer noch rauf und run­ter lau­fen, wird die Halb­wert­zeit von Folds‘ Solo­al­ben immer gerin­ger. Dass ande­re Künst­ler mit der Bür­de „Lieb­lings­band“ sehr viel bes­ser klar kom­men, wer­den wir noch sehr viel wei­ter vor­ne sehen. Für Folds springt immer­hin noch ein Platz auf der Lis­te raus.
Anspiel­tipp: Effing­ton

24. Ingrid Micha­el­son – Girls And Boys
Ein ein­zi­ger Song bei „Grey’s Ana­to­my“ hat schon Snow Pat­rol den Weg zur Welt­kar­rie­re geeb­net, war­um soll es Ingrid Micha­el­son da anders gehen? (War­um geht es Hotel Lights da eigent­lich anders?) Die­se ent­spann­te Indiepop-Plat­te ist zwar eigent­lich schon von 2007, kam aber in Deutsch­land genau zum rich­ti­gen Zeit­punkt (grau, kalt, unge­müt­lich) raus und bekam mit der Sin­gle „The Way I Am“ auch noch ordent­lich Air­play. Kei­ne gro­ße Kunst, aber für mit­tel­gro­ße erstaun­lich gut. Und natür­lich sowie­so tau­send Mal bes­ser als Amy Mac­Do­nald.
Anspiel­tipp: Maso­chist

23. kett­car – Sylt
Das glei­che Dilem­ma wie bei Ben Folds: das Album war nicht schlecht, aber frü­he­re Alben waren bes­ser, ich habe es zu sel­ten gehört und es kam irgend­wie nicht im pas­sen­den Moment raus. Davon ab trau­en sich kett­car musi­ka­lisch plötz­lich mehr, wer­den text­lich einer­seits unkon­kre­ter, haben aber ande­rer­seits wie­der eine kla­re Hal­tung.
Anspiel­tipp: Kein Aus­sen Mehr

22. R.E.M. – Acce­le­ra­te
Ich wie­der­ho­le mich da ger­ne, aber irgend­wie wer­den R.E.M. halt nie irgend­was falsch machen (außer viel­leicht, sie spie­len noch ein­mal „Shi­ny Hap­py Peo­p­le“). Ihr Back-to-the-roots-Album rum­pel­te dann auch schön durch den Früh­ling, ehe es ers­te Abnut­zungs­er­schei­nun­gen zeig­te. Jetzt, mit etwas Abstand, ist es aber immer noch gut genug für die­se Lis­te.
Anspiel­tipp: Living Well Is The Best Reven­ge

21. Oasis – Dig Out Your Soul
Wirk­lich schlecht war außer „Stan­ding On The Should­er Of Giants“ noch kein Oasis-Album – dass sie aller­dings mal wie­der ein wirk­lich gutes Album machen wür­den, hät­te ich auch nicht gedacht. Dann war „Dig Out Your Soul“ da, tat­säch­lich gut, und mir war es irgend­wie egal. Die Band und ich, wir sind bei­de älter gewor­den, und mit ihrem neu­en Album ver­hält es sich wie mit dem zufäl­li­gen Tref­fen mit einem alten Schul­freund: das Wie­der­se­hen ist herz­lich, man denkt an alte Zei­ten, trinkt zwei Bier und geht wie­der getrenn­ter Wege. Ein biss­chen „Sgt. Pep­per“, ein biss­chen „Revol­ver“, ein biss­chen wei­ßes Album – und letzt­lich doch total Oasis.
Anspiel­tipp: Fal­ling Down

20. Fet­tes Brot – Strom Und Drang
Mein ers­tes deutsch­spra­chi­ges Hip-Hop-Album, ich sag’s gern immer wie­der. Und es ist laut, heiß, wit­zig, eupho­risch, trau­rig, klug, kurz­um: gut. In den Neun­zi­gern hät­te man mit der Hälf­te der Songs eine Rie­sen­kar­rie­re begrün­den kön­nen, heut­zu­ta­ge wird sowas von Sido, Bushi­do und Schlim­me­rem in den Schat­ten gestellt. Aber das kann mir ja egal sein. Und den Bro­ten hof­fent­lich auch.
Anspiel­tipp: Das Trau­rigs­te Mäd­chen Der Stadt

19. She & Him – Volu­me One
In dem Moment, wo Zooey Descha­nel zu sin­gen beginnt, sind alle Vor­ur­tei­le über sin­gen­de Schau­spie­le­rin­nen ver­ges­sen – und in dem Moment, wo man ihr in die Augen blickt, auch alles ande­re. Gemein­sam mit M. Ward hat sie ein som­mer­lich-leich­tes Album mit Folk- und Six­ties-Anlei­hen auf­ge­nom­men, des­sen Beschwingt­heit manch­mal haar­scharf an dem Punkt vor­bei­schrammt, wo es ner­vig wer­den könn­te. Aber dann kommt ein so tod­trau­ri­ges Lied wie „Chan­ge Is Hard“ und man möch­te Zooey Descha­nel unbe­dingt trös­ten.
Anspiel­tipp: Chan­ge Is Hard

18. Gre­gor Meyle – So Soll Es Sein
Irgend­wo zwi­schen Her­bert Grö­ne­mey­er und Tom­te, Tom Liwa und Clue­so war noch Platz und genau dort pass­te Gre­gor Meyle wun­der­bar rein mit sei­nen klu­gen und pathe­ti­schen Tex­ten und sei­ner ent­spann­ten Musik. Damit bewegt man viel­leicht kei­ne Mas­sen, aber die­je­ni­gen, die zuhö­ren.
Anspiel­tipp: Nie­mand

17. Jakob Dylan – See­ing Things
Bei den Wall­flowers wirk­te er mit­un­ter ver­un­si­chert durch den Sta­tus des One Hit Won­ders, das stän­di­ge Inter­es­se an sei­ner Per­son, die eige­nen Ansprü­che und die der Plat­ten­fir­men. Und dann setz­te sich Jakob Dylan hin und nahm ein Solo­al­bum auf, bei dem er abso­lut sicher und fokus­siert wirkt, und das trotz­dem fein und zer­brech­lich klingt („Pro­du­ced by Rick Rubin“ halt). Dass er einer der bes­ten Tex­ter sei­ner Gene­ra­ti­on ist, hat sich lei­der immer noch nicht rum­ge­spro­chen, aber auf die­sem Album kann man sich davon über­zeu­gen.
Anspiel­tipp: Some­thing Good This Way Comes

16. Slut – StillNo1
Manch­mal kann man echt Pech haben mit sei­nem Ver­öf­fent­li­chungs­da­tum: „StillNo1“ kam im Febru­ar raus, lief ein paar Wochen bei mir rauf und run­ter und ver­schwand dann im Regal (aus der Rei­he: „sprach­li­che Bil­der, die Dank MP3 vom Aus­ster­ben bedroht sind“). Für die­se Lis­te habe ich es noch mal her­vor­ge­kramt und erneut fest­ge­stellt, dass es sich um ein sehr gutes, anspruchs­vol­les Album han­delt. Eini­ges erin­nert an das, was Cold­play Dank ihrer Popu­la­ri­tät ein paar Mona­te spä­ter mit „Viva La Vida“ einem inter­na­tio­na­len Mil­lio­nen­pu­bli­kum unter­ju­beln konn­ten, aber Slut hat­ten die­ses Glück natür­lich nicht.
Anspiel­tipp: If I Had A Heart

15. Cold­play – Viva La Vida
Gera­de noch von ihnen gespro­chen, sind Cold­play auch schon da! So klan­gen seit den Acht­zi­gern kei­ne Num­mer-Eins-Alben mehr: Songs, die inein­an­der über­ge­hen; Moti­ve, die nicht nur auf der CD, son­der auch auf der Nach­fol­ge-EP immer wie­der auf­ge­nom­men wer­den; pom­pö­ses­te Pop-Ari­en mit viel Rhyth­mus und noch mehr Melo­die, und Sin­gle-Hits, auf die kein Schwein tan­zen kann. Cold­play ver­kau­fen (rela­ti­ve, wir wol­len ja auch nicht über­trei­ben) Hoch­kul­tur als Pop und sind damit das Gegen­teil von Paul Potts – aber ähn­lich erfolg­reich.
Anspiel­tipp: 42

14. The Kil­lers – Day & Age
Ich wür­de nie von mir behaup­ten, Bran­don Flowers ver­stan­den zu haben. Aber ich habe dann doch genug Durch­blick um zu bemer­ken, dass er und sei­ne Band zumeist kolos­sal miss­ver­stan­den wer­den. Viel­leicht mei­nen sie das mit den Steel­drums, den Saxo­fo­nen und dem Dis­co­fox ernst – na und, wenn es hin­ter­her doch so viel Spaß macht, es zu hören? „Day & Age“ erschien zeit­gleich mit „Chi­ne­se Demo­cra­cy“ und alles, was bei Guns N‘ Roses knapp jen­seits der Gren­ze des Zumut­ba­ren aus­ge­kom­men ist, funk­tio­niert bei den Kil­lers noch. Bei den ers­ten zwei Durch­läu­fen habe ich die­ses Album gehasst, danach geliebt.
Anspiel­tipp: This Is Your Life

13. Jason Mraz – We Dance. We Sing. We Ste­al Things.
Wenn Sie mich vor acht Jah­ren gefragt hät­ten, wie Pop­mu­sik im Jahr 2008 klingt, hät­te ich eher auf das getippt, was Rob­bie Wil­liams vor ein paar Jah­ren auf „Inten­si­ve Care“ ver­sucht hat. Ich hät­te eher nicht damit gerech­net, dass man mit Akus­tik­gi­tar­ren und Tie­fen­ent­span­nung in die Charts kommt, aber dann kam Jason Mraz und zeig­te mir ein­mal mehr, dass ich von der Zukunft kei­ne Ahnung habe. Man will das ja nicht immer wie­der schrei­ben, aber: so wie die­ses Album (von dem es aktu­ell eine Spe­cial Edi­ti­on mit in Deutsch­land bis­her unver­öf­fent­lich­ten Songs und einer Live-DVD gibt), so klingt der Som­mer.
Anspiel­tipp: Details In The Fabric

12. Tra­vis – Ode To J. Smith
Irgend­wie ist das ja gemein: Wäh­rend ich an Ben Folds immer fast über­ir­di­sche Ansprü­che stel­le, dür­fen Tra­vis machen, was sie wol­len, und ich fin­de es eigent­lich immer gut. Aber „Ode To J. Smith“ ist ein­fach ein gutes Album. Hat­ten Tra­vis auf „The Boy With No Name“ schon alle Pha­sen ihrer bis­he­ri­gen Kar­rie­re ver­eint, tun sie es auf „Ode To J. Smith“ erneut, aber mit einem Schwer­punkt auf der lau­te­ren Sei­te. Ja, Tra­vis kön­nen rocken (sie tun es außer auf „The Invi­si­ble Band“ eigent­lich auf jedem Album), und das bezwei­felt hof­fent­lich auch nie­mand mehr. Dass Fran Hea­ly im Aus­se­hen immer mehr an Micha­el Sti­pe von R.E.M. erin­nert, kann kein Zufall sein, denn die dür­fen ja auch machen, was sie wol­len.
Anspiel­tipp: Song To Self

11. Death Cab For Cutie – Nar­row Stairs
Bestimmt gibt es Schlim­me­res, als „die Band aus ‚O.C., Cali­for­nia‘ “ zu sein – und die­ser klei­ne Hype von vor drei, vier Jah­ren kann auch nicht dafür ver­ant­wort­lich sein, dass Death Cab (wie wir alle seit Seth Cohen sagen) immer noch so popu­lär sind. Es ist natür­lich auch die Musik. Und da zeigt sich ein­mal mehr der Trend des letz­ten Jah­res: eta­blier­te Bands, deren letz­te Alben viel­leicht ein biss­chen zu gefäl­lig aus­ge­fal­len waren, dre­hen ein biss­chen an der Anspruchs­schrau­be und es funk­tio­niert immer noch. Okay, die Acht­ein­halb-Minu­ten-Sin­gle „I Will Pos­sess Your Heart“ wur­de fürs Radio gekürzt und beschleu­nigt, aber in dem Fall zählt schon die Idee. Dass gute Tex­te viel zu sel­ten gewür­digt wer­den, ist gene­rell scha­de, im Fal­le von Ben Gib­bard ist es aller­dings fast ein Skan­dal.
Anspiel­tipp: Cath…

10. Lightspeed Cham­pi­on – Fal­ling Off The Laven­der Bridge
Nach­dem sich die Test Ici­c­les, eine der außer­ge­wöhn­li­che­ren Bands unse­rer Zeit, zer­legt hat­ten, fuhr Devon­te Hynes nach Oma­ha, NE, um dort mit der Sadd­le-Creek-Pos­se eine Art Coun­try-Album auf­zu­neh­men, des­sen Songs man sogar im For­mat­ra­dio spie­len könn­te. Lässt man die­se musik­his­to­ri­schen Anek­do­ten außen vor, ist „Fal­ling Off The Laven­der Bridge“ ein­fach eine gute, run­de Plat­te.
Anspiel­tipp: Tell Me What It’s Worth

9. Hotel Lights – Fire­cra­cker Peo­p­le
Eines von zwei Alben in die­ser Lis­te (und in den Top 10), das in Deutsch­land gar nicht „regu­lär“ erschie­nen ist. Aber wen inter­es­siert sowas? „Fire­cra­cker Peo­p­le“ ist ein herbst­li­ches Album mit vie­len Folk-Anlei­hen, das eine gewis­se schwe­re Melan­cho­lie aus­strömt und doch immer wie­der feder­leicht klingt (und auch mal rockt). Dar­ren Jes­see und sei­ne Mit­mu­si­ker hät­ten mehr Auf­merk­sam­keit ver­dient – hier, in ihrer ame­ri­ka­ni­schen Hei­mat und in jedem Land der Erde. Und sagen Sie nicht, die Import-CD sei Ihnen zu teu­er: das Album gibt es für 9,99 Euro im iTu­nes Music Store.
Anspiel­tipp: Blue Always Finds Me

8. Bon Iver – For Emma, Fore­ver Ago
Das gab’s auch noch nie: Nach­dem Bob Boi­len von „All Songs Con­side­red“ über Wochen und Mona­te von Bon Iver (das spricht sich unge­fähr „Boney Wer?“) geschwärmt hat­te und die Kol­le­gin Anni­ka dann auch noch damit anfing, habe ich mich nach Sil­ves­ter erst­ma­lig mit dem Mann, der eigent­lich Jus­tin Ver­non heißt, beschäf­tigt. Nun ist es natür­lich etwas ris­kant, ein Album, das man erst weni­ge Tage kennt, direkt so weit vor­ne in die Lis­te zu ste­cken, aber ande­rer­seits gab es in ganz 2008 kaum ein Album, das ich so oft hin­ter­ein­an­der hät­te hören kön­nen. Die Songs, die Ver­non in einer abge­le­ge­nen Holz­hüt­te geschrie­ben hat, sind mit „ent­rückt“ mög­li­cher­wei­se am Bes­ten zu beschrei­ben. Man muss sich auf die Stim­me und die spär­li­che, teils sphä­ri­sche Musik ein­las­sen, und wenn einem Bei­des nicht gefällt, kann ich das sogar ein wenig ver­ste­hen. Aber ich bin sicher: Sie ver­pas­sen was, so wie es mir fast pas­siert wäre.
Anspiel­tipp: Re: Stacks

7. Niz­lo­pi – Make It Hap­pen
Es kommt ja inzwi­schen lei­der eher sel­ten vor, dass mich ein Kon­zert rund­her­um flasht, aber im Dezem­ber in Köln war es mal wie­der soweit: Wie die­se zwei Män­ner da mit Gitar­re, Kon­tra­bass und ihren Stim­men einen Sound auf die Büh­ne brach­ten, der sat­ter war als so man­che Band und gleich­zei­tig völ­lig orga­nisch, das hat mich nach­hal­tig beein­druckt. Fand ich „Make It Hap­pen“ vor­her schon ziem­lich gut, höre ich es seit­dem noch mal mit ganz ande­ren Ohren. Ein anrüh­ren­des, klu­ges und bewe­gen­des Album, das nur dar­auf hof­fen lässt, dass die Bei­den nach ihrer Aus­zeit wei­ter­ma­chen.
Anspiel­tipp: Drop Your Guard

6. Goldf­rapp – Seventh Tree
Goldf­rapp waren eine Band, die ich bis­her immer eher so am Rand wahr­ge­nom­men hat­te. Das hat sich mit „Seventh Tree“ (und mei­nem Song des Jah­res „A&E“) deut­lich geän­dert. Ein Früh­lings­tag, kom­pri­miert auf 41:35 Minu­ten, ein vor­sich­ti­ges Neben­ein­an­der von Akus­tik­gi­tar­ren und Elek­tro­nik-Spie­le­rei­en, und über allem schwebt die Stim­me von Ali­son Goldf­rapp. Für die Sta­tis­tik­freun­de: dass die bes­te bri­ti­sche Plat­te auf Platz 6 lan­det, hat es bei mir auch noch nie gege­ben (2 ers­te Plät­ze und ein zwei­ter seit 2005).
Anspiel­tipp: Road To Some­whe­re

5. Tom­te – Heu­re­ka
„Hin­ter All Die­sen Fens­tern“ und „Buch­sta­ben Über Der Stadt“ waren bei mir jeweils das Album des Jah­res (2003 und 2006), dafür hat es dies­mal nicht ganz gereicht. Das liegt aber nicht am Album, son­dern an mir: es kam ein­fach irgend­wie nicht ganz im rich­ti­gen Moment raus. Thees Uhl­mann hält es für das bes­te Tom­te-Album über­haupt, und zumin­dest musi­ka­lisch könn­te er da durch­aus recht haben. Bei eini­gen Songs brauch­te ich ein biss­chen Zeit, um mit ihnen warm zu wer­den, ande­re habe ich auf Anhieb geliebt. Tom­te kann man nur has­sen oder lie­ben, aber wer ihnen auf­merk­sam zuhört, der wird sich geliebt füh­len.
Anspiel­tipp: Küss Mich Wach Glo­ria

4. Sigur Rós – Með Suð Í Eyrum Við Spilum End­al­aust
Seit vier Alben ver­fol­ge ich jetzt die Kar­rie­re von Sigur Rós und jedes Mal habe ich gedacht: „Ja, das ist sehr gut, aber irgend­wie ist es mir zu künst­le­risch, zu weit weg, zu wenig all­tags­taug­lich.“ Die Islän­der sind immer noch weit vom Pop ent­fernt, aber auf ihrem fünf­ten Album machen sie Musik, die man auch ohne Räu­cher­stäb­chen und Duft­ker­zen hören kann. Als hät­ten die Elfen und Kobol­de „Sgt. Pep­per“ gehört.
Anspiel­tipp: Við Spilum End­al­aust

3. Sir Simon – Batt­le
Simon Front­zek ist der ein­zi­ge Mensch, der zwei Mal in die­ser Lis­te auf­taucht – und bei­de Male in den Top 5. Zum einen ist er der neue Key­boar­der bei Tom­te, zum ande­ren Sän­ger, Gitar­rist und Song­schrei­ber bei Sir Simon (Batt­le), deren Debüt­al­bum so groß­ar­tig ist, dass es einen Trepp­chen­platz ver­dient hat. Klei­ne unauf­ge­reg­te Pop-Per­len zwi­schen Wil­co, Mari­ti­me und den Wea­k­erthans. Ver­träumt und ein­fach schön.
Anspiel­tipp: The Last Year

2. The Hold Ste­ady – Stay Posi­ti­ve
Auch wenn die ganz gro­ße ver­spä­te­te Band-Neu­ent­de­ckung des Jah­res für mich Hem waren (die aber 2008 kein Album ver­öf­fent­licht haben): The Hold Ste­ady sind sicher im engs­ten Kreis. Die Kom­bi­na­ti­on von roher Ener­gie und Pop-Appeal, von jugend­li­chem Über­schwung und erwach­se­ner Resi­gna­ti­on, von Musik und Text machen „Stay Posi­ti­ve“ zu einem wahr­haft außer­ge­wöhn­li­chen Album. Und dazu die­se gan­zen Pop­kul­tur-Ver­wei­se!
Anspiel­tipp: Maga­zi­nes

1. Fleet Foxes – Fleet Foxes
Car­rie Brown­stein mein­te im Jah­res­rück­blick von „All Songs Con­side­red“, das Jahr 2008 sei ziem­lich „emo“ (die Ame­ri­ka­ner mei­nen damit etwas ande­res als wir) und „bear­dy“ gewe­sen. Das trifft natür­lich bei­des auf Fleet Foxes zu, aber die Band macht viel zu gute Musik, um sich län­ger mit der Gesichts­be­haa­rung ihrer Mit­glie­der auf­zu­hal­ten. Dass es sich die Män­ner aus Seat­tle, WA erlau­ben konn­ten, Per­len wie „Sun Giant“ oder „Myko­nos“ gar nicht erst aufs Album zu packen (son­dern auf der „Sun Giant“-EP zu ver­öf­fent­li­chen), deu­tet an, dass ihnen die Songs nur so zuflie­gen. Und tat­säch­lich: das zwei­te Album der Fleet Foxes soll bereits in die­sem Jahr erschei­nen. Aus­nahms­wei­se habe ich mal gar kei­ne Befürch­tun­gen, dass es schwä­cher wer­den könn­te als das Debüt.
Anspiel­tipp: Quiet Hou­ses

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Musik

Listenpanik 03/​08

Das hat ja lan­ge genug gedau­ert: Bevor es Mai wird und ich zwei Lis­ten in Rück­stand gera­te, habe ich ein­fach ein biss­chen gewür­felt, was im März in den Top-Five-Lis­ten lan­den soll. Die Ergeb­nis­se sind wie immer streng sub­jek­tiv und wer­den schon mor­gen wie­der bereut. Trotz­dem viel Spaß damit!

Alben
1. Lightspeed Cham­pi­on – Fal­ling Off The Laven­der Bridge
Auf der Lis­te der unwahr­schein­lichs­ten Acts recht weit vor­ne: ein Bri­te, der frü­her bei den Test Ici­c­les, einer der außer­ge­wöhn­lichs­ten Bands die­ses Jahr­zehnts, gespielt hat, nimmt mit Indie-Folk-Erfolg­pro­du­zent Mike Mogis (Bright Eyes, Cur­si­ve, Riol Kiley, …) eine Indie-Rock-Folk-Coun­try-Alter­na­ti­ve-Plat­te auf. Noch dazu eine ganz wun­der­ba­re, die nach ame­ri­ka­ni­scher Prä­rie und ver­las­se­nen Klein­städ­ten klingt. Das kann man sich alles kaum vor­stel­len, das muss man sich anhö­ren.

2. R.E.M. – Acce­le­ra­te
Ja ja, R.E.M. gehen zurück zu ihren Wur­zeln, erfin­den sich neu, rha­bar­ber­rha­bar­ber. R.E.M. klin­gen natür­lich immer nach R.E.M., egal, wie lang die Songs und wie hoch die BPM-Zahl ist – dafür sorgt schon Micha­el Sti­pe, der sich auch dies­mal wie­der viel Mühe gibt, den ohne­hin kryp­ti­schen Tex­ten durch geziel­te Ver­nu­sche­lung noch eine wei­te­re Bedeu­tungs­ebe­ne zu geben. Bei R.E.M. bin ich so unkri­tisch und so sehr Fan wie bei kaum einer ande­ren Band (neben Oasis, Tra­vis und Manics), von daher fin­de ich „Acce­le­ra­te“ eh toll. Natür­lich wie­der­holt man sich nach 28 Jah­ren Band­ge­schich­te das eine oder ande­re Mal in Gitar­ren­läu­fen und Melo­die­bö­gen, aber auch in „wie­der rockig“ sind R.E.M. gut und mög­li­cher­wei­se sogar immer noch rele­vant.

3. Fet­tes Brot – Strom Und Drang
Mein ers­tes ech­tes deutsch­spra­chi­ges Hip-Hop-Album (Fan­ta 4 unplug­ged zählt ja nicht so rich­tig). Es ist laut, es ist heiß, es ist Sams­tag­nacht. „Strom Und Drang“ ist ein klu­ges, gewitz­tes Album mit gro­ßen Hym­nen und klei­nen Mör­der­bal­la­den. Wenn Beden­ken­trä­ger beim Wort Hip-Hop mal an Fet­tes Brot statt an Bushi­do den­ken wür­den, wäre schon viel gewon­nen.

4. Gre­gor Meyle – So Soll Es Sein
Man muss Ste­fan Raab dank­bar sein, dass er sei­ne klei­ne, fei­ne Cas­ting­show „SSDSDSSWEMUGABRTLAD“ gestar­tet hat. Die Musik von Gre­gor Meyle, der dort den zwei­ten Platz beleg­te, muss­te an die Öffent­lich­keit, hät­te das aber (und das zeigt, wie belie­big das Musik­ge­schäft mit­un­ter ist) aus eige­ner Kraft viel­leicht nie geschafft. Musi­ka­lisch liegt „So Soll Es Sein“ ganz nah bei Howie Day, Cary Brot­hers oder John May­er und auch text­lich ste­hen die sehr per­sön­li­chen Songs ihren US-Vor­bil­dern in nichts nach – auf deutsch klingt es halt nur schnell mal schla­ge­resk. Trotz­dem ist „So Soll Es Sein“ ein sehr schö­nes Album, mit dem Gre­gor Meyle die Lücke beset­zen dürf­te, die im Spek­trum deutsch­spra­chi­ger Musik zwi­schen Tom Liwa und Her­bert Grö­ne­mey­er klafft.

5. Get Cape. Wear Cape. Fly – Sear­ching For The Hows And Whys
Gut ein Jahr, nach­dem das groß­ar­ti­ge Debüt in Deutsch­land erschien, kommt schon der Nach­fol­ger. Sam Duck­worth ist nicht mehr ganz so allei­ne mit sei­ner Akus­tik­gi­tar­re und sei­nem Drum­com­pu­ter, die Arran­ge­ments klin­gen mit Band sat­ter und pop­pi­ger, ansons­ten bleibt alles beim Alten: wun­der­schö­ne Songs mit klu­gen Tex­ten, gro­ße Ges­ten und klei­ne Über­ra­schun­gen. Ob „Sear­ching For The Hows And Whys“ mit „The Chro­nic­les Of A Bohe­mi­an Teen­ager“ mit­hal­ten kann, wird erst der Lang­zeit­ein­satz im MP3-Play­er zei­gen. Im Moment deu­tet aber vie­les dar­auf hin.

Songs
1. The Ting Tings – Gre­at DJ
Ein Mann, eine Frau, eine Gitar­re, ein Schlag­zeug. Nicht ori­gi­nell, sagen Sie? Na ja, ers­tens ist die Auf­tei­lung bei den Ting Tings genau anders­rum als bei den White Stripes, zwei­tens kom­men die Bei­den aus Eng­land und drit­tens hei­ßen die musi­ka­li­schen Ein­flüs­se bei ihnen Dis­co, Post­punk und was­wei­ßich­noch. „Gre­at DJ“ ist ein sym­pa­thi­scher Ham­mer von Tanz­bo­den­fül­ler und steht auf der vor­läu­fi­gen Lis­te mei­ner Hits des Jah­res sehr weit oben.

2. Fet­tes Brot – Lie­ber Ver­bren­nen Als Erfrie­ren
Will man von Mitt­drei­ßi­gern wirk­lich hören, wie es ist, jung und frei zu sein? Wenn es Fet­tes Brot sind und so klingt: Auf jeden, Alter! Die Rave-Hip-Hop-Vari­an­te von „Live Fore­ver“ ist eine über­le­bens­gro­ße Hym­ne, für deren stan­des­ge­mä­ße Wie­der­ga­be man sogar kurz über den Erwerb eines Cabri­os mit Rie­sen-Sound­sys­tem nach­den­ken soll­te.

3. Lüt­zen­kir­chen – 3 Tage Wach
Darf man einen Track, der bei „Poly­lux“ gespielt wird, über­haupt noch gut fin­den? Ist es dann nicht defi­ni­tiv zu spät? „3 Tage Wach“ könn­te das „D.A.N.C.E.“ des Jah­res 2008 wer­den, der Kon­sens-Elek­tro-Par­ty-Schla­ger. Die Pha­se, in der man den Song nicht mehr „doof“ und noch nicht „lang­wei­lig“ fin­det, könn­te kurz sein, aber, hey: druff, druff, druff, druff, druff!

4. Gre­gor Meyle – Irgend­wann
Die Qua­li­tä­ten des Albums „So Soll Es Sein“ hat­te ich ja wei­ter oben schon zusam­men­ge­fasst. Kon­zen­triert kann man das alles in „Irgend­wann“ hören, einem Lied, das ich mir als gro­ßen Hit für einen hof­fent­lich schö­nen Som­mer wün­sche.

5. The Last Shadow Pup­pets – The Age Of The Under­state­ment
Alex Tur­ner (Arc­tic Mon­keys) und Miles Kane (The Ras­cals) woll­ten mal unab­hän­gig von ihren Haupt­bands musi­zie­ren und grün­de­ten The Last Shadow Pup­pets. „The Age of The Under­state­ment“ ist eine wahn­wit­zi­ge Kom­bi­na­ti­on aus Spa­ghet­ti-Wes­tern-Musik und Schwarz­meer-Kosa­ken-Chö­ren. Oft kann man sich sowas auch nicht anhö­ren, aber schön isses schon.

[Lis­ten­pa­nik – Die Serie]