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Jahr doch!

Gute Wit­ze, bis­si­ge Kom­men­ta­re, eine humor­vol­le Rück­schau auf das Jahr 2007 – all das wer­den Sie wohl kaum krie­gen, wenn Sie sich mor­gen Abend die „Schei­ben­wi­scher-Gala“ in der ARD anse­hen.

Gehen Sie lie­ber in die ZDF-Media­thek und sehen Sie sich dort „Nuhr 2007“ an, den ges­tern aus­ge­strahl­ten Jah­res­rück­blick mit Die­ter Nuhr. Nuhr zeigt hier ein­mal mehr, dass er einer der bes­ten … äh … *Hand­schu­he anzieh* … *Anfüh­rungs­zei­chen raus­kram* … „poli­ti­schen Kaba­ret­tis­ten“ Deutsch­lands ist, wenn man ihn denn nur lässt. Außer­dem ist er natür­lich sowie­so der bes­te, weil ein­zig gute „Come­di­an“ der Repu­blik, weil sei­ne All­tags­be­ob­ach­tun­gen wirk­lich komisch sind, er nicht tau­send­fach Durch­ge­kau­tes wie­der auf­wärmt und er nicht mit Kli­schees um sich wirft. Kurz­um: Die­ter Nuhr ist der Gegen­ent­wurf zu Mario Barth und trotz­dem rela­tiv erfolg­reich.

Wenn Sie sich vor­ge­nom­men haben, nur einen Jah­res­rück­blick zu schau­en, neh­men Sie „Nuhr 2007“.

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„Ich habe gelacht, als meine Regierung verspottet wurde“

Es gibt sicher vie­le Grün­de, poli­ti­sches Kaba­rett doof zu fin­den (und weil man bei sol­chen Sät­zen wenigs­tens einen Grund nen­nen soll­te, sag ich mal: „Schei­ben­wi­scher“). Es gibt aber auch poli­ti­sches Kaba­rett, dem ich mich frei­wil­lig aus­set­ze. Heu­te Abend habe ich mir z.B. zum vier­ten Mal Vol­ker Pis­pers ange­se­hen – zum drit­ten Mal mit sei­nem Best-Of-Pro­gramm „Bis neu­lich“, mit dem er seit fünf Jah­ren tourt. Und obwohl ich knapp die Hälf­te des Pro­gramms hät­te mit­spre­chen kön­nen, habe ich mich herr­lich amü­siert. Das ver­zwei­fel­te Mit­schrei­ben und Rezi­tie­ren der böses­ten Sprü­che und bes­ten Poin­ten über­las­se ich eben­so den Repor­tern der Lokal­zei­tun­gen wie die For­mu­lie­run­gen „bit­ter­bö­se“, „schwar­zer Humor“ und „Lachen im Hal­se ste­cken­blei­ben“.

Direkt zu Beginn des Abends, der inklu­si­ve einer halb­stün­di­gen Pau­se übri­gens fast vier Stun­den dau­er­te, bezeich­ne­te Pis­pers das Kaba­rett als moder­nen Ablass­han­del, der es den Zuschau­er ermög­li­che, bequem gegen das Sys­tem zu sein, in dem er lebt. Und so durf­te das über­ra­schend hete­ro­ge­ne Publi­kum (ich möch­te trotz­dem wet­ten: 25% Leh­rer) über Ange­la Mer­kel, Geor­ge W. Bush, Wolf­gang Schäub­le, Franz Mün­te­fe­ring und wie­sie­al­le­hei­ßen lachen, obwohl das, was die­se Poli­ti­ker so anrich­ten, sel­ten zum Lachen ist. Ent­spre­chend hoch war der Anteil der „Hohoho„s, also der Lacher, die man sich als poli­tisch kor­rek­ter Mensch ja eigent­lich gar nicht erlau­ben dürf­te.

An Vol­ker Pis­pers gefällt mir beson­ders gut, dass er sich nicht mit kin­di­schen Par­odien, Kos­tü­mie­run­gen oder Auf­füh­run­gen auf­hält (s. „Schei­ben­wi­scher“), son­dern den Zuschau­ern haupt­säch­lich Fak­ten um die Ohren haut. Natür­lich sorgt er dafür, dass dabei Poin­ten ent­ste­hen, aber das, was er da auf der Büh­ne erzählt, lässt sich auch in den seriö­ses­ten Zei­tun­gen nach­le­sen – nach Pis­pers Aus­sa­gen sei­ne ein­zi­gen Quel­len. Wie er Auf­klä­rung und Unter­hal­tung gleich­zei­tig lie­fert, das ist fast schon ein biss­chen mit der „Dai­ly Show“ ver­gleich­bar.

Die Idee, dass Kaba­rett die Welt ver­än­dern könn­te, wäre gänz­lich absurd. Das Publi­kum hat gutes Geld bezahlt, sich köst­lich unter­hal­ten gefühlt, mal laut­hals über die eige­ne und ander­erleuts Regie­rung gelacht und sich am Ende viel­leicht sogar ein paar Fak­ten und For­mu­lie­run­gen gemerkt. Aber wird man Nach­barn, Freun­de oder die obli­ga­to­ri­schen Stamm­tisch­brü­der zurecht­wei­sen, wenn die­se die Poli­tik eines Wolf­gang Schäub­le (ach, ein Zitat muss ich jetzt doch mal brin­gen: „Atten­tats­op­fer und Roll­stuhl­tä­ter“) gut­hei­ßen? Wird auch nur einer, nach­dem er sich einen Abend lang über Poli­ti­ker schlapp­ge­lacht hat, selbst in die Poli­tik gehen und etwas ändern wol­len?

Aber dar­um geht es ja gar nicht: Mis­sio­nie­rung ist sicher nicht Ziel des Kaba­retts, denn die, die hin­ge­hen, wis­sen ja eh zumeist, wie der Hase läuft, und die, die man wach­rüt­teln müss­te, die inter­es­siert das alles kein biss­chen. Trotz­dem reden die Leh­rer hin­ter­her bei einem Glas Rot­wein (und: ja, ich wünsch­te, das wäre ein­fach nur so ein halt­lo­ses Kli­schee, aber es ist natür­lich schmerz­haft wahr) über das, was sie da gehört haben. Sie sind für einen Abend mal pas­siv enga­giert gewe­sen und erzäh­len sich selbst noch ein­mal, dass bei­spiels­wei­se die Chan­ce, in Deutsch­land an Ärz­te­pfusch zu ster­ben, unend­lich höher ist als die, hier Opfer eines ter­ro­ris­ti­schen Anschlags zu wer­den. Das ist doch schon mal ein Anfang.

Und wo ich gera­de dabei bin: Das Fan­tas­ti­val, in des­sen Rah­men ich die­sen Kaba­rett­abend besu­chen durf­te, läuft noch zwei Wochen in Dins­la­ken. Kar­ten für das Kon­zert der Kili­ans kann man noch bis Mitt­woch bei uns gewin­nen.

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Programmdirektor spielen (Nachtrag)

Ich bin gro­ßer Fan der „Dai­ly Show“ mit Jon Ste­wart. Der Start von Come­dy Cen­tral Deutsch­land hat sich allein des­halb schon gelohnt, weil man die jeweils aktu­ells­te Fol­ge der groß­ar­ti­gen ame­ri­ka­ni­schen Sati­re­sen­dung dort online schau­en kann. In den ver­gan­ge­nen Wochen habe ich mich des öfte­ren gefragt, ob ein sol­ches For­mat wohl auch in Deutsch­land funk­tio­nie­ren wür­de. Nach­dem der Name Jon Ste­wart kürz­lich auch in unse­ren Kom­men­ta­ren und damit in räum­li­cher Nähe zum Namen Ste­fan Raab auf­tauch­te, habe ich den Gedan­ken mal zu Ende gedacht:

„Lus­ti­ge Nach­rich­ten­sen­dun­gen“ haben in Deutsch­land eine lan­ge Tra­di­ti­on: Begon­nen hat es (wie immer) mit Rudi Car­rell und sei­ner „Tages­show“, es gab die „Wochen­show“ auf Sat 1 und zuletzt die „Frei­tag Nacht News“ bei RTL. Die­se Rei­hen­fol­ge ist nicht nur die chro­no­lo­gisch kor­rek­te, son­dern auch eine nach Qua­li­tät abstei­gen­de. Im Gegen­satz zur „Dai­ly Show“, die die Poli­tik in den USA auch (oder vor allem) inhalt­lich aus­ein­an­der nimmt, han­del­ten Wit­ze in den „Frei­tag Nacht News“ haupt­säch­lich von Ange­la Mer­kels Fri­sur. Das deut­sche Äqui­va­lent der „Dai­ly Show“ müss­te also mit­tig zwi­schen Come­dy und poli­ti­schem Kaba­rett plat­ziert wer­den – und zwar, ohne auch nur auf einen Ver­tre­ter der bei­den Gen­res zurück­zu­grei­fen.

Als Mode­ra­tor kann ich mir von den bekann­te­ren Ver­tre­tern ihrer Zunft des­halb eigent­lich nur Die­ter Moor vor­stel­len. Der hat in der Ver­gan­gen­heit mit den bril­lan­ten Sen­dun­gen „Cana­le Gran­de“ (Vox) und „Ex! Was die Nati­on erreg­te“ (SWR/​ARD) bewie­sen, dass er ein sehr fei­nes Gespür für Iro­nie hat und intel­li­gen­te Inter­views füh­ren kann. Ihm wür­de man (nicht zuletzt wegen einer gewis­sen opti­schen Ähn­lich­keit mit Jon Ste­wart) den Anchor­man einer Nach­rich­ten­sen­dung abneh­men. Alter­na­tiv könn­te man es auch mit einem jun­gen, unver­brauch­ten Gesicht ver­su­chen.

Es stellt sich natür­lich die Fra­ge, ob in Deutsch­land über­haupt genug pas­siert, um eine täg­li­che Sati­re­sen­dung an vier Wochen­ta­gen mit Inhal­ten zu ver­sor­gen. In den USA gibt es eini­ge Dut­zend Nach­rich­ten­sen­der, fünf­zig Bun­des­staa­ten, hun­dert Sena­to­ren, 435 Abge­ord­ne­te im Reprä­sen­tan­ten­haus und eine Regie­rung, deren Mit­glie­der bei so ziem­lich jedem öffent­li­chen Auf­tritt so viel sagt (oder nicht sagt), dass man damit meh­re­re „Dai­ly Shows“ fül­len könn­te. Für wöchent­li­che Sati­re­sen­dun­gen wie die WDR-2-„Zuga­be“, den „Wochen­rück­blick“ von Peter Zudeick oder – mit Abstri­chen – „Extra 3“ reicht aber auch das in Deutsch­land ver­zapf­te Mate­ri­al aus, Sati­re­sei­ten im Inter­net wie die „Schand­männ­chen“ oder die der „Tita­nic“ haben sogar täg­lich Mate­ri­al. Die weni­gen guten poli­ti­schen Kaba­ret­tis­ten (also Vol­ker Pis­pers und die, die bei „Neu­es aus der Anstalt“ und den „Mit­ter­nachts­spit­zen“ auf­tre­ten) schaf­fen es auch, noch in jeder Sup­pe, die der Poli­tik dem Volk ain­ge­brockt hat, diver­se Haa­re zu fin­den. Mit­hil­fe eini­ger guter Autoren (also nicht die, die dem­nächst bei „Harald Schmidt“ frei­ge­setzt wer­den) soll­te es mög­lich sein, eine wenigs­tens wöchent­li­che Sen­dung zusam­men­zu­stel­len, die gleich­zei­tig über Hin­ter­grün­de infor­miert und die Aus­sa­gen von Poli­ti­kern und sons­ti­gen „hohen Tie­ren“ aus­ein­an­der­nimmt. Außer­dem haben wir Poli­ti­ker wie Wolf­gang Bos­bach und Gui­do Wes­ter­wel­le (gibt’s den eigent­lich noch?), die mit nahe­zu jeder Äuße­rung um sati­ri­sche Wür­di­gung fle­hen. Und dann gibt es ja auch noch Wolf­gang Schäub­le

Auch wenn das Inter­es­se an „intel­li­gen­ter Unter­hal­tung“ immer wie­der bezwei­felt wird, ich den­ke, die Ziel­grup­pe wäre nicht ein­mal gering: Es gibt genug Leu­te, die die „Tita­nic“ lesen; genug, die sich für Sati­re inter­es­sie­ren, aber Berüh­rungs­ängs­te vor dem Leh­rer-in-Leder­wes­ten-Kaba­rett beim „Schei­ben­wi­scher“ haben. In den USA ist die „Dai­ly Show“ für vie­le (gera­de jün­ge­re) Zuschau­er inzwi­schen ein Haupt­lie­fe­rant für Nach­rich­ten gewor­den – obwohl die Macher immer wie­der beto­nen, Unter­hal­tung und kei­ne ernst­haf­ten Nach­rich­ten zu pro­du­zie­ren. Dass eine Unter­su­chung der India­na Uni­ver­si­ty den­noch zu dem Ergeb­nis kam, dass der Nach­rich­ten­ge­halt in der „Dai­ly Show“ im gro­ßen und gan­zen mit dem in „rich­ti­gen“ Nach­rich­ten­sen­dun­gen ver­gleich­bar ist, spricht eine deut­li­che Spra­che im Bezug auf die Main­stream-Nach­rich­ten, denen vie­le US-Bür­ger aus­ge­setzt sind. Dazu pas­sen aber die Ein­schalt­quo­ten im deut­schen Fern­se­hen, bei denen „RTL Aktu­ell“ immer öfter vor der „Tages­schau“ liegt.

Bleibt natür­lich die Fra­ge, wel­cher Sen­der so eine Sen­dung aus­strah­len wür­de. Wer hät­te die Eier, nicht nach drei Wochen mit nicht ganz so guten Quo­ten (denn viel­leicht irre ich mich und die rund 5.000 User, die sich die „Dai­ly Show“ online angu­cken, haben gar kei­nen Bock mehr auf das Uralt-Medi­um Fern­se­hen oder inter­es­sie­ren sich gar nicht für deut­sche Poli­tik) die gan­ze Show gleich wie­der zu kip­pen? Wer könn­te die vie­len Redak­teu­re und Autoren, die eine sol­che Sen­dung selbst mit dem bes­ten Mode­ra­tor nun mal bräuch­te, bezah­len? Hält man sich die (sicher­lich preis­güns­ti­ge­ren) Test­bal­lons vor Augen, die der WDR im ver­gan­ge­nen Som­mer in sei­nem Spät­abend­pro­gramm los­ge­las­sen hat, scheint zumin­dest etwas Expe­ri­men­tier­freu­de und Geld vor­han­den zu sein. Viel­leicht wagt es sogar ein Pri­vat­sen­der wie Vox, der ja mit hohem Anspruch gestar­tet war und sich in den letz­ten Jah­ren als erfolg­reichs­ter Fern­seh­sen­der der zwei­ten Rei­he eta­blie­ren konn­te. Ich wür­de mich freu­en und immer ein­schal­ten!

Nach­trag 29.05.: Auf mei­ne Anfra­ge (die ich bereits eini­ge Tage vor die­sem Ein­trag hier gestellt hat­te) bestä­tig­te man mir beim deut­schen Come­dy Cen­tral, dass wei­ter­hin an einer Inte­gra­ti­on der jeweils aktu­ells­ten „Dai­ly Show“ ins Fern­seh­pro­gramm gear­bei­tet wer­de. Plä­ne, eine ähn­li­che Show für Deutsch­land zu pro­du­zie­ren, gebe es bis­her aber nicht.