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Klickbefehl (19)

Wenn man sich heute wundert, dass der im Regierungsauftrag Verbotsregeln für das Internet entwickelnde Vorsitzende der Olivennes Kommission zugleich der Aufsichtsratschef von Frankreichs größer Kulturkaufhauskette FNAC ist, oder in Schweden ein Richter über Pirate Bay urteilt, der nicht nur selbst Mitglied der lokalen Urheberechtsorganisationen ist, sondern auch die Prozessvertreterin der Filmindustrie in Internet-Domain Streitigkeiten berät, dann ist die Erklärung dieselbe wie vor 123 Jahren: Systeme die nicht mit der Zeit gehen und sich umstellen wollen, wehren sich mit allen Mitteln. Im Notfall auch mit welchen am Rande der Rechtsstaatlichkeit.

Tim Renner schreibt im Motorblog mal wieder etwas sehr Kluges über Digitalisierung, Urheberrechte und digitalen Wandel und gibt ganz nebenbei eine kleine Geschichtsstunde zum Tag der Arbeit.

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Welchen Eindruck wird ein normaler, uninformierter Mensch haben, wenn ein nerdiger Typ “Zensur!” schreit, während Frau von der Leyen scheinbar gegen Kindesmissbrauch kämpft? Wie reagiert ein Fließbandarbeiter bei Opel auf Sascha Lobo, der im Fernsehen erzählt, dass ohne Social Web bald nichts mehr geht, man auch prima mit dem Laptop im Café arbeiten kann und warum er trotz Aufschieberitis produktiv ist? Glaubt jemand, ein Arbeitsloser mit massiven Selbstzweifeln und Angst, nicht mehr dazuzugehören, weil er keine Ahnung vom Internet hat, fühlt sich angesprochen, den Kampf für Netzneutralität zu unterstützen? Meinen Sie, Tante Hanna von nebenan wird die Anliegen einer Partei, die sich Piratenpartei nennt, auch nur entfernt seriös finden können?

Enno macht sich (wie ich neulich auch) Gedanken über die Zweiteilung der Welt in On- und Offliner, hält aber sogar Lösungsansätze bereit.

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Musik

Best Imitation Of Himself

Ben Folds und Band live

Ben Folds hatte immer schon einen besonderen Humor: die erste EP seiner Band Majosha hieß “Party Night: Five Songs About Jesus” und beinhaltete vier Songs, von denen natürlich keiner von Jesus handelte. Eigentlich logisch, dass das Trio, mit dem er schließlich international bekannt wurde, Ben Folds Five hieß.

Sein neues Album, das Ende September erscheinen soll, wird “Way To Normal” heißen, was für Folds-Verhältnisse fast schon ein langweiliges Wortspiel ist. Wer das Album bereits jetzt illegal aus Tauschbörsen herunterladen will, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auf neun Songs stoßen, die nicht wirklich das neue Album sind – aber irgendwie doch.

In einer Mischung aus Diebstahlsicherung und Wahnsinn hatten sich Folds, sein Bassist Jared Reynolds und sein Schlagzeuger Sam Smith im Juli für acht Stunden in einem irischen Studio eingeschlossen und sechs Fake-Songs aufgenommen. Sie haben (fast) die gleichen Titel wie die Songs von “Way To Normal”, sind aber komplett andere Lieder. Angereichert werden sie mit den Singles “Hiroshima” und “You Don’t Know Me” (gemeinsam mit Regina Spector), sowie einer Alternativ-Version von “Cologne”, einem Song, dessen Entstehung ich und alle anderen Besucher von Folds’ letztjährigem Kölner Konzert beiwohnen durften.

Die Texte sind mitunter extrem albern, entstanden sie doch binnen kürzester Zeit und entstammen zum Teil der Feder des Schlagzeugers (ein Vorgehen, das bei Ben Folds Five damals immerhin zum großartigen “Song For The Dumped” geführt hatte), aber musikalisch ist Folds fast besser als auf seinem letzten richtigen Album “Songs For Silverman”. Wenn die echten Songs so gut werden wie die falschen, wird “Way To Normal” ein Fest.

Folds ist natürlich nicht der Erste, der auf die Idee kam, ein gefälschtes Album über Tauschbörsen zu verteilen: Olli Schulz, ebenfalls für seinen Humor bekannt (gefürchtet), hatte etwas sehr ähnliches bereits vor gut zwei Jahren gemacht.

Mehr zu den Hintergründen des falschen “Way To Normal” und einen Track-by-Track-Vergleich gibt’s beim amerikanischen “Rolling Stone”.

Wer das geschenkte, falsche Album herunterladen will, ohne versehentlich das richtige zu klauen, ist bei der Fansite wokeupwaytoolate.com an der richtigen Adresse.

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Musik Digital

Warum Fran Healy so gut schläft

Ich bin seit Jahren großer Fan von Travis. Nicht nur, dass die Musik (beinahe) immer toll ist, Fran Healy sagt auch von Zeit zu Zeit sehr kluge Sachen, von denen man sich wünscht, es würden die betreffenden Leute zuhören.

Zum Beispiel aktuell zu einem Fall, den man bei torrentfreak.com nachlesen kann: Travis hatten zur Verbreitung des neuen Songs “J. Smith” per MP3 aufgerufen – wie man das eben heutzutage so macht. Plötzlich meldete sich die IFPI, die International Federation of the Phonographic Industry, bei Kevin, der den Song in seinem Blog So Much Silence gehostet hatte, und forderten ihn zur Löschung auf. (Das heißt: genau genommen forderten sie ihn auf, einen Song von Hercules And Love Affair zu löschen, weil sie sich da wohl irgendwie mit der Zuordnung vertan hatten.) Kevin schrieb Fran Healy an, der prompt reagierte und klar stellte, dass der Song weiter verbreitet werden soll. Die IFPI, die ja angeblich im Namen der Künstler gegen das Unrecht in der Welt kämpft, musste zugeben, von einer solchen Genehmigung nichts mitbekommen zu haben.

Und auf Anfrage von torrentfreak.com legte Fran dann richtig los:

With a view to music, the internet is like radio. The only major difference is that, at the moment, I don’t get a PRS payment everytime my song is listened to.

The problem is, the business is trying to fit old rules on a new model. Like trying to fit the square peg in the round hole. I think someone has to sit down and re-write the rules for the new model.

[…]

As far as illegal filesharing goes. There are people who will buy albums and people who will record them off friends. If you took away the Internet this would still happen so I don’t lose any sleep. Goodnight.

Jetzt müsste er das nur noch irgendwie seinen Plattenbossen verklickern.

Ach, und runterladen können Sie “J. Smith” jetzt hier – ganz legal und mit Einwilligung des Künstlers. (Das Album “Ode To J. Smith” können Sie sich bei Gefallen dann ab dem 26. September kaufen.)