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If Only

Das ist natürlich ein wahnsinnig egoistischer Gedanke, aber ich hatte mir das anders vorgestellt. Ich hatte gedacht, dass ich mich mit etwa 50 Jahren darauf einstellen müsste, von den Helden meiner Kindheit und Jugend Abschied zu nehmen (von denen aus dem Plattenschrank meiner Eltern übernommenen Helden vielleicht etwas früher).

Douglas Adams starb im Jahr 2001, mit unfassbaren 49 Jahren. Elliott Smith (34) und Johnny Cash (71) starben, bevor ich mich richtig mit ihrem Werk beschäftigt hatte. Als Heath Ledger (28), Michael Jackson (50) und Stephen Gately (33) starben, verschwanden plötzlich Leute, die ich beim Aufwachsen irgendwie in meinem Sichtfeld gehabt hatte.

Jay Reatard war 29, als ich wusste (wieder so ein egoistischer Gedanke), dass ich nie eines seiner Konzerte würde besuchen können. Stuart Cable war auch gerade mal 40 — und die Stereophonics hatten mit 16, 17 schon eine große Rolle in meinem Leben gespielt.

Jetzt also Frank Giering, der Mann mit den traurigsten Augen. “Absolute Giganten”, der wohl größte Film, der einem 16-Jährigen vor die Füße fallen kann, und dessen Mischung aus Sehnsucht, Party und Melancholie natürlich all das vorwegnahm, was da im eigenen Leben noch so kommen sollte. Oder habe ich versucht, mein eigenes Erwachsenwerden durch die Kameralinse von “Absolute Giganten” zu sehen? Wie kann man denn nicht bei Sonnenaufgang auf der Rückbank eines Autos sitzen, ohne “Wie spät ist es eigentlich?” zu fragen und dabei an Frank Giering zu denken.

Es war ja nur eine Meldung, auf einer nicht gerade vertrauenswürdigen Newsticker-Seite im Internet. Keine Quellenangabe. Aber warum sollte man Falschmeldungen über Schauspieler verbreiten, die nicht gerade auf den Klatschseiten der Trashmedien zuhause sind? Also: Warten und googeln und dabei Interviews finden, die man vor der Ahnung eines viel zu frühen Todes natürlich sofort ganz anders liest. Aber was muss das für ein zerbrechlicher Mann gewesen sein, wenn man das jetzt so liest. Scheiße, wieso denn “gewesen sein”? Und dann die Bestätigungen.

Es gab in meinem Leben keine Berührungspunkte mit Frank Giering. Sebastian Schipper, den Regisseur von “Absolute Giganten”, habe ich vor acht Jahren auf der Berlinale getroffen, wobei “überfallen” vielleicht das richtigere Wort ist: Ich sah ihn von weitem, rief seinen Namen, rannte ihm aufgeregt hinterher und muss wie ein Wasserfall gewirkt haben, als ich ihm sagte, wie viel mir sein Film bedeute. (Dass Schippers weitere Filme eher so “geht so” waren, lässt das Debüt natürlich noch ein bisschen heller strahlen.) Mit Florian Lukas und Antoine Monot Jr., den anderen “Giganten”, habe ich E-Mail- und Telefoninterviews geführt, in denen ich gar nicht an “Absolute Giganten” vorbeikam. Von Frank Giering kannte ich nur diesen einen beeindruckenden Film, der ausgereicht hat, um ihn unsterblich zu machen — ein Adjektiv, das plötzlich gleichermaßen unpassend wie tröstend wirken kann.

Weißt du, was ich manchmal denke? Es müßte immer Musik da sein. Bei allem, was du machst. Und wenn’s so richtig scheiße ist, dann ist wenigstens noch die Musik da. Und an der Stelle, wo sie am allerschönsten ist, da müßte die Platte springen, und du hörst immer nur diesen einen Moment.

(Sebastian Schipper: “Absolute Giganten”, Europa Verlag Hamburg/Wien 1999)

Musik!

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Ein halber TV-Tipp

Heute Abend zeigt das ZDF “Keine Lieder über Liebe”. Wenn ich die Handlung noch richtig erinnere, geht es um einen Dokumentarfilmer (der großartige Florian Lukas), der die Band seines Bruders (Jürgen Vogel) auf Tour begleiten will – und irgendwie entspinnt sich dann eine Dreiecksgeschichte mit Heike Makatsch.

Warum ich mir einen Film, der ausschließlich mit Handkamera gedreht ist, der eine verworrene und pessimistische Handlung hat und in dem nicht viel mehr passiert, als das Menschen miteinander reden (oder besser noch: sich anschweigen), kurz: warum ich mir einen jungen deutschen Film überhaupt angesehen habe, liegt an der Band, der Jürgen Vogel vorsteht: Es handelt sich um die Grand-Hotel-van-Cleef-Allstar-Kapelle Hansen Band mit Marcus Wiebusch (kettcar) und Thees Uhlmann (Tomte) an den Gitarren, Felix Gebhardt (Home Of The Lame) am Bass und Max Martin Schröder (Tomte, Olli Schulz & der Hund Marie, Der Hund Marie) am Schlagzeug. Jürgen Vogel singt (sehr schön, das muss man ihm lassen) die Lieder, die ihm seine Backing Band geschrieben hat, und das Album der Hansen Band ist nach wie vor zu empfehlen.

Leider ist “Keine Lieder über Liebe” weder “This Is Spinal Tap” noch “Almost Famous” und so dienen Musik und Band allenfalls als Hintergrund für eine melodramatische Liebesgeschichte, die von den Beteiligten zwar gut vorgetragen wird (der ganze Film ist improvisiert), aber trotzdem nicht so recht über 101 Minuten tragen will.

Wer also “Keine Lieder über Liebe” noch nie gesehen hat, kann ihn sich heute Abend um 22:45 Uhr im ZDF ansehen. Ich bin ganz froh, dass ich schon was besseres vorhab.