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Lucky & Fred: Episode 10

Da sind wir wie­der! Weil ja zum Glück im letz­ten hal­ben Jahr nicht viel pas­siert ist, spre­chen wir über deut­sche Schau­spie­ler auf Face­book und die Stra­te­gie­lo­sig­keit der euro­päi­schen Sozi­al­de­mo­kra­tie. Lucky will sei­nen Frie­dens­no­bel­preis zurück­ge­ben und Fred gibt Nach­hil­fe in Sachen Flug­zeug­tech­no­lo­gie. Also ein Abend für die gan­ze Fami­lie.

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Denkt denn niemand an die Kinder?

Beim Frei­han­dels­ab­kom­men, das die EU seit die­ser Woche mit den USA aus­zu­han­deln ver­sucht, geht es – neben vie­len ande­ren Din­gen – auch um Kul­tur. Frank­reich besteht dar­auf, dass die­se unan­ge­tas­tet bleibt und in dem Land auch wei­ter die­se wahl­wei­se furcht­bar depri­mie­ren­den oder herr­lich augen­zwin­kern­den Fil­me gedreht wer­den kön­nen, deret­we­gen ich beim Besuch im Pro­gramm­ki­no immer ger­ne bis nach den Trai­lern war­ten wür­de, bis ich Platz neh­me.

Ges­tern war ich nicht im Pro­gramm­ki­no, son­dern in „Ich, ein­fach unver­bes­ser­lich 2“ (zu dem es viel­leicht auch noch einen Pod­cast geben wird, falls Herr The­len sich den Film auch noch gibt), was bedeu­te­te, dass ich statt fran­zö­si­scher Art­house-Vor­schau­en sol­che zu Kin­der­fil­men über mich erge­hen las­sen muss­te. Deut­schen Kin­der­fil­men.

Da wäre zum Bei­spiel „V8 – Du willst der Bes­te sein“, das ich als „ ‚The Fast And The Furious‘ trifft auf ‚Die wil­den Fuß­ball­ker­le‘ “ bezeich­net hät­te, wenn es nicht vom Erfin­der des Letz­te­ren gewe­sen wäre:

Auch nicht schön: „Sys­tem­feh­ler – Wenn Inge tanzt“, bei dem ich mich sehr wun­dern wür­de, wenn der Trai­ler nicht bereits die kom­plet­te Hand­lung vor­weg­näh­me:

Und dann war da noch das hier:

Jetzt sehe ich mich ers­tens in mei­nem Plan bestärkt, aus­wan­dern zu wol­len, bevor ich eine Fami­lie grün­de, und betrach­te zwei­tens das Kon­zept von „kul­tu­rel­ler Aus­nah­me“ und Film­för­de­rung doch eher kri­tisch.

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Gesellschaft

Wie das Brötchen vor der Schlange

Ver­gan­ge­ne Woche fei­er­te die Gur­ken­ver­ord­nung der EU ihren 25. Geburts­tag. Es war ein trau­ri­ges Fest, denn die Ver­ord­nung weilt inzwi­schen nicht mehr unter uns. Den­noch ist sie zum Sym­bol gewor­den für den Regu­lie­rungs­wahn der Euro­päi­schen Uni­on – und schuld dar­an, dass Jour­na­lis­ten und Bür­ger der EU wirk­lich jeden Unfug zutrau­en.

Gesetz­lich gänz­lich unge­re­gelt ist aller­dings eine der größ­ten All­tags­gei­ßeln der Zivi­li­sa­ti­on: die War­te­schlan­ge. Man kennt sie in der Super­markt-Vari­an­te aus dem Klein­kunst-Dau­er­bren­ner „Die ande­re Schlan­ge ist immer schnel­ler“, als Num­mern­re­vue aus dem Bür­ger­bü­ro und – in ihrer wil­des­ten und unüber­sicht­lichs­ten Form – aus der Bäcke­rei.

Der deut­sche Durch­schnitts­bür­ger hat pani­sche Angst davor, über­gan­gen zu wer­den. Des­halb bil­det er am Bahn­steig eine im Prin­zip mensch­li­che, aber meist eher an Zom­bies gemah­nen­de Wand vor sich öff­nen­den Zug­tü­ren – die Bahn könn­te ja sonst ohne ihn los­fah­ren. Des­halb bleibt er in der U‑Bahn ste­hen, sobald er ein­ge­stie­gen ist – wenn er wei­ter durch­gin­ge und den gan­zen Wag­gon aus­nut­zen wür­de, könn­te er ja an sei­ner Ziel­hal­te­stel­le unter Umstän­den nicht recht­zei­tig aus­stei­gen. Jeder ist sich selbst der Nächs­te, nur die Stärks­ten über­le­ben.

Wäh­rend das Kli­schee besagt, dass Bri­ten sogar an jeder Bus­hal­te­stel­le in Reih und Glied war­ten, las­sen sich Deut­sche, wie­wohl stets zur Polo­nai­se bereit, meist nur unter Ein­satz von Waf­fen, min­des­tens aber von Gurt­pfos­ten, zum kor­rek­ten Schlan­ge­ste­hen zwin­gen.

Als die Deut­sche Post vor eini­gen Jah­ren das ein­zig sinn­vol­le War­te­sys­tem, die zen­tra­le War­te­schlan­ge, ein­führ­te, ver­glich die „Süd­deut­sche Zei­tung“ die­se mit dem „Prin­zip Wurst­the­ke“. Das mag zutref­fen, solan­ge es genau eine Bedie­nung hin­ter die­ser Wurst­the­ke gibt. Sind es aber zwei oder mehr, ist das Cha­os vor­pro­gram­miert – womit wir wie­der in der Bäcke­rei wären.

Hin­ter der The­ke ste­hen drei, vier, an Sonn­tag­mor­gen viel­leicht sogar fünf Ver­käu­fe­rin­nen. Theo­re­tisch neben­ein­an­der, prak­tisch wuseln sie zwi­schen Mohn­bröt­chen, Crois­sants und Mehr­korn­bro­ten umher wie Amei­sen in ihrem Bau – wie Amei­sen wis­sen sie aber auch genau, was sie tun und wo sie hin­müs­sen. Womit sie sich grund­le­gend von ihren Kun­den unter­schei­den.

Die ste­hen auf der ande­ren Sei­te der The­ke und ver­su­chen, sich an den Posi­tio­nen der auf­ge­stell­ten Kas­sen oder den Ver­käu­fe­rin­nen zu ori­en­tie­ren, und bil­den dabei drei, vier, fünf (die Anzahl kann auch schon mal die der Ver­käu­fe­rin­nen über­stei­gen) Mikro­schlan­gen, die sich aber nicht im rech­ten Win­kel zur The­ke posi­tio­nie­ren (das ist zumeist schon archi­tek­to­nisch aus­ge­schlos­sen), son­dern par­al­lel dazu. Dadurch bleibt für alle Betei­lig­ten – war­ten­de Kun­den, Ver­käu­fe­rin­nen, neu ein­tre­ten­de Kun­den, evtl. zu Hil­fe eilen­de UN-Blau­hel­me – völ­lig unklar, wie vie­le Schlan­gen es gibt, und wer in wel­cher steht. Das Ergeb­nis: Neid, Miss­gunst, Zwie­tracht.

Wie oft habe ich es als Kind erlebt, dass ich beim sams­täg­li­chen Bröt­chen­kauf schlicht über­gan­gen wur­de. Ich konn­te ja noch nicht mal über die The­ke schau­en und dann waren da auch noch all die­se alten Men­schen, die sich ein­fach vor­ge­drän­gelt haben! Und wie froh ich war, als die Bäcke­rei in unse­rem nie­der­län­di­schen Urlaubs­ort eine Num­mern­aus­ga­be ein­führ­te! Da konn­te man abschät­zen, wie lan­ge man noch war­ten muss, bis man auch wirk­lich bedient wird – und in der Zwi­schen­zeit schon mal einen hal­ben Tag an den Strand gehen oder eine mitt­le­re Fahr­rad­tour unter­neh­men.

Auch heu­te sind es häu­fig noch Rent­ner, die glau­ben, schon „dran“ zu sein. Man kann ihnen da aller­dings nur schwer­lich Vor­wür­fe machen: Die Lage ist ja meis­tens fast so unüber­sicht­lich wie in Syri­en und nach eini­gen Jah­ren, in denen man dau­ernd über­gan­gen wur­de, gewöhnt man sich an, auf die leicht pani­sche Fra­ge der Ver­käu­fe­rin­nen, wer der Nächs­te sei, mit „Ich!“ zu ant­wor­ten. Sind wir nicht alle ein biss­chen FDP?

Es ist daher erstaun­lich, dass die Grü­nen, die doch sonst alles regu­lie­ren wol­len, in ihrem Wahl­pro­gramm dem Kon­flikt­herd in jeder Nach­bar­schaft kei­ne ein­zi­ge Zei­le wid­men. Eine Par­tei, die sich für eine sinn­vol­le Orga­ni­sa­ti­on von Bäcke­rei-War­te­schlan­gen stark macht, hät­te durch­aus mei­ne Sym­pa­thien.