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Unterwegs Politik

Unter Grünen: Liveblog Freitag

17:28 Uhr: Ich bin gerade mit mir in Klausur gegangen und habe beschlossen, die Berichterstattung in Form eines Liveblogs zu versuchen. Das klappt ja eigentlich immer ganz gut und so muss ich mir auch nicht das Blog mit Dutzenden Einzeleinträgen füllen. Zwei Mal bin ich schon beinahe mit Claudia Roth kollidiert, was ein Auftakt nach Maß ist.

Zur Zeit hält Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) eine kleine Stadtführung ab — allerdings ohne die Halle zu verlassen.

17:37 Uhr: Eines hab ich schon gelernt: Bei den Grünen werden die Parteifreunde mit “Freundinnen und Freunde” angesprochen. Das klingt nicht nur freundlicher als anderswo (im Rotary-Club spricht man auch von “Freunden”), es ist auch deutlich als drei Wörter zu identifizieren. Zum Vergleich: bei der SPD lautet die Ansprache “Genossinnengnossen”.

17:43 Uhr: Soeben ist das Präsidium gewählt worden, was wenn ich das richtig verstehe die Sitzungsleitung des Parteitags übernimmt. Bei dieser Wahl gab es eine Enthaltung. Das kann ja heiter werden, was richtige Entscheidungen angeht.

17:50 Uhr: Falls es Sie interessiert und Sie mitgucken wollen: unter erfurt08.bdk-interaktiv.de gibt es einen Livestream, der offenbar das gleiche Bild zeigt wie die Großbildleinwände neben der Bühne.

Zur Zeit können Sie sich dort über die Änderungsanträge zur Tagesordnung informieren, was aber ohne Tagesordnung auf dem Tisch noch unverständlicher ist als mit.

17:57 Uhr: Breaking News: Über den Änderungsantrag T01/01 muss nicht abgestimmt werden, T01/02 ist zurückgezogen worden. Die Tagesordnung hat keine Gegenstimme und “nur wenige” Enthaltungen erhalten.

17:59 Uhr: Man zeigt Heimvideos von den Anti-Atomkraftdemos am letzten Wochenende im Wendland, unterlegt mit dem Song “Du schreibst Geschichte” der Wendländer Band Madsen. Der Slogan “Gorleben ist überall”, der hier in die Fernsehkameras gehalten wird, ist allerdings irreführend: Atommüllend- und -zwischenlager werden natürlich nie im unionsregierten Süddeutschland gebaut werden, immer nur woanders.

18:08 Uhr: Es spricht der scheidende Bundesvorsitzende (1 Euro ins Politjournalisten-Phrasenschwein) Reinhard Bütikofer, der ankündigt, “in Clinch gehen” zu wollen mit der Bundesregierung, der Automobilbranche und den Stromkonzernen. Dazu erklärt er “Wir sind grün, nicht Bindestrich-Grün” — ob er Thorsten Schäfer-Gümbel meint? Wenn er nicht so brüllen würde, könnte ich ihm vielleicht auch folgen.

18:31 Uhr: Zum Abschluss der Bütikofer-Rede, die kaum über die veranschlagte Zeit hinausging, gibt es Standing Ovations in der Halle. Als Profi hätte ich jetzt die Stoppuhr für den Applaus mitlaufen lassen müssen.

18:40 Uhr: Zur Feier eines “historischen Wahlsiegs” (s.a. hier) ist gerade eine bayrische Blaskapelle einmarschiert. Auch Grüne können nicht rhythmisch klatschen. Der zweite Überraschungseffekt: auf der Bühne angekommen, spielte die Kapelle eine Mischung aus kubanischer Folklore und alpinem Gejodel. Claudia Roth wedelt dazu mit den Armen.

18:49 Uhr: Während sich der bayrische Landesverband feiern lässt, möchte ich auf eine Frage eingehen, die Michael in den Kommentaren gestellt hat:

Wer hat denn den Zynismus, den Slogan eines Mineralölkonzerns für eine Grüne Partei zu verwenden?

Ja, wer?

Die Grünen: Mehr bewegen! OMV: Mehr bewegen.

19:14 Uhr: Die Grünen sind ja doch ein bisschen näher am Internet dran als die meisten anderen Parteien. Gerade spricht Julia Seeliger, die selbst bloggt, zum Castor-Transport am vergangenen Wochenende. Ihre Stimme ist bei den Protesten kaputt gegangen — ich muss für sowas ins Stadion gehen.

19:25 Uhr: Die Energiedebatte ist enervierend: Renate Künast möchte “nicht einen Mann auf den Mond schießen, sondern die Sonne auf die Erde holen.” Weiß sie, wie heiß das werden könnte?

19:36 Uhr: Mit nicht mal einer Stunde Zeitverzögerung können Sie jetzt auch sehen und hören, wie das war, als die CubaBoarischen hier vorhin in die Halle eingezogen sind:

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19:46 Uhr: Immer noch (Atom-)Energie, gerade spricht ein Delegierter aus Salzgitter. Gibt es eigentlich einen Grund, warum alle Atommülllager in Niedersachsen sind? “Kommt her, immer rein mit dem Dreck!”

19:59 Uhr: Der Bäräck-Counter verzeichnet den ersten Hit. Hans-Josef Fell brüllte schließlich auch noch ein “Yes, we can”. Ich muss weg, Alkohol für unser Trinkspiel besorgen. Hier wird gerade eh nur darüber gestritten, was Al Gore in der “New York Times” geschrieben oder nicht geschrieben hat.

20:25 Uhr: Das Catering (das auch die Pressevertreter bezahlen müssen) beeindruckt mit einer großen Auswahl von vegetarischen und biologischen Speisen. Das “Öko Ur-Pils” schmeckt recht gut und kommt – kein Witz – aus Roth/Rhön.

20:33 Uhr: Nur mal so am Rande: hier wird seit 75 Minuten darüber diskuttiert, ob im Jahr 2020, 2030 oder 2040 90%, 95% oder 100% der Energie aus erneuerbaren Energien kommen sollen. Oder genauer: Was davon die Grünen fordern sollen.

20:40 Uhr: Mir ist grad eine ziemlich bizarre Frage eingefallen: Warum sind eigentlich alle Studien zur Atomkraft, Endlagerung und Steinkohle mindestens fragwürdig, aber alle Studien zu erneuerbaren Energien werden zu 100% zutreffen? Was wäre denn, wenn die unfehlbaren Wissenschaftler mal für die Gegenseite arbeiten würden?

20:50 Uhr: Bei Hip-Hoppern würde man es “Posse” nennen, bei den Grünen heißt es Jugendorganisation: etwa ein Dutzend Vertreter der Grünen Jugend hat sich verkleidet und kündigt an, Kohlekraftwerke zu besetzen. Ein besonders beeindruckendes Kohlekraftwerk in landschaftlich schöner Lage finden Sie in Kürze in Walsum.

21:00 Uhr: “Yes, we can”, diesmal auf der Meta-Ebene.

21:03 Uhr: Angelika Beer, immer noch mit “Zündschnur”, wie Harald Schmidt es nannte.

Etwas spannender: Jens berichtet darüber, dass Cem Özdemir für die morgige Abstimmung um den Parteivorsitz einen Gegenkandidaten hat.

21:19 Uhr: Weil die Frage mal aufkam: das sind meine Mit-Blogger.

Ekrem Senol, Jens Matheuszik, Regine Heidorn, Teresa Bücker (v.l.n.r.)

Von links nach rechts: Ekrem, Jens, Regine und Teresa.

21:27 Uhr: Wie sehr das auffällt, wenn plötzlich ein erfahrener Redner am Mikrofon steht: Jürgen Trittin, immerhin sieben Jahre Bundesumweltminister, hält die letzte Rede dieses Blocks. Er scheitert trotzdem am Vornamen des kommenden US-Präsidenten.

21:50 Uhr: Jetzt wird abgestimmt. Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, worum es genau ging, aber im Großen und Ganzen wohl um Energiepolitik.

21:56 Uhr: Wir hätten den Abend natürlich auch ganz anders verbringen können:

Das andere Kulturevent: Eva Herman

22:13 Uhr: Meine Aufmerksamkeit schweift so langsam aber sicher ab. Und ich dachte, letzte Woche im Stadion wäre es langweilig gewesen …

22:20 Uhr: Und mit nur 55 Minuten Verspätung gegenüber dem Zeitplan kommen wir nun zur Verabschiedung von Reinhard Bütikofer aus dem Amt des Parteivorsitzenden. Dieses hatte er sechs Jahre inne — sechs Jahre, in der Zeit könnten gut 630.000 Redebeiträge gehört werden.

22:33 Uhr: Jetzt spricht Claudia Roth. Sie hält eine Rede im Konjunktiv und erklärt, worüber sie reden “könnte”, wenn “Reinhard” es denn “wollte”. Sie redet aber trotzdem darüber, egal ob Bütikofer will oder nicht — sie hat ihn noch nicht mal gefragt!

22:46 Uhr: Nettes Video, das die Grünen ihrem Noch-Vorsitzenden da zusammengeschnitten haben. Letztlich ist so eine Partei ja doch nichts anderes als ein Kollegium. Ob’s noch Schnittchen und Sekt gibt, weiß ich nicht, aber zum Abschied bekam Bütikofer einen Laptop mit Solarzelle.

22:57 Uhr: Bütikofers Rede klang recht aufrichtig (es war ja auch seine Abschiedsrede), jetzt ist Schluss für heute. Morgen um 9:30 Uhr geht es weiter, es sind zwölf Stunden veranschlagt. Uff …

Beachten Sie für alle Parteitags-Beiträge bitte die Vorbemerkungen.