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You should have known by now you were on my list

Nach­dem Lukas nun seit Wochen schon erheb­li­che Stü­cke sei­ner Zeit dafür auf­bringt, die letz­ten zehn Jah­re nach den musi­ka­li­schen Häfen sei­nes Lebens zu durch­fors­ten, ((Für den Strauß Stil­blü­ten, der in den nächs­ten Zei­len sicher noch dicker wer­den wird, darf man sich dann am Schluss bei mir bedan­ken.)) macht sich mitt­ler­wei­le ange­sichts des mit Pfer­den und Streit­wa­gen her­an­brau­sen­den Jah­res­en­des auch bei mir der Zug­zwang bemerk­bar, zumin­dest die letz­ten zwölf Mona­te die­ses über­durch­schnitt­lich guten Plat­ten­jah­res in eine gewis­se, zumin­dest für mich gül­ti­ge Ord­nung zu brin­gen.

Wenn ich mei­nen last.fm-Statistiken Glau­ben schen­ken darf, und das ist auf­grund eini­ger über das ers­te Quar­tal 2009 ver­teil­ten Kom­plett­ab­stür­ze mei­nes alten Rech­ners, denen regel­mä­ßig eine eher spo­ra­di­sche Neu­in­stal­la­ti­on irgend­wel­cher Sta­tis­tik-Plug­ins folg­te, höchst frag­wür­dig, dann beginnt das Jahr und beginnt die­se Rang­lis­te mit bedenk­lich hoher Rota­ti­on des Albums „Noble Beast“ von Andrew Bird, der mich schon mit der 2007 erschie­ne­nen Plat­te „Arm­chair Apo­crypha“ an mei­ner despek­tier­li­chen Hal­tung gegen­über Sport­mu­sik und Muckertum hat­te zwei­feln las­sen. Ent­ge­gen der sta­tis­ti­schen Hin­wei­se kann ich mich aller­dings selt­sa­mer­wei­se kaum dar­an erin­nern, Birds jüngs­tes Werk ein­ge­hend unter die Lupe genom­men zu haben, im Gegen­teil erin­ne­re ich mich nur noch dar­an, dass im Ope­ner „Oh No!“ an einer Stel­le von einem Gefäng­nis die Rede ist. Den Rest der Songs fin­de ich in der Rück­schau ent­we­der gar nicht mehr, oder ziem­lich bedeu­tungs­los. Den­noch steht der Mann hier, weil mich die rela­ti­ve Ent­täu­schung über „Noble Beast“ dazu ver­lei­tet hat, „Arm­chair Apo­crypha“ wie­der zu hören, wenn nicht gera­de der ver­ma­le­dei­te Com­pu­ter wie­der im Abrau­chen begrif­fen war. Daher gibt es hier jetzt also für die­ses nicht 2009 erschie­ne­ne Album von mir Platz 10 des Jah­res 2009. Schö­ne Dop­pel­stan­dards habe ich ja.

Auf Lis­ten­platz 9 lan­det eine Schei­be, bei der ich mir zum Zeit­punkt ihres Erschei­nens, also im März, noch unum­stöß­lich sicher war, dass nichts und nie­mand mehr dazu in der Lage sein wür­de, mich davon abzu­brin­gen, es schon aus der hier seman­tisch über­aus schief ver­wen­de­ten ex-ante-Per­spek­ti­ve zum Album des Jah­res zu erklä­ren. „Hazards Of Love“ von The Decem­be­rists ist im posi­ti­ven Sin­ne ein Kon­zept­al­bum ((Wenn ich im Zusam­men­hang mit Kon­zept­al­ben von posi­ti­vem Sinn spre­che, mei­ne ich das durch­aus als tie­fe Wür­di­gung des Künst­lers. Das letz­te „Kon­zept­al­bum“, das mir von Freun­den als hör­bar nahe­ge­legt wor­den ist, war irgend­was von Dream Thea­ter und kann mitt­ler­wei­le nach­hal­tig dazu ver­wen­det wer­den, mich in rasen­der Geschwin­dig­keit aus der Woh­nung zu jagen. Ob ich kom­plett ange­klei­det bin oder nicht.)) über so eine Art Lie­bes­ge­schich­te. Aller­dings wer­den da wohl auch Prot­ago­nis­ten von wil­den Vögeln ent­führt und ins heu­ti­ge Russ­land depor­tiert (ganz habe ich das noch nicht ver­stan­den, viel­leicht kommt das noch). Jeden­falls ist das ein wun­der­ba­res Album von einer eben­so wun­der­ba­ren Band, die wun­der­ba­rer­wei­se am lau­fen­den Band Auf­nah­men ver­öf­fent­licht, ohne dass das nervt. War­um „Hazards Of Love“ hier also nicht an der Pole Posi­ti­on steht, ((Zu Ihrem Stil­blü­ten­strauß haben Sie nun noch eine beson­ders präch­ti­ge Rose dazu­ge­schenkt bekom­men.)) lässt sich wohl nur dadurch erklä­ren, dass irgend­wann fol­gen­de Din­ge pas­siert sind:

Ich freun­de­te mich mit Ani­mal Coll­ec­ti­ve an, was schon allein dadurch etwas Beson­de­res ist, weil ich ein paar Jah­re vor­her noch jedem ver­gif­te­te Bli­cke zuge­wor­fen hat­te, der mir deren vor­letz­tes Album „Feels“ nahe­le­gen woll­te. Für mich war die­se Band und alles mit ihr Zusam­men­hän­gen­de ein vager Abklatsch von längst ver­bli­che­nen Idol­fi­gu­ren wie Cir­cu­la­to­ry Sys­tem, Oli­via Tre­mor Con­trol und so wei­ter, mit dem Unter­schied, dass Ani­mal Coll­ec­ti­ve es für mei­nen Geschmack ein wenig über­trie­ben mit der Psy­che­de­li­tät. Und nun die­se Plat­te! „Mer­ri­wea­ther Post Pavil­li­on“ ist einer der für mich (und ver­mut­lich jeden ande­ren auch) sel­te­nen Fäl­le, die sofort mit vol­ler Wucht ein­schla­gen und danach trotz­dem immer noch bes­ser und aber vor allen Din­gen nicht lang­wei­lig wer­den. Die­ses Album ver­ur­sacht in mir ein nicht mehr weg­zu­leug­nen­des Bedürf­nis zu tan­zen, ((Liegt auf mei­ner per­sön­li­chen Wert­schät­zungs­ska­la nur knapp ober­halb von Kon­zept­al­ben, dies­mal aber eher aus voll­kom­men per­sön­li­chen Grün­den.)) wo es mög­lich ist und ist auch sonst ein­fach ziem­lich per­fekt. Lei­der habe ich es erst sehr spät ken­nen­ge­lernt (lies: vor knapp ein­ein­halb Mona­ten) und kann es des­halb lei­der noch nicht guten Gewis­sens höher ein­stu­fen als auf Platz 8. Aber fra­gen Sie mich nächs­tes Jahr noch­mal, wie ich retro­spek­tiv ent­schei­den wür­de!

Ich sprin­ge chro­no­lo­gisch. Sie haben das viel­leicht schon geahnt. Wenn ich mir also den Juni die­ses Jah­res so auf last.fm angu­cke, erschleicht mich ein Pein­lich­keits­ge­fühl und noch dazu eine Mah­nung an so etwas wie eine Pflicht­schul­dig­keit, näm­lich dahin­ge­hend, dass es ja eigent­lich nicht sein kann, dass man über vier Wochen hin­weg nicht nur einen ein­zi­gen Künst­ler, son­dern tat­säch­lich immer ein- und das­sel­be Album des glei­chen Künst­lers hört, wie­der und wie­der. Die­ses Delik­tes habe ich mich schul­dig gemacht, und das auch noch mit schmie­rigs­tem eng­li­schen Indie­rock, den man drü­ben beim NME in der Jah­res­end­lis­te ver­mut­lich auch irgend­wo auf­ge­führt hat, aber fra­gen Sie mich nicht, ich habe kei­ne Ahnung vom NME, die Charts dort ver­fol­ge ich qua­si nicht. Ich ver­mu­te ein­fach, dass die da eine Gre­at-Bri­tain-Quo­te haben, die ihnen ver­bie­tet, mehr als fünf­zig Pro­zent der jewei­li­gen Charts von Nicht-Bri­ten ein­neh­men zu las­sen, andern­falls wird wohl ein­fach irgend­was ein­ge­fügt, das ent­fernt nach Franz Fer­di­nand klingt. Aber ich schwei­fe ab: Die­ses schlei­mi­ge, auf Hoch­glanz polier­te und viel zu pathe­ti­sche Album, das mich aus Grün­den der inne­ren Kohä­renz und der Gefühls­ge­walt so umge­wor­fen hat, dass ich wage, ihm eine bes­se­re Stel­le als den Decem­be­rists zukom­men zu las­sen, ist „Wall Of Arms“ von The Mac­ca­bees. Man kann heut­zu­ta­ge kei­nen toten Fisch wer­fen, ohne jeman­den zu tref­fen, der genau­so klingt, ich weiß, aber den­noch: Sehr schö­nes Ding. Emp­feh­lens­wert ist hier ins­be­son­de­re der Song „Wil­liam Powers“. Platz 7 für die Mac­ca­bees und „Wall Of Arms“.

Irgend­wann im Sep­tem­ber stol­per­te ich über eine Band namens Tap Tap, von der ich abso­lut gar nichts weiß, außer, dass sie dem Akzent des Sän­gers nach eben­falls aus dem Ver­ei­nig­ten König­reich stammt und ein Album namens „On My Way“ her­aus­ge­bracht hat­te. Es pas­siert mir indes nicht oft, dass mich eine Plat­te so über­zeugt wie die­se hier, ohne dass ich auch nur den gerings­ten Schim­mer habe, wer eigent­lich dahin­ter steckt. Ver­mut­lich hängt das mit der Mini­mal­men­ge Fan­boy-Tum zusam­men, die einen dazu bringt, erst­mal anhim­meln kön­nen zu wol­len, ehe man ent­schei­det, das Pro­dukt auch „objek­tiv“ gut zu fin­den. Aber hier! So ein­fa­che, eigent­lich so sehr nach Sche­ma F kom­po­nier­te Songs, dass man sofort wie­der Pearl Jam hören dür­fen will, und den­noch so ori­gi­nell und Ver­trau­ens­vor­schuss hei­schend, dass es mir schon arg Weh tun wür­de, müss­te ich irgend­wann her­aus­fin­den, dass Tap Tap eine Band von poli­tisch am rech­ten Rand sich tum­meln­den Sau­er­kraut­stamp­fern wären, die wochen­tags ger­ne Vor­schul­kin­dern die Base­ball­müt­zen vom Kopf schie­ßen oder sowas. Aber ich glau­be auch nicht, dass es so weit kom­men muss. Platz 6 over here!

Jetzt wird es ernst. Bei allem, was jetzt kommt, muss­te ich für die fina­le Rei­hen­fol­ge der­art grü­beln, dass sich an mei­nen Schlä­fen nun tat­säch­li­che Grü­bel­gru­ben gebil­det haben, aus denen man dann ger­ne mal kol­lek­tiv Zwie­bel­dip abs­tip­pen darf, soll­te ich der­einst als Tisch in einem mexi­ka­ni­schen Restau­rant ange­stellt sein. Es muss daher jetzt auch ver­gleichs­wei­se schnell gehen, weil ich mir das mit dem Grü­beln nicht so rich­tig abge­wöh­nen konn­te und nun, ein­mal ent­schlos­sen, lie­ber mit geschlos­se­nen Augen durch die Wand fah­re, als mich wie­der in end­lo­sen Abwä­gun­gen wie­der zu fin­den.

Platz 5 die­ser mit nie­man­dem abge­spro­che­nen und über­aus sub­jek­ti­ven Album­chart­lis­te des ver­gan­ge­nen Jah­res geht an eine klei­ne, fei­ne Band namens Clues, die aller­dings inso­fern hoch­ka­rä­tig ist, als in ihr sowohl ein ehe­ma­li­ges Mit­glied der Uni­corns als auch ein Prä-Fun­e­ral-Mit­mu­si­ker von The Arca­de Fire ihr zwei­fels­oh­ne ernst gemein­tes Blut-Schweiß-Trä­nen-Hand­werk tun. Im Mai ver­öf­fent­lich­ten sie ihr selbst­be­ti­tel­tes Debut, bei dem es sich um den sprich­wört­li­chen Wahn­sinn han­delt. Der Grund, war­um die­ses Album fünf Plät­ze fal­len muss­te und des­halb nicht auf dem ers­ten Platz liegt, ist ein in der Mit­te des Albums ver­or­te­ter Song namens „You Have My Eyes Now“, bei dem ich über­haupt kei­nen Zugang fand, und der mei­nes Erach­tens auch kohä­renz­mä­ßig über­haupt nicht auf die­ses Album passt. Natür­lich will ich nicht behaup­ten, dass ich die minu­ti­ös geplan­te Lied­ab­fol­ge solch einer guten Plat­te bes­ser ver­ste­he als die betref­fen­de Band selbst, aber in die­sem Fall hat sich immer eine sehr inter­es­san­te Rei­se in mei­nem Kopf auf­ge­baut, ehe die­ser Track eine Ver­wir­rung bei mir aus­löst, die mich lei­der zum sofor­ti­gen Wei­ter­skip­pen zwingt.

Platz 4 geht an „The Con­for­mist“ von Dove­man, einem jun­gen Mann, der mir als Tour­po­sau­nist der fan­tas­ti­schen New Yor­ker Band The Natio­nal bekannt wur­de. „The Con­for­mist“ ist eine sehr ruhi­ge und bestän­dig trau­ri­ge, aber natür­lich auch aus ande­ren Grün­den schö­ne Plat­te, die unter ande­rem mit Bryce und Aaron Dess­ner von The Natio­nal auf­ge­nom­men und pro­du­ziert wur­de. Ab und an, zum Bei­spiel im Song „Angel’s Share“ hört man gar Matt Ber­nin­ger als zwei­te Stim­me mit­grum­meln, was für jeman­den, der wie ich eine durch­aus irra­tio­na­le Lie­be zu The Natio­nal pflegt, eine ver­mut­lich eben­so irra­tio­na­le Ver­klä­rung aller Musik, in der die drin hän­gen, bedeu­tet. Aber das ist ja dann auch wie­der egal, wenn das Pro­dukt so schön klingt. Super Sache! ((Eine eben­so super Sache ist außer­dem, dass wei­te­re Back­ing Vocals von einer gewis­sen Norah Jones gesun­gen wur­den, zu der man ver­mut­lich auch nur eine höchst irra­tio­na­le Lie­be haben kann, was im vor­lie­gen­den Fall aber auch so ist.))

Roy­al Bangs aus Knox­ville grei­fen für ihr zwei­tes Album „Let It Beep“ den drit­ten Platz ab. Es gibt ja immer sol­che Schei­ben, an denen alles stimmt. Die letz­te die­ser Art, die nicht aus 2009 stammt und an die ich mich ohne Hil­fe erin­nern kann, ist „Recon­s­truc­tion Site“ von The Wea­k­erthans. ((Musik, Lyrics und Art­work waren so umwer­fend, dass ich schon beim drit­ten oder vier­ten Hören wuss­te, dass hier jemand mal eben ein Meis­ter­werk abge­lie­fert haben muss­te, schein­bar ohne beson­ders exal­tiert mit irgend­wel­chen Wim­pern zu zucken.)) Die­ses Jahr gibt es für mich immer­hin zwei die­ser Art. Eine davon ist die eben Genann­te der Roy­al Bangs, die ich mir ein­zig und allein wegen des Covers zuleg­te und dann zwei Wochen am Stück hören muss­te, wo ich ging und stand (eine Aus­drucks­wei­se, die vom Erschaf­fer der­sel­ben ver­mut­lich wohl doch eher aus­schließ­lich für das Prä­sens gedacht war). Inner­halb die­ser zwei Wochen gab es dann auch noch über­ra­schend ein Kon­zert im Kreuz­ber­ger „West­ger­ma­ny“, was natür­lich kein Zufall sein konn­te. Elek­tro-Rock ohne alles, was das Wort „Elek­tro-Rock“ zu einem so wir­kungs­vol­len Brech­mit­tel machen kann. Die Her­ren lan­den aus Grün­den der lei­der nicht ver­schwin­dend gerin­gen „Tot-Hör­bar­keit“, aber auch des­halb auf dem drit­ten Platz, weil ich ihnen dank oben erwähn­ten Kon­zer­tes einen gewis­sen Malus ein­räu­men muss: Sel­ten habe ich eine Band, die ihre Songs so gut vor­trägt, so lust­los erlebt, mut­maß­lich auf­grund der viel­leicht zwan­zig anwe­sen­den Gäs­te. Das Kon­zert selbst war super, aber es hät­te wegen der sie­ben Tage Regen­wet­ter, die in den Band­ge­sich­tern statt­fan­den, mit geschlos­se­nen Augen höchst­wahr­schein­lich viel bes­ser gefal­len. Nur mäßig ent­schuld­ba­res Ver­hal­ten, lei­der.

Platz zwei erhält ein­deu­tig „Eski­mo Snow“ von WHY?. Ein fan­tas­ti­sches Album aus Folk­songs von Hip­hop-Musi­kern, die schon mit ihrer letz­ten Ver­öf­fent­li­chung „Alo­pe­cia“ etwas her­aus­ge­bracht hat­ten, was nir­gends ein­zu­ord­nen war und den­noch – nicht: „gera­de des­halb“ ((Ein­fach weil der Stil­blü­ten­strauß wohl sonst am Pack­li­mit ange­kom­men und bei Über­tre­tung der Gewichts­gren­ze nur noch als Sperr­gut zu trans­por­tie­ren wäre.)) – ein­gän­gig und nach­hal­tig erhei­ternd. „Eski­mo Snow“ ist nun etwas ganz ande­res als alle Vor­gän­ger­al­ben, viel­leicht dadurch auch gewöh­nungs­be­dürf­tig, aber ich bit­te Sie: Hören Sie es durch. Viel­leicht vier­mal, viel­leicht hun­dert­mal. Sie wer­den es lie­ben, allein für Tex­te wie „And when a thing starts finis­hing around me, I faint or fake a mousta­che, an accent, or flee, in fear my expi­red licen­se be pul­led by sheer pro­xi­mi­ty“, aber wahr­schein­lich auch für das gan­ze Drum­her­um. ((Mei­ne Damen und Her­ren, der Stil­blü­ten­strauß ist soeben an Adi­po­si­tas ver­en­det und lässt sich nun auch nicht mehr durch ein bei­läu­fig ein­ge­wor­fe­nes „Bit­te eine Packung gute Lau­ne mit­brin­gen!“ ins Leben zurück­ho­len. Das haben wir nun davon!))

So nun, zu Platz 1. Ich mache es kurz und schmerz­los: „Vecka­ti­mest“ von Grizz­ly Bear. Nein, ich möch­te gar nicht hypen. Unter allen Umstän­den will ich das ver­mei­den. Man soll­te viel­leicht den­ken, dass es nach allen Lob­hu­de­lei­en auf die­se Plat­te lang­sam ein­mal genug wäre, aber: Nein, ist es nicht. Dies ist eines der bei­den Alben, bei denen in die­sem Jahr für mich schon beim ers­ten Hören der Musik und Sehen des Art­works nichts auch nur vage unan­ge­nehm auf­stößt, son­dern mit jedem Blick und Hin­hö­ren, so flüch­tig bei­des auch sein mag, nur wächst und wächst. Das hier ist aber schon des­halb weit groß­ar­ti­ger, weil es min­des­tens zehn­fa­ches Anhö­ren der gesam­ten CD braucht, um es über­haupt auch nur in Tei­len so weit ver­stan­den zu haben, dass man es ohne Vor­ur­tei­le gegen­über einer Pseu­do-Prog-Rock-Hal­tung, die Grizz­ly Bear von ande­ren schon nach­ge­sagt wor­den ist, gut fin­den kann. Hat man sich aller­dings dar­auf ein­ge­las­sen, ist es mei­ner Ansicht nach völ­lig unmög­lich, das Gefal­len an die­sem Album zu ver­lie­ren, im Gegen­teil ist man bis auf Wei­te­res dazu ver­ur­teilt, es nach jedem Durch­hö­ren um ein Viel­fa­ches mehr zu mögen als vor­her, sofern das über­haupt mög­lich ist. Auf Schul­tern klop­fen und „Sehr gut gemacht!“ sagen möch­te man hier.

So. Ich freue mich, der­glei­chen mit Ihnen allen geteilt zu haben! Aller­dings kann ich, wie bereits gesagt, nicht garan­tie­ren, dass ich in einer leicht ande­ren Tages­form die ers­ten fünf Plät­ze nicht voll­kom­men anders geord­net hät­te. Ich hof­fe, Sie ver­zei­hen mir das. Außer­dem soll­te noch gesagt wer­den, dass es die­ses Jahr auch eini­ge sehr schö­ne Plat­ten gab, die nicht zu mei­nen zehn Favo­ri­ten gehö­ren, bei­spiels­wei­se „Bit­te Orca“ von den Dir­ty Pro­jec­tors, die ich noch vor Kur­zem intern auf Platz 2 geführt habe. Aber die­se Din­ge ändern sich schnell, und inso­fern ist es viel­leicht gut, wenn ich wie jedes Jahr nicht möch­te, dass sich irgend­ein Album ärgert oder trau­rig ist. Des­halb, und weil zehn Ord­nungs­plät­ze ein­fach rei­chen, ran­gie­ren alle übri­gen Ver­öf­fent­li­chun­gen, von denen ich die­ses Jahr wohl­wol­lend Kennt­nis genom­men habe, gleich­ran­gig auf Platz 11. Hof­fent­lich gibt das kein Gedrän­ge da unten!

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Listenpanik 10/​09

Der Herbst kommt, es wird ein wenig melan­cho­li­scher. Oder doch nicht?

Freu­en Sie sich auf das, wor­über ich mich im ver­gan­ge­nen Monat gefreut habe – wie immer garan­tiert sub­jek­tiv:

Alben
Oh, Napo­le­on – Oh, Napo­le­on EP
Ich kann mich ehr­lich gesagt nicht dar­an erin­nern, jemals der­art von einem New­co­mer geflasht gewe­sen zu sein – selbst die ers­te Kili­ans-EP habe ich soweit ich weiß in den ers­ten zehn Tagen nicht öfter als 40 Mal gehört. Ansons­ten gilt, was ich letz­te Woche geschrie­ben habe.

Reli­ent K – For­get And Not Slow Down
Irgend­was muss im Okto­ber pas­siert sein, was mich wie­der in alte Tee­nie-Hör­ge­wohn­hei­ten hat zurück­fal­len las­sen: Nicht nur Oh, Napo­le­on hat­tee ich dut­zend­fach auf Repeat lau­fen, son­dern auch Reli­ent K, auf die ich durch Zufall auf­merk­sam gewor­den war. Es han­delt sich um eine – hold your breath – christ­li­che Rock­band aus Ohio, aber wenn man die gele­gent­li­chen „lord„s mal außen vor lässt, bleibt da eine CD, die musi­ka­lisch all das kom­bi­niert, was ich an Death Cab For Cutie, den Ata­ris, The Gas­light Anthem, Nada Surf und The Fray (die ja eben­falls als christ­li­che Rock­band gel­ten) mag: Power­pop mit melan­cho­li­schen Anwand­lun­gen, dazu viel Kla­vier.

WHY? – Eski­mo Snow
Ich habe zum ers­ten Mal von WHY? gehört, als sie als inter­na­tio­na­ler Bei­trag fürs dies­jäh­ri­ge Fest van Cleef bestä­tigt wur­den. Dort habe ich sie dann zumin­dest theo­re­tisch live gese­hen – wenn zum Zeit­punkt ihres Auf­tritts nicht gera­de ein unglaub­li­ches Unwet­ter getobt hät­te, das mich dann doch ein wenig vom Kon­zert­spek­ta­kel abge­lenkt hat. Aber allein die Geschich­te einer Band, die sich von einer Hip-Hop-Trup­pe aus Cin­cin­na­ti, OH zu einer Indierock­band aus Ber­ke­ley, CA ent­wi­ckelt hat, lohnt ja die nähe­rer Aus­ein­an­der­set­zung. „Eski­mo Snow“ ist laut Eigen­aus­sa­ge am wei­tes­ten vom Hip Hop ent­fernt und in der Tat gibt es in dem leicht ver­schro­be­nen, ziem­lich fili­gra­nen Sound kaum etwas, was an den Ursprung der Band erin­nert. Dafür hat das Album viel von den psy­che­de­li­schen Aus­flü­gen ame­ri­ka­ni­scher und bri­ti­scher Bands in den 1960er und 70er Jah­ren, gar­niert mit etwas absei­ti­gen Tex­ten.

Hel­gi Hrafn Jóns­son – For The Rest Of My Child­hood
In Island gibt es offen­bar die fes­te Regel, dass jeder Musi­ker min­des­tens ein Mal mit Sigur Rós zusam­men­ge­ar­bei­tet haben muss. Das hat Hel­gi Jóns­son schon hin­ter sich, aber die klang­li­che Nähe zu den Aus­hän­ge­schil­dern des islän­di­schen Indiepop lässt sich nicht leug­nen. Jóns­son singt aller­digns kon­se­quent auf Eng­lisch und sei­ne Songs sind ein wenig zugäng­li­cher als das Meis­te von Sigur Rós, weni­ger opu­lent sind sie nicht. Aus hin­ge­tupf­ten Kla­vier­ak­kor­den schrau­ben sich die Lie­der in höchs­te Höhen und manch­mal klingt Jóns­sons Stim­me ein wenig, als wür­de er von dort in die Tie­fe stür­zen. Kurz­um: Es ist genau die Sor­te Musik, die man hören möch­te, wäh­rend das Wet­ter drau­ßen zwi­schen nebe­lig-trüb und klir­rend-kalt chan­giert.

Air – Love 2
Eine Rund Kli­schees gefäl­lig? Gern: Air haben sich seit ihrem ers­ten Auf­tau­chen vor mehr als einem Jahr­zehnt als fes­te Grö­ße der Schlaf­zim­mer­be­schal­lung eta­bliert (vgl. Pla­ce­bo, Mar­vin Gaye und Mas­si­ve Attack) und brin­gen seit­dem im Abstand von zwei­ein­halb Jah­ren eine neue CD auf den Markt, von der alle sagen, sie klin­ge so wie immer, sei aber natür­lich nicht so gut wie „Moon Safa­ri“, wer­de aber trotz­dem wie­der Hun­der­te von Geschlechts­ak­ten unter­ma­len. „Love 2“ klingt jetzt wirk­lich wie „Moon Safa­ri“, ist natür­lich nicht so gut, aber bringt trotz­dem all das mit, was man von Air erwar­tet. Es ist ganz ähn­lich wie bei Mobys „Wait For Me“ im Som­mer: Jean-Benoit Dun­ckel und Nico­las Godin haben es auf­ge­ge­ben, irgend­wie anders klin­gen zu wol­len, und klin­gen gera­de des­halb so befreit und frisch wie lan­ge nicht mehr. Wer nur eine CD von Air haben will, greift wei­ter­hin zu „Moon Safa­ri“ (in Mobys Fall: „Play“), aber wer sei­ne Samm­lung auf­recht erhal­ten will, hat jetzt immer­hin ein schö­nes neu­es Album im Regal. Allein wegen der Abwechs­lung.

Songs
Oh, Napo­le­on – K
Soll ich, nach­dem ich die vier Songs der EP eh schon über den grü­nen Klee gelobt hab, tat­säch­lich noch einen ein­zel­nen Song her­vor­he­ben? Och joa, war­um denn nicht? Ich mag den schluf­fi­gen Beat, ich mag den repe­ti­ti­ven Refrain und die Stim­me von Kat­rin Bini­asch hat­te ich ja eh schon her­vor­ge­ho­ben. Sehr schön!

WHY? – Into The Shadows Of My Embrace
Fra­gen Sie mich nicht, wor­um es in die­sem Lied geht. Um Altern und Sex, um Nach­barn, die einem beim Mas­tur­bie­ren zuhö­ren, und um einen toten Fuchs unter einer Hecke. So etwas kann man natür­lich nicht mit Stro­phe – Bridge – Refrain ver­to­nen, da muss auch die Song­struk­tur ein biss­chen außer­ge­wöhn­li­cher sein. Ein biss­chen über­ra­schend, dass der Song trotz­dem sofort ins Ohr geht.

Reli­ent K – The­ra­py
Natür­lich ent­spricht die­ser Song der Blau­pau­se „Songs, die Lukas Hein­ser gut fin­det“: Ein Kla­vier­mo­tiv, ein trei­ben­der Beat, eine Stim­me, die an Ben Gib­bard erin­nert, eine Eröff­nungs­zei­le, die was von Springsteen hat („I never thought I’d be dri­ving through the coun­try just to dri­ve“), und ein Refrain, in dem alles auf Elf hoch­ge­dreht wird. Ja, die­se ein­fa­chen Wirk­me­cha­nis­men funk­tio­nie­ren bei mir. Meis­tens. So auch in die­sem Fall. Tol­ler Song, Punkt.

Death Cab For Cutie – Meet Me On The Equin­ox
Zwar kann ich mei­ne Freun­de immer wie­der damit ver­wir­ren, dass ich weiß, wie die Haupt­dar­stel­ler der „Twighlight“-Filme hei­ßen, aber angu­cken woll­te ich mir die­sen Quatsch eigent­lich nie. Mög­li­cher­wei­se muss ich mei­ne Mei­nung revi­die­ren, denn zumin­dest der Sound­track zum zwei­ten Teil liest sich beein­dru­ckend: Death Cab For Cutie, The Kil­lers, Lykke Li, Bon Iver & St. Vin­cent und Thom Yor­ke sind ja nicht gera­de die Acts, die man mit neu­em Mate­ri­al auf dem Sound­track zu einer Tee­nie-Vam­pir­ro­man­ze erwar­ten wür­de. Die Songs schwan­ken ein wenig zwi­schen okay und sehr gut (die trau­ri­ge Erkennt­nis am Ran­de lau­tet: Muse klau­en inzwi­schen bei den Kai­ser Chiefs), der Death-Cab-Song sticht als Sin­gle ein­deu­tig her­vor. Auf „Nar­row Stairs“ wäre er einem ver­mut­lich nicht beson­ders auf­ge­fal­len, aber schlecht ist er nun wirk­lich nicht.

[Lis­ten­pa­nik, die Serie]