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Leben Gesellschaft

“Die glauben, sie wären sonstwer”

Das Zweite, was wir nach unserer Rückkehr aus Oslo erlebten, war ein Zusammenstoß mit einer Zugbegleiterin der Deutschen Bahn, die uns auf sehr unfreundliche Weise mitteilte, dass es eine schlechte Idee gewesen sein, unser Gepäck auf der einzigen horizontalen Fläche im Zug abzustellen, die nicht von Alkohol oder Erbrochenem kontaminiert war. (Das erste waren betrunkene Menschen unter 18 und weit über 50.) “Willkommen zuhause”, dachten (und sagten) wir.

Andererseits habe ich heute in der U35 in Bochum ein Gespräch mitanhören müssen, das mir nur allzu tiefes Verständnis für Gereiztheit und Entnervtheit von Zugbegleitern eingeprügelt hat. Eine durch Tabakkonsum und Solariumsbesuche entstellte Frau hat es mit dem Kontrolleur im Zug und einer mir unbekannten Person am Mobiltelefon geführt und es folgt ein Gedächtnisprotokoll:

Frau: (ins Telefon) Ach, da ist wieder der Kontrolleur, weißte? Der will bestimmt gleich wieder das Ticket so genau begucken, macht der doch jedes Mal. Je, der, weißte?
Kontrolleur: Guten Tag, die Fahrausweise bitte!
F: Sie nehmen das ja schon wieder auseinander! Langsam müssten Sie das doch mal wissen oder sind Sie so schwer von Begriff?
K: Wissen Sie, wie viele Leute ich jeden Tag kontrolliere?
F: Ja, aber Sie haben mich schon tausendmal kontrolliert. In der 306!
K: Ich kenne Sie doch gar nicht!
F: In der 306!
K: Das ist meine Aufgabe …
F: Ja, aber das ist auch mein Ticket! Ich kann bestimmen, was mit meinem Ticket passiert!
K: Ich muss kontrollieren, ob …
F: Ja, aber das sieht man doch!
K: Das Ticket ist total verwaschen, ich kann da nicht sehen, ob …
F: Also ich kann das sehen!
K: Ja, aber ich nicht.
F: Dann, dann, dann sollten Sie vielleicht mal zum Optiker gehen! (ins Telefon) Ja, wieder der. Weißte, der hat mich schon tausendmal kontrolliert. Warste ja dabei. Ja. Schlimm. Die glauben immer, sie wären sonstwer. Ja. Bilden sich ein, sie könnten sich alles erlauben. Schlimm, ganz schlimm. Der muss doch inzwischen wissen … Ja, in der 306. Ja, schlimm. Weißte, die nehmen den Deutschen die ganzen Arbeitsplätze weg und dann glaubense. Ja. Du, ich muss Schluss machen, ich muss jetzt erst mal aussteigen. Ich ruf später … (steigt aus) Ja, aber ich muss jetzt erst mal aussteigen, ich ruf dann später wieder an …

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Gesellschaft

Ohne Telefon geht’s schon

Gestern stand ich in einer vollbesetzten U-Bahn (ich wäre ja auch schön blöd, wenn ich in einer leeren U-Bahn stünde) und war dort gezwungen, in einem Maße am Privatleben eines mir völlig unbekannten Menschen teilzunehmen, dass es mir unangenehm war. Er sei kürzlich umgezogen, erfuhr ich, aber die ganzen Klamotten stünden noch im Wohnzimmer, das auch noch nicht tapeziert sei, aber das komme noch alles. Er wisse noch nicht, was er an Silvester mache, Meike und Kai hätten vorgeschlagen, ein Ferienhaus irgendwo an der Ostsee zu mieten und da “mit alle Mann” hinzufahren, aber er sei sich noch nicht sicher, ob die beiden das wirklich organisieren würden und ob er wirklich mitwolle. Jetzt müsse er aber eh erst mal die Zutaten für ein ordentliches Pilzrisotto kaufen, denn gleich bekäme er noch Besuch.

Der junge Mann erzählte diese Sachen nicht mir, er erzählte sie seinem Mobiltelefon – und damit dem gesamten Zug. Wer derart öffentlich lebt, macht sich natürlich keine Gedanken, wenn der Staat seine Telekommunikationsaktivitäten protokollieren lassen und seinen Computer durchsuchen will, dachte ich. Und dann: Telefonieren ist das neue Rauchen.

Diese steile These liegt weniger darin begründet, dass wohl beides ziemliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann, sondern ist historisch belegbar: Zigaretten waren einst ein Statussymbol, eine Requisite von Luxus und Dekadenz. Irgendwann rauchte dann jeder Müllmann und obwohl Rauchen noch lange gesellschaftlich geachtet war, war der Anschein des luxuriösen schnell verschwunden. Vielleicht erinnern Sie sich noch an die ersten Ärzte und Rechtsanwälte, die C-Netz-Autotelefone in ihren S-Klassen spazieren fuhren. Mir sind Menschen bekannt, die sich auf dem Parkplatz ihres Golfclubs zu ihren Freunden, die solche Autotelefone besaßen, ins Auto setzten und ihren eigenen Anrufbeantworter anriefen und besprachen, nur damit sie mal mit so einem “verrückten neuen Gerät” telefoniert hatten. (Ähnliches ist vielleicht heute wieder bei diesen unsäglichen iPhones zu beobachten.) Irgendwann aber hatte fast jeder so ein “Handy”, gerade von sozial schwächeren Personen heißt es häufiger, dass sie im Besitz gleich mehrerer Mobiltelefone seien. Im vergangenen Jahr war erstmals der Punkt erreicht, wo jeder Mensch in meinem Bekanntenkreis inklusive meiner Großeltern über ein Mobiltelefon verfügte. Inzwischen habe ich tatsächlich wieder Menschen ohne ein solches Gerät kennengelernt und die ersten Freunde haben (noch Telefonlose) Kinder bekommen, so dass die Quote wieder leicht unter hundert Prozent gesunken ist.

Analog zu den Nichtraucherabteilen in Zügen und -zonen in Restaurants gibt es bereits “Ruhewagen” in den ICEs der Deutschen Bahn, in denen das Telefonieren unerwünscht ist, und man hat bereits von “handyfreien” Gaststätten gehört. An vielen Schulen wurden Zigaretten und Mobiltelefone gar gleichzeitig verboten.

Ich erkenne darin eine eindeutige Tendenz, die über kurz oder lang dazu führen wird, dass dem mobilen Telefonieren überall und zu jeder Zeit eines Tages eine ähnliche Opposition gegenüberstehen wird, wie es sie heute bereits bei den militanten Nichtrauchern gibt. Noch wird lediglich getuschelt, wenn in einem Kunstmuseum ein peinlicher polyphoner Klingelton die Stille durchbricht und sich eine Mittfünfzigerin hektisch mit den Worten “Ja, wir sind schon oben. Kommt Ihr nach?” meldet. Aber noch werden auch Raucher noch nicht überall gesellschaftlich ausgegrenzt. Ich bin zuversichtlich, noch den Tag zu erleben, an dem die Staats- und Regierungschefs dieser Welt den “Vertrag zur Ächtung von Mobiltelefonen im öffentlichen Raum” unterzeichnen.

Ich bin übrigens seit dreieinhalb Jahren im Besitz eines Siemens ME45, das früher einem Freund gehörte, und habe die Prepaid-Nummer eines Verwandten übernommen. Mal davon ab, dass die Akku-Leistung langsam nachlässt, bin ich mit dieser Lösung recht zufrieden.

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Adam took the Apple

Ha ha ha!

Apple hat die Preise für sein iPhone in den USA um ein Drittel gesenkt und ich weiß gar nicht, was ich lustiger finden soll: dass diese ganzen “Ich bin so wichtig, ich muss das haben”-Leute 200 Dollar verbrannt haben, oder dass Bill Gates sein evil twin jetzt endlich mal öffentlich den Rollkragenpulli über die Ohren gezogen bekommt.

Bevor jemand fragt: Ja, ich hatte so ein Teil schon in der Hand. Nein, ich bin damit nicht klargekommen. Ja, ich bleibe bei meinem Siemens ME 45. Ja, mein nächster Computer wird trotzdem ein macBook.