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Kultur

Back Office

Der Klas­sen­raum einer berufs­bil­den­den Schu­le irgend­wo in Ber­lin. An einem Dut­zend Tische sit­zen ange­hen­de Bäcke­rei­fach­ver­käu­fe­rin­nen. Vor­ne ste­hen der Leh­rer und Herr Brö­dow von der IHK.

Leh­rer: Guten Mor­gen, Mädels! Ihr wisst, heu­te wird’s ernst! Ich bin aber ganz zuver­sicht­lich, dass Ihr die Prü­fung schaf­fen wer­det, Ihr seid ja alle gut vor­be­rei­tet. Lasst Euch nicht ver­rückt machen!
Herr Brö­dow: Ja, natür­lich auch von mei­ner Sei­te einen guten Mor­gen. Ich wün­sche Ihnen viel Erfolg, ich bin ja nicht hier, um Sie durch­fal­len zu las­sen! (lacht)
Leh­rer: Um es mög­lichst fair zu gestal­ten, haben wir die Rei­hen­fol­ge, in der Ihr geprüft wer­det, vor­ab aus­ge­lost. Es geht los mit: Nadi­ne!

Nadi­ne schlägt die Hän­de vors Gesicht, dann steht sie auf und geht nach vor­ne.

Herr Brö­dow: Nadi­ne, machen Sie sich kei­ne Sor­gen. Ihre Noten sind ja alle­samt sehr gut, sehe ich. Wir machen ein klei­nes Rol­len­spiel: Ich bin Kun­de bei einem mit­tel­gro­ßen Sor­ti­ment-Bäcker, Sie bedie­nen mich. Ich kom­me dann mal rein.

Herr Brö­dow geht umständ­lich zur Tür, öff­net die­se aber nicht, und geht wie­der auf Nadi­ne zu.

Nadi­ne: Guten Mor­gen!

Der Leh­rer zuckt zusam­men, ein Rau­nen geht durch die Klas­se. Herr Brö­dow hält inne.

Herr Brö­dow: Nadi­ne, Sie sind auf­ge­regt, das macht gar nichts. Atmen Sie ein­mal tief durch, wir begin­nen dann noch mal!

Herr Brö­dow geht wie­der Rich­tung Tür, war­tet, bis Nadi­ne sich etwas locke­rer hin­ge­stellt hat, und geht dann wie­der zu ihr.

Herr Brö­dow: Guten Mor­gen!
Nadi­ne: Guten Mor­gen, was …

Der Leh­rer schlägt die Hän­de vors Gesicht, die Mit­schü­le­rin­nen rut­schen ein Stück unter ihre Pul­te.

Herr Brö­dow: Wis­sen Sie, wir fan­gen ein­fach noch ein drit­tes Mal an. Aller guten Din­ge sind ja, haha, drei. Blei­ben Sie ganz ruhig und kon­zen­trie­ren Sie sich. (Er ballt die Faust, eine alber­ne Moti­vie­rungs­ges­te.) Sie wol­len die Bäcke­rei­fach­ver­käu­fe­rin­nen von Ber­lin reprä­sen­tie­ren! Wir fan­gen ein­fach direkt an: Guten Mor­gen!

Nadi­ne guckt unsi­cher zu ihren Mit­schü­le­rin­nen, die abbrem­sen­de Ges­ten machen. Es ent­steht eine pein­li­che Stil­le.

Nadi­ne: (brummt) Mor­gen!

Der Leh­rer atmet erleich­tert durch, die Mit­schü­le­rin­nen strah­len.

Herr Brö­dow: Ich hät­te gern einen But­ter­crois­sant, drei Schrip­pen und … Was ist das da? (Deu­tet auf ima­gi­nä­re Back­wa­ren.)
Nadi­ne: Das sind Rosi­nen­schne­cken!

Herr Brö­dow fällt aus sei­ner Kun­den­rol­le und wird wütend.

Herr Brö­dow: Also wirk­lich, ich gebe Ihnen hier die drit­te Chan­ce und Sie machen immer noch alles falsch. Sie da (er deu­tet auf Man­dy): Wie lau­tet die kor­rek­te Ant­wort?
Man­dy: (steht auf) „Steht doch dran!“
Herr Brö­dow: Sehr rich­tig! Sie haben schon fast bestan­den! (lächelt unan­ge­nehm; wen­det sich wie­der Nadi­ne zu) Also noch­mal: Was ist das da?
Nadi­ne: (brummt) Steht doch dran!
Herr Brö­dow: Dann neh­me ich davon zwei!
Nadi­ne: Sonst noch was?

Der Leh­rer schlägt mit dem Kopf gegen die Wand, die Mit­schü­le­rin­nen seuf­zen.

Herr Brö­dow: (wütend) Nadi­ne, wo wol­len Sie denn arbei­ten? Im Puff oder in der Bäcke­rei? Sie müs­sen sich schon kon­zen­trie­ren! Mit so einer Lari-Fari-Ein­stel­lung kom­men Sie nicht weit!
Nadi­ne: (brüllt) Jetzt reicht’s mir aber, Sie dum­mes Arsch­loch! Sie gucken doch eh nur die gan­ze Zeit der Man­dy auf die Tit­ten! Ich kann das hier sehr wohl, ja? Ich hab nur kei­nen Bock, für so eine arm­se­li­ge Witz­fi­gur hier so eine Rie­sen­schau abzu­zie­hen wie im Kas­per­le­thea­ter! Ich hab über­haupt kei­nen Bock mehr auf die gan­ze Schei­ße hier!

Nadi­ne stampft wütend zu ihrem Platz, wo sie sich mit ver­schränk­ten Armen nie­der­lässt. Die Mit­schü­le­rin­nen erhe­ben sich und applau­die­ren, der Leh­rer strahlt.

Herr Brö­dow: Glück­wunsch, Sie haben mit Aus­zeich­nung bestan­den!

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Leben

Das Österreich der Mitte

Ich hab mit mei­nem bes­ten Freund gechat­tet, der gera­de in Chi­na ist. Der Abschied sah so aus:

er: 88
ich: höhö
er: wie, höhö
er: ?
ich: 88?
er: bye bye
er: 8 in chi­ne­sisch ist ba
ich: Ah. Dach­te „Heil Hit­ler“.
er: baba
er: bye­bye
er: jaja.
ich: Ah, wie die Öster­rei­cher.
ich: Also nicht wegen Hit­ler son­dern wegen Baba

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Gesellschaft

„Grüß dich ins Knie!“

Tho­mas Knü­wer schrieb heu­te Mor­gen über Star­bucks, die Hass­lie­be jedes auf­rech­ten Kof­fe­in-Jun­kies, und den dor­ti­gen Ser­vice. Es dau­er­te exakt vier Kom­men­ta­re, bis sich die Ers­te über „die­se dröh­nen­de Supi-ich-hab-dich-lieb-Kun­de-Fröh­lich­keit“ beklag­te, und obwohl ich nach wie vor nicht viel von Bezeich­nun­gen wie „typisch deutsch“ hal­te, wuss­te ich augen­blick­lich, dass ich mal wie­der auf ein klas­sisch deut­sches Dilem­ma gesto­ßen war: Freund­lich­keit macht den Deut­schen miss­trau­isch. Edu­ard Zim­mer­mann und Ali­ce Schwar­zer haben ihre jewei­li­gen Lebens­wer­ke dar­auf ver­wen­det, dass man in Deutsch­land immer damit rech­net, gleich über­fal­len oder ver­ge­wal­tigt zu wer­den, sobald mal jemand freund­lich zu einem ist.

Spricht man mit Men­schen über die Dienst­leis­tungs­men­ta­li­tät in Deutsch­land (führt also eine eher hypo­the­ti­sche Dis­kus­si­on), wird man häu­fig von der „auf­ge­setz­ten Freund­lich­keit der Ame­ri­ka­ner“ hören. Wie so oft bei anti­ame­ri­ka­ni­schen Vor­ur­tei­len ver­ste­hen die Kri­ti­ker ame­ri­ka­ni­schen Umgangs­for­men nicht und/​oder waren selbst noch nie in den USA. Und, zuge­ge­ben: Als ich im letz­ten Jahr drei Mona­te in San Fran­cis­co leb­te, war ich anfangs auch genervt von „Hi, how are you?“ und „Have a nice day“, bis mir däm­mer­te, dass die­se Freund­lich­kei­ten tat­säch­lich mei­ner Lau­ne zuträg­lich waren. Der Vor­wurf „Das inter­es­siert doch kei­nen, wie es einem geht“, mag ja stim­men, nur inter­es­siert das in Deutsch­land auch nie­man­den. Auch auf die Gefahr hin, Sie schwer zu ent­täu­schen: Solan­ge es sich nicht um Ihre bes­ten Freun­de, aus­ge­wähl­te Fami­li­en­mit­glie­der oder Ihren The­ra­peu­then han­delt, inter­es­siert es kei­ne Sau, wie es Ihnen geht. Also machen Sie sich nicht die Mühe, an Ihr aktu­el­les Befin­den zu den­ken, an das gan­ze Elend, das sie gera­de durch­ma­chen – ver­drän­gen Sie’s und sagen Sie „Bes­tens, Dan­ke! Und selbst?“

„Wer die Musik bezahlt, bestimmt was gespielt wird“, lau­tet ein Sprich­wort und ange­denk des­sen, was man sich in man­chen Super­märk­ten, Beklei­dungs­fach­ge­schäf­ten und Elek­tro­märk­ten als zah­len­der Kun­de bie­ten las­sen muss, könn­te man fast anneh­men, die Läden sei­en in Wahr­heit gut­ge­tarn­te Light-Vari­an­ten eines Domi­na-Stu­di­os. „Wer ficken will, muss freund­lich sein“, lau­tet ein ande­res Sprich­wort und der auf­merk­sa­me Beob­ach­ter wird fest­stel­len, dass an mög­li­che Bett­part­ner somit deut­lich höhe­re Anfor­de­run­gen gestellt wer­den als an Ver­käu­fe­rin­nen. Trotz­dem haben mehr Leu­te Sex als einen Arbeits­platz im Dienst­leis­tungs­sek­tor.1

Beson­ders kon­ser­va­ti­ve Zeit­ge­nos­sen wer­den – „Freund­lich­keit hin oder her!“ – auch die Mei­nung ver­tre­ten, die­se „Boden­stän­dig­keit“ lie­ge nun mal im Wesen des Deut­schen, lächeln hin­ge­gen nicht. Nun weiß ich nicht, wie viel Pro­zent des Frem­den­ver­kehrs in Deutsch­land auf Leu­te ent­fal­len, die extra hier­her kom­men, um einen brum­me­li­gen Ber­li­ner Taxi­fah­rer oder einen pam­pi­gen Köbes in einem Köl­ner Brau­haus zu begu­cken. Aber wür­de man sol­che Leu­te über­haupt ken­nen­ler­nen wol­len?

Haben Sie noch einen schö­nen Tag!

1 Inwie­weit der inne­re Zwang eini­ger Deut­scher, immer und über­all rau­chen zu wol­len, damit zusam­men­hängt, möge ein jeder bit­te selbst ergrün­den.