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Neue Alben von Foo Fighters, Ben Folds, Noel Gallagher’s High Flying Birds, neue Songs von Victoria Canal, Demi Lovato

So vie­le tol­le neue Alben von per­sön­lich bedeut­sa­men Acts hat man sel­ten an einem Tag: Am 2. Juni erschie­nen „But Here We Are“ von den Foo Figh­ters, „What Mat­ters Most“ von Ben Folds und „Coun­cil Ski­es“ von Noel Gallagher’s High Fly­ing Birds. Und dann war da auch noch „Lucky For You“ von Bul­ly.

Dazu kom­men wei­te­re neue Songs von Vic­to­ria Canal, Annie Tay­lor und das ca. fünf­tau­sends­te Cover von Neil Youngs „Heart Of Gold“ — hier mit Bon Iver.

Alle Songs:

  • Foo Figh­ters – Bey­ond Me
  • Ben Folds – Kris­ti­ne From The 7th Gra­de
  • Noel Gallagher’s High Fly­ing Birds – We’­re Gon­na Get The­re In The End
  • Bul­ly – All I Do
  • Vic­to­ria Canal – Shape
  • Annie Tay­lor – Ride High
  • Demi Lova­to – Cool For The Sum­mer (Rock Ver­si­on)
  • Ilsey feat. Bon Iver – Heart Of Gold

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Ein bisschen Schwachsinn

Okay, fan­gen wir mit den wich­ti­gen Fak­ten an: Die Spre­cher­ka­bi­ne, in der Gra­ham Nor­ton sitzt und sei­ne Gra­ham-Nor­ton-Kom­men­ta­re abgibt, ist viel zu groß. Und zu hell. Und er scheint gar nicht zu frie­ren — aber viel­leicht hat er auch ein­fach sei­nen Ruck­sack vor die Lüf­tung gestellt, so wie wir es alle machen, um kei­ne Erkäl­tung zu bekom­men.

Seit 2013 sit­ze ich beim Euro­vi­si­on Song Con­test neben dem deut­schen Kom­men­ta­tor Peter Urban und das bedeu­tet, dass wir sechs Tage in einer klei­nen, kal­ten Kabi­ne ver­brin­gen, die auf einem wack­li­gen Gerüst in einer gro­ßen, dunk­len Hal­le in einer ansons­ten sicher­lich sehr sehens­wer­ten Stadt steht. Peter macht das seit 1997, Gra­ham Nor­ton seit 2009 — und er tut dies auch in „Euro­vi­si­on Song Con­test: The Sto­ry of Fire Saga“, dem aller­ers­ten Spiel­film, der sich mit dem euro­päi­schen Gesangs­wett­be­werb beschäf­tigt — und von Ame­ri­ka­nern für den ame­ri­ka­ni­schen Strea­ming­dienst Net­flix pro­du­ziert wur­de.

Will Fer­rell spielt Lars Ericks­song, einen islän­di­schen Musi­ker, der seit frü­her Kind­heit (genau­er: seit dem Sieg von ABBA 1974 in Brigh­ton) davon träumt, den Euro­vi­si­on Song Con­test zu gewin­nen. Sein Vater Erick (Pier­ce Bros­nan), ein hand­fes­ter islän­di­scher Fischer, hält davon wenig und das hei­mi­sche Publi­kum will von Lars und sei­ner Band Fire Saga, die im wesent­li­chen aus ihm und sei­ner Kind­heits­freun­din Sig­rit (Rachel McA­dams) besteht, immer nur die glei­chen islän­di­schen Trink­lie­der hören. Durch eine Ver­ket­tung eher unglück­li­cher Umstän­de pas­siert es aber, dass Fire Saga für Island am ESC teil­neh­men, und wer im Leben mehr als einen Film gese­hen hat, weiß, dass es exakt zwei Mög­lich­kei­ten geben kann, wie das Gan­ze endet (Spoi­ler Alert: es ist die eine, nicht die ande­re).

Der Plot die­ser Komö­die passt auf ein Stück Gold­kon­fet­ti, wie es am Ende jedes Song Con­tests von der Hal­len­de­cke reg­net. Der ESC ist in die­ser Geschich­te aber nicht nur der Hin­ter­grund, vor dem sich die Hand­lung ent­fal­tet, son­dern – der Titel deu­tet es schon an – auch der Mit­tel­punkt. Die ech­te Über­ra­schung, wenn sich Ame­ri­ka­ner eines so euro­päi­schen The­mas anneh­men, dem selbst hier mit einer sehr spe­zi­el­len Mischung aus hei­li­gem Ernst und Iro­nie begeg­net wird: es funk­tio­niert!

Denn streng genom­men soll­te es ja unmög­lich sein, sich über eine Ver­an­stal­tung lus­tig zu machen, bei der nie­mand weiß, wie augen­zwin­kernd Wind­ma­schi­nen, Trick­klei­der und Vier-Qua­drat­me­ter-Eis­lauf­bah­nen, die die gera­de vor­ge­tra­ge­nen Kom­po­si­tio­nen wahl­wei­se unter­stüt­zen oder von ihnen ablen­ken sol­len, eigent­lich genau gemeint sind, ohne sich die gan­ze Zeit über die­sen ver­meint­li­chen Schwach­sinn und jene, die ihn lie­ben, zu erhe­ben. Schwe­den hat es 2016 mit dem Inter­val Act „Love, Love, Peace, Peace“ (übri­gens geschrie­ben von unse­rem Kom­men­ta­to­ren-Kol­le­gen Edward af Sil­lén) in vier­ein­halb Minu­ten vor­ge­macht, „Euro­vi­si­on“ schließt dort in zwei Stun­den an, in denen wenig ande­res pas­siert als dass ESC ist.

Dan Stevens als Alexander Lemtov in "Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga"

Bei einer Par­ty, die der leicht über­kan­di­del­te (im Ver­gleich zu ech­ten ESC-Kan­di­da­ten dann aber doch eher boden­stän­dig wir­ken­de) rus­si­sche Teil­neh­mer schmeißt, hüp­fen gleich zehn ESC-Alum­ni durchs Bild und sin­gen mit dem Film-Cast ein Med­ley, in dem von „Water­loo“ bis zu Chers „Belie­ve“ alles abge­feu­ert wird, was die Camp-Kano­ne her­gibt. Die Cha­rak­te­re, die eigent­lich auch kaum mehr sind als Skiz­zen für Kari­ka­tu­ren, sind alle erstaun­lich lie­bens­wert und man merkt ihren Darsteller*innen an, wie viel Spaß sie bei die­sem quat­schi­gen Pro­jekt hat­ten. (Demi Lova­to muss nicht viel mehr tun als zu sin­gen, aber wer beim Super Bowl mit der Natio­nal­hym­ne von der Halb­zeit­show ablen­ken kann, füllt auch knapp zwei Minu­ten Scre­en­ti­me maxi­mal aus.) Will Fer­rell, der auch die Idee zu dem Film hat­te und gemein­sam mit Andrew Ste­e­le das Dreh­buch geschrie­ben hat, trägt für sei­ne Rol­le eine ange­grau­te blon­de Locken­per­rü­cke, wes­we­gen sich für das deut­sche Publi­kum eine ver­wir­ren­de Meta-Ebe­ne ergibt, auf der Tho­mas Gott­schalk sei­ne Dro­hung von 2001, am ESC teil­neh­men zu wol­len, doch noch wahr gemacht hat.

Die ein­zel­nen Songs und Insze­nie­run­gen, die im Film fast ein biss­chen zu kurz kom­men, sind erschüt­ternd authen­tisch: Von Fire Sagas „Dou­ble Trou­ble“ bis zum über-sexua­li­sier­ten „Lion Of Love“ (Russ­land) ist alles exakt so beim ESC vor­stell­bar. Die Net­flix-Crew hat sogar beim letzt­jäh­ri­gen Grand Prix in Tel Aviv in der ech­ten Hal­le gedreht — nicht gera­de zur Freu­de der tat­säch­li­chen Dele­ga­tio­nen aus den Teil­neh­mer­län­dern, deren Zeit­plan durch Son­der­pro­ben für Madon­nas schließ­lich über­aus unter­wäl­ti­gen­den Gast-Auf­tritt sowie­so schon arg ein­ge­dampft war. Und selbst eini­ge Sät­ze, die bei inter­nen Mee­tings und nach den Pro­ben fal­len, sind schmerz­haft nah dran an dem, was man dort so hört oder selbst sagt. Ech­te ESC-Fans wer­den natür­lich anmer­ken, dass man­che Details wie etwa die Punk­te­ver­ga­be im Halb­fi­na­le (also bit­te!?) falsch wie­der­ge­ge­ben wer­den, aber dann pas­siert schon wie­der etwas, was so lie­be­voll-absurd ist, dass zumin­dest eini­ge Anhän­ger dar­über hin­weg­se­hen dürf­ten.

Will Ferrell und Rachel McAdams in "Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga"

„Euro­vi­si­on“, ent­stan­den in enger Zusam­men­ar­beit mit der Euro­pean Broad­cas­ting Uni­on, dem Ver­an­stal­ter des ech­ten ESC seit 1956, ist eine Mischung aus „This is Spi­nal Tap“ und „Hil­fe, die Amis kom­men“ mit einem Hauch von „Litt­le Miss Suns­hi­ne“. Beim ame­ri­ka­ni­schen Publi­kum könn­te er dar­an schei­tern, dass die Ver­an­stal­tung, um die er kreist, weit­ge­hend unbe­kannt ist und voll­kom­men unrea­lis­tisch erscheint. Eigent­lich gedacht als Begleit­pro­gramm für den ech­ten Song Con­test, des­sen Rech­te Net­flix für die USA erwor­ben hat, ist der Film nach der Coro­na-beding­ten Absa­ge des ESC 2020 in Rot­ter­dam aber ein char­man­ter Ersatz für jene Mil­lio­nen Men­schen, die sich das Event jedes Jahr anschau­en. Und nächs­tes Jahr gibt es die Wind­ma­schi­nen und Trick­klei­der dann wie­der bei ech­ten Auf­trit­ten!

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Musik Radio

It’s Only Pop (But I Like It)

Zu den vie­len inter­es­san­ten Erfah­run­gen, die ich in Oslo gemacht habe, zählt die­se hier:

Nach­dem ich den ESC-Songs eini­ge Tage aus­ge­setzt war (die Ohr­wür­mer aus Däne­mark und Nor­we­gen sind immer noch nicht aus­ge­heilt), fand ich sie gar nicht mehr so schlimm. Mehr noch: Bei vie­len Songs, die uns der nor­we­gi­sche Top-40-Radio­sen­der im Früh­stücks­raum des Hotels jeden Mor­gen über unse­re Früh­stücks­flo­cken kipp­te, kamen Ste­fan und ich über­ein, dass das „jetzt auch irgend­wie eine Grand-Prix-Num­mer sein könn­te“. (Das spricht im Wesent­li­chen eher gegen Top-40-Musik im All­ge­mei­nen als für die Euro­vi­si­ons­bei­trä­ge, aber nun gut.)

Es ist psy­cho­lo­gisch eini­ger­ma­ßen erstaun­lich, wie groß der Kon­text, in dem wir einen Song ken­nen­ler­nen, unse­re Rezep­ti­on beein­flusst. Der bri­ti­sche Bei­trag (Stock/​Waterman) ist zwar ganz gro­ße Grüt­ze und völ­lig zu recht letz­ter gewor­den, er unter­schei­det sich in der Qua­li­tät des Song­wri­tin­gs aber nicht von ganz vie­lem, was man täg­lich so im Radio hört. Nur die Hemm­schwel­le der Musik­re­dak­tio­nen, eine Sin­gle auf Rota­ti­on zu neh­men, auf deren Hül­le „bekannt vom Euro­vi­si­on Song Con­test“ steht, ist offen­bar immer noch hoch. (Ande­rer­seits haben es die­ses Jahr immer­hin die Bei­trä­ge aus Bel­gi­en und Frank­reich ins Radio geschafft, der aser­bai­dscha­ni­sche Song – und die Nach­fol­ge­sin­gle von Saf­u­ra! – lief sogar im Musik­fern­se­hen. Lena lief ja eh über­all.)

Obwohl vie­le der ESC-Songs von den glei­chen Autoren und/​oder Pro­du­zen­ten stam­men wie vie­les von der Pop-Fließ­band­wa­re, die die Plat­ten­fir­men wöchent­lich mit Schub­kar­ren in die Funk­häu­ser kar­ren, beur­teilt der Hörer sie als min­der­wer­ti­ger, wenn er sie am Abend des Fina­les zum ers­ten Mal hört. Dabei hat man ja auch Ke$ha, Scou­ting For Girls oder Luxus­lärm irgend­wann zum ers­ten Mal gehört und fin­det sie, wenn man sie erst ein­mal wie­der­erkennt, viel­leicht nicht mehr so schei­ße. (Gut, Luxus­lärm sind da ein schlech­tes Bei­spiel, aber Sie ver­ste­hen, was ich mei­ne.)

Nun bin ich inzwi­schen viel­leicht ein biss­chen manisch gewor­den, was den Grand Prix angeht, aber ich muss ja immer­hin auch noch einen Song für den Wett­be­werb schrei­ben. Inso­fern beschäf­ti­ge ich mich seit drei Mona­ten etwas inten­si­ver mit leicht ver­dau­li­chen Pop­num­mern – und bin dabei kürz­lich über ein Lied gestol­pert (genau­er: WDR 2 hat mehr­fach damit auf mich ein­ge­schla­gen), das eine hun­dert­pro­zen­ti­ge moder­ne Grand-Prix-Num­mer ist:


Demi Lova­to Feat. Stan­four – Would­n’t Chan­ge A Th… – MyVi­deo

Das sind Stan­four (von der Nord­see­insel Föhr, Sie erin­nern sich) und Demi Lova­to (die Sie aus „Camp Rock“ ken­nen). Der Song stammt aus dem Sound­track zu „Camp Rock 2“, die­se spe­zi­el­le Ver­si­on wur­de extra für den deut­schen Markt auf­ge­nom­men zusam­men­ge­mischt. Im Film singt Joe Jonas von den Jonas Brot­hers und so lang­sam glau­be ich wirk­lich, dass die Dis­ney-Chan­nel-Fil­me das ame­ri­ka­ni­sche Äqui­va­lent zum ESC sind.

Jeden­falls: Ist das nicht der Wahn­sinn, wie die bei­den da gleich­zei­tig völ­lig unter­schied­li­che Tex­te sin­gen, die nur so mit­tel­gut inein­an­der­grei­fen? Das spart natür­lich Zeit, auch wenn die magi­sche Drei-Minu­ten-Mar­ke für Grand-Prix-Songs immer noch über­schrit­ten wird.

Aber dann die­se Midd­le 8, auf die sofort die Rückung folgt! Das ist Song­wri­ting vom Reiß­brett, ange­lehnt an die bewähr­ten Akkord­fol­gen von 3 Doors Down und Nickel­back. Die unge­stü­me Instru­men­tie­rung mit Schlag­zeug und E‑Gitarren, die Dyna­mik simu­lie­ren soll (heißt ja nicht umsonst „Camp Rock“), bei der aber auch der Oma nicht die Kaf­fee­tas­se aus der Hand fällt. Also im Prin­zip Bryan Adams kon­se­quent zu Ende gedacht.

Natür­lich ganz gro­ße Grüt­ze, der Song – aber ich fürch­te, ich habe ihn jetzt ein biss­chen zu oft gehört, um das noch zu erken­nen.