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Erinnert sich noch einer an “Wie Bitte?!”, die “Verbrauchershow”, die in den Neunzigern auf RTL über fiese Praktiken halsabschneiderischer Firmen und unfähiger Behörden aufgeklärt haben? Ich hab’s immer gern gesehen, wenn Geert Müller-Gerbes und sein Team sich den Fällen in leicht überspitzter Darstellung angenommen haben. Fester Bestandteil einer jeden Sendung waren die “Drei mit den Mützen”, womit stets die Telekom gemeint war, die schon Mitte der Neunziger viele Gründe für Beschwerden lieferte. Und obwohl sich Fernsehprogramme und Kopfbedeckungen ändern: Eine neue Episode hätte auch ich beizusteuern.
Ich habe seit knapp vier Jahren einen schlichten Analog-Standardanschluss beim Rosa Riesen. Gehabt. Denn selbst wenn man den geringsten monatlichen Grundpreis auf drei Leute aufteilt, ist es doch irgendwann praktischer, sich einen neuen Handyvertrag zu erlauben. Folglich habe ich den Anschluss im Einverständnis aller Beteiligten gekündigt.
Die erste Reaktion auf meine Kündigung kam überraschend schnell: Bereits ein paar Tage später wies mich die Telekom in einem Schreiben darauf hin, dass die Kündigung eingegangen sei und alles weitere sowohl schriftlich als auch telefonisch geregelt werden solle, und zwar schon in der darauffolgenden Woche. Doch weder klingelte das Telefon noch der Postbote zweimal und so dachte ich mir auch nicht viel dabei, als ich am 1.10., also vor einer Woche, wie gewohnt das Telefon abhob und plötzlich nicht mehr telefonieren konnte. Ebenso bekam jeder, der uns erreichen wollte, nur eine Stimme vom Band zu hören, dass dieser Anschluss nicht mehr vergeben sei. Danke, liebe Telekom. Am Donnerstag hatte ich es dann auch schriftlich: Ein Schreiben datiert vom 2. Oktober teilte mir mit, dass mein Vertrag zum 26.9. beendet werde. Vielen Dank für diese zeitnahe Benachrichtigung.
Weil es “Wie Bitte?!” nicht mehr gibt, werfe ich mich jetzt mal in das Theo-West-Kostüm und verleihe der Telekom feierlich einen goldenen Pannenmann für ihre aufopferungsvolle Kundenbetreuung.
Als ich gestern “Das Model und der Freak” sah, dachte ich, dass es doch ein bisschen beunruhigend wäre, wenn dort einmal ein ehemaliger Klassenkamerad als “Freak” auftauchte. Möglicherweise hätte man sich mit unüberlegten pubertären Sprüchen oder der Wahl des Betreffenden zum “Schüler, der einmal in den Nachrichten erscheinen wird” in der Abizeitung mitschuldig daran gemacht, dass der Arme nun von halbnackten Models in küchenpsychologische Gespräche verwickelt wird.
Dann dachte ich: Noch tragischer wäre doch, wenn man als Frau vor dem Fernseher sitzt und seinen Ex-Freund durch eine solche Sendung gescheucht sieht. Der neue Lebenspartner (oder gar Ehemann) sitzt mit einem Teller Möhren und einer Schüssel Kräuterquark auf dem Sofa neben einem und man muss jetzt ganz genau überlegen, ob das die richtige Situation ist, ihm seinen Vorgänger vorzustellen.
Dann erinnerte ich mich an ein Gespräch, das ich mal in einem Café mitbekommen hatte: Eine junge Frau erzählte einer anderen, sie habe kürzlich mit ihrem Ex-Freund telefoniert und als sie diesen gefragt habe, wie es ihm gehe, habe der geantwortet, er sei jetzt mit Soundso zusammen und Soundso war der Name eines Mannes und der Ex-Freund demnach auf einmal schwul. Ich konnte gerade noch an mich halten, mich zu den beiden umzudrehen, mich vorzulehnen und in Reinhold-Beckmann-Tonfall zu fragen: “Wie fühlt man sich in einer solchen Situation? Zweifelt man da nicht an seiner eigenen Weiblichkeit?” Aber dann dachte ich mir, dass Reinhold Beckmann (ob echt oder falsch) der letzte ist, den man in einer solchen Situation um sich haben möchte.
Früher, als es im Fernsehen nur drei Kanäle gab, war man noch sicher: Ins Fernsehen kam nur, wer Politiker, Sportler oder Kandidat bei “Wetten, dass…?” war. Dann kamen die Privatsender und rissen die vierte Wand, von der sie vermutlich nicht mal wussten, dass sie existierte oder wer sie dahingestellt hatte, ein. Aber auch nach über zwanzig Jahren haben die Leute auf der Straße nicht begriffen, dass die einzig angemessene Reaktion auf eine Fernsehkamera und einen überdrehten Reporter ist, schnell wegzulaufen und während der Flucht mit den eigenen Anwälten zu drohen, falls dieser Irrsinn ausgestrahlt werden sollte. Nein, die Leute sind immer noch ganz ehrfürchtig, wenn sie von albernen Franzosen, die in ein Baguette sprechen, oder TV-Total-Mitarbeitern angequasselt werden.
Einen, der dieses journalistische Subgenre in Deutschland “groß” gemacht hat, sah ich neulich in der Essener Innenstadt: Theo West. Von weitem sah ich, wie er unvermittelt neben (meist älteren) Passanten auftauchte und sie mit vermutlich dadurch schon so weit irritierte, dass sie ihm später glauben würden, Bundeskanzlerin Merkel habe auf dem Essener Wochenmarkt einen Stand mit selbstgekochter Walnussmarmelade eröffnet (oder was immer er ihnen erzählte). Ich merkte, dass ich kaltschweißig wurde und inständig hoffte, dieser Knilch möge an mir vorübergehen. Ich hätte versucht sein können, witzig oder schlagfertig zu sein (zwei Eigenschaften, die ich für mich nie in Anspruch genommen habe), und das hätte neben einem solchen Vollprofi richtig peinlich wirken können. Da hätte nur noch apathisches Stieren direkt in die Kamera eine Ausstrahlung vermasseln können (so bin ich mal dem damaligen Musiksender Viva entkommen).
Aber selbst, wer die Essener, Kölner und Berliner (wo man immerhin noch von Carsten van Ryssen verarscht werden konnte) Innenstadt meidet, ist nicht mehr sicher: Seit neuestem läuft man auch zuhause Gefahr, von Sendungen wie “Quiz-Tour” belästigt zu werden. Mein schlimmster Alptraum indes wäre, dass Tine Wittler bei mir klingelte, um mediterrane Wischtechnik und Stauraum in meine vier Wände zu bringen, auf dass ich zukünftig lieber unter einer Brücke schliefe als daheim. Wo sind die Leute, die immer mit dem Grundgesetz wedeln, eigentlich, wenn öffentlich derart gegen die Unverletzlichkeit der Wohnung verstoßen wird?
All dies sind natürlich Extrembeispiele; Ängste, die – wie die allermeisten Ängste – unbegründet sind. So habe ich jahrelang wiederholt geträumt, in einem Fahrstuhl zu sein, der wahlweise abstürzt oder nach oben durch die Decke schießt. Das ist insofern faszinierend, als ich im wachen Zustand keinerlei Probleme mit großen Höhen oder Fahrstühlen habe – mit der Einschränkung, dass ich panische Angst davor habe, gemeinsam mit Jürgen Drews und Gülcan Karahanci in einem Fahrstuhl stecken zu bleiben. Da ich aber weder dem “König von Mallorca”, noch der Plaudertasche von Viva bisher begegnet bin, basiert auch diese Angst mehr auf der vagen Möglichkeit, ein solches Ereignis könne eintreten, als auf persönlichen Erfahrungen. Noch unwahrscheinlicher ist lediglich der Traum, den ich kürzlich hatte, und in dem ich zum Bundesvorsitzenden der Jungen Union gewählt worden war. Der war aber auch schrecklich.