Kategorien
Rundfunk Digital Fernsehen Gesellschaft

Ottos Mob kotzt

Es ist das beherrschende Thema der Medienseiten deutschsprachiger Onlinemagazine am heutigen Tag: der unglaublich unsympathische Kandidat Hans-Martin, der bei “Schlag den Raab” eine halbe Millionen Euro gewonnen hat. Weniger gegönnt hat das deutsche TV-Publikum einen Sieg zuletzt der italienischen Fußballnationalmannschaft am 4. Juli 2006.

Falls Sie die Sendung verpasst haben sollten und sich fragen, warum ein einzelner Spielshow-Kandidat stärkere Emotionen auslöst als ein ganzer Bundestagswahlkampf, beantwortet Stefan Niggemeier Ihnen die erste Frage im FAZ.net-Fernsehblog. Zur Beantwortung der zweiten Frage hoffe ich noch einen Psychologen zu gewinnen.

Noch während die Sendung lief, wurden Hans-Martin-Hassgruppen bei StudiVZ gegründet und T-Shirt-Motive angefertigt, die sich über den Kandidaten lustig machten (das habe ich alles nur gelesen — unter anderem in einem inzwischen wieder gelöschten Artikel bei Opinio, dem Leser-schreiben-für-Leser-Portal von “RP Online” und bei community-management.de).

Die deutschsprachige Netzcommunity … Nee, anders: Die deutschsprachige Netzcommunity gibt es natürlich nicht, da kommt man ja in Teufels Küche, wenn man die irgendwie zusammenfassen würde. Es sind eben immer Hunderte von Individuen, die fast wortgleich das gleiche in den Äther schießen (bei Twitter gut zu erkennen am “RT:”, das in Sachen Aussagekraft noch weit unter dem “Me too!!!!1” der AOL-Usenet-Ära und unter dem “Like”-Button bei Facebook liegt).

Hunderte Individuen gaben sich also jeder für sich die größte Mühe, alle Klischees vom digitalen Mob zu bestätigen: “Hassmartin” tauften sie den Kandidaten und straften damit gleich auch noch all jene Lügen, die gedacht hatten, hirnfreiere Namenswitze als “Zensursula” könnten nun wirklich keinem Menschen über 13 mehr einfallen. Für ein “#piraten+” war in den Tweets dann leider kein Platz mehr, das hätte man doch schön kombinieren können.

Twitter ist ja eh nicht gerade als das Medium bekannt, das den Siegeszug der Aufklärung endlich abschließen könnte: 140 Zeichen kann man auch eben schnell tippen, ohne dass man das Gehirn zwischen Galle und Finger schalten müsste. Twittern ist oft genug der Sieg des Affekts über die Reflektion, Hauptsache man ist der Schnellste — besonders bei der Eskalation. Heute stehen die Web-2.0er fassungslos vor den rauchenden Trümmern ihres eigenen “Pogroms” (natürlich auch nicht alle) und wirken dabei ein bisschen wie die Schüler am Ende von “Die Welle”, als ihnen gesagt wird, dass sie alle gute Nazis abgegeben hätten.

Kategorien
Fernsehen Rundfunk

Erste Schlag-Sahne

so langweilig war schlag den raab glaub ich noch nie

(Stefan Niggemeier, gestern Abend um 23:29 Uhr via ICQ)

Ziemlich exakt zwei Stunden später (und damit eine gute Stunde nach dem anvisierten Ende der Sendung) konnte der Kandidat Olufemi, der zuvor desaströs zurückgelegen hatte, seinen Gewinn im Empfang nehmen: 2,5 Millionen Euro, den Jackpot aus fünf Sendungen, und damit die höchste Summe, die man je aus eigener Kraft im deutschen Fernsehen hatte gewinnen können.

Und das macht unter anderem den Reiz von “Schlag den Raab” aus: dass selbst professionelle Fernsehzuschauer wie Stefan mitten in der Sendung deren Ende nicht erahnen können. Ich selbst hatte erst um Viertel nach Zehn eingeschaltet und damit in zwei Stunden Sendung gerade mal die Kandidatenauswahl verpasst – und die ersten vier Spiele, die Olufemi ebenso verloren hatte wie das folgende fünfte, dann das siebte und etliche weitere.

“Wie kann es denn sein, dass ich von den fünfzehn Spielen schon acht gewonnen habe und trotzdem noch weitermachen muss?”, fragte Stefan Raab dann auch vor dem alles entscheidenden letzten Spiel. Wer sich so einen Quatsch denn ausgedacht habe? Letzteres war wohl eher als Witz gemeint, aber aus Sicht der Zuschauer ist es eindeutig ein Lob. Die Idee, dass es im erste Spiel gerade mal einen Punkt zu holen gibt, im zweiten zwei, und immer so weiter bis zu den fünfzehn Punkten im fünfzehnten Spiel, macht die Sendung auch bei maximaler Länge (fünfeinviertel Stunden sind in etwa doppelt so lang wie eine durchschnittliche Ausgabe von “Verstehen Sie Spaß?”) noch spannend. Im Idealfall, der gestern fast erreicht worden sein dürfte, wird es eben erst in den letzten zweieinhalb Stunden richtig spannend.

Gerade der Umstand, dass die ersten fünf Spiele geschlossen an Raab gingen, erzeugten beim Publikum zunächst einmal Mitleid mit dem Kandidaten, das sich dann in aufrichtige Unterstützung wandelte. Der völlig verbissene Großentertainer brauchte vielleicht genau diesen Herausforderer, der nach dem verlorenen Jetski-Rennen aus dem Wasser gezogen werden musste, zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht mehr wie ein Gegner wirkte und schließlich doch noch zurückkam.

Dass die Sendung dann ausgerechnet mit einem Elfmeterschießen endete (also einem tatsächlichen), wirkte angesichts eines Kandidaten, der Regionalligafußball spielt und bei 1860 München im Marketing arbeitet, schon fast ein bisschen inszeniert. Trotz Raabs Schwäche war das Elfmeterschießen angesichts des winkenden Gewinns dann ungefähr so spannend wie das Shoot Out zwischen Deutschland und Argentinien bei der Fußball-WM vor zwei Jahren.

Man kann es gar nicht oft genug schreiben: Ausgerechnet Stefan Raab, der stets belächelte “Blödelmoderator” hat die große Samstagabendshow zurück ins Fernsehen gebracht (viel mehr: die ganz große Spielshow im Stile von “Spiel ohne Grenzen”, das ja gar nicht am Samstagabend lief). Der Trick dabei ist (neben der Abwechslung von Sport-, Geschicklichkeits- und Wissensspielen), nicht mehrere unbekannte Kandidaten gegeneinander antreten zu lassen, sondern immer nur einen gegen den als fast krankhaft ehrgeizig bekannten Stefan Raab. So liegen die Sympathien fast immer beim Kandidaten – außer, der ist so blass wie der Herausforderer Anfang April.

Wie ernst es Raab in dieser Sendung wirklich ist, stellte er dann gestern auch noch mal eher unfreiwillig unter Beweis: als er bei einem Spiel eine falsche Antwort gab, schlug er mit der flachen Hand so fest auf sein Pult, dass er die Glasabdeckung zum Bersten brachte.