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A trotter a day …

Mit Geheimtipps ist es ja immer so eine Sache: Ein Teil der Leute, denen man davon berichtet, guckt einen mitleidig an und sagt “aber das ist doch soooooo alt” (im Internet wird das meist weit weniger freundlich ausgedrückt), während einem ein anderer Teil der Leute (nicht selten die, von denen man gedacht hatte, sie würden “aaaalt” sagen) dankbar um den Hals fällt. Oder sowas in der Art.

Weil eine Person der zweiten Gruppe zehn der ersten übertönt, möchte ich Ihnen heute Daytrotter ans Herz legen.

Das ist ein Website, auf der man sich exklusive Aufnahmen verschiedenster Bands und Künstler anhören kann. Oder (nach einer kurzen Anmeldung) herunterladen. Kostenlos. Legal.

So ziemlich alles, was im (meist nordamerikanischen) Indie-Bereich Rang und Namen hat, war schon mindestens einmal im Daytrotter-Studio: Death Cab For Cutie, Bon Iver, The Hold Steady, Rogue Wave, Ron Sexsmith, The Ting Tings, Vampire Weekend, Ingrid Michaelson, Fleet Foxes oder The Acorn z.B., die ich Ihnen schon dringend empfehlen wollte, seit ich sie im Vorprogramm von Bon Iver gesehen habe.

Auf der Seite kann man also wunderbar neue Musik entdecken (und anders als bei MySpace, YouTube oder last.fm auch für unterwegs herunterladen), während man sich als Fan über die einmaligen Aufnahmen freut, deren Arrangements mitunter von den Albumversionen abweichen. Manche Künstler spielen auch Coverversionen. Aber Vorsicht: Wenn man einmal ins Archiv hinabgestiegen ist, kann es schon mal sein, dass man dort mehrere Stunden verbringt.

So etwas ähnliches nur ohne Downloads (da hätte vermutlich auch die GEMA wieder was gegen) und mit kleinerem Archiv gibt es übrigens auch in Deutschland: bei Rote Raupe.

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Listenpanik 04/08

Nächste Woche ist ja fast schon wieder Juni, da sollte ich so langsam aber sicher doch mal alle Veröffentlichungen des Monats April durchgehört und geordnet haben. Habe ich natürlich nicht, weswegen ich die Liste traditionell bereits in fünf Minuten wieder umwerfen werde. Aber dann steht sie ja schon hier:

Alben
1. Sir Simon – Battle
Man muss sich das immer wieder erstaunt vor Augen halten: dieses Album ist wirklich in Deutschland entstanden, nicht irgendwo in den breiten Prärien der USA. “Battle” ist ein ganz wunderbares Folkpop-Album, das abwechselnd an Ryan Adams, Wilco, Maritime und die Weakerthans erinnert. Definitiv mein mit-dem-Zug-durch-die-Provinz-juckel-Album des Jahres.

2. kettcar – Sylt
Vorher war ich einigermaßen skeptisch, nach den ersten Hördurchläufen war ich irgendwie enttäuscht, aber dann erschloss sich mir “Sylt” doch noch Stück für Stück. kettcar trauen sich was mit ihrem dritten Album und ihr Mut wird belohnt. Ein Album wie das Debüt wird ihnen wohl nie mehr gelingen, aber die Band ist klug genug, es auch nicht mehr zu versuchen. [mehr dazu]

3. Rogue Wave – Asleep At Heaven’s Gate
Muss auch mal sein: gradliniger amerikanischer Indierock ohne allzu große Mätzchen. Halt einfach: schön. So wie Nada Surf und Death Cab For Cutie, mit denen Rogue Wave auch schon des öfteren unterwegs waren. Noch ein, zwei Einsätze in den richtigen TV-Serien, und die Band geht auch in Deutschland durch die Decke.

4. Portishead – Third
Portishead sind einer der weißen Flecken auf meiner musikalischen Landkarte: meine Musiksozialisation begann zu einer anderen Zeit und in einer anderen Ecke, und während ich die stets im gleichen Atemzug genannten Massive Attack noch für mich erschlossen habe, blieben Portishead (auch in Ermangelung aktuellen Materials) immer außen vor. An ihrem dritten Album in 15 Jahren führte aber kein Weg dran vorbei und so habe ich mich der Herausforderung auch mal gestellt: “Third” ist eines dieser Alben, bei denen man sich fragt, warum es eigentlich als “Unterhaltungsmusik” bezeichnet wird, während das Gefiedel von André Rieu “ernsthafte Musik” sein soll. Kunstpop durch und durch, der sich mir nur teilweise erschließen und mich auch nur teilweise begeistern will. Wie auch schon beim letzten Radiohead-Album gilt aber: zweifelsohne große Kunst.

5. Kaizers Orchestra – Maskineri
Als Kaizers Orchestra vor fünf Jahren auf dem Haldern Open Air auftauchten, hinterließen sie gleichermaßen fassungslose wie begeisterte Massen. Ihr norwegischer Gypsie-Rock war anders als das meiste, was man bis dahin gehört hatte. Auf ihrem vierten Album klingt die Band nicht mehr so exotisch wie früher, hat aber ganz klar immer noch eine musikalische Sonderstellung. Es rumpelt, es pumpt, es sägt und es macht einfach Freude.

Songs
1. Mêlée – Built To Last
Ich habe einen soft spot für amerikanischen College Rock. Wenn dann noch ein Klavier dazukommt, bin ich (s. The Fray, Straylight Run oder OneRepublic) sehr schnell überzeugt. Die Musik von Mêlée fand ich schon auf ihrem letzten Album recht hübsch, diesmal könnte es einer größeren Gruppe so gehen. Falls Sie nicht wissen, worum es geht: “Built To Last” ist der Song, der immer läuft, wenn Sie WDR2 einschalten. Und mit “immer” meine ich immer.

2. Soko – I’ll Kill Her
Klar: ohne den französischen Akzent wäre diese Stalker-Hymne (inkl. der titelgebenden Morddrohung) nur halb so lustig. Aber Stéphanie Sokolinski singt eben mit diesem französischen Akzent und dieser mitleidsheischenden Stimme und verwandelt diesen Song so in ein ganz wunderbares Kleinod.

3. Phantom Planet – Do The Panic
Nachdem ihr letztes Album, Entschuldigung: ziemliche Grütze war, unternehmen Phantom Planet jetzt einen ernstzunehmenden Versuch, den “California”-Fluch des One Hit Wonders zu brechen. Es könnte klappen: “Do The Panic” ist wieder großartiger Pop, voller Chorgesänge, toller Harmonien und Sixties-Anleihen. Nur blöd, dass die ganzen Radiosender grad immer noch “When Did Your Heart Go Missing” von Rooney spielen …

4. MGMT – Time To Pretend
Believe the hype: die New Yorker Band MGMT (hießen früher The Management) spielen modernen Indierock mit elektronischen Einflüssen und klingen trotzdem spannend. Also: spannender als das meiste, was jetzt noch aus Großbritannien kommt. In der viel zitierten gerechten Welt wäre “Time To Pretend” einer der Sommerhits des Jahres, aber ob es wirklich so toll wäre, das Lied ständig aus scheppernden Mobiltelefonen im Regionalexpress zu hören, ist eine berechtigte Frage.

5. Portishead – Machine Gun
Endlich mal ein Stück, das seinem Titel gerecht wird: selten in der Geschichte der Musik ist eine vollautomatische Schnellfeuerwaffe anschaulicher vertont worden als in diesem … äh: Lied. Gut: es hätte auch “Zahnarztbohrer” heißen können, und öfter als einmal am Tag sollte man sich dieses Hämmern auch nicht anhören, aber wenn Kunst wirklich weh tun muss, ist “Machine Gun” sehr große Kunst.

[Listenpanik – Die Serie]