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Rundfunk Digital

Kalter Kaffee und TV

Das medienforum.nrw galt einmal als bedeutender Branchentreff. Zeitgleich wurde es auch immer als irrelevante Nabelschau gescholten, was im Wesentlichen ein Synonym für “bedeutender Branchentreff” ist. In diesem Jahr findet es zum zwanzigsten Mal statt, weckt keine großen Erwartungen mehr, und das ist doch ein guter Grund, persönlich in Köln vorbeizuschauen.

medienforum.nrw: Eingang

Das Grußwort von Oberbürgermeister Fritz Schramma können Sie sich ganz leicht selber basteln, wenn Sie nur oft genug die Worte “Standortfaktor”, “Medien” und “Kreativwirtschaft” in einen Blindtext einfügen. Die Einführung von Prof. Norbert Schneider, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW und damit Gastgeber des Medienforums, war da schon deutlich gehaltvoller und vor allem: witziger. Schneider blickte vor allem auf die letzten zwanzig Jahre zurück und fasste zusammen, wie viel sich in der Zeit verändert hat – oder auch wie wenig. Außerdem wünschte er sich in Zeiten in denen “Verleger Intendanten und Intendanten Verleger werden wollen”, dass sich alle ein bisschen mehr auf ihre Kernkompetenzen besinnen, was man angesichts der aktuell tobenden und auch kurz nach seiner Rede wiederaufgeführten Diskussion wahlweise als weltfremde Einlassung oder als ausgesprochen klugen Gedanken sehen kann.

Die “medienpolitische Grundsatzrede” von Ministerpräsident Rüttgers sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Sie war ungefähr doppelt so lang wie geplant, bot aber nicht viel neues. Allenfalls die deutliche Ansage an die EU-Kommission, sie möge gefälligst endlich mal aufhören, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Frage zu stellen, blieb hängen.

Und dann sollte das kommen, worauf alle gewartet hatten: Schlammcatchen mit Beil und Morgenstern, inklusive Haareziehen und Fingernägelausfahren. In der großen Diskussionsrunde, drei Tage bevor die Ministerpräsidenten sich über dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag zusammenhocken, sollten Vertreter der öffentlich-rechtlichen und privaten Sender noch einmal aufeinanderstoßen, begleitet vom Gemurmel der Printbranche. RTL-Chefin Anke Schäferkordt und WDR-Intendantin Monika Piel waren beim Projekt “Zickenterror” aber allenfalls halbherzig bei der Sache und überhaupt schien es, als hätten alle Diskussionsteilnehmer vorab unterschreiben müssen, dass sie der Diskussion auf keinen Fall neue Aspekte hinzufügen würden: die Öffentlich-Rechtlichen wollen sich von der Politik nicht einschränken, ja: “zensieren” lassen; die Privaten sehen im Wettbewerb mit gebührenfinanzierten Sendern keinen echten Wettbewerb.

Sandra Maischberger moderierte gewitzt und so souverän, dass man völlig vergessen konnte, dass ihre eigene Sendung ja auch bei einem öffentlich-rechtlichen Sender läuft; ZDF-Intendant Markus Schächter redete viel und sagte doch immer nur das selbe; Jürgen Doetz vom Verband Privater Rundfunk und Telemedien grantelte, wie er das dem Vernehmen nach seit zwanzig Jahren tut, und Ulrich Reitz von der Zeitungsgruppe WAZ erklärte, dass Printredakteure nun Online- und Videokompetenz erwerben müssten – wenn sie soweit sind, wird man dies vielleicht auch bei derwesten.de, dem Onlineportal der WAZ-Gruppe, sehen können.

Aber das alles ist Brauchtum: auf dem Podium sagen alle, was sie immer sagen, und hinterher sitzen die Journalisten zusammen und sagen wie immer, dass alle ja nur gesagt hätten …

Alles was Rang und Namen hat - und nichts besseres vor

Die Idee, auch die Technikseite zu Wort kommen zu lassen, war keine schlechte, aber angesichts der aktuellen medienpolitischen Diskussion kamen die Vertreter von Satelliten- und Kabelanbietern kaum zu Wort. Überraschender Sympathieträger der Runde war René Obermann, der Vorstandsvorsitzende der Telekom, der das ganze einstudierte Gekeife völlig entspannt an sich vorbeiziehen ließ und mit feinem Galgenhumor in der aktuellen Abhöraffäre die größten Lacher erntete.

Wenn man aus dem großen Rauschen etwas mitnehmen konnte, dann das neue Mantra der Medienbranche das “Internetvideo ist die Zukunft” heißt und in meinen Augen ziemlicher Blödsinn ist. YouTube ist ja nicht so erfolgreich, weil man sich dort online Videos anschauen kann, sondern wegen der Inhalte, die man sich dort ansehen kann. Und wenn ich im Internet Videonachrichten sehen will, dann doch bitte in gewohnter Qualität und von Menschen, die sowas jeden Tag machen (also von Fernsehleuten), und nicht von Print-Redakteuren, die widerwillig einen Camcorder halten. Dass die Print-Vertreter Texte im Internet als “elektronischen Print” und die Fernsehleute Internet-Videos als “Fernsehen” bezeichnen, zeigt eigentlich nur, in welchen Schablonen Menschen denken, die von “Medienkonvergenz” reden.

Überhaupt: Von welchem Wettbewerb im Internet reden die eigentlich alle? Wenn ARD und ZDF ihre (ja mitunter doch recht guten) Reportagen aus dem In- und Ausland nicht mehr ins Internet stellen dürften, weil die ja mit den Gebühren der … äh: Zuschauer finanziert wurden, würde dadurch doch nicht plötzlich die bisher nicht vorhandene Qualität des RTL-Infotainments steigen. Und wenn ich “Dr. House” online sehen könnte, würde ich das natürlich bei rtlnow.de tun, das “Heute Journal” finde ich in der ZDF-Mediathek. Das sind zwei Paar Schuhe und ich will das sehen, was mich interessiert, und nicht das, was die Politik mir zugesteht.

Später war ich bei einer Diskussion über die Zukunft der deutschen Serie, bei der sich alle Teilnehmer darüber einig waren, dass etwas geschehen muss, sie aber alle nicht wissen, was. Nachmachen von US-Serien klappt nicht, neue Ideen hat entweder keiner oder sie interessieren den Zuschauer nicht. In der Selbsthilfegruppenhaftigkeit kam die Runde auf gute 0,8 Musikindustrien.

Unterhaltsam wurde es beim Veteranentreff mit Prof. Norbert Schneider, Jürgen Doetz, Christiane zu Salm und Prof. Helmut Thoma. Das hatte in der Tat viel von der vorher prophezeiten Muppet-Show, aber wenig zu tun mit dem Jahr 2008. Norbert Schneider bestätigte die schlimmsten Annahmen über die überbürokratisierten Landesmedienanstalten, als er anmerkte, man würde auch pharmazeutische Lizenzen ausgeben, wenn man das Recht dazu hätte. Christiane zu Salm, zu deren größten Verdiensten der erste Fernsehsender mit ironischem Namen (MTV, music television) und die Erfindung von Call-In-Sendungen zählt, erzählte das, was sie immer erzählt, seit sie Chefin der Cross-Media-Abteilung bei Burda ist. Jürgen Doetz hatte sein Pulver schon in der vormittäglichen Diskussion verschossen, so das alles an Helmut Thoma hängen blieb. Der ewige RTL-Chef ist inzwischen Berater bei Axel Springer und tourt mit einer Sammlung seiner besten Bonmot von früher und heute über deutsche Podien:

  • “Digitalisierung ist ein Transportweg, nicht ein Inhalt. Ein Joghurt, den ich mit einem Elektrokarren in den Laden schaffe, ist ja auch kein Elektro-Joghurt.”
  • “In Deutschland besteht eine größere Vielfalt unter den Landesmedienanstalten, als unter den Programmen.”
  • “Wir haben kein duales System mehr, sondern eines für jüngere Zuschauer und eines für ältere”
  • “Die Öffentlich-Rechtlichen werden sicher auch nach dem Verbleichen des letzten Zuschauers noch wunderbar funktionieren.”

Und das medienforum.nrw wird allem Gemecker und aller Redundanz zum Trotz auch in zwanzig Jahren noch die gleichen Diskussionen führen. Anders wär’s ja auch langweilig.

Daniel Fiene ist auch auf dem medienforum.nrw und schreibt darüber hier und hier.

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Radio Rundfunk

Wenn Campusradios ihre Tage haben

Am Samstag wurde CT das radio, das älteste Campusradio Nordrhein-Westfalens, zehn Jahre alt. Gefeiert wurde mit einer endlosen (ca. 16 Stunden dauernden) Live-Sendung mit beinahe allen High- und Lowlights der Sendergeschichte, mit einer großen Party im Mensafoyer und mit einem offiziellen Teil, dem Campus-Radio-Tag1 der Landesanstalt für Medien NRW (LfM).

Letzteres war eine Art Konferenz, auf der sich Campusradio-Macher aus ganz Deutschland treffen und austauschen sollten. Ich war als ehemaliger Mitarbeiter und Chefredakteur von CT zum ersten Mal bei einer solchen Veranstaltung und mein Interesse an einer Wiederholung schwand mit jeder Minute der “Workshop” genannten Podiumsdiskussionen. Ein wenig erinnerten die “Panels”, also die Menschen, die da vorne zum Diskutieren saßen, nämlich ein bisschen an das, was die Kollegen so immer von den Treffen hauptberuflicher Journalisten berichten.

Nein, das war jetzt ungerecht. Aber es gibt schon Parallelen: Wie in den großen Sendeanstalten und Zeitungsredaktionen, so gibt es auch bei den Campusradios Leute, die mit viel Herzblut und Energie (und in den meisten Fällen auch noch ohne Bezahlung) am Programm arbeiten, und Leute, die sich hinstellen und schön daherreden.

Leider (oder glücklicherweise) boten die einzelnen “Workshops” keine Möglichkeiten zu Diskussionen, geschweige denn zu kontroversen. Zwar glaube ich nicht, dass auch nur einer der Diskutanten angefangen hätte, Internetmedien als “Müll” oder “Scheißhäuser” zu bezeichnen (für solche Ausfälle wären sie wohl auch nicht alt oder verbittert genug), aber irgendwas spannendes hätte durchaus mal passieren können.

In der Diskussionsrunde “Personalmanagement im Campus-Radio” (s.a. das Liveblog von Dominik Osterholt bei Radio Q) ging es um die in der Tat brisante Frage, wie man in Zeiten verschulter Studiengänge und Studiengebühren überhaupt noch Mitarbeiter mit Tagesfreizeit finden könne. Nur Antworten gab es leider keine. “Wieder mal”, muss man sagen, denn das Thema ist natürlich mindestens ebenso alt wie die Bachelor-/Master-Studiengänge.

Echte Lösungsvorschläge hätte ich auch keine, aber die Frage, warum man als Mitglied einer Fachschaft (und manche Studiengänge haben fast so viele Fachschafts-Mitglieder wie Studenten) die Studiengebühren erlassen kriegt, nicht aber als Mitarbeiter eines Campusradios, das die Uni ja auch weit nach außen hin repräsentiert. Vielleicht stellt die ja noch mal jemand seiner Uni-Verwaltung.

Erfreulich hingegen ist, dass sich viele Radios im Moment nicht über fehlende Mitarbeiter beklagen. In Bochum kann man sein Radio-Praktikum aber zum Beispiel für die credit points des Bachelor-Studiums anrechnen lassen – wie viele Praktikanten hinterher weitermachen, lässt sich nie vorhersagen. Wolfgang Sabisch vom Münchener Ausbildungsradio M94.5 sagte deshalb den interessanten Satz, man müsse sich von dem Gedanken verabschieden, dass man als Campus- oder Ausbildungsradio immer eine gleichbleibende Qualität liefern könne. Ich sehe das durchaus ähnlich, hätte ihm aber noch deutlicher zugestimmt, wenn er statt Qualität von Quantität gesprochen hätte. Denn das Schöne an Campusradios (zumindest in NRW) ist ja, dass man nur zu zwei Stunden Liveprogramm pro Werktag verpflichtet ist und man nicht wie öffentlich-rechtliche oder Privatsender gezwungen ist, seine Musikschleife immer wieder mit schlechten Beiträgen oder nervigen Gewinnspielen zu unterbrechen.

Um die Programminhalte ging es dann im nächsten Workshop (s.a. das Radio-Q-Liveblog), genauer: um neue Programmideen. Das hatte dem Kollegen von Radio Hertz aus Bielefeld leider niemand gesagt, so dass der erst einmal zehn Minuten seine Person und die allgemeine Programmstruktur seines Senders vorstellte. Als in seiner Powerpoint-Präsentation dann die Schrift ins Bild zu fliegen begann, musste ich den Saal verlassen, um mich an der frischen Luft zu beruhigen.

Zuvor hatte ich aber immerhin noch zwei interessante Sendekonzepte kennenlernen dürfen: das Auslandsmagazin “Hin & Weg” von Radio Sirup aus Siegen und die englischsprachige “Miller & Johnson Show” beim CampusRadio Bonn. Denn auch das ist ja das Schöne an Campusradios: Man kann ohne Quotendruck und Gremien-Terror neue Ideen ausprobieren. Hinterher enden ja eh alle Moderatoren bei Einslive und Das Ding.

Interessant und sogar unterhaltsam wurde es erst in der letzten Diskussionsrunde. Das interessante war das Thema “Campusradios auf dem Weg von der analogen in die digitale Welt” (Liveblog), das unterhaltsame war unter anderem die Moderation von Radio-Q-Urgestein Daniel Fiene. Während das “Impulsreferat” von Matthias Felling die Idee des “digitalen” noch sehr weit fasste (Digitalradio, Internet, Podcasts, mobile Endgeräte), ging es anschließend leider fast nur noch um das Thema Digitalradio, von dem alle immer wieder betonten, dass das noch Zukunftsmusik sei. Vom Dachverband CampusRadios NRW (angesichts der Tatsache, dass dort nicht alle Campusradios NRWs vertreten sind, sollte man vielleicht besser von einem “Vordachverband” sprechen) gab es noch zu hören, dass es ihn seit zwei Jahren gibt, was sich im Wesentlichen mit meinen Erfahrungen in diesem Verein deckte. Denn so gut und wichtig die Idee ist, eine gemeinsame Vertretung zu haben: Die Idee, mehrere unabhängige Sender irgendwie kooperieren zu lassen, äußert sich auf einer höheren Ebene ja vor allem durch Gremien-Terror.

So endete der Campus-Radio-Tag (sieht das Wort nicht herrlich albern aus mit den ganzen Bindestrichen?) leider ohne einen nennenswerten Erkenntnisgewinn für mich. Noch vor dem Gespräch mit NRW-“Innovationsminister” Andreas Pinkwart, der Verleihung des Campusradio-Preises und dem gemeinsamen Abendessen verließ ich die Veranstaltung. Ich musste unbedingt Bayern München verlieren sehen.

P.S.: Ich danke Schandmaennchen.de für die Inspiration für die Überschrift.