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Leben Gesellschaft

Ein Wochenstart nach Maß

Die gute Nach­richt des Tages: Deutsch­land ist dem Unter­gang geweiht. Schon in weni­gen Jah­ren wird es in die­sem Land kei­ne intel­lek­tu­el­le Eli­te mehr geben. Wie ich dar­auf kom­me? Nun, wenn nicht ein­mal die Stu­den­ten einer Bei­na­he-Eli­te-Uni über ein­fachs­te geis­ti­ge Fähig­kei­ten ver­fü­gen, kann das mit dem Bil­dungs­bür­ger­tum ja nichts mehr wer­den.

Heu­te mor­gen habe ich über 30 Minu­ten an der Stadt­bahn-Hal­te­stel­le ver­bracht. Alle Züge, die ein­fuh­ren und mich zur Uni­ver­si­tät (zwei Stopps ent­fernt) hät­ten brin­gen sol­len, waren voll. Nein, Ver­zei­hung: „voll“. Denn das pen­deln­de Pack, das am Haupt­bahn­hof in die Stadt­bahn ein­steigt, pos­tiert sich immer so vor den Türen, dass ein Ein­stieg im wei­te­ren Stre­cken­ver­lauf unmög­lich ist. Dabei wäre in den Zügen durch­aus noch Platz, wenn die Men­schen beim Ein­stei­gen nur mal den gesam­ten Raum aus­nut­zen wür­den. Die Angst, dann an der Uni nicht aus­stei­gen zu kön­nen, ist voll­kom­men unbe­grün­det: um Vier­tel vor zehn fah­ren nur Stu­den­ten Bahn.

Natür­lich trägt der ört­li­che Nah­ver­kehrs­an­bie­ter eine Mit­schuld an der Mise­re, denn sei­ne Züge mit Vie­rer­sitz­grup­pen mögen außer­halb der Stoß­zei­ten gemüt­lich sein, zur rush hour aller­dings wären Wagen mit Bän­ken an den Außen­wän­den, wie man sie teil­wei­se in Ber­lin fin­det, hilf­rei­cher. Die Men­schen hät­ten von vor­ne­her­ein kei­ne Abstands­zo­nen um sich her­um und wür­den sich viel bereit­wil­li­ger anein­an­der­drän­geln.

Als ich es schließ­lich in den fünf­ten ein­fah­ren­den Zug schaff­te, kreis­ten mei­ne Gedan­ken bereits um qual­men­de Zug­trüm­mer und „Ame­ri­can Psycho“. Dann wur­de ich mit häss­li­chen Men­schen, die bil­li­ge Jacken tru­gen und viel zu laut schlech­te Musik hör­ten, in eine Stadt­bahn gesperrt. Zwei Ischen, die mehr Stuck im Gesicht hat­ten als man für die Decken­sa­nie­rung einer Jugend­stil­vil­la bräuch­te, stan­den allei­ne im Mit­tel­gang. Eine jede von ihnen hät­te genug Raum gehabt, auf dem Fuß­bo­den ein vik­to­ria­ni­sches Pick­nick zu ver­an­stal­ten. In den Frei­raum drän­geln konn­te ich mich frei­lich nicht, dafür war der Pfrop­fen dum­mer Men­schen, der den Ein­gangs­be­reich ver­stopf­te, zu dicht. Ich beschloss, mich näher mit den Leh­ren des Zen zu beschäf­ti­gen und merk­te, wie mein Geist mei­nen Kör­per ver­ließ.

Als die Bahn an der Uni-Hal­te­stel­le ein­fuhr, stieg er als ers­tes aus und stapf­te mit dump­fem Schritt die Trep­pen hin­auf. Sein Unter­kie­fer schob sich mah­lend nach vor­ne und aus sei­nen Nasen­lö­chern stie­gen klei­ne Rauch­wölk­chen. Sei­ne Arme hat­te er ange­spannt, sei­ne Schul­tern wirk­ten dop­pelt so breit wie sonst. Der eis­kal­te Wind trieb ihm Trä­nen in die zusam­men­ge­knif­fe­nen Augen, aber er stapf­te unauf­hör­lich wei­ter. Jeder, der sich ihm in den Weg gestellt hät­te, wäre ohne wei­te­res Zutun zu Staub zer­fal­len. Mit jedem Schritt lös­ten sei­ne Füße klei­ne Druck­wel­len auf dem Pflas­ter aus, die Erschüt­te­run­gen waren noch in zwei Kilo­me­tern Tie­fe zu spü­ren. Da fing es an zu Reg­nen.

Als er das Hör­saal­zen­trum betrat, kipp­te er sei­nen Kopf zurück und ließ sei­nen Nacken kna­cken. Er atme­te tief durch. Die Vor­le­sung lief bereits seit zehn Minu­ten, der Hör­saal war halb leer. Die Stu­den­ten hat­ten alle Plät­ze am Rand der Sitz­rei­hen besetzt.