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Listenpanik (3): Endlich ein Grund zur Panik

Der Monat ist um, es ist wie­der mal Zeit, zurück­zu­bli­cken. Hier die übli­che sub­jek­ti­ve Lis­te, in der hin­ter­her wie­der min­des­tens die Hälf­te fehlt:

Alben (inkl. Amazon.de-Links)
1. Wir Sind Hel­den – Sound­so
Ver­öf­fent­li­chungs­da­ten sind was tol­les: Bis vor zehn Minu­ten dach­te ich, das Album erschei­ne erst mor­gen. Die Track-by-track-Ana­ly­se kommt also erst heu­te Nach­mit­tag liegt jetzt vor. Dass „Sound­so“ ein groß­ar­ti­ges Album ist, das den etwas unent­schlos­se­nen Vor­gän­ger „Von hier an blind“ fast ver­ges­sen macht, kann ich aber auch jetzt schon mal mit­tei­len.

2. Tra­vis – The Boy With No Name
Auch Tra­vis machen ihr letz­tes Album wie­der wett. Auch nach zig­fa­chem Hören bin ich das Album noch nicht leid und ent­de­cke immer wie­der ein paar Details, die ich noch nicht gehört hat­te. „The Boy With No Name“ könn­te das Som­mer­al­bum werden/​bleiben – fehlt nur noch das ent­spre­chen­de Wet­ter.

3. Muff Pot­ter – Ste­ady Fremd­kör­per
Muff Pot­ter zähl­ten eigent­lich immer schon zu den bes­ten Bands des Lan­des – sie wur­den nur irgend­wie immer igno­riert. Das gab sich aber mit den letz­ten bei­den Alben und wäh­rend die Band immer noch bes­ser wur­de, stieg auch ihre Popu­la­ri­tät. Jetzt ver­öf­fent­li­chen die Wahl-Müns­te­ra­ner ihr neu­es Album, das wie üblich all ihre Qua­li­tä­ten ver­eint. Man könn­te es „Deutsch­punk“ nen­nen, wenn man dabei nicht an die Toten Hosen den­ken müss­te, und das nicht sowie­so so ein spie­ßi­ges Eti­kett wäre. Dann halt: Tol­le Tex­te, umar­men­de Melo­dien und immer noch genug Wumms. Muss man (mehr­fach) gehört haben.

4. Manic Street Pre­a­chers – Send Away The Tigers
Noch eine Band für die Lis­te „Schwa­che Vor­gän­ger, die man jetzt getrost ver­ges­sen kann“. Was bin ich froh. Detail­liert habe ich mich hier aus­ge­las­sen, des­halb nur noch: Die Manics sind wie­der da, gehen wie­der auf die Zwölf und wer­den trotz­dem nicht den Sound­track zu den G8-Pro­tes­ten lie­fern.

5. Mumm-Ra – The­se Things Move In Threes
Schö­ner Indiepop, den man hier­zu­lan­de bereits im Vor­pro­gramm der Kil­lers bewun­dern konn­te. Hier wird das Rad nicht neu erfun­den und es ver­sucht auch nie­mand, mit die­sen zur Zeit so belieb­ten, aber unend­lich ner­vi­gen absicht­li­chen Über­steue­run­gen den Hörer zu miss­han­deln. Natür­lich ist das irgend­wie „Mäd­chen­mu­sik“, aber irgend­je­mand muss ja die Nach­fol­ge der Kooks antre­ten. Und irgend­was muss man ja auch auf Kas­set­ten­mäd­chen­kas­set­ten auf­neh­men kön­nen – Mumm-Ra sind dafür per­fekt geeig­net.

Sin­gles (inkl. iTu­nes-Links)
1. Shout Out Louds – Tonight I Have To Lea­ve It
Der Preis für die bes­te The-Cure-Sin­gle des Jah­res geht jetzt schon an die Shout Out Louds – sogar für den Fall, dass Robert Smith und Band selbst noch was ver­öf­fent­li­chen soll­ten. Bei man­chen Bands wäre man viel­leicht ein biss­chen unge­hal­ten, wenn sie so sehr nach einer ande­ren klän­ge. Nach The Cure zu klin­gen hat aber schon Blink 182 gehol­fen und die Shout Out Louds sind sowie­so eine tol­le Band, die man die­ses Jahr unter ande­rem auf dem noch tol­le­ren Hald­ern-Pop-Fes­ti­val bewun­dern kann.

2. Toco­tro­nic – Sag alles ab
Eigent­lich muss man zu Toco­tro­nic ja fast nichts mehr sagen, so sehr über alle Zwei­fel erha­ben ist die­se Band schon lan­ge. Doch dann schi­cken sie ihrem Album „Kapi­tu­la­ti­on“, das erst im Juli erschei­nen wird, eine Sin­gle vor­aus, die rum­pelt wie Anno 1997 und einer Epi­go­nen­trup­pe wie Madsen mal eben zeigt, wo Ham­mer, Har­ke und Frosch­lo­cken sind. Und dann muss man doch wie­der was sagen, näm­lich: „Wahn­sinn!“

3. Wir Sind Hel­den – End­lich ein Grund zur Panik
Wir Sind Hel­den haben schon mit „Gekom­men um zu blei­ben“ gezeigt, dass sie ger­ne ein wenig unty­pi­sche und sper­ri­ge Vor­ab­sin­gles ver­öf­fent­li­chen. Das macht die Band noch ein biss­chen sym­pa­thi­scher, denn „End­lich ein Grund zur Panik“ dürf­te für vie­le Hörer und selbst für zahl­rei­che Hel­den-Fans eine Tor­tur sein: Trei­ben­der Rhyth­mus, wil­des Gekrei­sche, dazu Wort­spie­le, die so schnell anein­an­der­ge­reiht wer­den, dass man die Hälf­te erst beim Mit­le­sen im Book­let ver­steht. Soll­te Wolf­gang Schäub­le ein­mal dem Bei­spiel von Geor­ge W. Bush fol­gen und sei­ne iPod-Play­list öffent­lich machen, ich bin mir sicher, die­ser Song wäre dabei. Nur die Iro­nie dahin­ter, die müss­te jemand anders lie­fern.

4. The Kil­lers – Move Away
Kei­ne Sin­gle im eigent­li­chen Sin­ne, aber ein Sound­track-Bei­trag, der auch gele­gent­lich im Radio läuft. Die Kil­lers trau­en sich noch ein biss­chen mehr als auf ihrem letz­ten Album und lie­fern einen Song ab, der fast nur aus Schlag­zeug und Bass besteht und gefähr­lich durch die Nacht rum­pelt. So kom­men sie ihren gro­ßen Hel­den Joy Divi­si­on mal wie­der ein Stück­chen näher.

5. Björk – Earth Intru­ders
Björk ist ja immer so ein Kapi­tel für sich: Sie hat groß­ar­ti­ge Sachen gemacht und wel­che, die sicher auch groß­ar­tig waren, die aber außer ihr nie­mand ver­ste­hen woll­te. Jetzt hat sie eine Sin­gle mit Tim­ba­land (des­sen Solo­al­bum bei­na­he noch in der obe­re­ren Hit­lis­te gelan­det wäre) auf­ge­nom­men und dabei mal wie­der alles rich­tig gemacht: Der zucken­de Beat und ihr sphä­ri­scher Gesang pas­sen erstaun­lich gut zusam­men und so ent­steht ein Song, den man mal wie­der groß­ar­tig fin­den kann.

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Glamorous Indie Rock’n’Roll

Als The Kil­lers, die ers­te Rock­band, die es je aus Las Vegas lebend her­aus­ge­schafft hat, vor drei Jah­ren ihr Debüt „Hot Fuss“ ver­öf­fent­lich­ten, sag­ten alle: „Boar geil, die­ser Eight­ies Sound und die­se Tex­te und die­se gan­ze Iro­nie.“ Als The Kil­lers im ver­gan­ge­nen Jahr ihr Zweit­werk „Sam’s Town“ ver­öf­fent­lich­ten, sag­ten alle: „Oh weh, das klingt ja, als sei Bruce Springsteen unter dem Joshua Tree gebo­ren wor­den. Der Sän­ger trägt einen Schnauz­bart und der Gitar­rist sieht aus wie jemand von Euro­pe – oder wenigs­tens wie Bri­an May. Was machen wir denn, wenn das gar kei­ne Iro­nie ist?“

Wer es ernst meint, hat es noch wie vor schwer im Rock­busi­ness. Schwe­rer hat es nur der­je­ni­ge, bei dem man nicht weiß, ob er es ernst meint. Da rüpelt Sän­ger Bran­don Flowers durch die Musik­pres­se, ver­passt The Bra­very, Panic! At The Dis­co und Green Day ein paar ver­ba­le Abrei­bun­gen und ver­kün­det, das eige­ne Album sei eines der bes­ten der letz­ten zwan­zig Jah­re, nur um dann ein paar Wochen spä­ter wie ein belie­bi­ger Bun­des­po­li­ti­ker wie­der zurück­zu­ru­dern mit dem Hin­weis, das alles nicht so gemeint zu haben. Also wie­der nichts gewor­den mit der Hoff­nung, irgend­je­mand könn­te die Gal­lag­hers doch noch als Groß­kot­ze des inter­na­tio­na­len Rock’n’Roll-Cir­cus beer­ben. Flowers, so war zuletzt im Musik­ex­press zu lesen, hal­te sich selbst für nicht son­der­lich elo­quent und sage dann manch­mal Sachen, die er hin­ter­her bereue. Am liebs­ten sage er aber nichts.

So ist es nicht wei­ter ver­wun­der­lich, dass sich die Anzahl der Zwi­schen­mo­de­ra­tio­nen beim gest­ri­gen Kil­lers-Kon­zert im aus­ver­kauf­ten Köl­ner Pal­la­di­um auf ein Mini­mum beschränk­ten. Die Band war auch mit wich­ti­ge­rem beschäf­tigt: nach der ganz famo­sen bri­ti­schen Vor­grup­pe Mumm-Ra und nach einem Mul­ti­me­dia-Intro, das sich gewa­schen hat, stan­den The Kil­lers plötz­lich im Glit­ter­re­gen (rot-weiß-blau, of cour­se, und sil­ber) auf der Büh­ne, spiel­ten die ers­ten drei Stü­cke von „Sam’s Town“ durch und star­te­ten damit eine Par­ty, bei der in knapp 80 Minu­ten mehr los war als im Borus­sia­park zu Mön­chen­glad­bach in einer gan­zen Sai­son. Ohne Rück­sicht auf Ver­lus­te und ohne den sonst so ver­brei­te­ten Drang, die ganz gro­ßen Hits alle erst in der Zuga­be zu ver­bra­ten, reih­ten The Kil­lers ihre Sin­gles wie die Per­len einer etwas über­trie­ben glit­zern­den Ket­te anein­an­der: „Bones“, „Some­bo­dy Told Me“, „Jen­ny Was A Fri­end Of Mine“ und „Smi­le Like You Mean It“ als Num­mern Vier bis Sie­ben im Set, so hin­ter­ein­an­der weg.

Das Publi­kum hat­te vom ers­ten Takt an die Hän­de in der Luft und mach­te Par­ty, Par­ty, Par­ty. Ich war nach zwan­zig Minu­ten kör­per­lich am Ende und frag­te mich, wie die gan­zen Duracell-Häs­chen um mich her­um ihr Pen­sum auf­recht­erhal­ten konn­ten. Und: Nein, nicht alle waren jün­ger. Ruhig wur­de es eigent­lich nie, ein­zig ein paar Intros und Zwi­schen­spie­le waren nicht so beat­ge­trie­ben wie der Rest der Show. Aber waber­ten gera­de mal sphä­ri­sche Key­board-Tep­pi­che durch das auf­ge­heiz­te Pal­la­di­um, war das Publi­kum sein eige­ner Anhei­zer und klatsch­te, was die Hän­de her­ga­ben (und wie es sich gehört, klatsch­te es natür­lich ohne einen Hauch von Rhyth­mus­ge­fühl, so dass man das Gefühl hat­te, Drum­mer Ron­nie Van­nuc­ci wür­de statt sei­ner Bass­drum lie­ber eini­gen Zuschau­ern den rich­ti­gen Beat ein­prü­geln). Es war ein Hüp­fen und Sprin­gen und Tan­zen und man muss­te sich wie­der fra­gen, war­um man eigent­lich nie mit den attrak­ti­ven Indie­mäd­chen zusam­men­stößt – „Don’t you wan­na feel my skin on your skin?“ -, son­dern einem immer nur die gesetz­te­ren Damen auf die Zehen hop­sen. (Preis­fra­ge am Ran­de: War­um hab ich mich mit 1,85 m nur so ver­dammt klein gefühlt und wie viel haben die wirk­lich klei­nen Indie­mäd­chen eigent­lich noch von dem auch nicht son­der­lich gro­ßen Bran­don Flowers sehen kön­nen?)

Noch vor der Zuga­be erklang „Mr. Brights­ide“, der viel­leicht größ­te Hit der Band bis­her, im Zuga­ben­block ver­beug­ten sich The Kil­lers mit einer Cover­ver­si­on von „Shadow­play“ vor Joy Divi­si­on (The Kil­lers benann­ten sich ja nach der Fan­ta­sieb­and glei­chen Namens im „Crystal“-Video der Joy-Divi­si­on-Nach­fol­ge­band New Order) und zum Abschluss gab es dann den „Sam’s Town“-Schlusstrack „Exit­lude“. Und hin­ten­dran noch mal einen Refra­in­durch­lauf von „When You Were Young“. Mehr Hits, mehr Stim­mung ging wirk­lich kaum, es wäre kör­per­lich kaum zu ver­kraf­ten gewe­sen. Das Glau­bens­be­kennt­nis der Band und der Fans war sowie­so schon mit­ten im Kon­zert erklun­gen: „Glamo­rous Indie rock’n’roll is what I want /​ It’s in my soul, it’s what I need“. Nicht mehr, aber nun wirk­lich auch nicht weni­ger.

Und für die Freun­de von Lis­ten, Sta­tis­ti­ken und Name­drop­ping gibt es hier noch die kom­plet­te Set­list: