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Das Ende des Onlinejournalismus

Ich weiß nicht, was Sie heute so den lieben, langen Tag getrieben haben, aber ich habe mich heute mal ausgiebig mit dem Privatleben verschiedener Prominenter beschäftigt.

Die “B.Z.” hatte berichtet, dass Lena Meyer-Landrut jemanden in Köln liebe und ein zusätzliches Tattoo habe. Beides waren keine Neuigkeiten, aber die Boulevard-Medien griffen es doch gerne auf (nachzulesen im BILDblog). Besonders hervorgetan hatte sich bei diesem Thema die Feld-, Wald- und Wiesenagentur dapd, die es sogar fertigbrachte, Dinge als neu zu berichten, die sie selbst zuvor schon mal als neu berichtet hatte.

Das “People”-Magazin hatte über den ersten öffentlichen Auftritt von Schauspieler Robert Pattinson nach dem Fremdgeh-Geständnis seiner Freundin Kristen Stewart geschrieben und dabei Vorkommnisse beobachtet, die im Fernsehen beim besten Willen nicht zu beobachten waren, von deutschen Boulevard-Medien aber begeistert aufgegriffen wurden (auch nachzulesen im BILDblog).

Womit wir bei der Antwort auf die Frage wären, was eigentlich schlimmer ist als Boulevardjournalisten, die sich für das Privatleben von Prominenten interessieren: Boulevardjournalisten, die sich nicht für das Privatleben von Prominenten interessieren, aber darüber berichten.

Die oft unter Boulevardmeldungen aufkommende Frage, wen das denn bitteschön interessiere und wer der dort beschriebene “Prominente” denn überhaupt sei, ist häufig Ausdruck von Überheblichkeit: Natürlich muss man Robert Pattinson, Kristen Stewart, Justin Bieber, Selena Gomez, Vanessa Hudgens, Zac Efron, Miley Cyrus und wiesealleheißen nicht kennen (es gibt ja nicht mal ein Gesetz, das vorschreibt, Barack Obama, Angela Merkel oder Joseph Ratzinger zu kennen), aber man muss ja nicht gleich die Fans runtermachen, denen diese Leute etwas bedeuten.

Meinetwegen können wir also darüber diskutieren, ob es irgendeinen Nachrichtenwert hat, mit wem eine prominente Person Tisch und Bett teilt, wo sie wohnt und was sie studiert oder nicht studiert (meine Antwort wäre ein entschiedenes “Nein!”), aber wenn so etwas einen Nachrichtenwert hat, dann sollte das doch bitte genauso ernsthaft behandelt werden, wie die Nachrichten zur Euro-Krise und zum Berliner Großflughafen. (Oh Gott, was schreibe ich denn da?!)

Ich glaube eher nicht daran, dass man verantwortungsvollen Boulevardjournalismus betreiben kann, ohne immer wieder Persönlichkeitsrechte zu verletzen. Aber Boulevardjournalismus wird nicht besser, wenn den diensthabenden Redakteuren so offensichtlich egal ist, worüber sie gerade schreiben. Schreiben müssen, damit es geklickt wird. Die Leser klicken es natürlich, aber es ist, als ob sie nicht nur Fast Food bekämen, sondern Fast Food aus verdorbenen Zutaten.

Könnte man sich also vielleicht darauf einigen, das Wühlen im Dreck wenigstens den Leuten zu überlassen, die dabei ja offenbar wenigstens Talent und Interesse an den Tag legen? Also jenen amerikanischen Klatschblogs, die eh hinterher von allen anderen zitiert werden, und die ungefähr jede “wichtige” Geschichte der letzten Jahre als Erste hatten? Wer sich ein bisschen für Prominente interessiert, wird sich eh dort rumtreiben — und es hat absolut für niemanden Mehrwert, wenn meine Oma auf den Startseiten von “Spiegel Online”, “RP Online” und “Der Westen” von irgendwelchen Prominenten lesen muss, von denen sie noch nie gehört hat.

Eine solche Wertstofftrennung wäre der Anfang. Anschließend könnte man das sinn-, witz- und würdelose Nacherzählen von Internetdiskussionen über angeblich wechselwillige Fußballspieler einfach bleiben lassen, weil die Leute, die es interessiert, das eh schon gelesen haben. (Sofort verzichten sollten wir allerdings auf die bescheuerte Unsitte, Fernsehzuschauern vorzulesen, was Menschen bei Twitter über die aktuelle Sendung zu sagen haben, denn dafür gibt es ja Twitter, Herrgottnochmal!) Irgendwann könnten sich Onlinemedien dann darauf konzentrieren, ihre eigenen Geschichten zu erzählen und nicht das aufzubereiten, was Nachrichtenagenturen aus dem Internet herausdestilliert haben.

Vielleicht müssten diese, dann schön recherchierten Geschichten auch nicht mehr im Netz erscheinen, sondern könnten etwas wertiger auf Papier reproduziert werden — die Leser würden vermutlich sogar dafür bezahlen. Es wäre das Ende des Onlinejournalismus. Bitte!