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Rundfunk Fernsehen

Tief im Western mit der “Aktuellen Stunde”

Es gibt im deutschen Fernsehen vermutlich kaum eine Nachrichtensendung, die so perfekt ist wie die “Aktuelle Stunde” im WDR Fernsehen. Die Doppelmoderationen, deren Nachahmung sich als Partyspiel empfiehlt, sind akurat vorbereitet und werden routiniert abgespult. Keine Hebung der Augenbraue, kein Schulterzucken ist Zufall, alles ist geplant. Selbst im Angesicht von Katastrophen wie bei der Love Parade stehen diese Moderationsroboter Seit an Seit und improvisieren scheinbar von einem internen Teleprompter ab.

Doch die Sendung, die ich als Kind mit Begeisterung schaute und die zu moderieren damals mein größter Traum war, hat – ebenso wie das andere einstige Informationsflaggschiff des Westdeutschen Rundfunks, das “Mittagsmagazin” auf WDR 2 – die Jahrzehnte nicht unbeschadet überstanden: Die Beiträge könnten auch aus jedem x-beliebigen Boulevard-Magazin (privat wie öffentlich-rechtlich) stammen. Wenn man sich einmal klar geworden ist, wie albern es ist, einen Text im Wechsel von zwei Personen sprechen zu lassen, sind die Doppelmoderationen nicht mehr ernst zu nehmen — doch bei genauer Betrachtung reden die Moderatoren sowieso häufig groben Unfug.

Aus verschiedenen Gründen, von denen mir einige selbst schleierhaft sind, habe ich am Montag mal wieder die “Aktuelle Stunde” gesehen. Die Sendung wird irritierenderweise seit zweieinhalb Jahren von Thomas Bug moderiert, der sich vorher viele Jahre Mühe gegeben hatte, auf keinen Fall seriös zu wirken, und nun das Gegenteil versucht.

Nachdem diverse Flüsse über diverse Ufer getreten sind und diverse Keller und Gärten überflutet haben, ist es Zeit für die große weite Welt der Formel 1 und deren neuen Weltmeister Sebastian Vettel, der “leider nicht aus Kerpen” kommt. Und das ist natürlich ein Alptraum für so einen Sender, der sich auf Nordrhein-Westfalen konzentriert: Ein Star, der aus Hessen stammt.

“Die Deutschen freuen sich im Allgemeinen”, erklärt Susanne Wieseler, um die entscheidende Frage hinzuzufügen: “Aber was macht das mit den Kerpenern im Besonderen?”

Es passiert, was zu befürchten war: Das Team der “Aktuellen Stunde” war vor Ort und hat es sich angeguckt:

Stacheldraht in Kerpen.

Todesstreifen! Über eine melancholische Slide Guitar schwadroniert der Off-Sprecher: “Was wurde hier gejubelt? Jetzt läuft die Feier anderswo.” Aber statt eines Steppenläufers, der passend zur Musik durchs Bild geweht wird, folgt ein harter Schnitt auf jubelnde Heppenheimer (nicht zu Verwechseln mit Pappenheimern, die gibt’s bei Schiller), dann wieder das nicht gerade blühende Leben in Kerpen:

Das blühende Leben in Kerpen.

(Dass der Reporter ausgerechnet bei diesem zarten Pflänzlein erklärt, Kerpen sei mal “die Formel-1-Stadt” gewesen, ist angesichts dieses wenig umweltfreundlichen Sports eine schöne Wort-Bild-Schere, aber im Kontext des Beitrags noch völlig harmlos.)

Während abermals die Slide Guitar losslidet, wechselt das Kamerateam in die Gaststätte “Altkerpen” und befragt zwei Frauen mit pfiffigen Brillengestellen:

Keck bebrillte Kerpenerinnen sprechen in WDR-Mikrofone.

“Wie Fastelovend” sei es gewesen, als Michael Schumacher damals gewonnen habe — und im Rheinland ist das wohl positiv besetzt. Doch jetzt ist alles anders, sollen uns die Bilder des Gläser spülenden Wirts (es ist Montagnachmittag, draußen ist es noch hell) und die schon wieder heranslidende Slide Guitar sagen.

Und der Off-Sprecher natürlich: “Und jetzt: Wieder ist ein Deutscher Weltmeister. Aber kein Kerpener. Und? Neidisch?”

“Nein!”, rufen da die Frauen, “im Gegenteil!”, und das wäre ungefähr der Punkt gewesen, an dem ich als Redaktionsleiter gesagt hätte: “Nee, tut mir leid, Jungs. Mit dem Aufhänger funktioniert die Geschichte überhaupt nicht. Könnt Ihr es nicht noch mal irgendwie anders versuchen?”

Zaun an der Kerpener Kartbahn (Ruhetag).

Sebastian Vettel, nein: “Der Sebastian Vettel” sei ja “immerhin” schon mal in Kerpen gewesen, erzählt der Sprecher: “Ein paar Runden” habe er auf der Kartbahn gedreht — da sei was los gewesen. Aber heute? “Aber heute? Ist Ruhetag auf der Kartbahn”, heißt es in dieser völlig widernatürlichen Kommentarsprache aus dem Off und für einen Moment könnte man glauben, der Ruhetag habe irgendwas mit Sebastian Vettel und dem immensen Imageverlust zu tun, den Kerpen am Sonntag erlitten hat.

Jetzt aber schnell zurück in die Innenstadt und zu der verdammten Slide Guitar:

Straße in Kerpen (fast menschenleer).

“Heute war irgendwie Ruhetag in ganz Kerpen”, sagt der Mann und man begreift langsam, welche Leistung Autoren und Schauspieler bei “Switch Reloaded” vollbringen müssen, um diesen ganzen Irrsinn, der da im deutschen Fernsehen völlig ernst gemeint wird, überhaupt noch satirisch zu überhöhen.

Allein die nächsten Sätze sind derart inkohärent, dass ein “Brat fettlos mit Salamo Ohne” zwischendrin auch nicht mehr groß auffallen würde: “Weltmeisterstadt, das ist sechs Jahre her. Und irgendwie ist das auch völlig okay so. Zumindest für manche Kerpener.”

“Warum soll ich denn neidisch sein?”, fragt ein milde fassungsloser Kioskbesitzer, um dann mit einem unglücklich gewählten Vergleich dem Reporter neue Munition zu liefern: Ob Hamburg denn neidisch sei, wenn Bayern Meister …

“Oooooh!”, wehrt der Reporter da ab und wir wollen mal ganz vergessen, dass Vettel gerade nicht deutscher Meister geworden ist, sondern Weltmeister. Ein Passant darf sagen, dass er “Hypes um Autofahrer” nicht so gut findet, und es erscheint inzwischen beinahe logisch, wenn der Off-Sprecher daran anschließt: “Keine Sorge: Dass der Schumi-Hype zurückkehrt ins ‘Altkerpen’, das ist unwahrscheinlich. Obwohl: Die Damen sind sich da noch nicht so ganz einig.”

Eines bleibe den Kerpenern aber, erklärt der Mann mit der Märchenonkel-Stimme: “Sie wurden sieben Mal Weltmeister, Heppenheim durfte erst einmal jubeln.”

An dieser Stelle endet der Beitrag. Immerhin ohne einen weiteren Einsatz der verfickten Slide Guitar.

Im Mitschnitt der Sendung in der WDR-Mediathek fehlt der Beitrag.

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Kostbare Tropfen

Es ist ja nicht nur Deutschlands eloquentestes Printmedium sehr darauf bedacht, sich über hohe Treibstoffkosten zu echauffieren. Beinahe jeder sucht nach Mitteln und Wegen, Sprit zu sparen oder wenigstens ansatzweise allgemein die Energiekosten zu senken.

Jetzt hatte ein brasilianischer Rennfahrer eine besonders kreative Idee, die Kosten zu drücken. Dumm nur, dass er gar keinen Tankwart prellen konnte, weil er ja gar nicht an einer Tankstelle stand. Dafür gibt’s jetzt die Möglichkeit für schicke Klickstrecken. Nur muss mancher das mit dem Aussuchen der interessanten Bilder wohl noch üben.