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Kennste einen, kennste alle

Gestern Abend startete im ZDF mit Woody Allens “Match Point” die sechzehnte Auflage der “Sommernachtsphantasien”. In dieser Filmreihe zeigt der Sender seit 1993 im – Sie ahnen es – Sommer erotische Filme.

Vielleicht hätte man das dem Menschen mitteilen sollen, der bei “RP Online” über die Reihe schreiben musste:

Der Vorstoß des „Zweiten“ kommt unerwartet. Eigentlich passt die Serie eher zu Sendern wie RTL II oder Vox. Dennoch wagt sich nun auch der als züchtig bekannte Sender mit sechs mehr oder weniger erotischen Streifen wie Woody Allans “Matchpoint“ oder Clément Virgos “Mein erster Mord” in neue Gebiete vor.

Auch sonst wirkt der Artikel, der natürlich von einer 20-teiligen Bildergalerie mit Szenenbildern aus den Filmen der “Sommernachtsphantasien” begleitet wird, seltsam schlecht gelaunt und … bieder:

Auch wenn die Filme alle samt nicht aus Deutschland stammen, so halten zumindest hiesige Beispiele wie Charlotte Roche und ihr Bestseller “Feuchtgebiete” oder Skandal-Rapperin Lady “Bitch” Ray mit ihrem tabulosen Auftritt bei “Schmidt & Pocher” als Argumente für mehr Erotik und Sex im öffentlich-rechtlichen Fernsehen her.

Sie finden die Erwähnung von Charlotte Roches Romanerfolg “Feuchtgebiete” ein wenig arg bemüht? Nun, unter Medienjournalisten scheint er gerade schwer in Mode zu sein, denn auch im “Kölner Stadt Anzeiger” steht zum Start der “Sommernachtsphantasien”:

Woody Allans „Matchpoint“ ist heute (22.15 Uhr) der softe Auftakt der „Sommernachtsfantasien“, die sich in diesem Jahr weiter in jene „Feuchtgebiete“ wagen, von denen man annahm, sie würden nächtens nur von Privatsendern betreten: die blonde Schauspielerin Nola (Scarlett Johansson) zieht den schönen Tennislehrer Chris (Jonathan Rhys Meyers) in einen Strudel von Begehrlichkeiten.

Und in der “Welt” steht über “Match Point”:

Es ist ein eher softer Aufschlag für eine Filmreihe, die sich immer weiter in Regionen vorwagt, von denen man dachte, sie würden eher von RTL II beackert werden. Das ZDF hat die so genannten “Feuchtgebiete“ entdeckt.

Jetzt sagen Sie natürlich zu Recht, die beiden Zitate klängen ein wenig ähnlich. Das könnte daran liegen, dass die Artikel in der “Welt” und im “Kölner Stadt Anzeiger” beide von Antje Hildebrandt geschrieben wurden. Die kleinen Umformulierungen, die die beiden Artikel anfangs unterscheiden, hören irgendwann auf, bis beide Artikel einigermaßen wortgleich enden.

Wie gesagt: die Artikel bei “Welt” und “Kölner Stadt Anzeiger” stammen beide von der gleichen freien Journalistin, was man moralisch diskutieren könnte, urheberrechtlich aber einwandfrei ist. Der Artikel bei “RP Online” hingegen, der sprachlich und strukturell an die beiden anderen erinnert, den hat Frau Hildebrandt nach eigenen Angaben nicht geschrieben.

Schauen wir uns die letzten drei Absätze bei “RP Online” doch einmal im direkten Vergleich zu den (insgesamt wesentlich längeren) Hildebrandt-Texten an:

“RP Online” “Welt” “Kölner Stadt Anzeiger”
Richtig schlüpfrig wird es dagegen erst im letzten Teil am 11. August. Dann sendet das ZDF in „Liebe Mich“ („Lie with me“) einen Streifen, der schon bei der Erstausstrahlung auf der Berlinale 2006 unter anderem Aufsehen erregte. Als “schärfstes“ Betthupferl verkauft ZDF-Redakteurin Doris Schrenner jedoch den kanadischen Film “Lie with me“ (auf deutsch: „Liebe mich!“), der auf der Berlinale 2006 erhebliches Aufsehen erregte – in erster Linie wegen seiner expliziten Sexszenen. Als „schärfstes“ Betthupferl bewirbt ZDF-Redakteurin Doris Schrenner den kanadischen Film „Lie with me“ („Liebe mich!“), der auf der Berlinale 2006 Aufsehen erregte – in erster Linie wegen seiner expliziten Sexszenen:
Das ZDF verweist in der Diskussion um die schärfsten „Sommernachtsphantasien“ in der 16-jährigen Geschichte der Reihe unterdessen auf die Freiwillige Selbstkontrolle (FSK). Diese erteilt den Filmen eine Freigabe ab 16 Jahren und stellt dem ZDF damit die Erlaubnis für eine Ausstrahlung nach 22 Uhr aus. Fragt man Doris Schrenner aus der ZDF-Spielfilmredaktion, nach welchen Aspekten sie und ihr Kollege Manfred Etten die Filme für die Reihe “Sommernachtsfantasien“ auswählen, verweist sie auf das Gütesiegel der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK): Freigegeben ab 16 Jahren. Fragt man Doris Schrenner aus der ZDF-Spielfilmredaktion, nach welchen Aspekten sie und ihr Kollege Manfred Etten die Filme für die Reihe „Sommernachtsfantasien“ auswählen, verweist sie auf das Gütesiegel der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK): Freigegeben ab 16 Jahren.
Außerdem erreiche den Sender nur äußerst selten Beschwerdepost wegen zu freizügigen Aufnahmen. Ein echtes Phänomen – wenn es dabei bleibt. Beschwerden, nein Beschwerden über allzu freizügige Aufnahmen erreichten den Sender nur selten. Beschwerden über allzu freizügige Aufnahmen erreichten den Sender nur selten.

Sogar die falsche Schreibweise von Woody Allens Namen in Frau Hildebrandts Artikeln (“Allan”) taucht im Text von “RP Online” wieder auf.

Meine Frage, wie man sich diese frappierenden Ähnlichkeiten erklären könne, hat “RP Online” noch nicht beantwortet.

Nachtrag, 17:53 Uhr: Jetzt kam doch noch eine Antwort aus der Online-Redaktion. Hier der vollständige, von Grußformeln bereinigte Wortlaut:

[S]icherlich hat unser Autor einen Text zu einem Thema geschrieben, das auch Frau Hildebrandt bearbeitet hat. Ich wüsste nicht, was dagegen spricht.

Nachtrag, 9. Juli 2008, 17:05 Uhr: Sie ahnen nicht, wie “RP Online” jetzt doch noch auf diesen Blog-Eintrag (und dessen Verlinkung bei Stefan Niggemeier) reagiert hat:

Woody Allan heißt jetzt Allen.

Also dann: “Mein erster Mord” ist von Nick Guthe und nicht, wie von Euch behauptet, von Clément Virgo. Die Zeit läuft …