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Leben

A Room Of One’s Own

Ich habe heute das getan, was Max Goldt “nach Wohnungen gucken” nennt. Ich lief also durch die Gegend und guckte nach Straßen und Häusern, in denen ich gern wohnen würde, in der vagen Hoffnung, dass auch tatsächlich irgendwo irgendwas frei sein könnte. Ich bin nämlich mit mir übereingekommen, dass die Zeit, in der ich Abflussrohre von andererleuts Fußnägeln befreie, so schnell wie möglich enden soll. (Entschuldigung, vor diesen eingeschobenen Halbsatz hätte ich natürlich auch ein “Achtung, eklig!” setzen können. Nu isses zu spät!)

Als latent fauler Mensch hatte ich natürlich zunächst angenommen, zur Wohnungssuche auf das Instrument zurückgreifen zu können, dass mir für mich schon die Erschließung und Pflege von Sozialkontakten, sämtliche Finanztransaktionen und die Versorgung mit aktueller Musik übernommen hat: das Internet.

Genau genommen sind aber kryptische Anzeigen in Spam-Zeitungen, die Hinweise wie “KDB” oder “WBS” enthalten, den etwas ausführlicheren Schilderungen in Online-Portalen vorzuziehen. Die kleinen Texte inmitten der Bleiwüsten erwecken nämlich noch nicht mal den Eindruck, irgendetwas auszusagen. Im Internet gibt es zwar Fotos, aber fast immer nur solche, die nichts erklären. Kürzlich sah ich das Bild einer Wohnung, in der von der Küche aus ein gefliester Raum zu erahnen war, der durch eine Falttür zugänglich war. Ich fragte zwei Freunde, ob es sich dabei wohl um die Speisekammer oder um das Bad handele, und beide antworteten wortgleich: “Ich fürchte letzteres.” Genau konnte man das dem Foto und den Beschreibungen nicht entnehmen, aber mein Interesse, das vor Ort zu untersuchen, war erloschen.

Auch die Beschreibungen sind nicht immer hilfreich. Ein Anbieter, dem offenbar zwei Drittel aller Mietimmobilien in Bochum gehören, hält es für sinnvoll, bei jeder Wohnung die Entfernung zum nächsten Flughafen anzugeben (und zwar mit einer Stelle hinterm Komma), schweigt sich aber stets darüber aus, ob die das zur Wohnung gehörende Badezimmer über eine Badewanne oder eine Dusche verfügt. Dafür wird man mit jener Geheimsprache behelligt, die ausschließlich von Maklern und Wirtschaftsjournalisten verstanden wird. “verkehrsgünstig gelegene, städtische Straße” heißt vermutlich “es fühlt sich an, als ob der Verkehr direkt durchs Wohnzimmer knattert”, aber: Weiß man’s?

Ein bisschen was lernt man natürlich auch. Ich weiß jetzt, dass ein “Gefangener Raum” nur durch ein anderes Zimmer zugänglich ist und nicht direkt vom Flur aus. (Schlechte Scherze über österreichische Keller schrauben Sie sich bitte bei Bedarf selbst zusammen, die sind mir nun wirklich zu blöd.) Eine Pantry-Küche ist ein Schrank, in dem eine Minibar, eine Munddusche, eine Heizplatte und Platz für eine Packung Nudeln untergebracht sind — also das Smartphone unter den Küchen, nur noch ein bisschen nutzloser.

Als ich mich für eine Wohnung beworben habe, wollte die vermietende Wohngenossenschaft von mir Kontodaten und Personalausweisnummer wissen und interessierte sich auch dafür, welche Musikinstrumente ich denn so spiele — mutmaßlich nicht, um ein Wohnungsblock-Orchester zusammenzustellen.

Natürlich ist der Zeitpunkt, die Veränderung der Wohnsituation jetzt aber mal wirklich anzugehen (und zwar “sowas von”), unglücklich gewählt: Zum Semesterbeginn kann man auch Abstellkammern (so es sich dabei nicht um das Bad innerhalb der Küche handelt) meistbietend vermieten. Da muss man schon so dreist sein und erzählen, man habe “den ganzen Kram” direkt unten im Auto und müsse sonst unter der Brücke nächtigen — und selbst dann ist nicht garantiert, dass man auch den Zuschlag bekommt.

Anspruchsvoll bin ich ja auch: Erdgeschoss geht nicht, weil ich Gardinen hasse, aber auch nicht über die niederländische Staatsbürgerschaft verfüge — ich will nicht, dass mir jeder auf den Esstisch gucken kann, also muss ich weiter rauf. Mehr als eine, maximal zwei Treppen möchte ich aber auch nur ungern steigen müssen, besonders beim Umzug. Und wie um diesen Punkt zu untermauern, habe ich mir neulich ein Ledersofa schenken lassen, das nur sehr umständlich zu bewegen ist und sicher nicht durch jedes Treppenhaus passt. “Möbliert” ist übrigens ein Reizwort, denn wenn schon hässlich, dann bitte nach meinem Willen!

Ich bin also weiter auf der Suche, aber mein Optimismus ist ungebrochen. Beim heutigen Rundgang bin ich nämlich auf ein Objekt gestoßen, das meine Begeisterung fürs etwas andere und meinen heimwerklichen Ehrgeiz gleichermaßen angesprochen hat:

Abrisshaus in Bochum.