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Leben

Die theatralische Sendung

Auf eine ersehn­te Paket-Lie­fe­rung zu war­ten dürf­te das Ermü­dends­te sein, was auf die­sem Pla­ne­ten mög­lich ist: Man sitzt zuhau­se und war­tet, dass es end­lich klin­gelt. Mit irgend­wel­chen Arbei­ten traut man sich nicht zu begin­nen, denn es könn­te ja jeder­zeit soweit sein und dann will man das Paket natür­lich sofort in Emp­fang neh­men, aus­pa­cken und dem Inhalt sei­ne vol­le Auf­merk­sam­keit wid­men. Es ist wie­der wie frü­her in der Zeit zwi­schen Haus­auf­ga­ben fer­tig haben und drei Uhr, wenn die Freun­de end­lich zum Spie­len kom­men; wie der Nach­mit­tag des 24. Dezem­ber, nur ohne Micha­el Schan­ze. Irgend­wann traut man sich nicht mehr auf die Toi­let­te und steht dafür sofort am Fens­ter, wenn man ein Auto anhal­ten hört. Auf dem Park­platz unse­res Wohn­heims hal­ten sehr vie­le Autos an.

Nicht bes­ser wird das alles, wenn man im Inter­net nach­ver­fol­gen kann, wo das Paket gera­de ist. So weiß man, dass es geschla­ge­ne 76 Stun­den irgend­wo in Köln gela­gert hat. So lan­ge Köln – das wünscht man kaum sei­nem ärgs­ten Feind, außer­dem hät­te man selbst in die­ser Zeit mit einem Auto nach Köln fah­ren und ver­mut­lich sogar wie­der her­aus­fin­den kön­nen. Und dann ist es in der Nacht nach Apel­doorn in die Nie­der­lan­de gebracht wor­den, was etwa drei Mal so weit weg von Köln ist wie der Ziel­ort Bochum – aber immer­hin in einer ähn­li­chen Him­mels­rich­tung. Man lernt, dass „Unter­wegs“ auch in einem abs­trak­ten, eher phi­lo­so­phi­schen Sinn gemeint sein kann: in einem Schwe­be­zu­stand zwi­schen den Orten, auf einem Weg, der das Ziel ist.

In der Zwi­schen­zeit liest man von den Schick­sals­schlä­gen ande­rer Men­schen, deren Sen­dun­gen im aus­tra­li­schen Ver­sand­we­sen ein­fach so … Ent­schul­di­gung: ver­san­den. Das hebt nicht gera­de die Hoff­nung, in den nächs­ten Tagen noch was zu Essen zu bekom­men, denn zum Super­markt weg­trau­en kann man sich auf kei­nen Fall, da der Zustel­ler ja nur auf die­sen Moment war­tet. Bleibt man aber zuhau­se, bleibt er natür­lich ein­fach weg.

Das War­ten auf eine Lie­fe­rung ist für Män­ner das, was das War­ten auf einen Rück­ruf für (her­an­wach­sen­de) Frau­en ist. Ver­mut­lich hat die Natur die­se Insti­tu­ti­on als Gene­ral­pro­be geplant: um zu über­prü­fen, ob der Mann den see­li­schen Belas­tun­gen einer her­an­na­hen­den Geburt gewach­sen wäre. Man stellt fest, dass man es nicht wäre und ver­wirft alle Plä­ne aufs Kin­der­krie­gen – zeu­gen könn­te man sie eh nicht, weil man sich ja auf die Tür­klin­gel kon­zen­trie­ren muss. Man ver­sucht zu lesen, aber jede Bewe­gung des Fahr­stuhls lenkt einen wie­der ab: Hält er in mei­ner Eta­ge? Ent­steigt ihm der Bote des Glücks?

So ver­bringt man gan­ze Tage mit War­ten. Der Hass auf das Trans­port­un­ter­neh­men droht auch auf das ver­schick­te Objekt abzu­fär­ben. Man erwischt sich dabei, wie man auf dem Boden liegt und die Zei­ger der Wand­uhr anstarrt, als sei­en sie vom Aus­ster­ben bedroh­te Tie­re, die im hei­mi­schen Gar­ten den Art­erhalt ver­su­chen. Jetzt bloß nicht stö­ren, sonst ist alles kaputt.

Irgend­wann steht auf der Web­site nicht mehr „Unter­wegs“, son­dern „Aus­nah­me: Inter­ne Akti­on“, was für einen Moment den Anschein des Beson­de­ren, Aus­er­wähl­ten hat. Dann begreift man, dass man wie­der mal Pech gehabt hat mit einem die­ser Unter­neh­men und dass die Aus­wahl jetzt immer gerin­ger wird und man bald Ein-Euro-Kräf­te mit der Abho­lung erwünsch­ter Din­ge an ihrem Pro­duk­ti­ons­ort beauf­tra­gen muss. Oder war­um nicht gleich selbst nach Chi­na rei­sen? Da rei­sen doch jetzt alle hin und es soll so span­nend sein. Ande­rer­seits sind da natür­lich Tibet, die Men­schen­rech­te und die Pres­se­frei­heit, die es einem schwer machen, in das Land zu rei­sen, in dem die sehn­süch­tig erwar­te­ten Waren pro­du­ziert wer­den.

Tage kom­men und gehen und irgend­wann kommt man auf dum­me Gedan­ken:

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Was ich eigent­lich nur sagen woll­te: seit ges­tern Abend ist mein Mac­Book da!