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Musik

Listenpanik 04/09

Normalerweise könnte ich im Laufe des Monats einen Stapel mit allen CDs bilden und ihn am Ende abarbeiten. Dagegen spricht aber zum einen mein Zwang, neue Tonträger direkt ins Regal einsortieren zu müssen, und zum anderen die Tatsache, dass ich immer mehr Musik als Download kaufe.

Ich bin aber der Ansicht, dass sie dadurch nicht schlechter wird, und entsprechend gut sind dann auch die Sachen, die ich im April gehört und für erwähnenswert befunden habe:

Alben
Great Lake Swimmers – Lost Channels
Beginnen wir mit einem Nachtrag aus dem März, weil mir niemand Bescheid gesagt hatte: Die Great Lake Swimmers aus Kanada machen Folk Rock, was sich als Genre schlimmer anhört denn als Musik. Sie spielen zerbrechliche Balladen, die nur aus der Stimme von Sänger Tony Dekker und Gitarrenklängen bestehen, die vermutlich entstehen, wenn man die Saiten anhaucht oder zu streng anguckt, und etwas schwungvollere Country-Klänge, zu denen man gleich sich gleich auf den Appalachian Trail begeben möchte. Das alles ist ihnen auf dem Vorgängeralbum “Ongiara” zwar noch etwas stimmungsvoller geraten, aber das war vor zwei Jahren auch ein Überalbum.

Death Cab For Cutie – The Open Door EP
Nochmal März, aber diesmal nur kurz: Death Cab (wie man als aufmerksamer “O.C., California”-Zuschauer ja sagt) haben eine EP mit vier neuen Songs und einer Demo aus den “Narrow Stairs”-Sessions zusammengestellt. Wie immer auf hohem Niveau und auch etwas poppiger als die Songs, die es aufs Album geschafft hatten.

Kilians – They Are Calling Your Name
Überraschung! Ich bilde mir aber auch diesmal wieder ein, dass ich das Album auch dann noch sehr gut fände, wenn ich nicht mit den Musikern befreundet wäre. Musikalisch ist das Album anspruchsvoller und noch etwas abwechlungsreicher als das Debüt (richtig abwechslungsreich wird’s, wenn man sich die Special Edition mit Elektro- und Cha-Cha-Cha-Einlagen anhört) und man hört auch genauer auf die Texte. Das führt etwa bei “Used To Pretend” dazu, dass man sich hinterher sicher ist, ein unglaublich kluges, aufrichtiges und eindringliches Trennungslied gehört zu haben — und den vielleicht besten Kilians-Song bisher.

Bob Dylan – Together Through Life
Und noch jemand, den man nicht ernsthaft bewerten kann. Auch, wenn ich mich nicht als großen Dylan-Fan (oder gar -Kenner) bezeichnen würde, schätze ich seine Musik und seine Person doch sehr und bin gerade von seinen jüngsten Alben schwer begeistert. “Together Through Life” steht “Love And Theft” und “Modern Times” da in nichts nach: Blues, der mal trocken nach vorne stapft, mal melancholisch am Klavier gespielt wird. Bemerkenswert ist es dann aber schon, dass Dylan mit dem Album die erste UK-Number-One seit 39 Jahren gelungen ist und die Single “Beyond Here Lies Nothin'”, die ein bisschen an “Black Magic Woman” von Santana erinnert und die es einen Tag als kostenlosen Download auf Dylans Website gab, plötzlich im Radio rauf und runter läuft.

Officials Secrets Act – Understanding Electricity
Es gibt Alben, da weiß ich beim ersten Hören, dass ich sie mag, aber nicht sonderlich oft hören werde. “Understanding Electricity” könnte dieses Schicksal blühen, obwohl der Indierock zwischen Maxïmo Park, We Are Scientists und The Wombats wirklich schön ist. Mitunter nerven manche abgedrehten Sounds ein bisschen, aber Songs wie “Little Birds” und “Hold The Line” (hat nichts mit Toto zu tun) sind dann auf der anderen Seite einfach ganz großer Pop und haben zumindest erhöhtes Mixtape-Potential.

Songs
Kilians – Hometown
Hatte ich nicht gerade noch “Used To Pretend” als “den vielleicht besten Kilians-Song bisher” bezeichnet? Ja, klar. Aber wenn die Kilians einen Song namens “Hometown” schreiben, der auch noch so einen catchy Refrain hat, dann muss der natürlich noch einmal besonders hervorgehoben werden. Auch wenn es angeblich gar nicht um Dinslaken an sich geht, sondern um das Gefühl, von einer Stadt und ihren Menschen geprägt worden zu sein, empfiehlt sich dieser Song natürlich als inoffizielle Stadthymne. Wenn die Dinslakener cool wären, würde im Sommer kein anderes Lied aus Cabrios und offenen Wohnungsfenstern tönen.

Bob Dylan – Life Is Hard
In die Reihe von “Moonlight” und “Workingman’s Blues #2” gesellt sich “Life Is Hard”: Ein ruhiger Blues und die Stimme eines Mannes, der alles erlebt hat und den nichts mehr erschüttern kann. Schlicht und ergreifend.

Muff Potter – Niemand will den Hund begraben
Ich weiß nicht, wie oft ich die neue Muff-Potter-Platte “Gute Aussicht” hören müsste, bis sie mir gefällt. Bei “Steady Fremdkörper” hat’s ja auch irgendwann geklappt — nur, dass ich die Platte seit Ewigkeiten nicht mehr gehört habe und mich nur an einen Song erinnern kann. “Niemand will den Hund begraben” könnte also das diesjährige “Die Guten” sein. Diesmal geht’s aber nicht um Trennungen sondern – Super-Songthema – um Landflucht. Die Schilderung der Heimatstadt, in der es kaum noch junge Leute gibt, und in der alles langsam stirbt, hat schon Springsteen’sche Dimensionen und hätte auch gut auf die letzte kettcar-Platte gepasst. Das war übrigens auch so ein Album, das ich mir erst schönhören musste, um es dann ganz schnell wieder zu vergessen.

[Listenpanik, die Serie]