Kategorien
Film

And here’s to you, Mrs. Robinson …

Heu­te Nacht lief in der ARD „Die Rei­fe­prü­fung“ (oder wie wir Cine­as­ten­säue sagen: „The Gra­dua­te“). Alle Vor­sät­ze, mal frü­her ins Bett zu gehen, waren ver­ges­sen, und ich muss­te den Film vom Flug­zeug bis zum Bus sehen. Ich habe sowie­so eine Schwä­che für älte­re Fil­me, aber die­ser gefällt mir bei jedem Wie­der­se­hen bes­ser.

An „Die Rei­fe­prü­fung“ stimmt ein­fach alles: Die­se Bil­der und Schnit­te; die­se Dia­lo­ge, die heu­te so wun­der­bar ange­staubt wir­ken und vor vier­zig Jah­ren ver­mut­lich eine Rie­sen­pro­vo­ka­ti­on waren; natür­lich die­se groß­ar­ti­ge Musik von Simon & Gar­fun­kel und die Schau­spie­ler.

Anlass für die gest­ri­ge Aus­strah­lung war der 70. Geburts­tag von Dus­tin Hoff­man und natür­lich ist er es, der den Film als Ben­ja­min Brad­dock trägt. Die Sze­ne, in der er auf einer Luft­ma­trat­ze im Swim­ming Pool treibt, ist eine viel­zi­tier­te Iko­ne der Pop­kul­tur der spä­ten 1960er Jah­re. Hoff­man spielt in die­sem Film die ein­zi­ge mir bekann­te Vor­wurfs­voll-die-Socken-anzieh-Sze­ne der Film­ge­schich­te und schlägt so lie­bens­wür­dig mit dem Kopf gegen die Wand wie nie­mand vor und nach ihm. Auch hat nie jemand uncoo­ler eine Son­nen­bril­le getra­gen als er in der Nacht­club-Sequenz.

Es ist ver­blüf­fend, wie vie­le jun­ge Schau­spie­ler von heu­te genau­so wir­ken wie Hoff­man in die­sem Film. So dürf­te er sei­nen Dop­pel­gän­ger schließ­lich in Jake Gyl­len­haal gefun­den haben, mit dem er 35 Jah­re spä­ter gemein­sam in „Moon­light Mile“ bril­lier­te.

Bei aller Begeis­te­rung für Hoff­man darf (und kann) man aber natür­lich auch Anne „Mrs. Robin­son“ Ban­croft nicht ver­ges­sen. Man kann sich nur vor­stel­len, wie sehr ein Film über Ehe­bruch mit einem viel jün­ge­ren Mann 1967 pro­vo­ziert haben muss. Dabei ist die­se Ehe­bre­che­rin mit ihrem ver­meint­li­chen Aus­bruch aus der bür­ger­li­chen Spie­ßig­keit fast noch heuch­le­ri­scher als alle ande­ren Figu­ren. Der Gene­ra­tio­nen­kon­flikt zwi­schen den arbeits­sa­men Erwach­se­nen ohne Vor­na­men und den ori­en­tie­rungs­lo­sen Jugend­li­chen wirkt heu­te viel­leicht etwas holz­schnitt­ar­tig, aber man muss sich mal vor Augen hal­ten, zu wel­cher Zeit der Film anlief: Das Mon­terey Pop Fes­ti­val und der „Sum­mer of Love“ waren gera­de vor­bei, an den Unis in Paris, Ber­ke­ley und Ber­lin rumor­te es hef­tig und in Deutsch­land regier­te die gro­ße Koali­ti­on. Im Gegen­satz zu (viel spä­te­rem) Hip­pie-Schmonz wie „Hair“ war „Die Rei­fe­prü­fung“ also ein durch­aus ange­mes­se­nes Doku­ment des Zeit­ge­sche­hens und in sei­ner Zeich­nung gera­de­zu sub­til.

Als Film ist das Werk von Mike Nichols sowie­so eine Klas­se für sich. Man merkt sei­nen Ein­fluss auf ande­re Fil­me, vor allem in den letz­ten Jahr­zehn­ten: „Say Any­thing“, „Pulp Fic­tion“, „Der Eis­sturm“, „Ame­ri­can Pie“, „Ame­ri­can Beau­ty“, „The Vir­gin Sui­ci­des“ und vor allem „Gar­den Sta­te“ von und mit Zach Braff zitie­ren ein­zel­ne Sze­nen bis gan­ze Stim­mun­gen des Films.

Wür­de eine mit­tel­al­te Dame heut­zu­ta­ge aller­dings unge­fragt im Zim­mer eines jun­gen Man­nes zu Rau­chen anfan­gen, wür­de sie ihn damit in den aller­meis­ten Fäl­len nicht mehr ver­füh­ren kön­nen, son­dern beacht­lich ver­är­gern.

Kategorien
Film

This Is Zodiac Speaking

Zodiac (Amerikanisches Filmposter)Fil­me über wah­re Bege­ben­hei­ten haben ja immer den Nach­teil, dass man weiß, wie sie aus­ge­hen. Zwar berich­te­te mein Bru­der mal von einer Freun­din, die empört war, als man ihr vor dem Kino­be­such das Ende von „Der Unter­gang“ offen­bar­te („Hit­ler erschießt sich und Deutsch­land ver­liert“), aber das dürf­te eben­so die Aus­nah­me sein wie Leu­te, die sich wun­dern, dass in „Tita­nic“ ein Schiff unter­geht. In „Zodiac“ dem neu­es­ten Film des groß­ar­ti­gen David Fin­cher („Fight Club“, „Sie­ben“, „The Game“) geht es um einen Seri­en­mör­der, von dem in Ame­ri­ka jedes Kind weiß, dass er nie gefasst wur­de. Wie man vor die­sem Hin­ter­grund trotz­dem einen span­nen­den Film dre­hen kann, zeigt Fin­cher den Zuschau­ern in 158 Minu­ten.

In der San Fran­cis­co Bay Area wer­den Ende der 1960er Jah­re meh­re­re Mor­de began­gen, der Täter schickt ver­schlüs­sel­te Bot­schaf­ten an Lokal­zei­tun­gen und Poli­zei und insze­niert sich selbst als ers­tes media­les Phä­no­men die­ser Art. Die Ermitt­ler tap­pen im Dun­keln, die Nach­for­schun­gen des Repor­ters Paul Avery (Robert Dow­ney Jr. spielt einen Mann mit Alko­hol­pro­ble­men – How about that?) füh­ren auch nicht wei­ter und der gan­ze Fall ver­läuft sich irgend­wie. Und in dem Moment, wo man sich als Zuschau­er fragt „Ja, und jetzt? Ist ja wohl noch was hin bis zum Schluss …“, in die­sem Moment ent­wi­ckelt der Kari­ka­tu­rist Robert Grays­mith (der in vier­zehn Jah­ren kei­nen Tag altert – Jake Gyl­len­haal sei Dank) eine gera­de­zu krank­haf­te Obses­si­on, den Fall lösen zu wol­len. Er forscht nach, kämpft sich durch Akten­ber­ge und befragt alle mit dem Fall betrau­ten Per­so­nen.

Dass Fin­cher eine bedrü­cken­de Atmo­sphä­re schaf­fen kann, wis­sen wir spä­tes­tens seit „Sie­ben“. In „Zodiac“ rekon­stru­iert er das San Fran­cis­co der spä­ten Sech­zi­ger und Sieb­zi­ger Jah­re mit bei­na­he beun­ru­hi­gen­der Akri­bie und schafft so eine Welt in Braun und Grau, in der es auch noch stän­dig reg­net. Zu jeder Sekun­de sieht der Film so aus, als sei er wirk­lich schon über 30 Jah­re alt und die Kame­ra­fahr­ten durch inzwi­schen längst umge­bau­te Stra­ßen zei­gen, wie toll und unauf­fäl­lig Spe­zi­al­ef­fek­te mitt­ler­wei­le sind, wenn man sie aus­nahms­wei­se mal für rea­lis­ti­sche Bil­der ein­setzt. Der Film nimmt uns mit in eine Zeit, lan­ge vor der welt­wei­ten Ver­net­zung, als längst noch nicht jede Poli­zei­sta­ti­on in den USA ein Fax­ge­rät hat­te und man von gene­ti­schen Fin­ger­ab­drü­cken und ähn­li­chen Spie­le­rei­en noch nicht mal träum­te – eine Zeit, in der die Ame­ri­ka­ner immer­hin auf dem Mond lan­de­ten und in der Edu­ard Zim­mer­mann schon „Akten­zei­chen XY… unge­löst“ mode­rier­te.

Jake Gyl­len­haal wird sein Image als „irgend­wie unheim­li­cher Sof­tie“ wohl nie so ganz los­wer­den, aber wie schon so oft (und zu vör­de­rerst in „Don­nie Dar­ko“) über­zeugt der 26-Jäh­ri­ge auch dies­mal wie­der voll und ganz. Sein Robert Grays­mith, auf des­sen Büchern der gan­ze Film basiert, ist ein ähn­lich getrie­be­ner Cha­rak­ter wie Detec­ti­ve David Mills in „Sie­ben“: Er beläs­tigt die zustän­di­gen Poli­zis­ten mit­ten in der Nacht, spannt sei­ne Kin­der als Hilfs­er­mitt­ler eins und als er zuhau­se Anru­fe vom ver­meint­li­chen Kil­ler erhält, ver­lässt ihn sei­ne zwei­te Frau. Sei­nen Bru­der im Geis­te fin­det er in Inspec­tor David Toschi (Mark Ruf­fa­lo), der ihn mit Infor­ma­tio­nen ver­sorgt und trotz aller Anstren­gun­gen auch nicht vom Zodiac-Fall los­kommt.

Die bru­ta­len Mor­de bil­den eigent­lich nur das Grund­ge­rüst für die Geschich­te, auf eini­ge Fäl­le, die dem Zodiac-Kil­ler eben­falls zuge­schrie­ben wer­den, geht er gar nicht ein. Fin­cher ori­en­tier­te sich nach eige­nen Anga­ben an „All The President’s Men“, dem Film über die Jour­na­lis­ten Carl Bern­stein und Bob Wood­ward, die den Water­ga­te-Skan­dal auf­deck­ten. Trotz­dem ent­wi­ckelt sich in man­chen Sze­nen eine unglaub­li­che Span­nung, die auch durch Fak­ten­wis­sen nicht her­un­ter­zu­spie­len ist. Auf dem Nach­hau­se­weg war ich jeden­falls gering­fü­gig para­no­id.

Fünf Jah­re nach „Panic Room“, der eigent­lich auch nur ent­täu­schend war, weil man nach „Fight Club“ wie­der eine ähn­li­che Groß­tat von Fin­cher erwar­tet hat­te, ist der Regis­seur ein­mal mehr auf dem Höhe­punkt sei­nes Schaf­fens. „Zodiac“ ist ein düs­te­rer, intel­li­gen­ter, letzt­lich aber pes­si­mis­ti­scher Film. Für Leu­te, die sich schon län­ger mit dem Zodiac-Kil­ler befas­sen, ist es eine Bebil­de­rung der eige­nen Vor­stel­lun­gen, für Neu­lin­ge ist es eine sehr gute Ein­füh­rung in den Fall. Die 2004 geschlos­se­nen Akten des San Fran­cis­co Poli­ce Depart­ment zum Zodiac-Kil­ler wur­den im Früh­jahr die­ses Jah­res wie­der geöff­net.

Offi­zi­el­le Web­site zum Film
Offi­zi­el­le deut­sche Web­site zum Film
Film-Trai­ler
„The Z Files“ – Fak­ten­samm­lung zum Zodiac-Kil­ler