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What’s Happening Brother

Ich bin immer noch auf der Suche nach einer neuen Bleibe. Zwar LIEBE ich mein Apartment am 243 Riverside Drive, aber seit sie neulich zwei Blocks entfernt diesen Geschäftsmann abgestochen haben, möchte ich hier so schnell wie möglich weg. Ich finde, ein bisschen change tut mal ganz gut und so suche ich jetzt mal an der Upper East Side.

Es ist für Deutsche (außerhalb Münchens) vermutlich unvorstellbar, wie schwer es ist, in Manhattan ein geeignetes Apartment zu finden. Zwar ist Dank etlicher foreclosures inzwischen wieder einiges auf dem Markt (anders als vor drei Jahren, als ich hierher kam), aber dafür stehen jetzt auch die Interessenten Schlange. Und wenn Wolfgang Tillmanns, die Tochter von Bobby de Niro oder einer der Petshop Boys sich für ein Apartment interessiert, steht man als kleine Journalistin natürlich blöd da.

Mein guter Freund Bernárd schickte mir kürzlich einen Brief aus Belize. Auf handgeschöpftem Büttenpapier, das ganz leicht, aber auf keinen Fall aufdringlich nach Eau de Cologne duftete, fragte er mich, wie ich eigentlich mit dieser Doppelbelastung als Gesellschaftskolumnistin UND Bestsellerautorin klarkomme.

Ihr müsst wissen: Bernárd ist der Sproß einer französischen Winzerdynastie und hat seine Jugend überwiegend in thailändischen Opiumhöhlen verbracht. Für ihn ist es schon eine große Anstrengung, einmal im Jahr nach Paris zu fliegen und mit seinen Vermögensverwaltern und Geschwistern die Bücher durchzusehen. Die meiste Zeit des Jahres verbringt er mit seinem jugendlichen Liebhaber in der Karibik und genießt dort den Schnee. If you know what I mean.

Zunächst hatte ich überlegt, Bernárd als Antwort auf seine ganz entzückende Frage eine signierte Ausgabe meines neuesten Buches “Die Muschi in der Einkaufstasche” zukommen zu lassen, aber dann fiel mir wieder ein, dass er kein Deutsch versteht. Vielleicht sollte ich mein nächstes Buch (es handelt von einer emanzipierten jungen Frau, die einem älteren Mann den Kopf verdreht und ihn so um Frau, Arbeit und Leben bringt — eine witzige Lektüre für Zwischendurch) direkt auf Englisch schreiben, dann könnte ich vielleicht auch mehr Titel “abverkaufen”, wie sich mein Literaturagent immer ausdrückt. Mein Literaturagent lebt allerdings in Köln, da kann man keine schöne Sprache erwarten.

Nächste Woche ist ja der Jahrestag des Mauerfalls. Ich kann mich noch gut daran erinnern: Ich stand kurz vor meinem Abitur und am nächsten Tag kam unser Geschichtslehrer, so ein alter Nazi, in die Klasse und warf mit großer Geste unser Lehrbuch in die Tonne und sagte, das müsse jetzt alles umgeschrieben werden. Zwei Jahre später tanzte ich jedes Wochenende im Tresor in Berlin und schrieb meine ersten Texte fürs “Zitty”. Das waren Zeiten, als Berlin noch INTERESSANT war …

Vorgestern habe ich mit einem deutschen Radiosender telefoniert, der mich zum ersten Jahrestag von Barack Obamas Wahl zum US-Präsidenten interviewt hat. Das Interview war schlecht vorbereitet und der Moderator sprach immer von “BÄRÄCK OBÄMA”, was mich ganz wahnsinnig gemacht hat, aber anschließend spielten sie “What’s Happening Brother” von Marvin Gaye und da dachte ich, diesen Song muss ich jetzt sofort auch haben. Ich hab das Album noch auf Vinyl, aber das liegt irgendwo in einem Umzugskarton im Keller meines Elternhauses in Unna, und so habe ich mir das Album noch mal bei iTunes gekauft. Früher hätte ich erst in einen record store gehen müssen, wo es entweder gar keine Beratung gibt, oder die langhaarigen, ungewaschenen Verkäufer nur die aktuellen Sachen kennen und VIELLEICHT noch Sonic Youth und the Velvet Underground. Heute geht das alles ganz schnell, direkt auf mein iPhone.

Ich habe mir übrigens schon wieder ein neues iPhone kaufen müssen. Das letzte habe ich ausnahmsweise NICHT im Taxi vergessen (Ihr erinnert Euch), Nein, es ist mir beim Aussteigen aus dem Taxi aus meiner Manteltasche und in den Rinnstein gefallen. “Oh Gosh, not AGAIN”, hab ich gedacht, aber da war es bereits ertrunken. Taxis und iPhones passen anscheinend nicht zusammen, zumindest bei mir.

Nun ja, ich muss Schluss machen, gleich kommt ein Kamerateam von “Titel, Thesen, Temperamente” vorbei und möchte mich beim Joggen durch den Central Park filmen. Die planen ein großes Porträt über mich, das freut mich natürlich. Wo man ja sonst von den deutschen Medien doch eher ignoriert wird. Nach den Dreharbeiten bin ich dann mit einem Freund von Christian Kracht zum lunch verabredet. Ich muss ihn mal fragen, was Christian eigentlich im Moment macht.

Macht’s gut, meine Lieben, wir sprechen uns nächste Woche wieder!

Bussi!