Kategorien
Literatur Digital

Weder Lennon noch Heino: Interview mit Volker Strübing

Auf mei­ner Dienst­rei­se nach Ber­lin habe ich mich auch zu einem Inter­view mit Vol­ker Strü­bing getrof­fen. Es war ein sehr net­tes Gespräch mit dem Schrift­stel­ler und Schöp­fer von „Kloß & Spin­ne“ und dar­aus wäre sicher auch ein hüb­sches, klei­nes Video gewor­den, wenn …

Volker Strübing und Lukas Heinser sitzen auf einem Sofa (v.r.n.l.)

Ja, wenn die Video­ka­me­ra nicht zu weit von uns und zu nah an der The­ke vom RAW-Tem­pel gestan­den hät­te, an der gera­de das gesam­te Fla­schen­la­ger durch­ge­schüt­telt wur­de. Ohne Vor­kennt­nis­se hät­te man also kein Wort ver­stan­den, wes­we­gen ich gezwun­gen war, das gan­ze Gespräch abzu­tip­pen. Auch wenn jetzt der schö­ne Ber­li­ner Ton­fall in Vol­kers Stim­me fehlt, den­ke ich, dass es sich gelohnt hat:

Vol­ker, Du beschreibst Dich selbst als einer der „welt­weit unbe­kann­tes­ten Pop­stars“, was bedeu­tet das?

Na, dass mich viel zu weni­ge Leu­te ken­nen. Gera­de im Pop­star-Busi­ness ist es ja total wich­tig, dass man sehr bekannt ist, und das bin ich aber noch nicht. In der Lis­te der Pop­stars steh‘ ich nicht unter den ers­ten zehn, wahr­schein­lich nicht mal unter den ers­ten vier­zig, da gibt’s ganz ande­re, die einem da ein­fal­len wür­den: John Len­non oder Hei­no ist wahr­schein­lich sogar noch vor mir.

Aber Du arbei­test dran?

Nee, eigent­lich nicht mehr. Ich mach bloß noch ganz wenig Musik.

Was bist Du eigent­lich genau? Du bist Schrift­stel­ler, Slam-Poet, Musi­ker, Trick­fil­mer, sonst noch was?

Von All­tags­sa­chen wie Kaf­fee­trin­ker und so wei­ter abge­se­hen, war da glaub ich schon fast alles dabei.

Du hast 1996 eine der ältes­ten Lese­büh­nen Deutsch­lands mit­be­grün­det, „LSD – Lie­be statt Dro­gen“. Da machst Du immer noch mit und bei „Chaus­see der Enthu­si­as­ten“. Was muss man sich dar­un­ter vor­stel­len, wenn man sich sowas noch nie ange­se­hen hat?

Eine Lese­büh­ne ist im Prin­zip eine Art Band, die statt Musik zu machen Geschich­ten erzählt. Bei einer typi­schen Ber­li­ner Lese­büh­ne gibt es eine fes­te Grup­pe von Autoren, die sich wirk­lich jede Woche, in man­chen Fäl­len auch bloß jeden Monat, am sel­ben Ort tref­fen und ihre Geschich­ten vor­le­sen. Im Ide­al­fall neue.

Im Gegen­satz zum Poet­ry Slam gibt es da kei­ne offe­ne Lis­te, das heißt man kann nicht ein­fach mit­ma­chen, son­dern muss Mit­glied der Grup­pe sein, und es gibt auch kei­ner­lei Wer­tung oder Wett­kampf oder so …

Du hast es schon ange­spro­chen: Poet­ry Slam ist dann so ein Wett­kampf, wo man sich hin­stellt und Tex­te vor­trägt, so ähn­lich wie Rezi­ta­ti­ons­wett­be­wer­be im Mit­tel­al­ter?

Ich war noch nie bei einem Rezi­ta­ti­ons­wett­be­werb im Mit­tel­al­ter … (lacht) Ich glau­be, da gab’s dann irgend­wie ’ne Frau zu gewin­nen oder so.

Ich hab mich auch nie so in Medi­ävis­tik ver­tieft. Also ist es irgend­wie so ’ne Art Inge­borg-Bach­mann-Wett­le­sen ohne Inge­borg-Bach­mann-Preis?

Ich habe tat­säch­lich auch noch nie das gan­ze Inge­borg-Bach­mann-Wett­le­sen ver­fol­gen kön­nen, aus Des­in­ter­es­se vor allem. Aber beim Inge­borg-Bach­mann-Preis wer­den die Leu­te ja irgend­wie ein­ge­la­den, wäh­rend beim Poet­ry Slam im Prin­zip jeder mit­ma­chen kann, und außer­dem kann auch jeder mit­ent­schei­den, wer gewinnt. Es gibt kei­ne Exper­ten­ju­ry oder so, son­dern das Publi­kum ent­schei­det ent­we­der durch Applaus oder es wird eine Num­mern­ju­ry aus dem Publi­kum per Zufalls­prin­zip raus­ge­sucht.

Es schnei­det sich für gewöhn­lich auch nie­mand die Stirn auf?

Es sind schon manch­mal ver­rück­te Leu­te und manch­mal sieht man da schon ver­rück­te Din­ge, aber sowas ist glaub ich sel­ten.

Lukas Heinser und Volker Strübing sitzen auf einem Sofa (v.l.n.r.)

Es gibt ja jetzt in den letz­ten Jah­ren ver­mehrt Auf­merk­sam­keit für Poet­ry Slams: Der WDR hat inzwi­schen eine eige­ne Rei­he und sogar in mei­ner nie­der­rhei­ni­schen Hei­mat­stadt Dins­la­ken gibt es mitt­ler­wei­le sol­che Wett­be­wer­be. Freust Du dich dann, dass die­se Lite­ra­tur­form end­lich mehr Auf­merk­sam­keit erfährt, oder denkst Du, die sprin­gen jetzt nur auf die­sen Zug auch noch mit auf?

Nee, ich freue mich. Also ich fin­de das ja gut und dar­um fin­de ich es auch gut, wenn das mög­lichst vie­le Leu­te sehen. Ganz davon abge­se­hen, dass ich als frei­schaf­fen­der Autor natür­lich auch froh bin über jedes biss­chen Auf­merk­sam­keit, das mir in der herr­schen­den Medi­en­auf­merk­sam­keits­öko­no­mie zuteil wird. Wenn ich dann mal beim WDR-Poet­ry-Slam über den Bild­schirm hüp­fen kann, ist das für mich natür­lich ein­fach schön.

Aber ich den­ke auch, vie­le Men­schen wis­sen noch gar nicht, dass es Poet­ry Slams oder Lese­büh­nen gibt, und vie­le wis­sen viel­leicht noch gar nicht, dass sie tol­le Lese­büh­nen- oder Poet­ry-Slam-Autoren sein könn­ten. Dar­um ist es gut, wenn das bekannt gemacht wird und alle sich mal aus­pro­bie­ren kön­nen.

Du trägst viel vor Publi­kum vor, Du bist auch Blog­ger. Das sind bei­des Lite­ra­tur­for­men, bei denen man im direk­ten Aus­tausch mit den Leu­ten steht, wo man direkt Rück­mel­dun­gen kriegt; Du bist aber auch Roman­au­tor. Wie unter­schei­det sich das, direkt für die Leu­te zu schrei­ben und Rück­mel­dun­gen oder Kom­men­ta­re zu krie­gen, und auf der ande­ren Sei­te ein Buch zu schrei­ben, wo man im Zwei­fels­fall nie erfährt, wer es liest und was der­je­ni­ge davon hält?

Bis­her habe ich ja erst einen Roman geschrie­ben. Ich hof­fe, dass es nicht der letz­te blei­ben wird, aber ich ver­zet­tel mich zu sehr im Klein­kram, um wirk­lich dazu zu kom­men.

Das war schon merk­wür­dig, denn nor­ma­ler­wei­se ist es so: Über Jah­re hab ich geschrie­ben und am sel­ben Tag die­se Sachen noch vor­ge­le­sen. Diens­tags war immer unse­re Lese­büh­ne „LSD“, Don­ners­tags war „Chaus­see der Enthu­si­as­ten“, Diens­tag und Don­ners­tag waren also die Tage, an denen ich geschrie­ben habe und abends habe ich das dann vor­ge­le­sen. Dann plötz­lich einen Roman zu schrei­ben und über ein Jahr dar­an zu wer­keln, das war schon anders.

Ich hat­te ja immer das Ziel zum Ende zu kom­men, damit es dann irgend­wann Rück­mel­dun­gen gibt und das war dann über­haupt nicht schwer. Ich habe mich in die Geschich­te rein­ge­fres­sen und an der Geschich­te gebas­telt und das war auch phan­tas­tisch. Es war mal was ganz ande­res, an einem grö­ße­ren Pro­jekt zu arbei­ten, einen grö­ße­ren Bogen zu span­nen, sich eine gan­ze kom­ple­xe Geschich­te aus­zu­den­ken und Hand­lungs­fä­den zu spin­nen und zu ver­we­ben. Das war toll.

Wahr­schein­lich gibt’s irgend­was, womit man das ver­glei­chen könn­te, irgend­wie so viel­leicht wie: Die Geschich­te, die man dann vor­liest, ist wie schnel­ler Sex und der Roman wie eine lan­ge Ehe ohne Sex? Nee, ich weiß nicht. Also es war schön, jeden­falls. Ich will das jetzt nicht mit Sex-Meta­phern in den Schmutz zie­hen.

Kloß & Spinne (Mitte)

Man könn­te sagen: Berühmt in der Blogo­sphä­re bist Du für „Kloß & Spin­ne“, die Trick­film­se­rie, die ich per­sön­lich auch sehr mag. Gibt es da Vor­bil­der für die ein­zel­nen Figu­ren oder gab es irgend­ei­nen Anstoß, das zu ent­wi­ckeln, die­se Men­schen in einer Knei­pe?

Die Figu­ren, zumin­dest Kloß & Spin­ne, die­se bei­den extrem gegen­sätz­li­chen Cha­rak­te­re, die sind von der Idee her schon vie­le Jah­re alt und sind immer mal wie­der auch irgend­wo auf­ge­taucht und jetzt hat­te ich halt die Idee, ’ne gan­ze Hör­spiel­se­rie draus zu machen für die „Show Roya­le“ auf Radio Eins.

Aber es gibt kei­ne Leu­te, die ich ken­ne, die so sind. Viel eher ist es so, dass sie so ein biss­chen wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde sind: Eine Figur wur­de prak­tisch genom­men und ihre vor­her ganz­heit­li­che See­le wur­de in schwarz und weiß gespal­ten, bloß dass es hier eben nicht böse und gut, son­dern trau­rig und fröh­lich ist.

Wie bist Du denn? Bist Du eher wie so ein Pes­si­mist wie Kloß oder eher so ein uner­schüt­ter­li­cher Opti­mist wie Spin­ne?

Die­sen uner­schüt­ter­li­chen Opti­mis­mus wie Spin­ne hab ich noch nicht ganz hin­ge­kriegt, in so eine Kloß-Stim­mung kom­me ich deut­lich ein­fa­cher. Aber gene­rell bin ich eher von den bei­den was – und ein biss­chen was von dem Bar­mann wahr­schein­lich auch. Und von dem Typen, der immer in der Ecke sitzt.

Sagt der eigent­lich irgend­wann noch mal was?

Nein. Höchs­tens nach Dreh­schluss.

Was sind Dei­ne nächs­ten Plä­ne? „Kloß & Spin­ne – Der Film“?

Nee, mal gucken, was pas­siert. Ich schrei­be immer wie­der neue Fol­gen fürs Radio und das macht viel Spaß und ich hof­fe, sie blei­ben auch gut.

Links
Vol­ker Strü­bings Web­site
Schnip­sel­fried­hof – Vol­ker Strü­bings Blog