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This land is your land, this land is my land

Die Fra­ge, was eigent­lich typisch deutsch sei, ist sicher­lich bedeu­tend älter als die Bun­des­re­pu­blik und nicht sel­ten wird als Ant­wort gege­ben, eben so eine Fra­ge sei typisch deutsch. Wer von einem län­ge­ren Aus­lands­auf­ent­halt zurück­kehrt, wird bei sei­nen Lands­leu­ten eine umfang­rei­che Samm­lung andern­orts nicht vor­ge­fun­de­ner Marot­ten ent­de­cken (ich per­sön­lich wür­de „Rau­chen wie ein Schlot“ und „stän­di­ges Meckern“ nen­nen, sowie das schlech­te Wet­ter, was aber nicht an den Leu­ten selbst liegt). Wer gar als Aus­län­der nach Deutsch­land kommt, wird einen sehr eige­nen Blick auf das Land und sei­ne Men­schen haben und wenn die­ser Blick gut geschärft ist und der Bli­cker ein Buch dar­über schreibt, dann ist klar, dass ich das lesen muss.

Eric T. Han­sen wuchs auf Hawaii auf, kam als Mor­mo­nen­mis­sio­nar nach Deutsch­land und schwor als ers­tes sei­nem Mis­sio­na­ren­tum ab. Statt­des­sen beschäf­tig­te er sich aus­gie­big mit der deut­schen Geschich­te, Lite­ra­tur und Gesell­schaft. Sein Buch „Pla­net Ger­ma­ny“ lässt sich am Bes­ten als Rei­se­füh­rer für Ein­hei­mi­sche beschrei­ben: Han­sen greift dar­in typisch deut­sche Selbst­ein­schät­zun­gen auf und zer­rupft sie genüss­lich. Die Deut­schen sind Worko­ho­lics? Nir­gend­wo sonst wird mehr Geld für Urlaub aus­ge­ge­ben. Die Deut­schen lie­ben die Hoch­kul­tur? Es gibt nichts erfolg­rei­che­res als Volks­mu­sik­sen­dun­gen. Ganz neben­bei erklärt Han­sen den auf­merk­sa­men Lesern so eini­ges über die Geschich­te Deutsch­lands, sei­ne bedeu­tends­ten Erfin­der und zieht dabei immer wie­der Par­al­le­len zu sei­ner eigent­li­chen Hei­mat, den USA. Schnell wird deut­lich: was den Deut­schen fehlt, ist vor allem Selbst­be­wusst­sein. Der Deut­sche nör­gelt am liebs­ten und redet alles schlecht – am liebs­ten sein eige­nes Hei­mat­land.

Dabei lernt man (gera­de als Deut­scher) so eini­ges: wenn Han­sen in weni­gen Sät­zen klar macht, dass wei­te Tei­le der deut­schen Wirt­schaft heu­te noch Rege­lun­gen unter­wor­fen sind, die aus dem Mit­tel­al­ter stam­men, möch­te man sofort der FDP bei­tre­ten. Trotz­dem ist das Buch gut, es ist unter­halt­sam und lehr­reich. Und: es wirft Fra­gen auf, die man sich selbst wohl noch nie gestellt hat. Ob das Buch einer dif­fe­ren­zier­ten Betrach­tung stand hiel­te, ist eigent­lich zweit­ran­gig, aber nicht mal aus­zu­schlie­ßen: Han­sen hat sehr gründ­lich recher­chiert und arbei­tet sich von dort mit einer Mischung aus gesun­dem Men­schen­ver­stand und Schalk im Nacken wei­ter. Allein das Kapi­tel, in dem er nam­haf­te Poli­ti­ker erklä­ren lässt, was noch mal das Beson­de­re an Goe­the und Schil­ler war, soll­te in jedem Deutsch-LK bespro­chen wer­den: Von sech­sen geht genau einer (Lothar Bis­ky von der Links­par­tei), wenigs­tens halb­wegs ange­mes­sen auf das lite­ra­ri­sche Schaf­fen der bei­den ein. Dafür schafft es jede Par­tei, die­se „Dich­ter und Den­ker“ mit dem eige­nen Pro­gramm auf Linie zu brin­gen.

Die gan­ze Zeit bleibt klar: Eric T. Han­sen mag die Deut­schen und ihr Land und er kann beim bes­ten Wil­len nicht ver­ste­hen, war­um sie es nicht selbst auch mögen. Den schma­len Grat zwi­schen „Schluss­strich“ und „Täter­volk“ lässt er nicht aus, aber er beschrei­tet ihn so leicht­fü­ßig, wie es wohl nur ein Aus­län­der kann. Das, was Han­sen anspricht, wäre dann mög­li­cher­wei­se „posi­ti­ver Patrio­tis­mus“, nicht das Wedeln mit Fähn­chen bei Sport­groß­ver­an­stal­tun­gen. Ein paar Argu­men­ta­tio­nen und Ideen erin­nern dann auch ein wenig an Micha­el Moo­re – nur dass der die freie Markt­wirt­schaft ver­mut­lich nicht ganz so laut lob­prei­sen wür­de.

Ich wür­de mir wün­schen, dass jeder die­ses Buch liest – danach kön­nen wir wei­ter­dis­ku­tie­ren.