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Packende Geschichte

Ich muss irgendwann einmal versehentlich den Erzengel Gabriel verärgert haben, denn anders lässt sich die Art und Weise, in der Post- und Paketzusteller mich behandeln, kaum noch erklären. Oder, um es freundlicher auszudrücken: Es ist in der Menschheitsgeschichte schon aus nichtigeren Gründen als der Nicht-Zustellung dringend erwarteter Pakete zu langjährigen kriegerischen Auseinandersetzungen gekommen.

Weil mich der DHL-Zusteller ja grundsätzlich nicht zuhause antrifft (auch oder gerade wenn ich den ganzen Tag in meiner Wohnung hocke), habe ich mir den Ratschlag meiner Beraterkommission zu Herzen genommen und mich für eine sogenannte Packstation angemeldet. Packstationen sind im Grunde die völlige Negation des Postwesens, weil man sich plötzlich selbst darum kümmern muss, wie man das Paket in sein Haus bekommt. Dafür haben sie rund um die Uhr geöffnet und befinden sich nicht wie die Postagenturen, aus denen man seine Sendungen wochentags zwischen Zwölf und Mittag abholen kann, am Arsch der Heide. Und wenn man tagsüber nicht zuhause ist (oder man den selben Zusteller hat wie ich), sind sie die einzige Möglichkeit, Pakete zu empfangen.

Ich meldete mich also im Internet für die Packstation an und bekam kurz darauf ein Anschreiben mit einer goldenen Kundenkarte. Die kriegt (anders als bei Kredit- oder Bonusmeilenkarten) jeder Kunde, damit er denkt, es sei etwas ganz besonderes, den Job des Postboten selbst übernehmen zu dürfen. In dem Anschreiben stand, meine “PostPin”, mit der ich die Packstation dann auch öffnen kann, werde mir “in wenigen Tagen” per Einschreiben zugehen.

Die Tage kamen und gingen und überschritten meine persönliche Definition von “wenige” erheblich. Ich nutzte also wider besseres Wissen das Kontaktformular auf der Internetseite von DHL, um mich nach dem Verbleib meiner “PostPin” zu erkundigen. Es war die Mühe ausformulierter Sätze nicht wert, denn das Kontaktformular von DHL ist ein toter Briefkasten. Selbst die Zeit, die man bräuchte, knackige Beleidigungen in die Tastatur zu hacken, wäre verschenkt: ich bin mittlerweile davon überzeugt, dass die Kontaktversuche nicht nur nicht gelesen werden — sie werden vermutlich nicht einmal verschickt. Jedes Stoßgebet wirkt besser als eine E-Mail an DHL.

Ein paar Tage später rief ich bei der kostenpflichtigen Packstations-Hotline an und trug mein Anliegen vor. Nachdem sie sich meine Geschichte bis zum Schluss angehört hatte, erklärte mir die Callcenter-Agentin mit angsterfüllter Stimme, die Server seien leider alle ausgefallen und sie könne meine Daten jetzt nicht nachgucken. Ich möge es doch bitte später noch einmal versuchen.

Ich ließ DHL also eine Woche Zeit, die Server zu reparieren, und beschloss dann, erneut Geld an der Hotline zu verballern. Diesmal klappten die Server, aber der freundliche Mann am anderen Ende konnte sich trotzdem nicht erklären, wo mein Einschreiben abgeblieben sein könnte. Er versprach, sich darum zu kümmern. Und in der Tat bekam ich zwei Tage später Post von DHL: ein Anschreiben mit einer goldenen Kundenkarte. In dem Anschreiben stand, meine “PostPin” werde mir “in wenigen Tagen” per Einschreiben zugehen.

Weitere zwei Tage später schaute ich abends, als ich mich nach einem Tag in der Wohnung ins Bochumer Nachtleben stürzen wollte, in meinen Briefkasten und fand dort – ich weiß, es ist weder überraschend noch witzig – eine Benachrichtigungskarte der Deutschen Post. Ein Einschreiben für mich habe nicht zugestellt werden können, erklärte mir da mein Briefträger, den ich erst vor wenigen Wochen auf der Straße abgefangen und leider nicht zur Sau gemacht hatte, nachdem er mir eine Benachrichtigungskarte in den Briefkasten geworfen hatte, während ich zuhause hockte. Meine Theorie, dass er die Sendungen einfach direkt auf der Post liegen ließe und nur bereits ausgefüllte Benachrichtigungskarten austrüge, hatte sich da im Übrigen nicht bestätigt: er hatte das Päckchen in seinem Schiebewägelchen und händigte es mir auch sofort aus.

Gerade war ich bei der Post (zum Glück im Hauptpostamt am Hauptbahnhof und nicht am Arsch der Heide) und habe das Einschreiben abgeholt. Als ich kurz erzählte, dass ich trotz Anwesenheit eine Benachrichtigungskarte bekommen habe, und die Frage des fast besorgniserregend freundlichen Schalterbeamten, ob ich weit oben wohnen würde, mit “Ja” beantwortet hatte, meinte dieser zu mir, ich hätte offensichtlich einen “faulen Briefträger”, dem ich mal “in den Hintern treten” solle. Ich werde mich bei Gelegenheit gerne auf ihn berufen.

Ansonsten bin ich natürlich gespannt, was die Deutsche Post und DHL als nächstes unternehmen wollen, um mich zu ärgern. Falls Sie irgendwann in der Zeitung von einer Packstation lesen sollten, die von Globalisierungsgegnern/Psychopathen/Außerirdischen in die Luft gesprengt wurde: das war dann sicher meine.